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Eine Falldarstellung

Die biologisch induzierte Augmentation – das Tissue Master Concept (TMC)

Durch Zahnextraktion ausgelöste Resorptionsprozesse führen zu einem erheblichen Verlust von parodontalen und alveolären Hart- und Weichgewebestrukturen und erfordern, je nach Ausmaß, teils sehr umfangreiche, invasive und für den Patienten belastende chirurgisch-augmentative Maßnahmen. Das sogenannte Tissue Master Concept (TMC) besitzt das Potenzial, den zu erwartenden Resorptionsprozess zu vermeiden oder schon vorhandene Defizite zu regenerieren. Aufgrund der biologisch induzierten Augmentation wird zudem kein Fremdmaterial benötigt. Die elegant-einfache Verfahrenstechnik sowie das begleitende Instrumentarium und Extrusions-Kit (Komet Dental, Lemgo) werden anhand eines Patientenfalles vorgestellt.

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Die Extraktion eines Zahnes initiiert Umbauprozesse, die oft in einem ausgeprägten Verlust von Hart- und Weichgewebsstrukturen münden. Insbesondere zeigen sich diese im vestibulären Bereich des Alveolarfortsatzes [4], was gerade bei einer implantologischen Therapie eine große Herausforderung bedeuten kann. Zur Minimierung dieser Gewebeverluste bzw. zur späteren Wiederherstellung der ursprünglichen Gewebesituation sind zahlreiche chirurgische Maßnahmen beschrieben [5,6,16,36]. Diese Maßnahmen bedienen sich meist der Applikation von Fremdmaterial (alloplastisch, xenogen, allogen). Auch autologes Material aus diversen Spenderregionen kommt regelmäßig zum Einsatz [19,32]. Diese Verfahren sind in der Regel sowohl invasiv, zeit- und kostenintensiv als auch sehr technik- und anwendersensitiv [1,13,28,34]. Zusätzlich stellen diese Verfahren aufgrund mehrfacher chirurgischer Intervention eine große Belastung für den Patienten dar [17]. Aktuelle Studien untersuchen daher auch innovative und neu entwickelte Strategien; Ergebnisse nach einem langen Beobachtungszeitraum liegen jedoch derzeit noch nicht vor [31].

Eine Alternative stellt das Verfahren der biologisch induzierten Augmentation dar – das sogenannte Tissue Master Concept (TMC) [26]. Auf die Verwendung von Fremdmaterial kann dabei verzichtet werden. Anstelle des chirurgischen Ansatzes steht die Nutzung des biologischen Potenzials des supraalveolären Faserapparates und parodontalen Ligamentes im Vordergrund. Mechanische Reize (hier die Extrusion) führen durch vertikale Krafteinwirkung zu entsprechenden Gewebereaktionen, die umfangreiche zelluläre und strukturelle Regenerationsprozesse zur Folge haben [7,9,30].

Das TMC bietet dabei zwei Wege: Die Replantation eines Wurzelsegmentes eines extrahierten Zahnes kann die alveolären Hart- und Weichgewebsstrukturen in vertikaler und lateraler Dimension umfassend erhalten. Erfolgt darüber hinaus eine Extrusion dieses Segmentes, folgen die parodontalen und alveolären Strukturen der kraftinduzierten Bewegung weitestgehend nach. Aufgrund dessen kommt es zu einer Follow-up-Regeneration aller angrenzenden Gewebestrukturen [8,21,23,25,39].

Die einfache Verfahrenstechnik sowie das begleitende Instrumentarium und Extrusions-Kit werden nachfolgend vorgestellt.

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Die Verfahrenstechnik des TMC

Ein nicht erhaltungsfähiger Zahn wird schonend extrahiert. Bewährt haben sich insbesondere der beinsche Hebel, das Benex®-System, das Zalex®-Verfahren und die Ögram®-Technik. Der extrahierte Zahn wird unmittelbar danach in einem Behälter mit steriler physiologischer Kochsalzlösung gelagert. Zur Aufrechterhaltung des Informationsflusses soll ein horizontales Segment von circa 2 mm Höhe in den Grenzbereich zwischen Margo alveolaris und suprakrestaler Faserstruktur replantiert werden. Dazu wird extraoral aus dem zervikalen Bereich in Höhe des parodontalen Ligamentes eine Scheibe geschnitten. Um unsachgemäß verschlossene Wurzelkanäle (gilt auch für Wurzelfüllungen) zu vermeiden, wird das Wurzelkanallumen generell mit einem Diamanten erweitert und einem adhäsiven Zement (z. B. RelyX® Unicem, 3M, Neuss) aufgefüllt. Das orthograde, vorzugsweise formkongruente Segment wird in die revidierte, mit frischem Blut ohne Luftblasen gefüllte Alveole replantiert. Das Verfahren der Revision der Alveole kann vom Behandler nach seinen Vorlieben gewählt werden. Die Lagesicherung bzw. der Schutz des Replantates erfolgen vorzugsweise mit einer tiefgezogenen Miniplast-Schiene, die eine leichte Distanz zu diesem aufweist.

