Wirken sich Veränderungen der Unterkieferlage auf sportmotorische Tests aus?

In der Zahnmedizin wird ein Aufbissbehelf bzw. eine Schiene bekanntlich eingesetzt, um das craniomandibuläre System funktionell vor Belastungsschäden zu bewahren oder Beschwerden zu lindern. Im Sport hingegen wird dem Mundschutz eine primär präventive Funktion zugesprochen, um die Zähne vor Traumata zu schützen. Aber wirkt sich der Einsatz einer individuell angefertigten Funktionsschiene auch auf die Leistungen eines Sportlers aus? Dieser Frage sind die Autoren dieses Beitrags im Rahmen einer Pilotstudie nachgegangen. Tatsächlich beeinflusste die DPS-Schiene für den Unterkiefer (nach Dr. S. Tschackert) die sportmotorische Leistungsfähigkeit der Probanden positiv, wie im Folgenden nachzulesen ist. Dies dürfte nicht nur für die Sportler unter Ihren Patienten interessant sein.
Die sportbedingten Verletzungen der Gesichtsschädelknochen und der Gesichtsweichteile bringen eine Morbidität von 13 %11 mit sich. Daher wird zur Vermeidung von Unterkieferfrakturen und Kiefergelenksverletzungen bei einigen Sportarten, wie z. B. Feldhockey, Boxen, Eishockey oder Handball, ein Mundschutz eingesetzt, welcher die obere und die untere Zahnreihe abdeckt1. Wie sich das Tragen eines Mundschutzes auf die körperliche Beweglichkeit oder die Leistungsfähigkeit auswirkt, ist bisher eher selten untersucht worden. Einige Studien zu diesem Thema liegen allerdings vor. Lai et al. beschäftigten sich mit dem Einfluss der Okklusion auf die sportliche Leistungsfähigkeit9. Die 30-köpfige Untersuchungsgruppe wies im Gegensatz zu den 10 Probanden der Kontrollgruppe eine craniomandibuläre Dysfunktion auf. Für beide Gruppen wurden Schienen angefertigt, die in der ersten Gruppe die Dysfunktion behob und in der zweiten eine Dysfunktion auslöste. Beide Gruppen führten auf einer Kontaktmatte Sprungübungen und einen mechanischen Belastungstest mit und ohne Schienen aus. Die Sprungzeiten und die Ausdauer beim Belastungstest der ersten Gruppe verlängerten sich durch die Schiene. Die zweite Gruppe verschlechterte sich durch das Tragen der Schiene. Was die Haltung angeht, so wirken sich nicht alle craniomandibulären Dysfunktionen darauf aus; in dieser Hinsicht müssen die craniomandibulären Dysfunktionen vielmehr individuell betrachtet werden. Dennoch bestätigen mehrere Studien den positiven Einfluss einer veränderten Okklusion bzw. eines Aufbissbehelfs auf die Körperhaltung2,5,7,8,10,12. Bracco et al. kamen zu der Erkenntnis, dass allein verschiedene Positionen der Unterkieferlage Probanden zu einer Änderung der Körperhaltung veranlassen2. Der Vergleich zwischen maximaler Interkuspidation, Ruheschwebelage der Mandibula und myozentrischer Position zeigte posturographisch ein signifikant besseres Ergebnis in myozentrischer Position. Hier offenbarten die Probanden ein stabileres Gleichgewicht. Urbanowicz et al. konnten einen Zusammenhang zwischen der Okklusion und der Kopf- und Nackenmuskulatur belegen, indem sie anhand von 30 Probanden zeigten, dass eine Erhöhung der Vertikalen im Kieferbereich eine Dehnung der Kopf- und Nackenmuskulatur bewirkt12. Sakaguchi et al. untersuchten den Einfluss veränderter Unterkieferpositionen auf die Körperhaltung und umgekehrt10. Bei 45 Probanden wurde der Unterkiefer in verschiedenen Positionen vermessen: in Ruheschwebelage, in zentrischer Okklusion, unter Korrektur der Mittellinie mit einem Placebo-Wachsbiss und in rechtsexzentrischer Unterkieferposition. In diesen Positionen wurden die pos- turale Kontrolle bzw. das „Centre of Pressure“ (COP; Projektion des Körperschwerpunktes auf den Boden in die Unterstützungsfläche zwischen beiden Füßen mittels eines Vektors) (MatScan: Tekscan, Inc., South