Gute Mitarbeiter finden und binden

Der „Krieg um Talente“ ist an einigen Orten schon offen ausgebrochen – und neue gute Mitarbeiter zu finden, zum Wettbewerb geworden. Doch damit Ihre Mitarbeiter auch in Ihrer Praxis bleiben wollen, müssen Sie eine gute Führung beweisen und ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem alle gern arbeiten und ihr Bestes für das Team geben. Idealerweise empfinden die Mitarbeiter sich als wichtigen Teil des Praxisgefüges und identifizieren sich in hohem Maß mit ihrer Praxis. Der nachfolgende Artikel erläutert, was eine gute Führung ausmacht.
Das Abwerben – früher aus kollegialer Sicht ein absolutes Tabu – ist leider keine Seltenheit mehr. Hinzu kommt, dass auch branchenfremde Unternehmen um gute Kräfte buhlen und mit großem Geld und attraktiven Arbeitszeiten locken. Wohl den Praxisinhabern, deren Mitarbeiter sich zu den 15% der Arbeitnehmer zählen, die eine hohe emotionale Bindung zu ihrer Praxis entwickelt und daher keine Wechselgedanken haben [1]. Denn diese Praxisinhaber haben auch zumeist immer mal wieder Initiativbewerbungen, sodass sie im Falle eines Personalausfalls einfach nur ihre Bewerberlisten abtelefonieren müssen, um kurzfristig einen neuen Mitarbeiter zu finden. Was machen diese Arbeitgeber anders, sprich besser, als andere?
Das Fundament: ein angenehmes Arbeitsumfeld
Gute Führung zeichnet sich zunächst einmal dadurch aus, dass sie auf Augenhöhe stattfindet. Jeder im Team wird mit Respekt und wertschätzend behandelt – genauso wie man selbst auch behandelt werden möchte. Wer sich diesen Leitsatz vor Augen hält und im Alltag beherzigt, hat schon ein solides Fundament. Der Führungsstil, der diesem Anspruch gerecht wird, heißt in der Sprache der Arbeits- und Organisationspsychologen „transformational“. Transformationale Führung zielt darauf ab, intrinsische Motivation bei den Mitarbeitern zu erzeugen. Das ist die Motivation, die aus den Mitarbeitern selbst kommt und nicht durch äußere Anreize, wie z.B. eine Gehaltserhöhung, hervorgerufen wird. Diese erzeugt übrigens nur kurzfristig extrinsische Motivation und verliert – durch den Gewöhnungseffekt – zumeist nach spätestens 3 Monaten an Wirkung.
Transformationale Führung umfasst 4 Aspekte:
- Artikulation einer Vision
Da, wo es Praxisinhabern gelingt, ihren Mitarbeitern aufzuzeigen, wo die „Praxis-Reise“ hingeht, und Sie sich in dieser Vision bzw. diesen Zielen wiederfinden, hat ihre Arbeit einen Sinn. Sinn ist für die meisten von uns wichtig, denn daraus ziehen wir unsere Motivation. Auch wird die Arbeit dadurch als wertig empfunden, also als wichtig für andere innerhalb und außerhalb der Praxis angesehen. Dies wiederum ist Voraussetzung für Arbeitszufriedenheit. - Vorbildfunktion
Die Chefs, die selbst mit gutem Beispiel auf die Praxisvision/-ziele hinarbeiten und deutlich zeigen, dass sie für bestimmte Werte stehen, aber auch Grenzen setzen, geben durch ihr Vorbildsein Mitarbeitern Orientierung und damit den Rahmen für das eigene Handeln vor. - Förderung der Akzeptanz der Gruppenziele
Praxisinhaber schaffen ein Umfeld, in dem sich jeder als Mitglied des Teams versteht. Gerade für Zahnarztpraxen mit kleinen Teams ist dieser Aspekt von besonderer Bedeutung. Immer wieder gibt es z.B. durch die jährliche Grippewelle Engpasssituationen, in denen jeder den Blick für das große Ganze behalten muss, damit die Prioritäten richtig gesetzt werden können. Es darf beispielsweise nicht sein, dass die Abrechnungsfachkraft fleißig weiter Briefe kuvertiert und frankiert, während sich im Wartezimmer die Patienten schon stapeln, weil die Zimmer nicht rechtzeitig fertig werden. In dieser Situation muss die Abrechnungsfachkraft für sich erkennen, dass es viel wichtiger ist, den Kollegen in der Assistenz beizuspringen, als die Briefe weiter zu bearbeiten. Der Patient sollte schließlich den Eindruck bekommen, dass in der Praxis alles rund läuft. Fehlt dieser Blick auf das große Ganze, sind Konflikte vorprogrammiert. Das wird sehr häufig in Coachings festgestellt. - Intellektuelle Stimulation
Mitarbeiter wünschen sich von ihren Chefs geistige Anregung. Sie möchten persönlich und fachlich wachsen. Das können sie jedoch nur, wenn sie dazu angeregt werden und z.B. neue Perspektiven aufgezeigt bekommen, Dinge ausprobieren und auch Fehler machen dürfen.
