Implantologie


Strategische Pfeilervermehrung: aktuelle implantat-zahngetragene Versorgungskonzepte


Der Patient hat mehrere Zähne verloren und benötigt eine Versorgung. Im Rahmen der anfallenden Zahnersatzplanung sollte als Differenzialtherapie auch die strategische Pfeilervermehrung in Betracht gezogen werden. Dem Behandler stellt sich jedoch immer die Frage, in welchen Situationen noch eine festsitzende Versorgung durch Pfeilervermehrung möglich und sinnvoll ist oder wann ein implantat-zahngetragener herausnehmbarer Zahnersatz besser wäre. Der folgende Beitrag zeigt aktuelle implantat-zahngetragene Versorgungskonzepte auf und gibt Anregungen für die alltägliche Zahnersatzplanung in der Praxis.

Zunächst muss die Frage diskutiert werden, ob die Versorgung eines Patienten mit einer zahn-implantatgetragenen Verbundkonstruktion aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften von Zahn und Implantat überhaupt vertretbar erscheint. Die physiologische Beweglichkeit eines Zahnes innerhalb der Alveole beträgt bei einer Krafteinwirkung von 10 N durch Dehnung bzw. Stauchung der desmodontalen Fasern etwa 50 bis 100 ?m, die sekundäre Beweglichkeit bei Krafteinwirkungen von 50 N durch elastische Verformung des Knochens ca. weitere 100 ?m [5]. Im Gegensatz dazu ist das Implantat ankylotisch fest mit dem Knochen verwachsen, sodass sich hier keine bzw. nur eine sehr geringe Beweglichkeit von bis zu 2 ?m feststellen lässt. Die horizontale Beweglichkeit implantatprothetischer Komponenten wird je nach Hersteller mit 17 bis 66 ?m angegeben.

Durch diese unterschiedlichen Eigenschaften, so die Theorie, entstehen bei Belastung, z. B. beim Kauen, Spannungen in den Implantat-Prothetik-Komponenten und dem umgebenden periimplantären Knochen, die dann mechanische und biologische Komplikationen hervorrufen können. Denkbare mechanische Komplikationen sind Schraubenlockerungen, -ermüdungen und -brüche, mobile Suprastrukturen, Beschädigungen an Gerüsten und Implantaten sowie Frakturen von Verblendungen und Implantaten. Als mögliche biologische Komplikationen können periimplantäre Knochenläsionen auftreten und sogar die Osseointegration der Implantate kann gefährdet sein. In einer Literaturübersichtsarbeit von Lindh et al. wurde daher die provokative Frage diskutiert, ob Zähne gezogen werden sollen, um zahn-implantatgetragene Verbundkonstruktionen zu vermeiden: „Should we extract teeth to avoid implant-tooth combinations?“ [9]. Der Autor kam nicht nur zum Schluss, dass eine zahn-implantatgetragene Verbundkonstruktion unproblematisch sei, sondern sprach auch Empfehlungen aus, wann eine solche Therapie gegenüber einem rein implantatgetragenen Zahnersatz zu bevorzugen sei. So wurde eine implantat-zahngetragene Konstruktion als sinnvoll angesehen, wenn eine adäquate okklusale Abstützung durch Einzelzahnimplantate nicht erreicht werden kann (und sich zusätzliche Implantate nicht realisieren lassen) oder wenn risikobehaftete Knochenaugmentationen oder eine Verletzungsgefahr des N. alveolaris inferior umgangen werden können [9].

Zu einer ähnlichen Einschätzung, dass nämlich aus biomechanischer Sicht Implantate und Zähne hinsichtlich ihrer Nachgiebigkeit bei funktionellen Belastungen als gleichwertige Pfeiler einzustufen seien, kamen auch Spiekermann et al. [19]. Voraussetzung dafür sei aber, dass kein erhöhter Lockerungsgrad an dem Zahn vorliege und dass eine starre Verbindung zwischen Zahn und Implantat etabliert werde.

