Endodontie


Antibiotika in der Endodontie und dentalen Traumatologie

Entleert sich nach einer Trepanation Pus über den Wurzelkanal, sind in der Regel weder eine Inzision noch eine Antibiose indiziert.
Entleert sich nach einer Trepanation Pus über den Wurzelkanal, sind in der Regel weder eine Inzision noch eine Antibiose indiziert.

Die Zunahme antimikrobieller Resistenzen ist zu einem weitverbreiteten und globalen Problem geworden. Unter anderem als Resultat von oftmals unsachgemäßer Verordnung von Antibiotika haben nicht zuletzt zahnmedizinische und eben auch endodontische Therapien zu dieser besorgniserregenden Entwicklung beigetragen. Der vorliegende Beitrag verschafft einen Überblick hinsichtlich der Indikationen und Anwendung von Antibiotika und gibt Empfehlungen für ihre Verschreibung im Rahmen der endodontischen Behandlung.

In England werden von Zahnärzten jedes Jahr 3,6 Millionen Antibiotikarezepte ausgestellt, dies entspricht 10% der dortigen Antobiotikaverordnungen [1]. In den USA sind es mit 25,6 Millionen Antibiotikarezepten pro Jahr ebenfalls etwa 10% der Verordnungen, die von Zahnärzten ausgestellt werden [2]. Von diesen werden 30% als nicht indiziert bewertet [3].

Bei irreversibler Pulpitis mit geringgradigen klinischen Symptomen verschreiben zwischen 4% (USA), 32% (Spanien) oder sogar mehr als 60% (Indien) der befragten Zahnärzte Antibiotika [3]. Bei einer Pulpanekrose mit apikaler Parodontitis ohne Schwellung und mit nur geringen klinischen Symptomen liegt die Häufigkeit von Antibiosen zwischen 19% (USA) und 35% (Indien) [4]. In Deutschland verschreiben bei symptomatischer irreversibler Pulpitis 8% der Zahnärzte, bei einer Pulpanekrose mit apikaler Parodontitis, einer Schwellung und moderaten präoperativen Symptomen sogar mehr als 50% und bei einem apikalen Abszess 82% ein Antibiotikum [4].

Die Kehrseite: Die Zahl der auf Antibiotikaresistenzen zurückzuführenden Todesfälle in Europa wird auf ca. 25.000 pro Jahr geschätzt [1], in den USA auf ca. 23.000 Menschen, weltweit wird eine Zahl zwischen 700.000 und mehreren Millionen vermutet [5]. Im Jahr 2016 stellte Obama 1,2 Billionen US-Dollar in das Budget der USA, um Antibiotikaresistenzen zu verhindern und zu bekämpfen.

Damit haben Antibiotika nur weniger als 100 Jahre nach ihrer Einführung bereits einen beachtlichen Teil ihrer Wirkung eingebüßt und Zahnmedizin und auch Endodontie haben ihren Anteil an dieser Entwicklung. Antibiotika werden in der Endodontie systemisch (allgemeingesundheitliche Indikationen, akuter endodontischer Abszess) oder lokal (medikamentöse Einlage, Resorptionsprophylaxe) eingesetzt. Beide haben unterschiedliche Indikationsbereiche und ihr Einsatz sollte jeweils unter Berücksichtigung des zu erwartenden Nutzens (Schmerzreduktion, Infektionsbekämpfung, Resorptionsprophylaxe) und der möglichen Risiken (Resistenzentwicklung, unerwünschte Nebenwirkungen) sorgfältig abgewogen werden.

Allgemeingesundheitliche Indikationen

Empfohlen wird eine Antibiose bei Patienten mit angeborenen oder erworbenen Veränderungen des Abwehrsystems, z.B. mit früherer infektiöser Endokarditis, künstlichen Herzklappen oder neuerem prothetischem Gelenkersatz; für den generellen Einsatz in diesen Fällen liegt aber keine klinische Evidenz vor [6-8]. Eine Übersicht über die derzeit empfohlenen Indikationen zur perioperativen Antibiose gibt Tabelle 1. In der Regel ist eine Singleshot-Antibiose ausreichend, einen Überblick über die Dosierungen gibt Tabelle 2.