Boston, MA) mit und ohne Erhöhung des rechten Fußes bestimmt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Änderung der Unterkieferposition auf die Haltung auswirkt und umgekehrt eine Änderung der Haltung ebenso Auswirkungen auf die Unterkieferposition hat. Je nach Unterkieferposition kam es zur Verkürzung bzw. Verlängerung des Fußdruckzentrums. Kopp beschäftigte sich mit der Frage, ob die Funktionalität der Wirbelsäule durch den Funktionszustand des Kausystems objektiv im Sinne einer „absteigenden Dysfunktion“ beeinflusst werden kann8. Zur Analyse der Wirbelsäulenposition wurde das Bewegungsaufzeichnungs- und Bewegungsanalysesystem sonoSens® (FriendlySensors, Jena) benutzt. Die Probanden litten an craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) und Funktionsstörungen der Wirbelsäule und wurden im Rahmen dieser Studie mit Aufbissbehelfen (Schienen) versorgt. Im Ergebnis war eine vorübergehende Destabilisierung der Wirbelsäule direkt nach Einsetzen der Schiene festzustellen und anschließend eine Besserung der Stabilität nach dem sechswöchigen permanenten Tragen. Es ist anzunehmen, dass craniomandibuläre und craniozervikale Funktionen morphologisch und neurophysiologisch korrelieren und eine Korrektur der Okklusion durch Schienen die Wirbelsäulenfunktion beeinflusst.
Pilotstudie unter Einsatz der DPS-Schiene
Auf Basis der oben angeführten Erkenntnisse wurde die „Dental Power Splint“(DPS)-Schiene entwickelt. Es handelt sich dabei um eine individuell angepasste Schiene nach einem speziellen Verfahren (Dr. S. Tschackert), die primär im Unterkiefer eingesetzt wird. Hauptsächlich wurde diese Schiene für Sportler konstruiert. Sie soll die Vorteile eines modifizierten, myozentrischen Bisses in den Bereich des Sports integrieren, um die Ausführung von Bewegungen individuell positiv zu beeinflussen. Subjektiv konnten die Sportler, die diese Schiene während sportlicher Aktivität getestet haben, bestätigen, dass sie damit leistungsfähiger seien. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. eine Leistungssteigerung ist jedoch von vielen Variablen abhängig und kann durch diese beeinflusst werden. Daher besteht das übergeordnete Ziel dieser Pilotstudie darin, zu überprüfen, welcher Einfluss von beiden Schienen „ad hoc“ auf ausgewählte sportmotorische Tests ausgeht. Hierfür kamen zwei unterschiedlich hergestellte Schienentypen zum Einsatz: eine herkömmliche „Tiefziehschiene“ und die DPS-Schiene. Die Testergebnisse mit und ohne Schiene wurden miteinander verglichen. Die Zuordnung der Schienen erfolgte randomisiert. Die übergeordneten Fragestellungen dieser Pilotstudie lautete:
- Verändern sich die Ergebnisse der sportmotorischen Tests durch das Tragen einer Schiene?
- Gibt es einen Unterschied zwischen den beiden Schienen hinsichtlich der einzelnen Fähigkeiten, die mit dem jeweiligen Test geprüft werden?
Material und Methode
Probanden
An dieser Pilotuntersuchung nahmen 17 (6 w; 11 m) sportlich aktive Personen im Alter von 20 bis 46 Jahren (Altersdurchschnitt: 29 Jahre) teil. Dabei betrug das durchschnittliche sportliche Wochenpensum 9 Stunden. Die Probanden waren hauptsächlich in den Sportarten (Speed-)Skaten, Fußball und Handball aktiv. Zudem hatten sie keine aktuellen Beschwerden oder Verletzungen im craniomandibulären System sowie im Haltungs- und Bewegungssystem.
Schienen
Die Normschiene stellt eine konfektionierte, tiefgezogene, weiche Schiene im Unterkiefer dar, die mit 2 Millimeter Sperrung in habitueller Okklusion angefertigt wurde (Bioplast 2 mm, Scheu Dental, Iserlohn). Bei der DPS-Schiene (Abb. 1) handelt es sich um eine spezielle, hart-weichkombinierte, tiefgezogene Schiene nach dem Verfahren von Dr. S. Tschackert (Frankfurt am Main).
