Update Komposite: Fallbeispiele – Teil 3

Fortsetzung
Extendierte Zahnhalsdefekte
Auch solche Herausforderungen, wie in Abbildung 53 erkennbar, gehören in den Indikationsbereich von Kompositen: ein Angstpatient, der eigentlich Kronen benötigt, diese aber ablehnt. Durch jahrelange falsche Zahnputzechnik und abrasive Zahnpasten ergaben sich diese „etwas größeren Zahnhalsdefekte“, wie die überweisende Kollegin ankündigte. Im vorliegenden Fall musste zunächst einmal verhindert werden, dass die Zähne abbrechen.
Mithilfe eines zirkulär um den Zahnhals gespannten Frasaco-Streifens, der sich in inzisaler Richtung trichterförmig öffnete und mit jeweils zwei Holzkeilchen approximal locker fixiert wurde, konnte eine zervikale Abdichtung mit suffizienter Kontaminationskontrolle erreicht werden. Durch diesen vorgegebenen Trichter konnte das Füllungsmaterial aus inzisaler Richtung mithilfe der Direktapplikation über Compulen eingespritzt werden. Die Adhäsivanwendung war wiederum
klassisch (Optibond FL), als erste Kompositschicht wurde ein hochvisköses Flowkomposit an die zervikale Stufe eingespritzt (Palfique Estelite LV Low Flow); als weiteres Komposit folgte Filtek Supreme XT (Schichtung aus A4D und A3,5B; Abb. 54). Sicherlich kein ästhetisch anspruchsvolles Ergebnis, aber zumindest ein funktionelles, das dem Patienten nun genügend Zeit lässt, sich langsam über Prophylaxemaßnahmen an weitere zahnärztliche Therapien heranführen zu lassen.Versorgung von Frontzahntraumata
Die Versorgung von Frontzahntraumata stellt nach wie vor eine der spektakulärsten Indikationen für Kompositversorgungen dar11. Als Hilfsmittel der Wahl stehen hier die bewährten Frasaco-Strip-Kronen im Vordergrund. Die Versorgung sieht meist dergestalt aus: direkter „provisorischer“ Kompositaufbau, dann Termin für Kronen- oder Veneerversorgung bzw. erneute ästhetische Frontzahnversorgung in direkter Technik mit Komposit – diesmal aufwendig geschichtet. Das Problem ist meist diese „provisorische Versorgung“: Sie muss schnell erfolgen, soll aber trotzdem halten, weshalb ein Adhäsivsystem verwendet werden muss – und sie soll auch hinsichtlich Form- und Farbgestaltung so erstellt werden, dass der Patient sich noch trauen kann, außer Haus zu gehen und seinen Mund aufzumachen. Der Zeitaufwand zur Einstellung von Okklusion und Artikulation ist eigentlich derselbe wie bei einer definitiven Versorgung. Schlussendlich hat man dann meist eine halbe Stunde Zeit mit der Versorgung verbracht, ist aber trotzdem nicht so richtig zufrieden, da die Form- und Farbgestaltung im besten Fall als Kompromiss angesehen werden müssen und eine erneute Intervention auf jeden Fall erforderlich ist. Zudem bleibt die „Vorfreude“, dann das zahnfarbene Komposit auf den Schmelz- und Dentinklebeflächen wieder zu entfernen, um für eine definitive Klebung eine frisch angeschliffene und nicht mit Monomeren blockierte Zahnhartsubstanz zu schaffen. Somit stellt sich die Frage, inwieweit ein gewisser Mehraufwand bei der Erstversorgung nicht auch zu einer ästhetisch anspruchsvollen, aber definitiven Versorgung führen könnte. Hierbei sollte ausnahmsweise einmal nicht an die „High End-Variante“ mit Wax-up auf vorher erstelltem Gipsmodell oder andere komplexe „Verschalungstechniken“ gedacht werden, sondern eher an ein relativ einfaches, wenn auch mit kleinen Kompromissen behaftetes Verfahren – die Frasaco-Kappen-Technik. Mit einem kleinen Trick, der in der Form schon im Fall der ästhetischen Korrektur der Frontzähne zur Anwendung kam, kann nämlich auch hier eine ästhetisch ansprechende Schichttechnik realisiert werden. Dies soll der folgende Fall verdeutlichen.