Festsitzender Zahnersatz

Implantat-zahngetragene Verbundbrücken werden üblicherweise bei der Versorgung einer verkürzten Zahnreihe oder großer Schaltlücken eingesetzt. Therapiealternativen zu dieser Art der Versorgung sind rein implantatgetragener Zahnersatz oder Anhängerbrücken. Als Hilfestellung zur Therapieentscheidung können die in Tabelle 1 dargestellten Überlebensraten der verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten herangezogen werden. Beim Blick auf die Tabelle fällt auf, dass die implantatzahngetragene Brücke nach 5 Jahren eine genauso große Überlebensrate aufweist wie die übrigen Versorgungen, dann aber nach 10 Jahren auf unter 80 % abfällt [8,13,14]. Die Autoren dieser Studien schlussfolgern, dass bei der Planung von prothetischen Rehabilitationen eigentlich rein implantatgetragene Konstruktionen zu bevorzugen sind. Anatomische Aspekte, patientenspezifische Gründe und die Risikoanalysen der Restbezahnung können aber weiterhin kombiniert zahn-implantatgetragene Rekonstruktionen rechtfertigen (Abb. 1 u. 2) [8,15].

  • Tab. 1: Die von Pjetrusson und Lang veröffentlichten Überlebensraten erlauben eine Einschätzung der Langzeitprognose von festsitzendem Zahnersatz [13,14].
  • Abb. 1 u. 2: Umwandlung einer rein implantatgetragenen Kronenkonstruktion auf Implantaten 36 und 37 in eine implantatzahngetragene Verbundbrücke nach Verlust von Zahn 35 und Überkronungsbedürftigkeit von Zahn 34, verschraubt auf den Implantaten und mit Doppelkrone auf Zahn 34.
  • Tab. 1: Die von Pjetrusson und Lang veröffentlichten Überlebensraten erlauben eine Einschätzung der Langzeitprognose von festsitzendem Zahnersatz [13,14].
  • Abb. 1 u. 2: Umwandlung einer rein implantatgetragenen Kronenkonstruktion auf Implantaten 36 und 37 in eine implantatzahngetragene Verbundbrücke nach Verlust von Zahn 35 und Überkronungsbedürftigkeit von Zahn 34, verschraubt auf den Implantaten und mit Doppelkrone auf Zahn 34.

Eine wissenschaftliche Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit dem Titel „Implantatprothetische Konzepte zur Ergänzung der verkürzten Zahnreihe“, die sich bei diesem Thema im Wesentlichen auf die von Lang und Pjetrusson publizierten Zahlen stützt, führt die geringere 10-Jahres-Überlebensrate von Verbundkonstruktionen darauf zurück, dass endodontisch vorbehandelte Zähne mit Stiftaufbauten als Pfeiler genutzt wurden [1]. Weiter heißt es dort, dass sich implantat- zahngetragene Verbundkonstruktionen anböten, wenn Substanzschäden am Pfeilerzahn vorhanden sind, die ohnehin eine Überkronung erforderlich gemacht hätten, oder/und ein unzureichendes Knochenangebot eine Implantation erschweren oder verhindern würde. Voraussetzung sei aber, dass die betroffenen Zähne nicht gelockert sind. Eine als sicher geltende prognostische Einschätzung des Pfeilerzahns ist bei gutem dentalem und parodontalem Zustand mit einem Knochenverlust von < 50 % und einem Furkationsgrad ? I zu erwarten [10]. Auch Spiekermann verwies auf die Relevanz der richtigen Einschätzung der biologischen Wertigkeit des Pfeilerzahnes bei derartigen Konstruktionen: Die Vitalität, der parodontale Zustand, der Lockerungsgrad, das Ausmaß von Aufbaufüllungen und auch die Wurzelkonfiguration seien zu prüfen [19].

Als Konstruktionsempfehlungen angeführt werden starre Verbindungen über verschraubte Geschiebe oder ungeteilte Brückenkonstruktionen, die zementiert werden können [1]. Von beweglichen Verbindungen, wie z. B. Resilienzgeschieben, wird aufgrund möglicher Zahnintrusionen abgeraten (Abb. 3). Solche Zahnintrusionen können durch die orthodontische Wirkung einer Versorgung auf das parodontale Ligament verursacht werden. Eine dauerhafte Krafteinwirkung entsteht, wenn der Zahn durch nicht rigide Konstruktionen bei Kaubelastung zwar nach apikal bewegt wird, sich dann aber – bedingt durch Friktion bzw. Verkanten oder Verklemmen und/oder Débrisimpaktionen in den Geschiebekomponenten – nicht mehr zurückstellen kann [16]. Zahnintrusionsrisiken werden daher durch nicht rigide Verbindungen konstruktionsbedingt verursacht oder bei ungünstiger Implantat-Zahn-Anordnung auch von Doppelkronen mit provisorischer Zementierung (Abb. 3, 4). Als weitere Risiken gaben Schlumberger et al. Parafunktionen (50 % Intrusionsrate) und die (mangelnde) Erfahrung der Behandler mit derartigen Konstruktionen an: So variierten die Intrusionsraten behandlerabhängig von 3 bis 40 % [17].

