Implantologie

Teil 1: Interaktion von Medikamenten – aktuelle Studienlage

Osseointegration von Implantaten in Verbindung mit unterschiedlichen Medikamenten

© Trifonenko Ivan/fotolia
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Die wachsende Anzahl an multimorbiden und polypharmazierten Patienten bewirkt ein schwer einschätzbares Risiko für den implantologisch tätigen Zahnarzt. Die individuelle Interaktion von Medikamenten könnte einen Einfluss auf die erfolgreiche Implantation und Osseointegration haben. Studien zeigen hier sowohl negative als auch positive Medikamenten-Osseointegrations-Wechselwirkungen. Im folgenden Artikel beschreiben die Autoren die aktuelle Studienlage zu folgenden Medikamenten: nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs), Antihypertensiva, Protonenpumpenhemmer und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Mit einem Blick auf globale demografische Studien wird deutlich, dass die Lebenserwartung von Menschen aus Industrieländern stetig weiter ansteigt. Gleichzeitig senkt sich die Mortalitätsrate unter anderem durch die Verbesserung in der Behandlung von Krankheiten und Entwicklung von potenteren Medikamenten. Somit resultiert jedes Jahr ein größer werdender Anteil an älteren Menschen. Untersuchungen zeigen, dass im Vergleich zum Jahr 2017 sich die Zahl der Personen ab dem 60. Lebensjahr bis 2050 voraussichtlich mehr als verdoppeln und bis zum Jahr 2100 mehr als verdreifachen wird. In Europa sind schon mehr als 25% der Bevölkerung älter als 60 Jahre und dieser Wert wird sich bis zum Jahr 2050 auf 35% steigern [1].

In der Zahnheilkunde zeigt sich ebenfalls ein Effekt, der gut zu beobachten ist: Immer mehr Menschen behalten ihre Zähne bis ins hohe Alter, der Versorgungsgrad der Bevölkerung steigt und die relative Anzahl der zahnlosen Patienten sinkt. Patienten verfügen nach den Ergebnissen der DMS V heute zehnmal häufiger über Implantatversorgungen als noch 1997 [2]. Dies ist nicht verwunderlich, denn die dentale Implantologie hat sich in den letzten Jahrzenten als Behandlungsmethode in vielen Indikationen in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bewährt. Ein höheres Lebensalter ist per se kein negativer Prognosefaktor für eine implantologische Versorgung.

Dentale Implantate haben das Ziel, fehlende Zähne oder gesamte Kieferabschnitte funktionell und ästhetisch mit einer hochwertigen prothetischen Versorgung wiederherzustellen. Zahnlose Patienten mit meist schlecht sitzenden Prothesen profitieren von einer implantatgetragenen Restauration ganz besonders. Zum einen können Selbstwertgefühl, Lebensqualität, Funktion und auch Ästhetik verbessert werden. Zum anderen bewirkt die direkte Übertragung der Kaukräfte auf das Implantat und den periimplantären Knochen eine funktionelle Belastung des umliegenden Knochengewebes und es wird somit einer Knochenresorption oder -atrophie entgegengewirkt.

Die erfolgreiche Osseointegration eines Implantats ist das Ziel jeder Implantation. Der Begriff „Osseointegration“ wurde in den 1970er-Jahren durch den schwedischen Wissenschaftler Per-Ingvar Brånemark geprägt. Er definierte den funktionellen und strukturellen Verbund zwischen Kieferknochen und Implantat als Osseointegration [3].

  • Auch die Beschaffenheit der Implantatoberfläche ist für die Einheilung maßgeblich.

  • Auch die Beschaffenheit der Implantatoberfläche ist für die Einheilung maßgeblich.
    © Sven Baehren/fotolia
Die Osseointegration von Implantaten hängt jedoch von vielen unterschiedlichen Faktoren ab und verläuft keineswegs jedes Mal gleich. Während der Implantation haben das chirurgische Vorgehen, die gewählten Implantate mit unterschiedlichsten Oberflächenbeschaffenheiten, das Belastungsprotokoll sowie ggf. notwendige lokale augmentative Verfahren Einfluss auf die Einheilung und somit auf die Osseointegration.