Abb. 1: Die histologische Analyse zeigt für die entsprechende Region typischen, ortsständigen, vitalen Knochen.
Abb. 1: Die histologische Analyse zeigt für die entsprechende Region typischen, ortsständigen, vitalen Knochen.

Nach einer Einheilzeit von zehn Tagen kann die Entscheidung getroffen werden, ob eine Extrusion des Segmentes, zum Beispiel im Interesse einer perfekten gingivalen Konturlinie oder zur Vertikalbewegung des Margo alveolaris, notwendig ist. Nachfolgende Retentionszeiten für die vertikale Regeneration alveolärer Strukturen münden im Unterkiefer in einer acht- bis zehnwöchigen, im Oberkiefer in einer zehnbis zwölfwöchigen Wartezeit. Im Anschluss daran kann in typisch ortsständigen Knochen implantiert werden. Die histologischen Bilder zeigen für die jeweilige Region charakteristischen vitalen Knochen, entsprechend der Klassifikation nach Lekholm und Zarb (Abb. 1). Dies ist von grundlegender Bedeutung, da allein schon das Handlingskonzept entsprechend der originären Situation beibehalten werden kann. Die Extrusion dieses Segmentes wird über vertikale Kräfte, die mittels des Hosenträgerprinzips übertragen werden, erreicht. Die mechanisch notwendigen Gegenlager können mit einfacher Technik an natürlichen Zähnen, Metalloberflächen oder chemisch inerten Keramikoberflächen erreicht werden. Im Segment selbst wird zur Anlage des Extrusions- Kits (Komet Dental, Lemgo) eine feine Rille präpariert und ein schmaler Kunststoffsteg mit einem adhäsiven Zement oder flowable Komposit befestigt. Dieser Steg hält bukkal und oral einen gewissen Abstand zur Weichgewebetextur. Die vorgeformten Enden sind gestaltet, um eine Reizung der Wangenschleimhaut oder Zungenoberfläche zu vermeiden. Diese Enden stehen bukkal und oral etwas über das Segment, was das spätere Einbringen des elastischen Gummibandes ermöglicht. An den Nachbarzähnen wird der zweite Steg im Kauflächenbereich oder auf der Bukkal- und Palatinalfläche ebenfalls adhäsiv verankert. Vom Quersteg werden jetzt Gummizüge in passender Stärke über den Längssteg gespannt (Hosenträgerprinzip) und täglich durch den Patienten gewechselt (Abb. 2). Eine elegante Variante wird durch Flügelprovisorien aufgezeigt. Das zahnfarbene, physiologische Erscheinungsbild macht dieses Provisorium nahezu unsichtbar und sichert aufgrund der hohen mechanischen Belastbarkeit einen raschen Behandlungserfolg. Die große vertikale Kraft führt zu einer schnellen Extrusion binnen einem bis maximal fünf Tagen. Der Zahn oder das Wurzelsegment werden abschließend mit flowable Komposit adhäsiv fixiert. Die nachfolgende Konsolidierungsphase beträgt im Oberkiefer circa zehn bis zwölf und im Unterkiefer acht bis zehn Wochen. In dieser Zeit erfolgt aus apikaler und lateraler Richtung eine Knochenregeneration, basierend auf den aus der chirurgischen Wundheilung und Kieferorthopädie bekannten Umbauvorgängen.

Abb. 2: Grafische Darstellung des Extrusions-Kits in verschiedenen Konstellationen des Hosenträgerprinzips.
Abb. 2: Grafische Darstellung des Extrusions-Kits in verschiedenen Konstellationen des Hosenträgerprinzips.