Die 19-jährige Patientin stellte sich nach einem Fahrradunfall und Erstversorgung im Notdienst vor. Zahn 13 war nur leicht mesio-inzisal traumatisiert; an Zahn 12 fehlte mehr als 50 % der Zahnhartsubstanz, bei Zahn 11 war ebenfalls ein bedeutsamer Zahnhartsubstanzverlust zu verzeichnen. Glücklicherweise lag bei keinem Zahn eine Pulpaexposition vor. Alle Schneidezähne reagierten positiv im Sensibilitätstest und waren weitestgehend schmerzfrei (Abb. 55). Da der Patientin an einer sofortigen Versorgung der Zähne gelegen war, kam man überein, die traumatisierten Zähne direkt mit Komposit aufzubauen, und zwar in einer Schichttechnik, die es erlaubt, die so versorgten Zähne zumindest für einen gewissen Übergangszeitraum als definitive Restaurationen anzusehen.
Nach Lokalanästhesie, dem Reinigen der Zähne und dem Abrunden aller Klebeflächen als einzige Präparationsmaßnahme20, erfolgte die Auswahl geeigneter Frasaco-Strip-Käppchen für die Zähne 11 und 12 (Abb. 56 u. 57). Als Erstes wurden mit einer Explorersonde Löcher in die Inzisalkanten der Käppchen gestochen. Dies verhindert auf einfache Weise, dass beim Einbringen des Kompositmaterials in das Käppchen in diesen Ecken Luftblasen zurückbleiben, die eine Adaptation des Restaurationsmaterials an diesen Stellen verhindern. Derartige Defektstellen sind trotz ihrer geringen Größe nachträglich nur schwer zu ergänzen, deswegen sollten sie bereits initial verhindert werden. Anschließend wurden die Käppchen mit einer Kronenschere auf die erforderliche Größe reduziert. Hierbei war es essenziell, dieses Anpassen derart präzise zu gestalten, dass nach Applikation des Kompositmaterials eine sichere lagegerechte Inzisalposition der Kappe gewährleistet werden konnte.
Die Farbauswahl (vorgenommen primär an dem Zahn 21) ergab als Farbton die Vita A2. An den Zähnen 12 und 11 wurde zunächst frei Hand ein Dentinkern aus der Dentinfarbe A2D (Filtek Supreme XT) aufgebaut (Abb. 58). Anschließend wurde zuerst etwas transluzente Schmelzmasse A2E in die Inzisalkante der Frasaco-Strip-Krone eingebracht, aber nicht ausgehärtet! Eine Polymerisation und damit eine Aushärtung dieses inzisalen Schmelzbereiches würde eventuell eine exakte Positionierung der Kappe in ihrer Endposition verhindern. Zudem würde sich ein recht scharfer Übergangsbereich zwischen den einzelnen Opazitäten abzeichnen. Es wurde eher angestrebt, dass die beiden Opazitäten unregelmäßig ineinander übergehen. Der Rest des auszufüllenden Volumens wurde mit der Universalmasse A2B aufgefüllt (ebenfalls Filtek Supreme XT). Beide Massen wurden vor der Einbringung in die Frasaco-Strip-Krone angewärmt12.