Gefragt sind also Leader, nicht Manager. Leader sind Führungskräfte, bei denen der Mensch im Mittelpunkt steht – beim Manager sind es die Prozesse. Dem Leader folgen Mitarbeiter freiwillig, weil sie sich eingebunden fühlen und eine hohe Identifikation mit der Praxis ausbilden. Letzteres führt unmittelbar zu einer hohen intrinsischen Motivation. Dennoch ist auch ein gelebtes QM wichtig, denn jeder Mitarbeiter sollte seine Verantwortlichkeiten genau kennen und wissen, welche Bedeutung seine Arbeit für das Funktionieren der Praxis hat.
Überall dort, wo es keine klaren Zuständigkeiten gibt, reißen sich Mitarbeiter um die beliebten Aufgaben und die ungeliebten werden gar nicht erledigt – ein wunderbarer Nährboden für Konflikte im Team. Daher kommt auch die bekannte Interpretation des Wortes „Team“ (= Toll, Ein Anderer Macht’s). Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Aufgaben möglichst vollständig sind, also sowohl die Planung und Umsetzung als auch die Endkontrolle umfassen. Natürlich ist das in der Praxis aufgrund unterschiedlicher fachlicher und personeller Anforderungen und Voraussetzungen nicht überall möglich. Es muss ein gesunder Mittelweg gefunden werden, um eintönige Tätigkeiten und damit Langeweile so weit wie möglich zu vermeiden. In diesem Kontext ist es auch wichtig, dass Mitarbeiter Handlungsspielräume wahrnehmen. Auch sie vermeiden durch Variation einen monotonen Arbeitsalltag und bieten Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten persönlicher und fachlicher Natur.
Als letzter großer Einflussfaktor guter Führung ist die vollständige und frühzeitige Information aller Praxis betreffenden Aspekte zu nennen. Das bietet Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Arbeit korrekt zu erledigen und im Zusammenhang zum großen Ganzen zu sehen. Viel wichtiger ist es jedoch, dass Informationen auch das subjektive Wohlbefinden von Mitarbeitern verbessern. Sie fühlen sich als Beteiligte und entwickeln so eine hohe Identifikation mit der Praxis. Die genannten Teilaspekte guter Führung bilden das Fundament der Mitarbeiterbindung, denn in so einem Umfeld macht allen Beteiligten das Arbeiten Spaß, weil das ganze Team mit Herz und Leidenschaft dabei ist. Hinzu kommt, dass sich dieses Wohlfühlklima in der gut vernetzten Mitarbeiterschaft herumspricht und neue Mitarbeiter angezogen werden, die genau so ein Arbeitsumfeld für sich suchen. Dann dürfen sich diese Praxisinhaber über Initiativbewerbungen engagierter Mitarbeiter freuen.
Personalsuche ist Teamarbeit
Die Mitarbeiter können Stellenausschreibungen passgenauer formulieren. Sie wissen, was ihnen wichtig ist und warum sie gerade in Ihrer Praxis arbeiten, und können daher besser einschätzen, was potenziellen Kollegen wichtig ist. Dadurch gelingt die zielgruppengenaue Ansprache. Wie wäre es z.B. mit einem handgemachten Praxis-Video, damit sich ein potenzieller Bewerber ein Bild von dem Arbeitsumfeld machen kann, das ihn erwartet? Oder mit einem unterstützenden Bild? Inspiration bietet beispielsweise die Facebook-Seite der Metzgerei Hack von Steffen Schütze. Er hat einen sehr originellen Weg gefunden, Azubis zu suchen, und dadurch reiche Presseveröffentlichungen geerntet. Interessant ist auch ein YouTube-Video von Tabea Budke und Said Adrien Mucur, das von proDente den Kommunikationspreis erhielt. Das YouTube- Video „Glaserei sucht Lehrling“ beispielsweise, das auf Facebook 4 Millionen Mal aufgerufen wurde, hat dem Initiator 36 Bewerbungen eingebracht, aus denen er 3 Azubis für 2018 auswählen konnte. Auch für das Ausbildungsjahr 2019 hat er bereits erste Anfragen vorliegen.