Die bisher beobachteten Therapieergebnisse nach dem Tissue Master Concept sind sehr vorhersagbar und langzeitstabil [14,24,26]. Derzeit kann über Ergebnisse von mehr als zwölf Jahren berichtet werden. Dies deckt sich mit den Erfahrungen der Autoren. Die aufgeführten Therapieschritte, wie die Replantation und Extrusion eines Wurzelsegmentes, werden nachfolgend anhand eines Patientenfalles dargestellt. Mithilfe des durchgeführten Vorgehens konnten ohne chirurgischaugmentative Maßnahmen ein langzeitstabiles Knochenlager und harmonische weichgewebige Verhältnisse für die implantatprothetische Rekonstruktion erhalten werden.

Fallbeispiel

Ausgangssituation und Diagnostik

Die Patientin (Nichtraucherin, keine Medikamenteneinnahme, suffiziente Mundhygiene) stellte sich mit Beschwerden an Zahn 25 vor. Diagnostisch zeigten sich von der Apikalregion ausgehende, therapieresistente Beschwerden. Es erfolgte eine differenzialdiagnostische Abklärung anderer Ursachen wie nachweisbare Infrakturen, Frakturen, funktionelle Fehlbelastungen oder Parodontopathien. Zusammen mit der Patientin wurden verschiedene Behandlungsoptionen intensiv erörtert. Auf Basis der erhobenen Befunde und darauf aufbauend auch auf Wunsch der Patientin wurde der Zahn 25 als nicht mehr erhaltungswürdig eingestuft, was die Extraktion des Zahnes notwendig machte. Nach erfolgter Extraktion konnte eine geringgradige vertikale Frakturlinie im apikalen Wurzelbereich nachgewiesen werden. Es zeigten sich minimale parodontale Defekte bei sonst intakten Knochen- und Weichgewebestrukturen. Ziel der anschließenden Therapie der resultierenden Schaltlücke war die implantologische Versorgung. Die nahezu intakte Knochen- und Weichgewebesituation sollte mittels des TMC-Verfahrens erhalten werden, um ein bestmögliches Implantatlager zu schaffen.

Therapeutisches Vorgehen

Extraktion und Replantation

Dazu wurde nach vorsichtiger, schonender Extraktion des Zahnes 25 unter Verwendung eines adäquaten beinschen Hebels aus dem koronalen Wurzelanteil extraoral mittels einer Hartmetallfräse (H254E, Komet Dental, Lemgo) ein formkongruentes, zervikales Segment in Form einer circa 2 mm hohen Scheibe gebildet (Abb. 3 u. 4). Entscheidend ist dabei das zirkulär vorhandene parodontale Ligament. Zu dessen Vitalerhaltung erfolgte die Bearbeitung und Lagerung des Segmentes unter kontinuierlicher Befeuchtung mit Kochsalzlösung. Abschließend wurde das Kanallumen der Scheibe gründlich gereinigt und mit einem adhäsiven Zement (RelyX® Unicem, 3M, Neuss) verschlossen (Abb. 5). Das Segment wurde in die gründlich excochleierte, blasenfrei mit Blut gefüllte Alveole sicher reponiert (Abb. 6–8 u. 17). Das Replantat wurde postoperativ mit einer Wundverbandplatte abgedeckt und geschützt. Diese wurde von der Patientin eine Woche getragen. Während dieser Zeit vollzieht sich die Wiederanheftung der parodontalen Fasern, wenn eine ausreichende Ruhigstellung des Replantates gewährleistet ist (Abb. 9).

Abb. 3: Extrahierter Zahn 25 mir zirkulär intaktem Ligament im koronalen Wurzelbereich.
Abb. 3: Extrahierter Zahn 25 mir zirkulär intaktem Ligament im koronalen Wurzelbereich.
Abb. 4: Bildung des scheibenförmigen, 2 mm hohen Segmentes.
Abb. 4: Bildung des scheibenförmigen, 2 mm hohen Segmentes.
Abb. 5: In Kochsalzlösung gelagerte, zur Replantation vorbereitete Scheibe.
Abb. 5: In Kochsalzlösung gelagerte, zur Replantation vorbereitete Scheibe.
Abb. 6: Vollständig revidierte, mit Blut gefüllte Alveole.
Abb. 6: Vollständig revidierte, mit Blut gefüllte Alveole.
Abb. 7: Replantation in die blutgefüllte Alveole.
Abb. 7: Replantation in die blutgefüllte Alveole.
Abb. 8a u. b: Formkongruentes Replantat in situ, Ansicht von okklusal und bukkal.
Abb. 8a u. b: Formkongruentes Replantat in situ, Ansicht von okklusal und bukkal.
Abb. 9: Situation mit eingesetzter Wundverbandplatte.
Abb. 9: Situation mit eingesetzter Wundverbandplatte.