Für die Bestimmung der individuell günstigsten Bissposition werden die Probanden zunächst eine Stunde lang mit dem TENS-Gerät (transakute elektrische Nervenstimulation) behandelt. Mit diesem Gerät werden elektrische Impulse erzeugt, die über die Haut auf das Nervensystem übertragen werden. Auf diese Weise sollen die körpereigenen schmerzhemmenden Systeme angeregt und Schmerzen verringert werden3,4,6. Anschließend wird mit dem K7-Gerät (Myotronics, Seattlle/USA) der neuromuskuläre Zustand im craniomandibulären System erfasst, indem der Status der Okklusion und der Funktion sowie deren Wirkung auf die Muskulatur und das Kiefergelenk dreidimensional erfasst werden. Im Rahmen dieser Untersuchung werden verschiedene Bisssituationen gemessen. So wird ein DPS-modifizierter myozentrischer Biss nach Dr. Tschackert ermittelt, in dem diese Schiene hergestellt wird.Sportmotorische Tests (ausgesuchte Parameter)
Abbildung 2–6 zeigt Probanden in der Durchführung der verschiedenen sportmotorischen Tests, die im Folgenden beschrieben werden.
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Abb. 2–6: Darstellung einzelner sportmotorischer Testdurchführungen. Ausgangsstellung Countermovement Jump.
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Abb. 3: Durchführung Countermovement Jump.
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Abb. 4: Rumpfrotation nach links.
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Abb. 5: Rumpfbeuge.
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Abb. 6: Einbeinstand.
- Sprungkraft
Sie wird in Form des Countermovement Jumps (CJ) getestet. Hierbei wird die Bodenkontaktzeit über eine Kontaktmatte aufgezeichnet, sodass im Anschluss die Flughöhe (in cm) berechnet werden kann. Ziel dieser Übung ist es, Erkenntnisse über die konzentrische Kraftfähigkeit der Sprungmuskulatur zu erhalten, wobei Einflussgrößen auf die Flughöhe, z. B. die Ausholgeschwindigkeit oder die Beugetiefe, variieren können.
- Beweglichkeit/Dehnfähigkeit des Schultergürtels, der Brust- und Lendenwirbelsäule in Rotation
Aus einer standardisierten Ausgangsposition (in habitueller Okklusion) wird der Rumpf bei ausgestreckten Armen zunächst nach rechts (RR) und dann nach links (RL) rotiert. Damit für alle Probanden eine einheitliche Ausgangsstellung gewährleistet werden kann, stehen sie auf einer speziellen Unterlage mit Grad-Angaben (Ausgangsposition = 0°). Durch den Testleiter wird die Bewegungsamplitude am Handgelenk mittels eines stabilen Stabs gemessen. Ziel ist die Messung der Beweglichkeit/Dehnfähigkeit der Bein-, Rumpf-, Gesäßmuskulatur, der Rückenstrecker und des Hüftgelenks.
- Beweglichkeit/Dehnfähigkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie der ischiokruralen Muskulatur in Flexion
Hierbei handelt es sich um eine klassische Rumpfbeuge (RB). Auf einem Podest mit Messvorrichtung stehend, beugen sich die Probanden so weit wie möglich nach vorne. Der Abstand zwischen Fingern und Boden (in cm) wird vom Testleiter notiert.
- Standbalance
Der Einbeinstand (ES) ist eine einfache klinische Untersuchung, die in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie z. B. in der Orthopädie, Neurologie oder Geriartrie, Anwendung findet14. Die Aufgabenstellung orientiert sich an Wasmund mit einem modifizierten „Ausfallschritt nach vorne“ wobei der Proband aufgefordert wird, „sich nach vorne fallen zu lassen“13. Das Bein, mit dem er sich unwillkürlich abfängt, ist das dominante Bein. Die eigentliche Durchführung dieser Messung ähnelt der Yoga-Übung „Der Baum“: Das dominante Bein wird mit dem Fuß auf das Kniegelenk des „schwächeren“ Beines gestützt und außenrotiert. Da die Untersuchung an sportlichen Personen erfolgte, wurde der Schwierigkeitsgrad folgendermaßen erhöht: Der Einbeinstand wird mit dem Spielbein durchgeführt und zudem werden die Augen mit einer abgedunkelten Skibrille verschlossen. Der Testleiter misst die Zeitdauer, die der Proband in dieser Position stehen kann.