  • Abb. 3: Zahnintrusionsrisiko bei nicht rigider Geschiebekonstruktion durch fehlende Verschraubung.
  • Abb. 4: Zahnintrusionsrisiko durch ungünstige Zahn-Implantat-Anordung mit Doppelkronen und provisorischer Zementierung [17].
  • Abb. 3: Zahnintrusionsrisiko bei nicht rigider Geschiebekonstruktion durch fehlende Verschraubung.
  • Abb. 4: Zahnintrusionsrisiko durch ungünstige Zahn-Implantat-Anordung mit Doppelkronen und provisorischer Zementierung [17].

Um die Risiken eines Retentionsverlustes und einer Sekundärkaries zu umgehen, wird unabhängig von der Art und Gestaltung der implantatgestützten Suprakonstruktion der zahngetragene Anteil definitiv zementiert [1]. Möchte man eine bedingt abnehmbare Verbundkonstruktion verwenden, die dann eine extraorale Reparatur sowie Zugang zu dem Pfeilerzahn und dem Implantat ermöglicht, so bietet sich hier ein Käppchen an, das auf dem natürlichen Pfeilerzahn definitiv zementiert wird. Dieses Vorgehen erinnert an die Doppelkronentechnik. Auf diesem Käppchen erfolgt dann die semipermanente Zementierung der Verbundkonstruktion, die Ankerkrone auf dem Implantat wird entweder ebenfalls semipermanent zementiert oder verschraubt (Abb. 5). Biologische Komplikationen am Implantat wurden bei solchen Konstruktionen nicht häufiger gefunden als an rein implantatgetragenen Versorgungen. Klinische Studien berichten über ein stabiles marginales Knochenniveau [12].

  • Abb. 5: Zuverlässige Art der implantat-zahngetragenen Brücke: günstige Pfeileranordnung, Doppelkrone defi nitiv auf dem Zahn zementiert, auf dem Implantat verschraubte und auf der Doppelkrone semipermanent bzw. provisorisch zementierte Konstruktion. Dadurch sind eine bedingte Abnehmbarkeit und ein geringeres Kariesrisiko am Pfeilerzahn gegeben.
  • Abb. 6: Kompromittierte Gebisssituation mit unversorgten Implantaten im 3. Quadranten, nicht erhaltungswürdigen Zähnen 32–42, apikaler Parodontitis an Zahn 36 und geschädigtem, aber erhaltungswürdigem Zahn 37.
  • Abb. 5: Zuverlässige Art der implantat-zahngetragenen Brücke: günstige Pfeileranordnung, Doppelkrone defi nitiv auf dem Zahn zementiert, auf dem Implantat verschraubte und auf der Doppelkrone semipermanent bzw. provisorisch zementierte Konstruktion. Dadurch sind eine bedingte Abnehmbarkeit und ein geringeres Kariesrisiko am Pfeilerzahn gegeben.
  • Abb. 6: Kompromittierte Gebisssituation mit unversorgten Implantaten im 3. Quadranten, nicht erhaltungswürdigen Zähnen 32–42, apikaler Parodontitis an Zahn 36 und geschädigtem, aber erhaltungswürdigem Zahn 37.

Herausnehmbarer Zahnersatz

Die Planung einer strategischen Pfeilervermehrung für einen herausnehmbaren Zahnersatz stellt sich meist deutlich komplexer dar als die Planung für einen festsitzenden Zahnersatz. Bei Letzterem ist die Position der Implantate meistens durch große Schaltlücken oder eine Freiendsituation in Abhängigkeit vom Knochenangebot einfach zu ermitteln. Steht eine herausnehmbare Versorgung an, ist der behandelnde Zahnarzt zumeist mit einem deutlich stärker geschädigten Gebiss mit wenigen Restzähnen konfrontiert (Abb. 6).