Potenzielle Mitarbeiter wollen wissen, welche Aufgaben sie haben werden, um abschätzen zu können, ob sie dem Suchprofil entsprechen. Außerdem wollen sie wissen, welche Praxisphilosophie der potenzielle Arbeitgeber hat, um beurteilen zu können, ob sie ins Team passen. Wenn Sie gezielt Topkräfte anwerben möchten, sollten Sie darüber hinaus wissen, was diesen A-Mitarbeitern wichtig ist: die Arbeitsatmosphäre, interessante Aufgaben, offene Kommunikation, Karriere/Weiterbildung, Gehalt/Sozialleistungen und andere Arbeitsbedingungen. Nutzen Sie für die Personalsuche die Medien und Orte, in/an denen sich potenzielle Mitarbeiter tummeln. Das sind z.B. die einschlägigen Facebook-Gruppen, Instagram, kununu, die Teamzeitschriften, Fortbildungsveranstaltungen, Schulen. Dort findet ein reger Austausch auch über offene Stellen und Erfahrungen mit den Praxen statt. Wichtig ist es, in den sozialen Medien Anzeigen zu schalten. Es reicht nicht aus, nur die Stellenanzeige zu teilen. Eine ausreichende Reichweite wird erst erzielt, wenn eine – kostenpflichtige – Anzeige geschaltet wird. Der Preis dafür ist zumeist überschaubar. Bitten Sie Ihre Mitarbeiter (insbesondere Ihre A-Mitarbeiter), die Anzeige über ihre Netzwerke zu teilen.
Bieten Sie Ihren Topkräften eine Empfehlungsprämie für neue Kollegen. Warum nur den Topkräften? A-Kräfte empfehlen auch A-Kräfte. Sie erkennen sich gegenseitig auf den ersten Blick und lieben es, in einem inspirierenden Umfeld zu arbeiten. Sie scheuen keine Konkurrenz mit anderen, weil sie genau wissen, dass sie daran nur wachsen können. Außerdem werden A-Kräfte nur Mitarbeiter empfehlen, die auch zur Praxis passen. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit des „Cultural Fit“ und Fehlinvestitionen in falsche Mitarbeiter werden vermieden. Suchen Sie außerhalb der Box: Weiten Sie Ihren Fokus aus und schauen Sie, ob Sie nicht Ihrerseits ungenutzte Potenziale auf dem Arbeitsmarkt nutzen können. Wenn Ihnen, wo auch immer, jemand auffällt, der ein besonders serviceorientiertes Verhalten an den Tag legt, und Sie sich vorstellen können, dass der Mitarbeiter gut in Ihr Team passen könnte, sprechen Sie ihn darauf an, ob er sich seinerseits vorstellen kann, zu Ihnen zu wechseln. Viele Praxen beschäftigen mittlerweile Kräfte aus der Hotelbranche oder dem Einzelhandel und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Umgekehrt schätzen diese Mitarbeiter die im Vergleich zu ihrer Ursprungsbranche besseren Arbeitszeiten und Gehälter. Es ist eben alles relativ.
Nehmen Sie auch ältere Mitarbeiter ins Visier. Leider machen mittlerweile etliche Praxen zu, weil sich kein Nachfolger findet.
Halten Sie daher Ihre Augen offen und zeigen Sie infrage kommenden Kollegen, dass Sie an einer Übernahme ihres Personals Interesse haben. Die Kollegen freuen sich zumeist darüber, wenn sie ihre Mitarbeiter nach der Praxisauflösung in guten Händen wissen. Das Gleiche gilt für Mitarbeiter aus dem Kranken(pflege)- bereich, die aus körperlichen Gründen ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben wollen oder können. Sie haben bereits die erforderlichen Kenntnisse rund um Praxis-/Klinikabläufe und Hygiene und finden sich dadurch leicht in die Zahnarztwelt ein.
Interessant könnten auch ungelernte Kräfte sein, die keinen Schulabschluss haben. Voraussetzung dafür ist, dass sie wirklich etwas an ihrer Situation ändern wollen. Viele merken irgendwann im Laufe ihres Lebens, dass sie ihre Chancen bislang nicht genutzt haben, und sind überglücklich, wenn sie erneut die Möglichkeit bekommen, doch noch etwas aus sich zu machen. Ersparen Sie sich durch eine rechtzeitige Vorsorge und Ausbildung die aufwendige Suche nach Personal. Zwar ist das Ausbilden mit Herausforderungen verbunden. Das „Rohmaterial“ hat eine andere Qualität als früher. Doch wenn es gelingt, die Mitarbeiter ihren Begabungen und Neigungen entsprechend einzusetzen, kann man deren Motivation „wachküssen“. Es lohnt sich.
Fazit
Wenn Sie diese Tipps im Praxisalltag beherzigen, schaffen Sie nicht nur ein Arbeitsumfeld, in dem allen das Arbeiten Spaß macht, weil das ganze Team mit Herz und Leidenschaft dabei ist, sondern locken auch ganz nebenbei neue Mitarbeiter in die Praxis, die genauso ein Arbeitsumfeld für sich suchen. Wenn Sie Mitarbeiter suchen, trauen Sie sich, neue, unkonventionelle, möglichst authentische Wege zu gehen, damit Sie sich im Kampf um die Talente die Poleposition sichern.
Quelle:
[1] Gallup Engagement Index 2018.