- Kraftausdauer des vorderen Schultergürtels
Zur Beurteilung der Kraftausdauerfähigkeit der Armmuskulatur, des vorderen Schultergürtels und der stabilisierenden Rumpfmuskulatur werden Liegestütze (LS) durchgeführt. Den allgemein bekannten geschlechtsspezifischen Unterschieden der Kraftfähigkeiten wird durch eine unterschiedliche Bewegungsgeschwindigkeit und durch zwei verschiedene Ausführungstechniken Rechnung getragen: Die Bewegungsgeschwindigkeit wurde für die Männer auf 104 bpm und für die Frauen auf 92 bpm festgelegt, wobei eine Liegestütz in zwei Takten absolviert werden soll. Männer führen den klassischen Liegestütz aus, während Frauen demgegenüber den „Damenliegestütz“, d. h. auf Hände und Knie gestützt, absolvieren. Um bei jeder Durchführung den vollen Bewegungsumfang zu gewährleisten, wird bei standardisierter Ausgangsstellung ein Tennisball bei den männlichen Teilnehmern unter dem Brustbein und bei den weiblichen Teilnehmern unter dem Bauchnabel positioniert. Dieser muss bei jeder Bewegungsdurchführung berührt werden.
Untersuchungsablauf
Um Störgrößen weitgehend zu eliminieren, wurden die Messungen, die an zwei Messterminen durchgeführt wurden, bei jedem Teilnehmer am gleichen Wochentag und zur gleichen Uhrzeit in denselben Räumlichkeiten durchgeführt. Die Zuordnung der Schienen war einerseits randomisiert, andererseits erhielten die Teilnehmer vor den Messungen keine Informationen über Herstellung und Funktion der beiden Schienen. Alle Probanden durchliefen die eben angeführten Tests in folgender Reihenfolge: Beim ersten Messtermin wurden die Tests zunächst ohne Schiene durchgeführt. Nach einer zweistündigen Erholungspause absolvierten die Probanden erneut die gleichen Übungen mit einer der beiden Schienen – je nach Zulosung. Die gleiche Reihenfolge der Messungen erfolgte am zweiten Termin, jedoch kam nach der neutralen ersten Messung ohne Schiene dann nach zweistündiger Erholung die jeweils andere Schiene zum Einsatz.
Statistische Auswertungsverfahren
Als statistisches Testverfahren kam der Friedman-Test zum Einsatz, um zu überprüfen, ob zwischen den Messbedingungen signifikante Unterschiede bestehen. Als Post-hoc- Test wurde der Wilcoxon-Matched-Pairs-Test eingesetzt. Die Entscheidung für den Friedman- und den Wilcoxon-Matched-Pairs-Test resultierte aus den Ergebnissen des Kolgmorov- Smirnov-Anpassungstests, welcher die Normalverteilung der Daten nicht bestätigte. Anschließend wurden die Daten einer Bonferroni- Holm-Korrektur (? = 5%) unterzogen. Beide Tests haben ein Signifikanzniveau von 5 %.
Ergebnisse
Zunächst sind in Tabelle 1 die Mittelwerte (MW) und Standardabweichungen (SD) der einzelnen Tests der vier Bedingungen angeführt, die sich aus den beiden neutralen Vormessungen (Pre-Norm; Pre- DPS) und den beiden Messungen mit den Schienen (Norm; DPS) zusammensetzen.
