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Implantologie

Erfolgreiche prothetische Versorgung des dünnen Kieferknochens

Ein sehr dünner Kieferknochen, der implantologisch versorgt werden soll, kann für den Behandler eine Herausforderung darstellen. Anhand eines Fallbeispiels erklärt Dr. Dr. Nico Laube, wie festsitzender Zahnersatz stabil verankert werden kann, warum ein Knochenaufbau und eine Implantation auch bei starkem Knochenschwund in einer Sitzung möglich sind und was es bei der Wahl der Kronen zu beachten gilt.

Placeholder – News shutterstock

Implantate bei dünnem Kieferknochen

Die Nachfrage nach Zahnimplantaten steigt aufgrund guter funktionaler und ästhetischer Ergebnisse immer weiter an. Aber für eine stabile Verankerung sollten rund um die Schraube idealerweise 2 mm Knochensubstanz zur Verfügung stehen. Ist diese Voraussetzung aufgrund eines großen Verlusts an Weich- und Hartgewebe nicht gegeben, ist eine Implantation nur nach erfolgreichem Knochenaufbau möglich. Sofortversorgungen, die auf 4 oder 6 Implantaten beruhen und eine fest verschraubte Prothese stützen (z.B. All on 4™), machen die Knochenaugmentation zwar obsolet, sind aber nur bei zahnlosem Unter- oder Oberkiefer möglich und auch dann mit Bedacht einzusetzen. Manche Behandler berichten von einem höheren Risiko des Implantatverlusts und Problemen bei der Einheilung; andere wiederum haben gute Erfahrungen gemacht und sehen genauso hohe Erfolgsraten wie bei konventionellen Versorgungen [1]. Eine gute Primärstabilität ist hier in jedem Fall besonders wichtig.

Welche Alternative gibt es?

Für Patienten mit einzelnen Zahnlücken, die den operativen Aufwand eines Knochenaufbaus scheuen, sind auch Brücken eine Alternative. Aufgrund des fortschreitenden Knochenabbaus und möglicher Kariesentwicklung am Kronenrand ist die Prognose allerdings schlechter als bei Implantaten. Die Haltbarkeit ist auch von den Pfeilerzähnen, von der Mundhygiene des Patienten und vom jeweiligen Brückenmodell abhängig.

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Teilprothesen haben Vor- und Nachteile: Klammerprothesen sind zwar einfach und kostengünstig herzustellen, können allerdings zu Einschränkungen bei der Lautbildung und den Kaubewegungen führen. Hochwertigere Prothesen wiederum bieten zwar besseren Halt, sind für den Behandler und Zahntechniker in der Anfertigung und Einbringung allerdings anspruchsvoller und ein Abtrag gesunder Zahnsubstanz ist notwendig. Auch die Kosten sind für die Patienten oftmals wenig attraktiv.

Welche Lösung im Einzelfall die erfolgversprechendste ist, ist natürlich individuell abzuklären. Bei Patienten, die auf eine möglichst kostengünstige Versorgung angewiesen sind, ist die aus zahnmedizinischer Sicht optimale Therapie nicht immer machbar.

Ist neben der Implantation auch ein Knochenaufbau erforderlich, setzen viele Behandler hierfür zwei Operationstermine an, was mit höheren Kosten verbunden ist. Dank der Nutzung moderner Verfahren können Knochenaugmentation und Implantation allerdings auch in einer Sitzung erfolgen. Das folgende Fallbeispiel zeigt den Ablauf einer entsprechenden Behandlung auf.

Fallbeispiel

Knochenaufbau und Implantation in einer Sitzung

Der Patient stellte sich in unserer Praxis mit Zahnverlust in regio 26 und 27 vor. Trotz extrem dünnem Kieferknochen war eine Versorgung mit Implantaten gewünscht (Abb. 1). Nach konventionellen Standards wäre in diesem Fall ein zweiteiliger externer Sinuslift durchzuführen, bei dem zunächst der Kieferknochen freigelegt und mit körpereigenem und/oder fremdem Knochenersatzmaterial aufgefüllt wird, um nach einer mehrmonatigen Einheilzeit mit der Implantation zu beginnen.

Dieses Vorgehen soll eine feste Verankerung der Implantate sicherstellen, erfordert aber zwei Operationstermine, die wiederum mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden sind. Mit einem weiteren Eingriff gehen darüber hinaus erneut die gängigen Operationsrisiken, zu denen Nerv- und Zahnverletzungen oder Blutungen gehören, und eine erneute Wundheilung einher. Deshalb stellt sich die Frage, ob ein stabiler Halt auch anderweitig zu bewerkstelligen ist.