Gemeinsam mit dem Patienten muss dann unter Berücksichtigung der anatomischen Voraussetzungen, der Vorschädigung der noch vorhandenen Zähne und der Kosten geplant werden, wie viele zusätzliche Implantate in welcher Position gesetzt werden können. Zudem muss von vornherein festgelegt werden, welches Attachmentsystem zur Befestigung der Prothese an den Pfeilern verwendet werden soll, da dies großen Einfluss auf die Qualität und die Kosten des Zahnersatzes hat. Ebenso muss die Planung die provisorische Versorgung für den Zeitraum nach der Implantation bis zur Fertigstellung des definitiven Zahnersatzes einbeziehen.

Bei einer so komplexen Zahnersatzplanung muss zunächst analysiert werden, welche Zähne noch als Pfeiler für herausnehmbaren Zahnersatz infrage kommen. Für die prognostische Einschätzung parodontal geschädigter Zähne kann wieder die wissenschaftliche Mitteilung der DGPro „Prothetische Rehabilitation im parodontal geschädigten (aber sanierten) Gebiss“ mit der Einteilung in sichere, zweifelhafte und hoffnungslose Prognosen herangezogen werden [10]. Im Gegensatz zur Pfeilervermehrung für den festsitzenden Zahnersatz kann bei der Versorgung mit herausnehmbarem Zahnersatz mit Teleskopen als Attachmentsystem darüber nachgedacht werden, auch Zähne mit einem gewissen Lockerungsgrad einzubeziehen, denn es ist bekannt, dass sich gelockerte Zähne durch die sekundäre Verblockung mit sowohl einer rein zahngetragenen als auch einer implantat-zahngetragenen Teleskoparbeit wieder festigen können [4,20].

Anders sieht es bei Pfeilerzähnen aus, die durch Substanzverlust geschädigt sind. Gerade wurzelgefüllte und mit einem Stift versorgte Zähne haben eine deutlich schlechtere Prognose, wenn sie mit herausnehmbarem Zahnersatz versorgt werden. So sank die Überlebensrate bei wurzelgefüllten und mit Wurzelstiften versorgten Zähnen von 92,7 % bei festsitzender Versorgung mit Brücken auf nur 51,0 % bei Versorgung mit herausnehmbarem Zahnersatz [22]. Entscheidet man sich dafür, Zähne, die mit Wurzelstiften versorgt sind, in die herausnehmbare Versorgung einzubeziehen, so sollte ein „Fassreifendesign“ mit einer Restdentinmanschette von 2 mm gewählt werden, damit Hebelkräfte von einer „Zahn-Stift-Einheit“ aufgenommen werden können.

Auf die Frage nach der Anzahl der notwendigen Pfeiler ergibt sich aus der Literatur, dass sich die Erfolgsrate deutlich erhöht, wenn mindestens 4 Pfeiler oder mehr vorhanden sind. So konnte Wöstmann in einer klinischen Studie zeigen, dass die 5-Jahres-Überlebensrate einer teleskopverankerten Prothese mit nur einem Pfeilerzahn bei 70,9 %, mit 2 Pfeilerzähnen bei 90,4 %, mit 3 Pfeilerzähnen bei 95,0 % und mit 4 Pfeilerzähnen bei 97,9 % lag [23]. Aus diesen Ergebnissen leitet sich ganz klar die Indikation zur strategischen Pfeilervermehrung ab, da durch weitere Pfeiler eine deutliche Steigerung der Überlebensraten erreicht werden kann.

Diese Forderung wird auch durch eine Studie von Krennmair belegt [7]. Hier erfolgte eine strategische Pfeilervermehrung mit anschließender Versorgung durch implantatzahngetragene Teleskoparbeiten. In dieser Studie wurden insgesamt 20 implantat-zahngetragene Teleskoparbeiten ausgewertet. Die Patienten wiesen vor der Versorgung durchschnittlich 2,2 Zähne auf und nach der Implantation 4,9 Pfeiler pro Patient, d. h., es wurden 2 bis 3 Implantate pro Patient zusätzlich gesetzt. Über den gesamten Nachuntersuchungszeitraum von durchschnittlich 38 Monaten ereignete sich kein Zahn- oder Implantatverlust. Weiterhin ließen sich keine endodontischen Komplikationen oder Zahnintrusionen feststellen. Insgesamt konnten gesunde periimplantäre und parodontale Verhältnisse beobachtet werden. Betrug die Anzahl der Pfeiler 3 oder weniger, so war eine Langzeitprognose nach 5 Jahren von nur 70 % zu verzeichnen. Waren 4 oder mehr Pfeiler vorhanden, so lag die Erfolgsquote bei über 85 %.