Extrusion

Nach der zehntägigen Einheilphase wurde nun zur weiteren Optimierung des Implantatlagers zusätzlich eine vorsichtige Extrusion des Replantates durchgeführt (Abb. 10). Dazu wurden eigens für diesen Zweck entwickelte Elemente (Extrusions-Kit; Komet Dental, Lemgo) mit fließfähigem Komposit auf dem Replantat fixiert (Abb. 11 u. 18). Nach dem Hosenträgerprinzip wurden zahnfarbene Gummizüge über eine laborgefertigte, adhäsiv befestigte provisorische Brückenversorgung geführt (Abb. 12). Diese Gummizüge üben die vertikal gerichtete Kraft aus, die das Segment nach koronal führt. In dieser Phase sind die parodontalen Fasern stark gespannt. Diesem Reiz folgen sowohl Weich- als auch Hartgewebe (koronales „Follow-up“). Nach fünf Tagen befand sich das Replantat in der gewünschten Position und wurde wiederum mit fließfähigem Komposit am basalen Anteil des Flügelprovisoriums befestigt (Abb. 13 u. 19).

Abb. 10: Stabile gingivale Verhältnisse nach der zehntägigen Einheilphase.
Abb. 10: Stabile gingivale Verhältnisse nach der zehntägigen Einheilphase.
Abb. 11: Applizierte Elemente des Extrusions-Sets am Replantat 25. Deutlich sichtbare Makroretentionen im Bereich der Versorgungen an 24 und 26.
Abb. 11: Applizierte Elemente des Extrusions-Sets am Replantat 25. Deutlich sichtbare Makroretentionen im Bereich der Versorgungen an 24 und 26.
Abb. 12: Appliziertes laborgefertigtes Flügelprovisorium 24 bis 26 vor Einhängen der Gummizüge.
Abb. 12: Appliziertes laborgefertigtes Flügelprovisorium 24 bis 26 vor Einhängen der Gummizüge.
Abb. 13: Abschluss der Extrusionsphase vor Fixierung (mit eingehängten Gummizügen). Gut erkennbar ist das deutliche koronale „Follow-up“ der gingivalen Strukturen (vgl. Abb. 12).
Abb. 13: Abschluss der Extrusionsphase vor Fixierung (mit eingehängten Gummizügen). Gut erkennbar ist das deutliche koronale „Follow-up“ der gingivalen Strukturen (vgl. Abb. 12).
Abb. 14: Nach der Konsolidierungsphase zeigen sich klinisch ideale Weichgewebsverhältnisse für die nun folgende Implantation.
Abb. 14: Nach der Konsolidierungsphase zeigen sich klinisch ideale Weichgewebsverhältnisse für die nun folgende Implantation.
Abb. 15a u. b: Präzise ausgeformtes Emergenzprofil zu Beginn der prothetischen Phase. Die natürliche Stippelung der bukkalen Gingiva gilt als eindeutiges Indiz für stabil knöcherne Verhältnisse im bukkalen Bereich. Ansicht von okklusal und bukkal.
Abb. 15a u. b: Präzise ausgeformtes Emergenzprofil zu Beginn der prothetischen Phase. Die natürliche Stippelung der bukkalen Gingiva gilt als eindeutiges Indiz für stabil knöcherne Verhältnisse im bukkalen Bereich. Ansicht von okklusal und bukkal.
Abb. 16: Harmonischer Gingivaverlauf und stabile Verhältnisse fünf Jahre nach Eingliederung der prothetischen Versorgung.
Abb. 16: Harmonischer Gingivaverlauf und stabile Verhältnisse fünf Jahre nach Eingliederung der prothetischen Versorgung.
Abb. 17: Formkongruentes Replantat, sicher positioniert im Übergangsbereich zwischen Margo alveolaris und suprakrestaler Faserstruktur.
Abb. 17: Formkongruentes Replantat, sicher positioniert im Übergangsbereich zwischen Margo alveolaris und suprakrestaler Faserstruktur.
Abb. 18: Beginn der Extrusionsphase zehn Tage nach Replantation. Das Extrusions-Kit (Komet Dental, Lemgo) wurde auf dem Replantat fixiert.
Abb. 18: Beginn der Extrusionsphase zehn Tage nach Replantation. Das Extrusions-Kit (Komet Dental, Lemgo) wurde auf dem Replantat fixiert.
Abb. 19: Anhand der Relation zwischen Segment und interdentalem Limbus alveolaris ist das Ausmaß des Extrusion sehr gut zu erkennen (vgl. Abb. 18).
Abb. 19: Anhand der Relation zwischen Segment und interdentalem Limbus alveolaris ist das Ausmaß des Extrusion sehr gut zu erkennen (vgl. Abb. 18).