Abb. 1: Freiendsituation in regio 26, 27.
Abb. 1: Freiendsituation in regio 26, 27.
Abb. 2: Inserierter Prüfkörper und ISQ-Messung (Implantatstabilität).
Abb. 2: Inserierter Prüfkörper und ISQ-Messung (Implantatstabilität).

Im vorliegenden Fall kamen die Piezochirurgie und die Bestimmung des Resonanz-Frequenz-Analyse-Wertes (RFA) zum Einsatz, um Knochenaufbau und Implantation in nur einer Sitzung durchzuführen, ohne die Stabilität des Zahnersatzes zu gefährden (Abb. 2).

Knochensparende Piezochirurgie

Abb. 3: Ablösen der Schneider-Membran mittels Piezochirurgie.
Abb. 3: Ablösen der Schneider-Membran mittels Piezochirurgie.

Die Piezochirurgie ist ein minimalinvasives Verfahren, das dank Übertragung von Ultraschallwellen auf das chirurgische Instrument eine selektive Behandlung des Gewebes erlaubt (Abb. 3). Es ermöglicht im Vergleich zu schnell drehenden Geräten eine bessere Kühlung und eine schonendere Abtragung des Knochens. Das Weichgewebe wird auch bei Kontakt mit dem Gerät nicht in Mitleidenschaft gezogen, was die Wundheilung verbessert. Einer kleineren Studie zufolge entfällt die Schwellung bei rund jedem dritten Patienten, der ultraschallchirurgisch behandelt wurde. Nur 11% der Patienten äußern ähnliche Beobachtungen nach einem konventionellen Eingriff. Gleichzeitig sind die OP-Zeiten im Gegensatz zu den Befürchtungen vieler Implantologen nicht länger, sondern fallen sogar etwas kürzer aus als bei Eingriffen mit rotierenden Instrumenten, weil weniger Blutungen auftreten und präziser gearbeitet werden kann [2].

Bei dem behandelten Patienten wurde die Schneider-Membran angehoben, um das Knochenaugmentat zwischen dem respiratorischen Epithel der Kieferhöhle und dem Kieferhöhlenboden einzubringen. Hierbei wurde ein Gemisch aus autologem Eigenknochen und xenogenem Knochenersatzmaterial unterhalb der elevierten Kieferhöhlenmembran eingebracht und mit einer resorbierbaren Membran verschlossen, um ein gesteuertes Knochenwachstum (GBR) im augmentierten Bereich zu gewährleisten. Dieser Eingriff erfolgte im Rahmen einer Implantatplanung mit 3D-Technologie, die besonders bei einem dünnen Kieferknochen wichtige Dienste bei der Bestimmung des Restknochenangebots leistet.

3D-Technologie besonders bei komplexen Fällen hilfreich

Abb. 4: Präoperatives DVT: vertikales reduziertes Knochenangebot.
Abb. 4: Präoperatives DVT: vertikales reduziertes Knochenangebot.

3D-Schnittbildverfahren werden vor allem bei komplexen Eingriffen empfohlen, weil sie die räumliche Zuordnung anatomischer Strukturen stark verbessern und eine detaillierte Analyse ermöglichen [3] (Abb. 4) Bei der Beurteilung des Knochenangebots und benachbarter, verletzlicher Weichgewebestrukturen ist die Nutzung eines digitalen Volumentomografen sehr hilfreich.

Im vorliegenden Patientenfall zeigte das DVT ein vertikales Knochenangebot von ca. 4,0 mm, sodass im Hinblick auf Größe und Durchmesser bereits im Vorfeld eine Selektierung des zu verwendenden Implantattyps getroffen werden konnte. Ebenso konnte eine häufig anzutreffende knöcherne Septierung der Kieferhöhle ausgeschlossen werden. Ebenfalls sehr wichtig ist auch die RFA, die in diesem Fall besonders große Bedeutung hatte, da bei so marginalem Knochenangebot zunächst kein hoher Implantat- Knochen-Kontakt ermittelt werden kann.

Vorhersagbarkeit der Stabilität dank RFA

Die Resonanz-Frequenz-Analyse spielt bei der Bestimmung der Implantatstabilität eine wichtige Rolle und gilt als präziser als der Periotest, der ebenfalls Anwendung findet. Sie dient damit auch zur Planung des weiteren Vorgehens.

Abb. 5: Wert unmittelbar nach Implantation: 58.
Abb. 5: Wert unmittelbar nach Implantation: 58.