Die deutlich bessere Prognose von zahn-implantatgetragenen Teleskoparbeiten auf 4 oder mehr Pfeilern erklärt sich durch die Statik: ein Unterstützungsviereck oder -vieleck verhindert Kippungen oder Einlagerungen beim Zubeißen und stabilisiert den Zahnersatz in seiner Lage. So werden wiederum extraaxiale Belastungen an den Pfeilerzähnen bzw. -implantaten vermieden. Um eine besonders günstige Statik zu erreichen, sollte darauf geachtet werden, ein möglichst großes Unterstützungspolygon zu etablieren.

Ein weiterer Vorteil dadurch, einzelne Zähne noch zu erhalten und dann mit Implantaten zusammen in einen herausnehmbaren Zahnersatz einzubeziehen, ergibt sich daraus, dass durch die Propriozeptoren im parodontalen Ligament die Kaukraft weiterhin kontrolliert werden kann und eine bessere taktile Sensibilität erhalten bleibt.

Ebenso scheinen sich schleimhautgetragene Sättel günstig auf die Kaukraftentwicklung auszuwirken. Bei rein implantatgetragenem Zahnersatz nimmt die taktile Sensibilität um das Neunfache ab, während dies bei schleimhaut-implantatgetragenem Zahnersatz nur um das Dreifache der Fall ist [21]. Dies zeigt sich auch anhand der maximal gemessenen Kaukräfte im Prämolaren- und Molarenbereich bei rein implantatgetragenem Zahnersatz mit Kaukräften von bis zu 1800 N. Bei Implantatprothesen mit schleimhautgetragenen Sätteln befinden sich die Kaukräfte wiederum in einem physiologischen Bereich von ca. 400 N. Durch diese geringere Belastung des herausnehmbaren Zahnersatzes dürfte zwangsläufig mit einer verminderten Komplikationsrate zu rechnen sein.

In der Literatur werden überwiegend implantat-zahngetragene Teleskopprothesen im Rahmen der strategischen Pfeilervermehrung genannt. Die Vorteile einer solchen Versorgung liegen auf der Hand: So kann die Anordnung der Pfeiler sowohl in Abhängigkeit vom Knochen als auch nach einer günstigen Lastverteilung erfolgen. Weiterhin liegt eine optimale Hygiene- und Kontrollfähigkeit vor, wodurch gesunde parodontale und periimplantäre Verhältnisse erreicht werden können [3,6]. Bei Komplikationen ist eine prospektive Erweiterungsfähigkeit gegeben, Reparaturen können bequem außerhalb des Mundes im Dentallabor erfolgen. Auch kann bei ausgeprägter Alveolarfortsatzatrophie eine bessere Ästhetik erreicht werden.

  • Abb. 7–9: Sofort-Hybridkombination mit Locatoren auf den Implantaten, Teleskopkronen auf 43, 44 und gegossener Klammer bzw. dentaler Auflage auf den endständigen Molaren.

  • Abb. 7–9: Sofort-Hybridkombination mit Locatoren auf den Implantaten, Teleskopkronen auf 43, 44 und gegossener Klammer bzw. dentaler Auflage auf den endständigen Molaren.
Ebenso lässt sich eine hohe Patientenzufriedenheit bei implantat-zahngetragenen Teleskoparbeiten feststellen [3]. So bewerteten 75 % der Patienten, welche mit implantatzahngetragenen Teleskoparbeiten versorgt waren, ihre Versorgung mit der Schulnote „sehr gut“. Im Vergleich dazu wurde die Note „sehr gut“ von Patienten mit rein implantatgetragenen Stegkonstruktionen nur zu 60 % vergeben. Natürlich sind auch Verbindungen von Zähnen mit Implantaten über andere Halteelemente möglich – klinische Studien hierzu fehlen bislang aber. Insbesondere angesichts der hohen Herstellungskosten von Teleskopkronen können auf den Implantaten alternativ auch Locatoren oder Kugelkopfanker eingesetzt werden (Abb. 7–9).