Des Weiteren spielen Faktoren wie die Knochenqualität und Knochenphysiologie eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt sind die sogenannten systemischen Faktoren wie das Alter des Patienten, Allgemeinerkrankungen, lokale übergeordnete Einflüsse (z.B. Strahlentherapie) und Lebensgewohnheiten wie das Rauchen ein schwer einschätzbares individuelles Risiko. Hinzu kommen immer häufiger seitens der Patienten eingenommene Medikamente, von denen die Wechselwirkungen untereinander schwer einschätzbar sind und deren Beeinflussung des Knochenstoffwechsels z.T. nur ansatzweise wissenschaftlich untersucht ist. Zu unterscheiden sind hierbei neben betagten und hochbetagten Personen, mit ihren dem Lebensalter assozierten Einschränkungen, auch Menschen mit mehreren systemischen Krankheiten (multimorbide Patienten) und Menschen, die eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen (Polypharmazie). In Deutschland nehmen etwa 42% der über 65-Jährigen 5 oder mehr Medikamente gleichzeitig zu sich, Tendenz steigend. 20 bis 25% dieser Patienten sollen potenziell inadäquate Medikamente erhalten, also Medikamente, deren Verordnung mit einem, im Vergleich zum klinischen Nutzen, überhöhten Risiko für Nebenwirkungen bei älteren Menschen einhergeht [4,5].

Wenn ein Patient nun unterschiedliche Medikamente nimmt, so ist es schwierig, die einzelnen Wirkungen und Wechselwirkungen untereinander zu kennen oder einzuschätzen. So zeigen neuere Studien, dass Medikamente wie nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs), Antihypertensiva, Protonenpumpenhemmer und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer einen Einfluss auf die Osseointegration von Implantaten bzw. deren Langzeitprognose haben können.

Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs)

Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) werden in der Zahnmedizin standardmäßig als Schmerzmittel eingesetzt. Sie besitzen eine schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung und sind in niedrigen Dosen auch als Over-the-counter(OTC)- Medikamente ohne Rezept erhältlich. Sie gehören außerdem zu den am häufigsten verkauften Medikamenten überhaupt.

Zahnärztlich relevante Studien

Eine kürzlich veröffentlichte Studie untersuchte genau das oben genannte Problem mit folgender Fragestellung: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Einnahme systemisch wirkender Medikamente, die den Knochenstoffwechsel beeinflussen können, und ihre Auswirkungen auf die Prognose von Implantaten? Untersucht wurden NSAIDs, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Protonenpumpenhemmer (PPI), Bisphosphonate (BP) und Antihypertensiva. Dabei konnte keine signifikante Änderung – weder positiv noch negativ – in der Implantatüberlebensrate in Verbindung mit NSAIDs festgestellt werden [6].

Eine weitere Studie untersuchte den Effekt von NSAIDs auf die osteogene Aktivität von Osteoblasten mit Schwerpunkt auf die Osseointegration von Implantaten. Die Ergebnisse zeigen in den ausgewählten Studien einen zu geringen Evidenzgrad, um explizit darauf schließen zu können, ob ein Zusammenhang zwischen der Verwendung postoperativer NSAIDs und einer fehlgeschlagenen Osseointegration besteht. In den klinischen Human- Studien ergab sich kein Hinweis, dass die Osseointegration von Implantaten durch eingenommene NSAIDs negativ beeinflusst wird [7].

Antihypertensiva

Blutdrucksenkende Medikamente, sogenannte Antihypertensiva, sind aufgrund ihrer Verschreibungshäufigkeit epidemiologisch bedeutsam. In Europa liegt die Prävalenz der arteriellen Hypertonie bei ca. 30%, wobei ältere Menschen noch häufiger davon betroffen sind. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts ist in Deutschland jeder dritte Erwachsener von dieser Krankheit betroffen. Das sind ca. 20 Millionen Erwachsene in der Altersgruppe der 18- bis 79-Jährigen. Mit einem Blick auf die Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen haben 3 von 4 Erwachsenen eine Hypertonie [8]. Die meisten Patienten mit Bluthochdruck brauchen für eine gute Blutdruckeinstellung mindestens 2, viele sogar 3 Medikamente aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen. Aus diesem Grund kann der Zahnarzt in seiner Praxis von mehreren Patientenkontakten ausgehen, die ein oder mehrere Medikamente aus der Gruppe der Antihypertensiva regelmäßig einnehmen. Der folgende Text wurde aus dem aktuellen MKG-Update 2018 teilweise modifiziert übernommen [9]:

„Die häufigsten Medikamenten-Vertreter der Antihypertensiva sind:

  • Beta-Blocker (Adrenolytika)
  • Thiazide – Diuretika
  • ACE-Hemmer (Angiotensin-converting-Enzyme-Inhibitoren) und ARBs (Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker)“.