Implantation

Nach einer Wartezeit von zwölf Wochen zeigten sich optimale gingivale und knöcherne Verhältnisse für die sich anschließende Implantation – sowohl in horizontaler als auch vertikaler Dimension: Klinisch ist eine stabile Weichgewebssituation mit vollständigem Erhalt der Breite der befestigten Gingiva vorhanden. Röntgenologisch erkennbar ist die zunehmende knöcherne Durchbauung der Alveolen. Daneben bestätigt das krestale Profil des Kieferkammes den vollständigen Erhalt des knöchernen Gewebes in der vertikalen Dimension; in den interdentalen Bereichen ist sogar eine Zunahme im Vergleich zur Voraufnahme erkennbar (Abb. 14 u. 20). Bei der nun folgenden Implantation wurden zunächst die provisorische Brückenversorgung und das Replantat entfernt. Anschließend erfolgte die Insertion des einteiligen Implantates (Aesthura Immediate, Durchmesser 3,75 mm, Länge 10,0 mm, Nemris, Neukirchen) (Abb. 21). Es konnte eine hohe Primärstabilität von 28 Ncm erreicht werden. Die Schulter des Implantates wurde dabei circa 1,5 mm unterhalb des tiefsten Punktes des vestibulären Gingivasaumes positioniert. Nach der Insertion wurde das Implantat sofort temporär mit einem individualisierten provisorischen Abutment versorgt, um ein natürliches Emergenzprofil zu gestalten. Der konfektionierte, verschraubte PEEK-Aufbau (Nemris, Neukirchen) wurde mit einem flowable Komposit im Bereich des gingivalen Durchtritts additiv modifiziert. Dies erlaubt dem Weichgewebe, sich um das provisorische Abutment zu adaptieren. Nach der viermonatigen Einheilphase zeigte sich eine natürliche, entzündungsfreie und stabile Weichgewebssituation (Abb. 15a u. b).

Abb. 20: Röntgenologisch ist die knöcherne Durchbauung der Alveole nachweisbar. Die Lamina dura ist noch abgrenzbar. Insbesondere im Bereich des interdentalen Limbus alveo-laris ist eine Zunahme des knöchernen Angebotes zu erkennen.
Abb. 20: Röntgenologisch ist die knöcherne Durchbauung der Alveole nachweisbar. Die Lamina dura ist noch abgrenzbar. Insbesondere im Bereich des interdentalen Limbus alveo-laris ist eine Zunahme des knöchernen Angebotes zu erkennen.
Abb. 21: Das umfangreiche Gewebeangebot des Alveolarkamms ermöglichte die optimale dreidimensionale Positionierung des einteiligen Implantates.
Abb. 21: Das umfangreiche Gewebeangebot des Alveolarkamms ermöglichte die optimale dreidimensionale Positionierung des einteiligen Implantates.

Prothetische Versorgung regio 25

Im Zuge der nun folgenden definitiven prothetischen Phase wurden zeitgleich der Zahn 24 konservierend sowie der Zahn 26 mit Zahnersatz versorgt. Nach der Restauration des Zahnes 24 mit Komposit wurden der Zahn 26 entsprechend den Anforderungen für vollkeramische Versorgungen präpariert sowie Fäden zu Gingivaverdrängung eingebracht. Nach Applikation des Abdruckpfostens (Nemris, Neukirchen) auf dem Implantat 25 erfolgte die Abformung mit Hydrokolloid. Nach Eingliederung der vollkeramischen Einzelkronen 25 und 26 zeigten sich unauffällige, entzündungsfreie Verhältnisse mit einer harmonisch verlaufenden, gut adaptierten periimplantären Gingivamanschette (Abb. 16).