Beim Aufsetzen und „In-Position- Pressen“ des so gefüllten Käppchens ist es bedeutsam, langsam Druck aufzubauen, um dem Überschuss des Materials aufgrund seines thixotropen Effektes die Möglichkeit zu geben herauszufließen. Die Überstände konnten dann mit einem Modellierinstrument einfach abgenommen werden. Beim Vorliegen enger Approximalkontakte bietet es sich dann an, durch eine Vorverkeilung mit Ahornholzkeilen eine entsprechende Vorseparation der Zähne zu bewirken oder zum Zeitpunkt der Käppchenapplikation mithilfe eines approximal zervikal eingesetzten und leicht gedrehten breiten Heidemann-Spatels eine Aufweitung des Approximalraumes zu bewirken. Dadurch, dass die inzisal eingebrachte Schmelzmasse nicht separat polymerisiert wurde, verwischt diese unregelmäßig mit der darunter liegenden Body-Masse, bleibt aber in der Inzisalkante an sich vollständig erhalten. Dies ermöglicht eine recht natürlich aussehende „Wisch-Schichtung“ mit mehr Transluzenz inzisal und ausreichend Opazität im Hauptvolumen des Aufbaus. Sitzt das Frasaco-Käppchen in der richtigen Position und sind die Überstände weitestgehend entfernt, erfolgt noch unter Halt des Käppchens die Polymerisation zunächst von labial, anschließend von palatinal für jeweils 60
Sekunden. Eine weitere Polymerisation von ebenso jeweils 40 Sekunden erfolgt nach Abnehmen des Käppchens. Aufgrund der doch recht guten anatomischen Formgebung entsteht bei korrekt positioniertem Käppchen kaum Arbeit beim Ausarbeiten. Die Ausarbeitung erfolgte mit Feinkorndiamanten, Soflex-Scheiben und Enhance-Polieren, die Hochglanzpolitur mit iPol-Polierern. Abbildung 59 zeigt dieselbe Situation bei einer Nachkontrolle nach vier Wochen.Formkorrekturen einzelner Zähne
Direkte Kompositanbauten zur Veränderung der Zahnform als Alternative zum Veneer haben sich als minimal- bis noninvasive, direkte Restaurationsmaßnahme hinlänglich bewährt16. Casereports mit entsprechend schönen Ergebnissen existieren zuhauf und geben dem Behandler Therapieideen für diverse klinische Indikationsbeispiele. Dies ist sicherlich die wertvollste Aufgabe derartiger Fallberichte – die Augen für ästhetische Behandlungsindikationen zu öffnen, die minimalinvasiv4,31 bis noninvasiv als vollwertige Alternativen zur Verblendschalen- 3,26 oder gar Kronenversorgung14 stehen. Die Crux bei derartigen direkten Restaurationen ist allerdings, dass entgegen den immer (oder nahezu immer) perfekten indirekten Laborwerkstücken, bei der eine Korrektur oder Neuanfertigung dem Patienten nicht auffällt, die direkten Restaurationen etwas mehr von der individuellen Tagesform, der nur einmal ganz zu Beginn der Behandlung zu treffenden Farbauswahl und schlussendlich auch von der Leidensfähigkeit und Mitarbeit des Patienten abhängig sind32. Dies ist sicherlich ein Argument, das für indirekte Versorgungen spricht – dennoch kann mit einem gewissen Aufwand an präoperativer Diagnostik relativ zielsicher ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis erreicht werden. Bei der präoperativen Diagnostik kommt speziell der Bestimmung der erforderlichen Opazitäten des gewählten Restaurationsmaterials eine größere Bedeutung zu als dem Material selbst. Sogar die korrekte Auswahl der Zahnfarbe steht prinzipiell hinter der korrekten Opazität zurück. Eine zu transluzente Restauration fällt deutlich negativ auf, während die Verwendung einer A3 anstelle einer A 3,5 bei korrekter Anwendung der Schichttechnik aus opaken Kernmaterialien und transluzenteren Schmelzmassen weniger stark ins Gewicht fällt und kaum negativ auffallen würde.
