Zahnärztliche Haftung für fehlerhafte Arbeit des Zahntechnikers

Das Landgericht Köln (LG Köln, Urteil vom 26.10.2021 – 3 O 6/20) hat sich im Rahmen einer „jüngeren“ Entscheidung mit Ansprüchen auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz, aufgrund einer zahnärztlichen Fehlbehandlung, im Zusammenhang mit der Erstellung einer Prothese beschäftigt.
Auslegungspunkt des Haftungsrecht
Zentraler Gesichtspunkt des (zahn-)ärztlichen Haftungsrechts ist der medizinische Standard im Sinne des § 630a Abs. 2 BGB. Danach hat die Behandlung nach den zu dem Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. Die jeweils im Einzelfall zu klärende Frage, ob eine Schädigung der Gesundheit des Patienten durch die (zahn-)medizinische Behandlung vorwerfbar verursacht wurde, kann und darf nur unter Bestimmung dessen, welche Leistung von dem Behandelnden in der konkreten Behandlungssituation erwartet werden durfte, beantwortet werden. Unter Beachtung dieser Grundsätze kommt die sachverständige Bewertung, in dem durch das Landgericht Köln zu entscheidenden Fall, zu dem Schluss, dass die durch die Zahnärztin eingegliederte Prothese für den Patienten unbrauchbar ist.
Die Fertigung der Prothetik
Die hier erfolgte prothetische Versorgung stellt aufgrund des Umstandes, dass die Innenteleskope aus PEEK und einem Gerüst aus einer Nichtedelmetalllegierung gefertigt waren, gerade keine wissenschaftlich etablierte und bewährte Versorgung dar, sondern ist lediglich als Heilversuch zu werten, der im Rahmen der Behandlung offensichtlich fehlgeschlagen ist, da die Innenteleskope verlustig gegangen sind. Bei dem verwendeten Material handelt es sich zwar grundsätzlich um einen modernen dentalen Werkstoff, der sich aber bezüglich seiner Eignung als Innenteleskop noch in der Erprobungsphase befindet.
Der Verlust der Innenteleskope bei dem hier verwendeten Material ist daher ein Mangel und stellt ein grundsätzliches Problem bei der Verwendung dieses Materials dar. Entgegen der Empfehlung des Herstellers hat die beklagte Zahnärztin die Teleskope auch lediglich mit einem Glasionomerzement (KETAC) zementiert, obwohl dieser eine Befestigung mittels einer adhäsiven Verbindung empfiehlt. Der Sitz der Prothese war aufgrund der verloren gegangenen Innenteile nicht stabil.
Ein weiteres Problem bei der Verwendung von PEEK ist eine höhere Plaqueaffinität. Dies ist bei einem Patienten, der für die behandelnde Zahnärztin offensichtlich nicht über eine optimale Mundhygiene verfügte, zusätzlich ungünstig.
Zwar konnte im Rahmen der sachverständigen Bewertung ein zahnärztlicher Behandlungsfehler durch die beklagte Zahnärztin persönlich nicht festgestellt werden, da die Prothetik durch den Zahntechniker gefertigt und die Fertigung aus PEEK nicht durch die beklagte Zahnärztin in Auftrag gegeben wurde. Auch ist es der beklagten Zahnärztin nicht vorwerfbar, dass sie nicht erkannt habe, dass die Prothetik nicht aus Zirkonoxid sondern aus PEEK bestanden habe. Dies deshalb, da es sich bei dem PEEK um ein Material handelt, welches nicht Teil der zahnmedizinischen Ausbildung ist und ein Unterschied insbesondere nicht erkennbar ist, wenn die Prothetik frisch aus dem Labor kommt und noch keine Gebrauchsspuren aufweist.
Zudem war die von dem Zahntechniker gewählte Art der Versorgung mit Innenteleskopen aus PEEK und einem Gerüst aus einer Nichtedelmetalllegierung aber auch völlig abwegig. Für den Fall, dass es sich um eine Zirkonprothetik gehandelt hätte, wäre diese durch die beklagte Zahnärztin auch korrekt zementiert worden.
Am langen Ende muss sich die beklagte Zahnärztin jedoch das Fehlverhalten des Zahntechnikers zurechnen lassen, da dieser bei der Erstellung des streitgegenständlichen Zahnersatzes als Erfüllungsgehilfe der beklagten Zahnärztin aufgetreten ist. Nach § 278 Abs. 1 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Person, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (so bereits der BGH in seinem Urteil vom 25.1.2017 – VIII ZR 249/15 = NJW 2017, 2608 Rn. 43).
Die Beklagte hat sich des Zahntechnikers über einen Zeitraum von 12 Jahren zur Herstellung der von ihr eingegliederten prothetischen Versorgung bedient. Darüber hinaus stellte sie die von dem Zahntechniker als Fremdlabor abgerechneten Kosten in ihre eigene Rechnung gegenüber dem Kläger ein.
Der rechtliche Ansatz
Das vertragliche (Zahn-)Arzthaftungsrecht knüpft an die Verletzungen der Pflichten an, welche sich für den behandelnden Arzt aus dem Behandlungsvertrag ergeben. Die §§ 630a ff. BGB regeln dabei die vertraglichen Pflichten der Parteien des Behandlungsvertrages. Eine Verletzung der dort beschriebenen Pflichten führt zu einer haftungsrechtlichen Verantwortung nach den allgemeinen Vertragshaftungsvorschriften des BGB.
Anknüpfungspunkt ist hier die zentrale vertragliche Haftungsnorm des § 280 Abs. 1 BGB aus der sich als Rechtsfolgen die Pflicht zum Ersatz der infolge der Pflichtverletzung entstandenen materiellen Schäden (§§ 249 ff. BGB) sowie bei Verletzung von Körper, Gesundheit oder (Fortbewegungs-)Freiheit auch die Zahlung von Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) ergeben kann. In dem vorliegenden Fall des Landgerichts Köln hat die Kammer bei der Bemessung des Schmerzensgeldes – neben weiteren Ansprüchen – bspw. einen Betrag in Höhe von 1.000 € als zum Ausgleich der bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erlittenen Beeinträchtigungen als notwendig, aber auch angemessen und ausreichend erachtet.

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