Herzklappenersatz mit mechanischen oder biologischen Prothesen
Zustand nach mikrobieller Endokarditis
Angeborene komplexe Herzfehler mit Zyanose
Chirurgisch korrigierte Herzfehler innerhalb der ersten 6 postoperativen Monate
Chirurgisch korrigierte Herzfehler mit Restbefund
Niereninsuffizienz Grad V (dialysepflichtig)
Zustand nach Organtransplantation (zeitlebens)
Patienten mit Hüftgelenkprothesen oder totalen Kniearthroplastiken in den ersten 2 Jahren nach OP
Zustand nach Radiotherapie, wenn die Behandlung im bestrahlten Kieferbereich stattfindet
Bisphosphonate (High-Risk-Kategorie (i.v. Applikation über längere Zeit)
HIV-Patienten mit < 500 Granulozyten/μl Blut

Tab. 1: Situationen mit zwingender Indikation zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe [8].

Ohne Penicillin-Allergiemit Penicillin-Allergie
ErwachseneAmoxicillin 2 gClindamycin 600 mg
KinderAmoxicillin 50 mg/kg KGClindamycin 15 mg/kg KG

Tab. 2: Dosierungsempfehlungen für die Single-shot-Antibiose [8].

Systemische Anwendung von Antibiotika bei endodontischen Infektionen

Endodontische Infektionen sind in der Regel polymikrobieller Natur und durch eine adäquat kausale Therapie meistens problemlos beherrschbar. Sie können aber mit durchaus heftigen Schmerzen assoziiert sein, was viele Zahnärztinnen und Zahnärzte zum schnellen und häufigen, aber völlig unnötigen und häufig auch unnützen Antibiotikaeinsatz verleitet. Umfragen aus mehreren europäischen Ländern haben ergeben, dass bis zu 54% der Befragten Antibiotika bereits bei „Zahnschmerzen“ oder reversiblen und irreversiblen Pulpitiden verordnen [4].

Der wissenschaftlichen Stellungnahme der Europäischen Gesellschaft für Endodontologie (ESE) zufolge sollten systemische Antibiotika im Hinblick auf die Nutzen/Risiko-Relation nur in den folgenden Situationen rezeptiert werden [7]:

  1. Akuter apikaler Abszess bei gesundheitlich kompromittierten Patienten
  2. Akuter apikaler Abszess mit systemischer Beteiligung (lokalisierte fluktuierende Schwellungen, erhöhte Körpertemperatur von > 38° C, Unwohlsein, Lymphadenopathie, Kieferklemme) 
  3. Progrediente Infektionen (schneller Eintritt schwerer Infektionen in weniger als 24 Stunden, Zellulitis oder eine sich ausbreitende Infektion, Osteomyelitis), bei denen eine Überweisung zum Oralchirurgen ratsam sein kann 
  4. Replantation avulsierter bleibender Zähne; in diesen Fällen kann auch eine lokale Anwendung von Antibiotika indiziert sein 
  5. Weichgewebetraumata, die eine Behandlung erfordern (z.B. Wunden mit Nahtverschluss, Debridement).

Symptomatische Pulpitis

Antibiotika werden nicht selten rezeptiert, wenn sich Patienten mit akuten pulpitischen Schmerzen in der Praxis vorstellen und nicht ausreichend Zeit für eine sorgfältige und umfassende Diagnostik und Therapie zur Verfügung steht. Da es sich bei Vorliegen einer vitalen Pulpa in der Regel um eine heftige Entzündungsreaktion und nicht um eine massive bakterielle Infektion handelt, liegt keine Indikation zur Antibiose vor und diese wird auch nur wenig Wirkung zeigen. Die Therapie sollte in einer Elimination der Entzündungsursachen, einer Pulpotomie oder einer Vitalexstirpation (Pulpektomie) bestehen, die durch Rezeptierung eines Analgetikums unterstützt werden kann.

Eine symptomatische Pulpitis stellt keine Indikation zur Antibiose dar.