Schon seit längerem wird eine positive Interaktion der Antihypertensiva auf den Knochenstoffwechsel angenommen [10,11]. Infolgedessen zeigen Studien eine positive Reduktion der Knochenfrakturrate bei Osteoporose-Patienten. Hierbei bewirkt sogar schon die alleinige Einnahme eines Präparates aus den o.g. Medikamentengruppen eine Verbesserung der Frakturrate [12].

„Dieser Tatsache liegen 3 unterschiedliche Wirkmechanismen zugrunde:

  1. Beta-Blocker hemmen den osteoklastären Knochenabbau durch Blockade des zellulären ß-2-adrenergen Rezeptors in den Osteoklasten [13].
  2. Thiazide erhöhen die renale Kalzium-Absorption im distalen Tubulus der Niere und begünstigen so den Knochenstoffwechsel [14].
  3. ACE-Hemmer und ARBs blockieren das Renin-Angiotensin- System und führen so zu einer positiven Knochenbilanz [15].“

Zahnärztlich relevante Studien

Die bereits erwähnte Studie von Chappuis untersuchte ebenfalls den Effekt von Antihypertensiva auf die Implantatverlustrate. Jedoch konnte bei den Antihypertensiva-Medikamenten keine Metaanalyse durchgeführt werden, da nur eine Studie die Einschlusskriterien erfüllte. In dieser jedoch konnte eine erhöhte Überlebensrate von Implantaten gezeigt werden [6].

Es existiert eine vielsagende retrospektive Kohortenstudie zu exakt dem Sachverhalt der Osseointegration von dentalen Implantaten in Verbindung mit der Einnahme von Antihypertensiva. In dieser Studie wurden n = 728 Patienten (n = 1.499 Implantate) analysiert. Von den 728 Patienten wurden n = 142 Patienten (n = 327 Implantate) mit Antihypertensiva (Beta-Blocker, Thiazide, ACEHemmer, ARBs) behandelt und mit der Kontrollgruppe n = 586 Patienten (n = 1.172 Implantate) ohne Medikation verglichen. Die Ergebnisse zeigen eine signifikant niedrigere Implantatverlustrate für die Patienten mit antihypertensiver Therapie (0,6%) gegenüber der Kontrollgruppe (4,1%; p = 0,01; CI: 0,12 [0,03– 0,49]). Somit folgern die Autoren, dass Antihypertensiva wegen des positiven Einflusses auf das Knochenremodeling mit einem verbesserten Implantatüberleben assoziiert sein können. Der Effekt ist kein Epiphänomen der Grunderkrankung „arterielle Hypertonie“, wie in der Gegenüberstellung therapierte versus nicht therapierte Hypertoniker nachweisbar ist, da Patienten mit Hypertonie ohne Medikation keinen positiven Prognoseeffekt auf ihre Implantate zeigten [16].

Die Fallzahl der Studie ist groß und zeigt ein interessantes Ergebnis. Leider fehlen hier weitere Studien, um eine genauere Vorhersagekraft zu erhalten. Jedoch kann jetzt schon festgehalten werden, dass Antihypertensiva keinen negativen Einfluss auf die Implantatüberlebensrate haben, sondern eher förderlich sein können.

Protonenpumpenhemmer (PPI)

Eine weitere Medikamentengruppe, die epidemiologisch immer mehr in den Vordergrund rückt, sind die Protonenpumpenhemmer (PPI). PPIs werden seit über 25 Jahren klinisch eingesetzt und die Zahl der Verschreibungen ist stetig gestiegen. Sie werden weltweit großzügig bei Gastritis, Magen- und Zwölffingerdarm-Ulzera und Sodbrennen bzw. für die gastroösophageale Reflux-Krankheit verordnet. PPIs sind ebenfalls als OTC-Medikamente frei in Apotheken erhältlich. Es scheint auch hier ein großer Anteil der Verordnungen nicht durch einen ärztlichen Kollegen, sondern im Sinne einer Selbstmedikation durch den Patienten zu erfolgen. Seit der Einführung der PPIs in den 1980er-Jahren zählen diese zu den weltweit am häufigsten verordneten und eingenommenen Medikamenten [17,18]. Als zahnärztlich relevante Nebenwirkung ist jedoch schon seit über 10 Jahren bekannt, dass PPIs mit einem relevant erhöhten Frakturrisiko bei Osteoporose-Patienten einhergehen [19,20].