Die Mittelwerte der beiden Neutralmessungen ohne Schiene sind relativ identisch (CJ: Pre-Norm = 30,22 ± 8,10; Pre-DPS = 30,15 ± 7,90; RL: Pre-Norm =122,03 ± 13,32; Pre-DPS =120,78 ± 12,50; RB: Pre- Norm = 0,01 ± 7,70; Pre-DPS = 0,05 ± 7,50; LS: Pre-Norm = 25,29 ± 8,52; Pre-DPS=25,71 ± 8,39) und variieren nur geringfügig bei der Rumpfrotation nach rechts (RR: Pre-Norm =126,43 ± 14,14; Pre-DPS=123,02 ± 11,03). Abgesehen vom Einbeinstand liegen die Standardabweichungen ebenfalls in den gleichen Bereichen (ES: Pre-Norm = 19,22 ± 22,43; Pre- DPS = 19,95 ± 28,88). Gegenüber diesen Neutralmessungen erhöhen sich (ausgenommen CJ mit Norm- Schiene: 29,53 ± 8,31) die Werte sowohl mit der Norm- als auch mit der DPS-Schiene. Die größte Verbesserung ist beim Einbeinstand mit der DPS-Schiene (50,52 ± 51,66) gefolgt von den Liegestützen (29,41 ± 9,74) zu registrieren. Tabelle 2 listet die Werte des Friedman- Tests (chi2) und die des anschließenden Post-hoc-Tests (Wilcoxon- Matched-Pairs-Test). Diese kann auf www.zmk-aktuell.de/ohlendorf eingesehen werden. Da der globale p-Wert des chi2 bei allen Vergleichen p = 0,00 ist, kann bei allen sportmotorischen Tests der Post-hoc-Test angewendet werden. Alle Vergleiche zwischen der Vormessung und der Messung während des Tragens der DPS-Schiene sind nach Bonferroni- Korrektur signifikant. Ebenfalls sind alle Vergleiche nach Bonferroni-Korrektur zwischen den beiden Schienen, also der Norm- und der DPS-Schiene, signifikant. Sowohl zwischen den beiden neutralen Vormessungen als auch zwischen der Vormessung und der Meayssung mit der Normschiene sind bei allen Tests keine nachweisbaren Unterschiede zu verzeichnen. Diese Veränderungen sind ebenfalls in Abbildung 7 ersichtlich, in der die durchschnittlichen Veränderungen zwischen- der Neutralmessung (Kontrollmessung) und der Normschiene,
- der Neutralmessung (Kontrollmessung) und der DPS-Schiene sowie
- den beiden Neutralmessungen (Kontrollmessungen) dargestellt sind.
Diskussion
Das Tragen einer Schiene wirkt sich auf die Durchführung der ausgewählten sportmotorischen Tests aus. Dabei ist zwischen den beiden hier eingesetzten Unterkieferschienen – der konfektionierten – sogenannten „Normschiene“ und der DPS-Schiene zu differenzieren. Während zwischen der neutralen Ausgangsmessung ohne Schiene und dem Tragen der Normschiene keine nachweisbaren Veränderungen vorliegen, verbessert sich jeder Testparameter beim Tragen der DPS-Schiene. Auch zwischen den beiden Schienen ist ein Unterschied zu verzeichnen, wobei die Werte der DPS-Schiene besser sind als die der Normschiene. Zwischen den beiden neutralen Ausgangsmessungen liegen keine Unterschiede vor, also war der leistungsspezifische Ausgangsstatus der Probanden unverändert. Durch die DPS-Schiene verändert sich die Muskelarbeitsweise, sodass der Unterkiefer in Relation zum Oberkiefer eine andere Position einnimmt. Eine Veränderung der Bissposition ist mittels der Normschiene nicht erfolgt. Beide Schienen haben den Biss gleich stark gesperrt (2 mm) und waren aus weichem, elastischem Material. Sportmotorische Tests sind Bewegungsaufgaben, die normalerweise im medizinisch-diagnostischen Bereich Anwendung finden. Sie erfassen einen momentanen Zustand der motorischen Fähigkeit und Funktion mit dem Ziel, von den erfassten Leistungsdaten auf den individuellen Ausprägungsgrad der entsprechenden motorischen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu schlussfolgern. Dabei wird an die Teilnehmer appelliert, die bestmögliche Leistung zu erbringen. Schlussfolgerungen auf die sportliche Leistungsfähigkeit im Sinne einer Leistungssteigerung durch einen besseren individuellen Ausprägungsgrad der Tests sollten jedoch eher mit Vorsicht erfolgen, da mehr Komponenten notwendig sind, um Angaben über eine Leistungssteigerung treffen zu können. Ferner muss bei der Beurteilung der Effekte bedacht werden, dass es sich um einen