Bei Unterschreitung eines Grenzwertes, der meist bei 70 ISQ liegt, ist eine Implantatversorgung aufgrund fehlender Stabilität noch nicht möglich (Abb. 5). In diesem Fall würde die „handfeste“ Einbringung des Gingivaformers erfolgen, sodass bereits das Emergenzprofil ausgeformt werden kann. Dank der Reaktion des Knochens auf die über den Gingivaformer zunehmende Zugund Druckbelastung („Bone Loading“) kommt es außerdem zu einer Knochenverdichtung im behandelten Areal.

Ist ein Wert über 70 erreicht, ist das Risiko sehr gering, dass das Implantat durch das Einbringen des Abutments aus dem Knochen gedreht wird. Nun ist eine erfolgversprechende Anbringung der Krone möglich – auch bei sehr dünnem Kieferknochen, der ansonsten schnell für instabile Verhältnisse sorgt.

Abb. 6: In situ eingebrachte Implantate in regio 26, 27.
Abb. 6: In situ eingebrachte Implantate in regio 26, 27.

In diesem Fall konnte das Implantat in regio 26 und 27 erfolgreich eingebracht werden (Abb. 6). Die Kaufähigkeit des Patienten ist wiederhergestellt, auch dank der Einbringung zweier Einzelkronen, die sich als günstiger als eine Verblockung erwiesen haben.

Einzelkronen statt Verblockung?

Die Einbringung zweier Einzelkronen hat den Vorteil, dass die Reinigung erleichtert und damit das Kariesrisiko der Krone geringer ist. Dieser Aspekt spielt deshalb eine wichtige Rolle, weil Karies mit 24,3% der häufigste Grund für die Abnahme der Krone ist. Interessanterweise belegen Keramikabplatzungen mit 8,7% und eine Loslösung der Krone mit 6% die hintersten Plätze in Hinblick auf den Misserfolg einer Kronenversorgung [4]. Insgesamt ist die durchschnittliche Halbwertszeit von Einzelkronen mit 16,6 Jahren gut.

Gehen die Einzelkronen schon in den ersten fünf Jahren nach Einbringung verloren, liegt das Problem allerdings meist bei Schraubenlockerungen. Einer kleineren Untersuchung zufolge sind derartige Defekte bei rund 17% der Einzelkronen zu beobachten. Im Gegensatz dazu zeigte dieselbe Untersuchung, dass deutlich weniger verblockte Kronen über längere Zeit Bestand hatten. Als Erfolg wurden nur 65% eingestuft.

Kronen aus Titan oder Vollkeramik?

Der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen empfahl vor vielen Jahren wohl aus wirtschaftlichen Gründen, einfache Vollgusskronen aus Palladiumbasislegierungen zu verwenden. Wegen gesundheitlicher Bedenken ist diese Einschätzung heute nicht mehr aktuell. Auch immer mehr Patienten fordern körperverträglichere Materialien.

Kunststoffverblendkronen sind zwar ästhetisch ansprechend, verfärben sich aber mit der Zeit. Es kann auch vorkommen, dass Metallteile durchschimmern. Dieses Problem tritt bei Keramikverblendkronen nicht auf; allerdings ist auch dieses Material bei Kunstlicht nicht optimal. Vollkeramikkronen wiederum genügend hohen ästhetischen Ansprüchen und sind sehr verträglich, aber weniger stabil als andere Materialien. Natürlich gibt es noch viele weitere Möglichkeiten – Materialvielfalt ist wichtig, um die jeweils passende Krone zu wählen.

Die Kronenversorgung wurde im aktuellen Patientenfall noch nicht vorgenommen; der prothetische Aufbau erfolgt aber meistens mit Vollkeramik. Vollkeramikkronen haben die gleichen lichtleitenden Eigenschaften wie natürliche Zähne, wobei Glaskeramiken darüber hinaus über reflektierende Farbpartikel verfügen, die sich an die Umgebung anpassen.

Fazit

Implantate gelten zwar als Goldstandard, stellen aber vor allem bei Patienten mit einem sehr dünnen Kieferknochen sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Einbringung des Zahnersatzes eine Herausforderung dar. Dank 3D-Technologie ist eine präzise OP-Planung möglich, die in Kombination mit ultraschallchirurgischen Verfahren einen schonenden Eingriff gewährleistet. Besonders wichtig für eine erfolgreiche Implantation bei dünnem Kieferknochen ist auch die RFA, um die Stabilität der Implantate zu bestätigen. Bei fachgerechter Durchführung sind die Prognosen gut: Implantationen nach einem externen Sinuslift haben mit 96% vergleichbare Erfolgsraten wie Eingriffe ohne Knochenaufbau [5]. Patienten mit Knochenschwund, die eine Versorgung mit Implantaten vorziehen, können sich ihren Wunsch in einer spezialisierten und gut ausgestatteten Praxis also erfüllen.

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