Es existieren 2 verschiedene Annahmen, auf welche Weise PPIs den Kalziumstoffwechsel der Patienten negativ beeinflussen. Eine Ursache hierfür ist die Tatsache, dass unter Säuresekretion des Magens die Kalzium-Resorption im Duodenum erleichtert wird. Die Hemmung der Säureproduktion geht deshalb unabdingbar mit einer Minderung der Kalzium-Aufnahme und damit einer Minderung der Knochenmineraldichte (bone mineral density; BMD) einher [21]. Des Weiteren bewirken PPIs durch die Minderung der Säureproduktion eine Hypergastrinämie (erhöhter Gastrin- Serumspiegel). In Studien konnte die Folge, ein sogenannter Hyperparathyreoidismus, nachgewiesen werden, der wiederum die Demineralisation des Knochens begünstigt [22].

Zahnärztlich relevante Studien

In der Metaanalyse von Chappuis konnte in der statistischen Auswertung (Fixed Effect Model) eine höhere Implantatverlustrate von 4,3% in der Testgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe evaluiert werden (p < 0,05) [6].

In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden n = 799 Patienten (n = 1.773 Implantate) analysiert. Es standen von den Patienten insgesamt n = 58 Patienten (n = 133 Implantate) unter PPI-Therapie und wurden mit der Kontrollgruppe von n = 741 Patienten (n = 1.640 Implantate) ohne Medikation verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Implantatverlustrate bei Patienten unter PPI-Therapie bei 6,8% und in der Kontrollgruppe bei 3,2% lag. Dies stellt nach Multilevel-Analyse einen signifikanten Unterschied dar (p = 0,03). Auch Raucher zeigten ein statistisch signifikant höheres Risiko für einen Implantatverlust (p = 0,001) [23].

In einer weiteren retrospektiven Kohortenstudie wurden n = 999 Patienten (n = 3.559 Implantate) analysiert. Hier wurden n = 67 Patienten (n = 250 Implantate) unter PPI-Therapie mit der Kontrollgruppe mit n = 932 Patienten (n = 3.309 Implantate) ohne Medikation verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Implantatverlustrate bei Patienten unter PPI-Therapie bei 12% (30/250) und in der Kontrollgruppe bei 4,5% (148/3.309) lag, was einen statistisch signifikanten, negativen Effekt auf die Überlebensrate (HR 2,811; 95% CI: 1,139– 6,937; p = 0,025) darstellt. Bruxismus, Rauchen, Implantatlänge, prophylaktische Antibiose und Implantatlokalisation zeigten ebenfalls signifikante Effekte auf die Überlebensrate [24].

Diese Studien zeigen eindrucksvoll einen negativen Effekt von Protonenpumpenhemmer auf die Implantatüberlebensrate. Besonders erschreckend ist es, dass Patienten sich ohne Kenntnis des Zahnarztes häufig selbst PPIs verordnen. Dadurch soll aufgrund des zahnärztlich operativen Eingriffes und der notwendig verschriebenen Medikamente (Antibiotika, Analgetika) eventuellen „Magenproblemen“ vorgebeugt werden. PPIs sollten jetzt nicht als Kontraindikation für eine Implantation angesehen werden. Jedoch sollte diese Thematik mit den Patienten im Vorfeld der Implantation besprochen werden.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

Depressionen zählen zu den häufigsten und meistunterschätzten Erkrankungen. Bei depressiven Störungen kommen vor allem seit etwa 20 Jahren in Deutschland selektive Serotonin-Wiederauf nahmehemmer (SSRI) zur Anwendung. Die Anzahl der verordneten Verschreibungen von SSRI hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, was vor allem in den Vorteilen (z.B. Nebenwirkungsprofil wie Xerostomie u.ä.) der SSRI gegenüber den älteren trizyklischen Antidepressiva begründet liegt. Zu den SSRI der zweiten Generation zählen Citalopram und Sertralin.

Der Wirkmechanismus von SSRIs beruht auf einer längeren, unphysiologisch starken Konzentrationszunahme von Serotonin im synaptischen Spalt. Dieser wird bewirkt, indem die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Serotonin in der Präsynapse gehemmt wird und es somit direkt zur Erhöhung von Serotonin im synaptischen Spalt kommt. Der Wirkungsmechanismus aller Antidepressiva, aber insbesondere der SSRI, wird dadurch charakterisiert, dass sich eine erfolgreiche Therapie erst Wochen nach deren Beginn einstellt. Während des Therapiebeginns wird eine langsame Zunahme der postsynaptischen Serotoninrezeptoraktivitäten beobachtet – und in der Folge eine antidepressive Wirkung. Von Nachteil ist, dass der Organismus mit der langfristigen SSRI-Therapie auch gegenüber allen Nebenwirkungen verlängert ausgesetzt ist. An anderen Monoamintransportern wirken SSRI gar nicht oder nur schwach. Darin unterscheiden sie sich von den älteren trizyklischen Antidepressiva und werden deshalb als selektiv bezeichnet.