Aus Sicht der Autoren bietet die implantat-zahngetragene Teleskoparbeit Vorteile im parodontal geschädigten Gebiss, selbst wenn die Pfeileranzahl noch einen festsitzenden Zahnersatz ermöglichen würde. Bekanntlich ist die Erfolgsquote dentaler Implantate im parodontal geschädigten Gebiss niedriger und die Komplikationsrate dafür höher [11]. Liegt die Erfolgsquote im parodontal gesunden Gebiss bei 95 bis 100 %, so beträgt sie im parodontal geschädigten Gebiss nur 82,8 % nach 10 Jahren [2]. Schmidlin stellte an Einzelkronen auf dentalen Implantaten im parodontal geschädigten Gebiss eine Komplikationsfreiheit nach 5 Jahren von 83,6 % und nach 10 Jahren von nur noch 66,2 % fest (Abb. 10–18) [18]. Die Ursachen dafür liegen nicht allein in parodontalpathogenen Keimen, die eine Periimplantitis auslösen können, sondern auch in den durch den parodontalen Knochenabbau bedingten längeren Zahnkronen (Abb. 14–18). Dadurch wirken nämlich deutlich größere Hebelkräfte auf die Suprakonstruktion und das Implantat, die in der Folge mechanische Komplikationen wie Schraubenlockerungen, Schraubenbrüche und Verblendungsfrakturen verursachen können. Hier kommen dann wieder die eben genannten Vorteile der implantat-zahngetragenen Teleskoparbeit zum Tragen. Durch die sekundäre Verblockung werden extraaxiale Kräfte auf alle Pfeiler verteilt, die Zähne werden geschient, nach Entnahme der Prothese ist ein einfacher Zugang für eine möglicherweise notwendige Parodontitis- bzw. Periimplantitistherapie gewährleistet und eine extraorale Reparatur im Dentallabor ist schnell und unkompliziert möglich.

  • Abb. 10: Parodontal geschädigtes Gebiss vor der Versorgung. Die Zähne 12–22, 35, 37 und 47 sind nicht erhaltungsfähig.
  • Abb. 11: OPG nach PAR-Vorbehandlung und anschließender Implantation. Geplant war im Oberkiefer eine implantat-zahngetragene Teleskoparbeit, im Unterkiefer eine festsitzende Kronenversorgung.
  • Abb. 10: Parodontal geschädigtes Gebiss vor der Versorgung. Die Zähne 12–22, 35, 37 und 47 sind nicht erhaltungsfähig.
  • Abb. 11: OPG nach PAR-Vorbehandlung und anschließender Implantation. Geplant war im Oberkiefer eine implantat-zahngetragene Teleskoparbeit, im Unterkiefer eine festsitzende Kronenversorgung.

  • Abb. 12 u. 13: Primärkronen, gegossen aus Gold; Sekundärkronen aus Galvanogold, Tertiärstruktur aus einer NEM-Legierung.
  • Abb. 14–18: Eingesetzte implantat-zahngetragene Teleskoparbeit. Durch die sechs Pfeiler und die symmetrische und statisch günstige Position wird ein großes Unterstützungspolygon gebildet. Dadurch ist mit einer guten Prognose und hohem Patientenkomfort zu rechnen.
  • Abb. 12 u. 13: Primärkronen, gegossen aus Gold; Sekundärkronen aus Galvanogold, Tertiärstruktur aus einer NEM-Legierung.
  • Abb. 14–18: Eingesetzte implantat-zahngetragene Teleskoparbeit. Durch die sechs Pfeiler und die symmetrische und statisch günstige Position wird ein großes Unterstützungspolygon gebildet. Dadurch ist mit einer guten Prognose und hohem Patientenkomfort zu rechnen.

Fazit

Festsitzende Versorgung

Es sollten nur starre Verbindungen zwischen Implantat und Zahn angestrebt werden. Dies kann über verschraubte Geschiebe, über definitive Zementierung oder über provisorische Zementierung auf dem natürlichen Pfeilerzahn, wenn dieser vorher mit einem definitiv zementierten Käppchen im Sinne der Doppelkronentechnik zur Kariesprophylaxe versehen wurde, realisiert werden.

Herausnehmbarer Zahnersatz

Um einen vorhersehbar guten und langfristigen Therapieerfolg zu erreichen sollten mindestens vier Pfeiler vorhanden sein. Dabei ist auf ein großes Unterstützungspolygon zu achten. Als Versorgung der Wahl hat sich hier die implantat-zahngetragene Teleskoparbeit bewährt.

Autoren: OA Dr. Tobias Ficnar, Dr. Dominik Suwelack 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Tobias Ficnar

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Tobias Ficnar


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