Symptomatische apikale Parodontitis

Die Ursache der akuten Schmerzen liegt in einer bakteriellen Infektion und resultierenden Nekrose der Pulpa und einer Entzündung der periapikalen Gewebe. Aufgrund fehlender Durchblutung ist nicht mit einem Vordringen des Antibiotikums bis zum nekrotischen Gewebe im Wurzelkanal zu rechnen. Durch sorgfältige Präparation und Desinfektion des Wurzelkanalsystems kann die periapikale Entzündung wirksam und schnell kausal therapiert werden.

Eine symptomatische apikale Parodontitis stellt keine Indikation zur Antibiose dar.

Der akute apikale Abszess

  • Abb. 1: Entleert sich nach einer Trepanation Pus über den Wurzelkanal, sind in der Regel weder eine Inzision noch eine Antibiose indiziert.

  • Abb. 1: Entleert sich nach einer Trepanation Pus über den Wurzelkanal, sind in der Regel weder eine Inzision noch eine Antibiose indiziert.
    © Dr. M. Hülsmann
Bei Vorliegen eines akuten apikalen Abszesses (Abb. 1) sind eine schnelle und exakte Diagnose und eine effektive Therapie notwendig. Aufgrund des plötzlichen und häufig schnellen Fortschreitens der Entzündung suchen die Patienten die Praxis mit teilweise extremen Schmerzen auf und es kommt darauf an, sie möglichst schnell von ihren Schmerzen zu befreien und eine Ausbreitung der Infektion mit Einbeziehung weiterer Regionen des Körpers zu verhindern.

Die häufigsten Symptome eines akuten apikalen Abszesses sind (spontane) Schmerzen, Schmerzen auf Perkussion und Palpation und Schwellung der umgebenden Gewebe. Auch Trismus, Fieber, Lymphadenopathie, Unwohlsein, Kopfschmerz und Schwindel können auftreten.

Die Patienten berichten über starke Schmerzen beim Kauen und bei Antagonistenkontakt. Da die infizierte Pulpa bereits nekrotisch ist, fällt der Sensibilitätstest negativ aus.

Der Zahn kann erkennbar gelockert sein und sich „verlängert” anfühlen. Periapikal kann röntgenologisch eine Läsion unterschiedlicher Größe diagnostiziert werden.

Die Therapie des akuten apikalen Abszesses besteht aus der Entfernung des nekrotischen Pulpagewebes und der Schaffung einer Drainage für den Pus. Entleert sich über den Wurzelkanal kein Pus, kann eine zusätzliche Drainage durch eine Inzision notwendig sein, die als alleinige Maßnahme nicht indiziert ist. Die Reinigung und Desinfektion des infizierten Wurzelkanals sind Grundvoraussetzungen für die Schmerreduktion und die Heilung [9].

Bakterien aus akuten apikalen Abszessen reagieren empfindlich auf Antibiotika wie z.B. Penicillin. Fouad et al. [10] beschrieben jedoch, dass eine zusätzliche Penicillinmedikation keine Reduktion der Symptomatik bewirkt und die Heilung nicht beeinflusst.

In einer prospektiven, randomisierten und placebokontrollierten Doppelblindstudie wurde kein signifikanter Unterschied in der Reduktion von Schmerzen und Schwellungen zwischen Behandlungen mit und ohne Antibiotikagabe gefunden [11]. Eine Cochran-Übersichtsarbeit überprüfte [12] den Effekt einer systemischen Antibiose auf die Therapie des akuten apikalen Abszesses und kam zu der Schlussfolgerung, dass es keine Evidenz für den Nutzen einer Antibiose in diesen Fällen gibt. Die mangelnde Wirksamkeit des Antibiotikums trotz der Penicillinempfindlichkeit der Bakterien ist darauf zurückzuführen, dass ein Antibiotikum nur dann effektiv wirken kann, wenn es das entzündete Gewebe infiltrieren und die Infektion erreichen kann und am Wirkort in einer ausreichenden Konzentration vorliegt; darüber hinaus wird die Effektivität der Antibiotika aufgrund der reduzierten Durchblutung innerhalb des apikalen Abszesses beeinträchtigt [10].

