Welcher Anlegertyp bin ich?

Mit der Eröffnung der eigenen Praxis beweisen Zahnärzte, dass sie durchaus ein kalkuliertes Risiko eingehen können. Bei privaten Finanzentscheidungen sollten sie das Risiko mindestens ebenso präzise prüfen – und überlegen, wie weit sie persönlich gehen wollen. Dabei hilft der Leitfaden zur Eigen-Anamnese des Risikoprofils, den Finanzexperte Davor Horvat im Folgenden präsentiert.
In mancherlei Hinsicht ähneln sich die Entscheidungen, in den Aufbau einer Praxis bzw. in eine Vermögensanlage zu investieren: Beide hängen maßgeblich von der Erwartungshaltung an den Erfolg und damit vom Risiko ab. Wobei Finanzanlagen noch sensibler auf externe Einflüsse reagieren als eine Praxis, deren Wohl und Wehe der Zahnarzt oder die Zahnärztin selbst beeinflusst.
Bei einer sehr konservativen Anlagestrategie besteht die Gefahr, dass sie das Vermögen der Anleger Jahr für Jahr schrumpfen lässt. Wollen Anleger ihr Vermögen real (also nach Abzug von Kosten, Inflation und Steuern) erhalten oder gar vermehren, müssen sie bei Geldanlagen höhere Risiken eingehen. Die richtige Risikoeinstufung ist also der erste und wichtigste Schritt vor der Gestaltung des Anlageportfolios. Viele Anleger haben jahrelang gute Erfolge erzielt, sind dann zu hohe Risiken eingegangen – und haben am Ende alles wieder verloren. Andere springen auf den Zug des jeweiligen Anlagetrends auf, um am Ende enttäuscht zu sein über die Ergebnisse. Wieder andere verwerfen emotional eine langfristige Strategie aufgrund von Ereignissen von kurzfristiger Wirkung. Ein Beispiel: Die großen Energiekonzerne schreiben schwache Zahlen, also verkauft der Anleger diese Aktien, um sich teuer in nachhaltige Werte einzukaufen. Privatanleger, die die erforderliche Disziplin, Ausdauer und das Knowhow für den langfristigen Erfolg besitzen, sind die seltene Ausnahme. Emotionale, kurzsichtige Entscheidungen aber schaden dem Anlageerfolg.
„100 minus Lebensalter“, so lautet eine alte Anleger-Regel für die Bestimmung der Aktienquote in einem Portfolio. Diese pauschale Regel impliziert allerdings, die „richtige“ Aktienquote sei so für alle Menschen einfach zu bestimmen. Dem ist nicht so, denn die Risikobereitschaft wie auch die Nervenstärke sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Wenn Anleger ihr Vermögen systematisch investieren wollen, müssen sie klare Ziele und Strategien verfolgen und sich selbst einschätzen können.
Wichtige Konstanten: Zeit und Ziele
Bei Vermögensanlagen gibt es immer Zielkonflikte. Anleger wünschen sich eine Anlage
- mit hohem jährlichem Wertzuwachs (Rendite),
- ohne Kursschwankungen (Risiko),
- mit hoher Einsetzbarkeit (Fungibilität), die jederzeit zum fairen Wert verkauft werden kann (Liquidität).
Leider gibt es keine Vermögensanlage, die alle drei Kriterien voll erfüllt: Mit einem Minimum an Risiko wird sich nie der höchstmögliche Ertrag erzielen lassen. Um das optimale Verhältnis zwischen Risiko und Erwartung zu finden, ist zuerst ein genaues Risikoprofil zu erstellen. Und dieses ist wiederum abhängig vom persönlichen Ziel, das mit einer Geldanlage verbunden ist, etwa dem langfristigen Aufbau der Altersvorsorge über mittelfristiges Sparen für eine größere Anschaffung bis hin zur kurzfristigen Bildung einer liquiden Reserve für unvorhergesehene Ausgaben. Basierend auf solchen Zielen ergeben sich unterschiedliche Zeithorizonte sowie daraus resultierende Risikoquoten.
Sind die Restlaufzeiten bis zur Ziellinie kurz – betragen sie also weniger als drei Jahre, so sollten Anleger von vornherein auf risikoarme Anlagen wie Tagesgeldkonten setzen und nicht auf die Erzielung von hohen Renditen an den Kapitalmärkten spekulieren. Bei mittelfristigen Anlagehorizonten von drei, fünf oder sieben Jahren müssen Anleger entscheiden, welchen maximalen Verlust sie bereit sind zu akzeptieren, denn sonst können zu große Lücken am Ende entstehen und das Geld für das benötigte Ziel fehlt. Alle langfristig orientierten Anleger, die länger als zehn Jahre investieren möchten, brauchen Geduld und die Bereitschaft, Marktschwankungen hinzunehmen. Nach diesem groben Filter folgt die ganz individuelle Risikoprofilierung in drei Schritten:
Schritt 1: Welchem Risikotyp entspreche ich?