Im vorliegenden Fall sollte der Zahn 22 der 16-jährigen Patientin zur Stabilisierung des kieferorthopädischen Behandlungsergebnisses und aus ästhetischen Gründen aufgebaut werden (Abb. 60). Nach leichtem Anrauen der Klebeoberflächen mit einem Feinkorndiamanten wurde unter relativer Trockenlegung mithilfe der Verschalungstechnik eine anatomische Formgestaltung sichergestellt (Abb. 61)16,19. Der eingebrachte und mit Clip (VOCO, Cuxhaven) an Zahn 21 befestigte Frasaco-Streifen bewirkte sogar eine gewisse Kompressionsanämie der leicht hyperplastischen Gingiva in diesem Bereich. Nach Adhäsivanwendung erfolgte der schichtweise Aufbau des Zahnes mit drei Opazitäten von Venus Diamond: Die orale Rückwand wurde bis in die Inzisalkante hinein aus der hochtransluzenten CL-Masse erstellt (Fingerspitzentechnik). Ein im nächsten Schritt aufgebrachter Kernaufbau aus einem opaken Dentinmaterial (OM) verhindert das Durchscheinen der dunklen Mundhöhle. Es ist essenziell, dass derartige Opakmaterialien ein wenig in Richtung der Labialfläche modelliert werden, um ein transluzentes Durchscheinen der nativen Schmelzschicht des Zahn in diesem Bereich zu verhindern. Der weitere Aufbau erfolgte mit der Universalschmelzmasse A2 (A2 war die bestimmte Zahnfarbe). Die Politur erfolgte mit Venus-Supra-Polieren. Abbildung 62 zeigt die Situation bei einer Nachkontrolle nach einem Jahr.
Fazit
Die vorgestellten Fälle illustrieren die Möglichkeiten, die direkte adhäsive Restaurationen im Front- und Seitenzahnbereich heute bieten; die angeführte Literatur zum Thema belegt den möglichen Langzeiterfolg, der sich hinter indirekten Alternativen nicht unbedingt verstecken muss. Welches Material der Behandler zur Erzielung seiner Ergebnisse auswählt, sollte aufgrund vielfältiger Kriterien entschieden werden. Zunächst muss es bestimmten mechanischen Mindestanforderungen genügen, was alle namhaften heutigen Komposite gewährleisten. Das Augenmerk sollte auf eine möglichst hohe Biegebruchbelastbarkeit, niedrige Abrasion, möglichst gute Politurfähigkeit und vor allem auf einer reduzierten Polymerisationsschrumpfungskraft liegen. Ganz entscheidend ist jedoch das persönliche „Wohlfühlverhalten“: Nur das Material, das dem Behandler wirklich liegt, wird in seinen Händen in der Lage sein, langlebige und ästhetische Restaurationen zu gewährleisten. Ein paar MPa bessere physikalische Eigenschaften können durch optimierte Anwendung sicherlich wettgemacht werden; ein hervorragendes Material, dessen Konsistenz dem Behandler jedoch nicht liegt, wird eventuell weniger erfolgreich sein, da es eventuell nicht suffizient genug appliziert worden ist und die Restauration somit vom ersten Tag an Schwachstellen aufweist.
Es sei zudem noch einmal auf ein Thema hingewiesen, dass im gesamten Text zu kurz kam: die Lichtpolymerisation! Nur ein optimal ausgehärtetes Komposit ist überhaupt erst in der Lage, seine maximalen physikalischen Eigenschaften aufzubauen. Demnach bleibt die Empfehlung von 20 Sekunden Polymerisation pro Inkrement auch bei Hochleistungslichtpolymerisationsgeräten bestehen; 10 Sekunden können in manchen ausgewählten Kombinationen aus Hochleistungslichtpolymerisationsgerät und einzelnem Komposit in hellen Farben durchaus funktionieren, wenn darauf geachtet wird, das Lichtgerät möglichst nahe an das Komposit zu bringen. Die vereinzelt propagierten 5 Sekunden Polymerisationszeit können hingegen lediglich als „sehr mutig“ und ambitioniert bezeichnet werden.
Weiterführende Links
> Update Komposite: Fallbeispiele – Teil 1> Update Komposite: Fallbeispiele – Teil 2

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