Bereits seit 10 Jahren ist der negative Einfluss der SSRI auf die Knochenmineraldichte (bone mineral density; BMD) bekannt. In einer prospektiven Kohortenanaylse unter SSRI-Medikation konnte eine signifikante Minderung der Knochenmineraldichte festgestellt werden. Ähnliche Effekte der Minderung waren bei anderen Antidepressiva nicht nachweisbar. Die negative Wirkung der SSRI auf die Knochenmineraldichte war mit der einer Cortisonlangzeittherapie vergleichbar [25].

Zahnärztlich relevante Studien

Auch zu dieser Medikamentengruppe lieferte die Metaanalyse von Chappuis eine Auswertung. Für SSRIs wurde ebenfalls gezeigt, dass die Implantatverlustrate bei Patienten, die SSRIs einnahmen, signifikant höher war (p < 0,05) im Vergleich zu Patienten, die keine SSRI einnahmen. Die Verlustrate wurde mit 7,5% höher angegeben [6].

In einer retrospektiven, in diesem Jahr veröffentlichten Studie vom American College of Prosthodontists wurden 5.456 Patienten nachuntersucht, welche mindestens ein Implantat in Verbindung mit einem SSRI erhalten hatten. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 5,3 Jahre (2,3 bis 10,2 Jahre) für die 4.927 Patienten, die keinen Implantatverlust erlitten. Bei den 529 Patienten, die ein Implantatversagen hatten, trat dies im Mittel bei 0,5 Jahren auf. Nach der Anpassung des Alters, des Geschlechts und der Ära der Implantation war die Anamnese der Verwendung von SSRI Sertralin bei allen Patienten mit einem erhöhten Risiko für Implantatversagen verbunden (HR 1,60; 95% CI 1,15–2,23; p = 0,006) und unter der Untergruppe von Patienten mit einer SSRIAnwendung in der Vorgeschichte (HR 1,64; 95% CI 1,07–2,52; p = 0,02). Die Autoren schlussfolgerten, dass in der hier untersuchten Patientenbevölkerung eine Sertralin-Einnahme in der Vorgeschichte mit einem um 60% höheren Risiko eines Implantatmisserfolges verbunden war. Jedoch zeigte sich, dass falls der Patient während bzw. zum Zeitpunkt der Implantation aktiv SSRIs eingenommen hatte, dieses Ereignis nicht mit einem signifikant höheren Implantatverlustrisiko einherging [26].

In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden n = 300 Patienten (n = 931 Implantate) analysiert. Es wurden n = 18 Patienten (n = 48 Implantate), die unter SSRI-Therapie standen, mit n = 282 Patienten (n = 883 Implantate) ohne Medikation als Kontrollgruppe verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Implantatverlustrate bei Patienten unter SSRI-Therapie bei 12,5% und in der Kontrollgruppe bei 3,3% lag. Jedoch zeigten weder die multivariate Analyse (p = 0,53) noch ein Multilevelmodell (p = 0,125) einen signifikanten Zusammenhang zwischen SSRI-Einnahme und Implantatverlust [27].

Die Studien zeigen eine Tendenz, dass Patienten mit SSRI womöglich eine höhere Implantatverlustrate haben. Jedoch könnte dieser Zusammenhang auch übergeordnete Gründe haben und es sich um ein sogenanntes Epiphänomen handeln, sodass die Wechselwirkung „SSRI und Implantatverlust“ mit Zurückhaltung betrachtet werden muss.

Fazit

Eine langfristig erfolgreiche Implantatversorgung hängt nach aktueller Datenlage auch von der Medikamenten-Anamnese des Patienten ab. Obwohl die Interaktion von Medikamenten auf die Implantatprognose oder die Osseointegration immer noch sehr schwer abzuschätzen ist, zeigt sich bei manchen Medikamenten eine eindeutige Tendenz. So kann es sein, dass die Einnahme von Antihypertensiva zu einer niedrigeren Implantatverlustrate führt. Andererseits scheint es bei Protonenpumpenhemmern (PPI) zu einer Verschlechterung der Implantatprognose zu kommen. Diese und auch selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) haben möglicherweise einen negativen Einfluss auf die Implantatüberlebensrate. Weitere Studien werden benötigt, um eine bessere Vorhersage für den Patienten und das Erfolgsrisiko einer Implantation machen zu können.

Im 2. Teil beschreiben die Autoren den Umgang mit antikoagulierten Patienten unter Berücksichtigung der aktuellen Leitlinie mit praxisnahen Empfehlungen. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Tim F. Wolff - Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz



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