Schlussfolgerungen

Durch die Replantation eines Wurzelsegmentes eines nicht erhaltungsfähigen Zahnes war es möglich, die alveolären Strukturen vorhersagbar sowohl quantitativ als auch qualitativ zu erhalten. Auf die Applikation von Fremdmaterial wurde dabei zugunsten biologisch induzierter Prozesse vollständig verzichtet. Diese nutzen das Potenzial des supraalveolären Faserapparates und des parodontalen Ligamentes. Zur weiteren Optimierung des Implantatlagers wurde das replantierte Segment innerhalb weniger Tage extrudiert. Durch die resultierende Follow-up-Reaktion konnte ein vertikaler Gewinn von Weich- und Hartgewebe erzielt werden. Das durch diese Maßnahmen erhaltene und generierte Gewebe fügt sich harmonisch in die umgebenden Strukturen ein. Sowohl unter funktionellen als auch ästhetischen Aspekten sind die erzielten Ergebnisse langzeitstabil.

Diskussion

Die Extraktion eines Zahnes verursacht Resorptionsprozesse, zu deren Wiederherstellung abhängig vom Ausmaß, gerade auch im Rahmen der Implantattherapie, umfangreiche chirurgisch-augmentative Maßnahmen notwendig werden können. Zur Vermeidung oder Minimierung dieser Maßnahmen wird ein Konzept vorgestellt, das das Potenzial besitzt, diese Resorptionsprozesse zu hemmen oder schon vorhandene Defizite zu regenerieren. Dieses orientiert sich an der modernen, biologisch ausgerichteten Traumatologie und Kieferorthopädie. Indikationsbezogen kommen dabei zwei Verfahrenstechniken – ggf. auch kombiniert – zum Einsatz:

  • Erhalt der Alveole durch die Replantation von Wurzelsegmenten
  • Regeneration von verloren gegangenem Gewebe mittels Extrusion.

Die Vorteile dieses Vorgehens sind eine minimierte chirurgische Intervention, eine reduzierte Patientenmorbidität, Vermeidung der Applikation von Fremdmaterial, die verkürzte Behandlungszeit und ein vorhersagbares Ergebnis.

Sowohl die Replantation als auch die Extrusion sind wissenschaftlich fundierte, für verschiedene Indikationen empfohlene Therapieoptionen. Langzeitstabile Ergebnisse sind für beide Therapien nachgewiesen [7,11,12,15,33,38]. So ist die kieferorthopädische Extrusion eines nicht erhaltungsfähigen Zahnes eine valide Option zur Schaffung eines stabilen Implantatlagers [2,20,30,35]. Infolge von extrudierenden Kräften auf das parodontale Ligament werden die Osteoblasten zur Osteoinduktion angeregt. Dieses als koronales „Follow-up“ (der Knochen folgt dem Zahn) bezeichnete Phänomen konnte auch bei hoher extrusiver Krafteinwirkung belegt werden [7,10,18,37]. Ebenso stellen die Re- und Autotransplantation von Zähnen eine valide, sehr gut belegte und langfristig stabile Therapie dar [11,22]. Die suprakrestale Faserstruktur und das parodontale Ligament haben bei dem gesamten Verfahren eine entscheidende Bedeutung [3,23,24,27]. Das beschriebene Vorgehen gemäß dem Tissue Master Concept (TMC) kombiniert beide Verfahren, um ein optimales Implantatlager zu erreichen. Der Erfolg der Kombination beider Verfahren ist die logische Konsequenz aus der aktuellen Studienlage und der bisherigen klinischen Erfahrung. Wünschenswert sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen für die noch stärkere wissenschaftliche Validierung des Konzeptes.

Fazit

Im vorgestellten Patientenfall war es möglich, die nach einer Zahnextraktion zu erwartenden Resorptionsprozesse ohne chirurgischen Mehraufwand zu verhindern. Gemäß der Philosophie des TMC (Tissue Master Concept) konnte ein stabiles Implantatlager generiert werden. Die Replantation und Extrusion eines Wurzelsegmentes eines extrahierten Zahnes ermöglichte den vollständigen Erhalt bzw. die Regeneration des alveolären Volumens mit einem Gewinn an Hartund Weichgewebe. Der suprakrestale Faserapparat und das parodontale Ligament sind dabei zentrale Faktoren. Ein zirkuläres Band vorhandener Fasern am Replantat ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg dieses Verfahrens. Mit vergleichsweise geringem Aufwand konnte hier mithilfe des biologisch orientierten Verfahrens ein langfristig stabiles Ergebnis erzielt werden.

Autoren:
B. Hundeshagen, W. Götz, S. Hopmann, S. Neumeyer 

Bildquellen:
Abb. 1: Dr. W. Götz, Bonn
Abb. 2: Komet Dental, Lemgo
Abb. 3–21: Dr. S. Neumeyer, Eschlkam

Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels

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