Sekundeneffekt handelt, d. h., die Probanden haben die beiden Schienen zuvor nicht getragen, sondern nur für den Zeitraum der Messungen. Inwiefern sich dieser Sekundeneffekt bei längerem Tragen bestätigen lässt, muss in weiterführenden Studien geklärt werden. Des Weiteren ist hinsichtlich der Bestimmung der Testwerte – ausgenommen sind die Liegestütze – zu diskutieren, ob alle Testgütekriterien – Objektivität, Reliabilität und Validität – eingehalten worden sind. Das Dokumentieren bzw. das Notieren der Testergebnisse, insbesondere die Gradzahl der Rumpfrotationen oder die Länge der Rumpfbeuge, wurde vom Testleiter durchgeführt. In diesem Zusammenhang ist die Auswertungsobjektivität, aber auch -reliabilität zu berücksichtigen, da diese Werte nicht messtechnisch, sondern manuell ermittelt wurden. Nichtsdestotrotz sind Veränderungen der Quantität der vorgegebenen Bewegungsaufgaben nur kurz nach dem Einsetzen der Schiene eingetreten. Dies lässt vermuten, dass sich einerseits eine Bisssperrung und andererseits eine veränderte Unterkieferposition auf die Bewegungsquantität auswirken können. Da bei der DPSSchiene gegenüber der Normschiene diese beiden Komponenten kombiniert sind, scheint dieses Verfahren stärkere Auswirkungen auf das Bewegungssystem zu haben. Möglicherweise wird die Okklusion auch nur durch diese Schiene besser stabilisiert, was wiederum – aufgrund reduzierter Störgrößen innerhalb des craniomandibulären Systems – eine bessere Bewegungsdurchführung impliziert. Für eine genauere Prüfung der Veränderungen im craniomandibulären System wären in zukünftigen Studien der Einsatz einer Modellanalyse (Okklusogramm im Artikulator an in zentrischer Relation montierten Modellen) sowie einer klinischen Funktionsanalyse (messtechnisch unterstützte Bewegungsanalyse) zu erforschen. Des Weiteren ist ein Placeboeffekt zu berücksichtigen, der allein aufgrund der Tatsache entstanden sein kann, dass die Teilnehmer eine Schiene getragen haben. Dennoch stimmen die vorliegenden Ergebnisse dieser Pilotstudie mit denen anderer Studien in wichtigen Punkten überein. So haben Lai et al. ebenso herausgefunden, dass sich bei CMD-Patienten durch den Einsatz einer Schiene die Sprungzeiten sowie die Ausdauer beim Belastungstest verbesserten9. Funktionelle positive Auswirkungen auf die Wirbelsäulenstellung zur Linderung craniomandibulärer Dysbalancen mittels Aufbissbehelfen bekräftigte Kopp8. Die Korrelationen zwischen der Unterkieferposition und der Körperhaltung bestätigen ebenfalls Bracco et al., Sakaguchi et al. sowie Urbanowicz et al.2,10,12. Letztere belegten, dass eine Erhöhung der Vertikalen im Kieferbereich eine Dehnung der Kopf- und Nackenmuskulatur bewirkt. Die im Rahmen dieser Pilotuntersuchung festgestellten positiven Aspekte auf die Durchführung von Bewegungen mittels einer kurzzeitig getragenen Schiene, insbesondere einer DPS-Schiene, legen weitere Untersuchungen dieses Themas nahe. Gerade Ergebnisse hinsichtlich eines langzeitigen Tragens der Schiene wären interessant. Zudem sollten die eingesetzten Messtechniken modifiziert werden, sodass neben sportmotorischen Tests technische Messsysteme Anwendung finden, die z. B. die funktionelle Wirbelsäulenstellung oder die Muskelaktivität aufzeichnen.
Fazit
Anhand dieser Untersuchung wird deutlich, dass eine ursprünglich in der Zahnmedizin angewandte Schiene auch im sportmotorischen Bereich eingesetzt werden kann und sich die Ergebnisse der sportmotorischen Tests dahingehend verbessern, dass die Quantität der Bewegungsaufgaben steigt. Dies war insbesondere bei der DPS-Schiene (nach Dr. Tschackert) im Vergleich zur konfektionierten Tiefziehschiene statistisch zu belegen. Der Vergleich zwischen den beiden Schienen zeigt, dass auch die Art der Herstellung unterschiedliche Effekte hervorrufen kann. Ob es sich um einen kurzzeitigen oder langzeitigen Effekt handelt, gilt es in weiterführenden Studien zu klären.