Der Vorsichtige: Das Ziel dieses konservativen Anlegertyps ist, eine marktgerechte Verzinsung zu erreichen, die aber über der von festverzinslichen Wertpapieren liegt. Dieser Anlegertyp wird einen risikoorientierten Aktienanteil von maximal 40 % haben. Seine maximale Verlustgrenze in einem Jahr könnte beispielsweise bei etwa 4 bis 8 % und seine langfristig zu erwartende durchschnittliche Rendite bei maximal 5 % im Jahr liegen.
Der Mutige: Bleiben wir bei dem Anleger mit einer langfristigen Strategie. Anleger, die sich eher gewinnorientiert sehen und dafür ein bestimmtes Risiko auf sich nehmen, können ihren Kapitalzuwachs überwiegend aus Aktienmarktchancen erzielen. Sie gehen dabei Verlustrisiken aufgrund möglicher Kursschwankungen ein; ihr Ziel ist die Erwirtschaftung einer langfristig höheren Rendite durch kursgewinnorientierte Anlagen. Der Aktienanteil bei diesem Risikotyp liegt zwischen 50 und 70 %. Die daraus resultierende Verlustgrenze liegt innerhalb eines Jahres zwischen 9 und 17 %. Anleger, die bereit sind, diese Risiken langfristig einzugehen, erwarten eine Rendite von ca. 7 % im Jahr.
Der Risikofreudige: Sind Anleger bereit, für eine überdurchschnittlich hohe Ertragserwartung zwischenzeitlich hohe Risiken einzugehen, so können sie den Vermögenszuwachs vorrangig aus Marktchancen erzielen. Dieser Anlegertyp akzeptiert also während der Anlagezeit auch einmal hohe Verluste von bis zu 25 % und mehr innerhalb eines Jahres, die sich aus möglichen Kurs-, Zins- und Währungsschwankungen sowie höheren Bonitätsrisiken ergeben. Um im Gegenzug dazu hohe Kursgewinne erreichen zu können, muss dieser Anlegertyp bereit sein, 80 % und mehr seines Kapitals in den Aktien- sowie Rohstoffmärkten zu investieren. Ist ein Anleger bereit, über die Jahre diese Turbulenzen in Kauf zu nehmen, liegt die erwartete Rendite langfristig bei deutlich über 8 % im Jahr.
Schritt 2: Risikofähigkeit – wie viel darf ich riskieren?
Nach der groben Einschätzung des Anlegertyps folgt die Ermittlung der tatsächlichen Risikofähigkeit des Anlegers. Dabei gilt es, die Höhe der Risiken zu ermessen und mit den persönlichen Vorgaben des Anlegers abzugleichen. Grundsätzlich ist ein Anleger umso risikofähiger, je
- jünger er ist,
- länger er das Geld nicht benötigt (der Anlagehorizont),
- weniger er auf das Vermögen angewiesen ist,
- größer die Ersparnisse und die erwartete Sparquote sind,
- besser er bereits gegen verschiedene Risiken abgesichert ist,
- geringer die finanziellen Verpflichtungen/Fixkosten sind. Die Risikofähigkeit ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite, der ebenfalls zu bestimmende Faktor des Risikoprofils, ist die Risikobereitschaft.
Schritt 3: Risikobereitschaft und Risikofähigkeit in Übereinstimmung bringen
Die eigene Risikobereitschaft einzuschätzen, ist aufgrund der hohen Emotionalität der vielleicht schwierigste Aspekt bei der Suche nach einem passenden Anlagekonzept. Im Gegensatz zur klar zu analysierenden Risikofähigkeit hängt die Risikobereitschaft stark von der Persönlichkeit und der Erfahrungen in der Geldanlage ab. Aber: Übermut tut selten gut. An dieser Stelle ist der Finanzberater gefragt, seinem Kunden mögliche Konsequenzen aus einer riskanteren Anlage schonungslos aufzuzeigen oder vor einer Abkehr von der erfolgreichen Langfriststrategie wegen kurzfristiger Verluste zu warnen. Sein Job ist es, zu ermitteln, welche Anlagen welches Chancen-Risiko- Verhältnis aufweisen und entsprechend zu welcher Risikobereitschaft und -fähigkeit passen.
Fazit
Die Risikobereitschaft und die Risikofähigkeit einer ehrlichen Selbstanamnese zuzuführen, kommt bei der Kapitalanlage also erhebliche Bedeutung zu. Wer hier falsch ansetzt, wird seine finanziellen Ziele nur schwer erreichen, Enttäuschungen erleben und die Strategie in der Regel nicht durchhalten. Eine Risikoprofilierung sollte also nicht nur mit ein paar Fragen und Häkchen erledigt sein – sie verdient ganz besonders viel Aufmerksamkeit.