Befürwortet wird eine Antibiose, wenn systemische Komplikationen wie Fieber, Zellulitis, Lymphadenopathie, Dysphagie, Schwellung der Augenregion, Gesichtsschwellungen und/oder Trismus vorliegen und bei Abszessen bei immunkompromittierten Patienten, bei denen ein erhöhtes Bakteriämierisiko mit der Gefahr der Ausbreitung der Infektion in andere Körperregionen vorliegt [7,8]. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die derzeitigen Dosierempfehlungen.

AntibiotikumDosierung
Amoxicillin500 mg/3x tägl.
Amoxicillin875 mg, 2x tägl.
Clindamycin300 mg/3-4x tägl.
Metronidazol250-400 mg/3x tägl.
Ciprofloxacin500 mg/2x tägl.
Erythromycin500 mg/3x tägl.
Penicillin V500 mg/4x tägl.

Tab. 3: Empfohlene Antibiotika und Dosierungen [7,8]. Die Empfehlungen unterscheiden sich in den verschiedenen Stellungnahmen der Fachgesellschaften geringfügig.

Bei Vorliegen eines akuten apikalen Abszesses mit Ausbreitungstendenz oder schwerer systemischer Symptomatik kann eine Antibiose zusätzliche zur Trepanation oder Inzision indiziert sein.

Lokalantibiotika in der Endodontie

Weiter Verbreitung als temporäre medikamentöse Einlage erfreut sich das 1962 von Andrè Schröder entwickelte Lokalantibiotikum Ledermix (Riemser, Riems), ein Kombinationspräparat aus Triamcinolon, einem Kortikosteroid, und Demeclocyclin, einem Antibiotikum. Der Kortikoidanteil sorgt – in Kombination mit sorgfältiger Präparation und Desinfektion der Wurzelkanäle zumeist für eine spürbare und schnelle Schmerzreduktion [13,14]. Ledermix zeigte sich diesbezüglich Kalziumhydroxid überlegen, bewirkte in einer weiteren Studie aber keine geringere Häufigkeit sogenannter Flare-ups [15].

Die antibakterielle Wirkung des Ledermix wird kontrovers diskutiert [16], die Wirkung ist zeit- und konzentrationsabhängig. Es wird vermutet, dass Ledermix aufgrund des Kortikosteroid-Anteils in erster Linie die klinischen Symptome abmildert und verschleiert, die kausale, antimikrobielle Wirkung im Wurzelkanal aber limitiert ist und es möglicherweise nur zu einer Chronifizierung, nicht aber zu einer Heilung kommt.

Der Einsatz antibiotika- und kortikosteroidhaltiger medikamentöser Einlage sollte bestenfalls auf Einzelfälle beschränkt werden, in denen andere Maßnahmen keine ausreichende Schmerzreduktion bewirken; die Anwendung nach Exstirpation der vitalen Pulpa macht therapeutisch keinen Sinn.

Antibiotika in der Behandlung dentaler Traumata

Ein dentales Trauma stellt immer eine komplexe Verletzung mehrerer dentaler und intraoraler Strukturen dar, deren Management in einigen Fällen einer begleitenden systemischen oder topischen Antibiose bedarf. Neben der Versorgung ausgedehnter offener Wunden ist eine Antibiose in erster Linie bei Replantationen nach Avulsionsverletzungen indiziert. Auch der allgemeine Gesundheitszustand der Patienten und das Vorliegen spezifischer Risikofaktoren sind bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

Die derzeitigen, wissenschaftlich gesicherten Richtlinien zur systemischen und/oder lokalen Antibiose nach dentalen Traumata sind in den Leitlinien der International Association of Dental Traumatology (IADT) zusammengefasst [17-19].

Avulsionen und Replantation permanenter Zähne

Die Therapie von Avulsionen stellt das Haupteinsatzgebiet von Antibiotika in der dentalen Traumatologie dar. Die Kombination aus mikrobieller Besiedelung der Zahnaußenseite, häufig auch des endodontischen Systems, und der Schädigung des parodontalen Halteapparates und von Wurzelpräzement und Wurzelzement bei einer Avulsion ist mit einem hohen Risiko der Entwicklung entzündlicher Resorptionen, Ankylosen und Pulpanekrosen assoziiert [20,21]. Die Ziele einer systemischen Antibiose nach einer Zahnavulsion sind:

  • Bekämpfung oder Verhinderung einer bakteriellen Invasion der Pulpa
  • Verhinderung einer mikrobiellen Kolonisation der Wurzelaußenflächen

Die bakterielle Besiedelung der Zahnaußenseite kann direkt über den Parodontalspalt eintreten, aber auch über eine Infektion der Pulpa, nach der Bakterien und Bakterientoxine bis zur Dentin-Zement-Grenze vordringen und Wurzelaußenfläche und den Parodontalspalt kontaminieren können. In allen relevanten Richtlinien wird daher eine systemische Antibiose nach Avulsion und Replantation empfohlen. Die Vorschläge zu Art (Doxycyclin/Penicillin) und Anwendungsdauer des Antibiotikums (5 bis 7 Tage) sind aber nicht einheitlich und die wissenschaftlichen Nachweise für den Nutzen einer systemischen Antibiose werden kontrovers diskutiert [21-24].

In einer Meta-Analyse wurde kein signifikanter Unterschied bezüglich progressiver Wurzelresorptionen zwischen Behandlungen mit oder ohne systemische Antibiose gefunden [25]. Empfohlen wird die frühzeitige Gabe des Antibiotikums, idealerweise innerhalb der ersten 3 Stunden nach dem Trauma, um eine Keimvermehrung und Besiedelung der zugänglichen Räume und Flächen zu verhindern. Eine sofortige Trepanation und Einleitung einer Wurzelkanalbehandlung oder die intraradikuläre topische Anwendung eines Antibiotikums resultieren ebenfalls in vollständiger Resorptionshemmung.

Ohne endodontische und antibiotische Therapie entwickeln sich häufig auf der gesamten Wurzelfläche entzündliche Resorptionen, die sich teilweise bis zur Pulpa erstreckten.

Eine auf das Alter und Gewicht des Patienten abgestimmte systemische Antibiose stellt eine hilfreiche adjuvante Therapie bei Avulsionen und Replantationen bleibender Zähne dar.

Lokale Antibiotikaapplikation in der dentalen Traumatologie

Die topische Anwendung antibiotikahaltiger Medikamente oder Lösungen kann auf 2 Wegen erfolgen:

  1. Externe Applikation: Eine antibiotikahaltige Lösung oder Paste wird auf die Wurzelaußenseite aufgetragen; dies ist naturgemäß nur nach einer vollständigen Avulsion möglich.
  2. Interne Applikation: Eine antibiotikahaltige Paste wird nach der Trepanation in den gereinigten, erweiterten und desinfizierten Wurzelkanal eingebracht. Die interne Anwendungsweise ist die Therapie der Wahl bei traumatischen Zahnverletzungen mit Schädigung von parodontalem Ligament und Wurzelzement, bei denen von einem erhöhten Risiko von entzündlichen Resorptionen zu rechnen ist (z.B. Intrusionsverletzungen). Ziel ist es in beiden Situationen, die Entwicklung externer Resorptionen zu verhindern oder zu stoppen.

Externe Applikation

Vereinzelt wird die Lagerung avulsierter Zähne in einer Tetrazyklinlösung vor der Replantation empfohlen. Bei Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum verbessert eine 5-minütige Aufbewahrung des avulsierten Zahnes vor der Replantation in Minocyclin oder Doxycyclin die Revaskularisation und die parodontale Heilung [18].

Intrakanaläre Applikation

Beide Komponenten des Ledermix können tief in die Dentintubuli und durch das Wurzelzement penetrieren und schnell bis zum Parodontalspalt vordringen [16] und Heilungsvorgänge der Parodontalmembran hierdurch unterstützen. Im Vergleich mit Kalziumhydroxid resultierte die Ledermix-Einlage in replantierten Affenzähnen in signifikant mehr gesundem parodontalem Ligament und weniger Ersatzresorption, beide Medikamente schnitten aber signifikant besser ab als die nicht medizierten Kontrollen. Beide Medikamente hatten aber keinen Einfluss auf das Entstehen von Ersatzresorptionen [26].

  • Eine intrakanaläre Ledermix-Einlage nach Replantation avulsierter Zähne oder bei der Wurzelkanalbehandlung nach Intrusionsverletzungen kann das Auftreten und das Ausmaß von Wurzelresorptionen limitieren.
  • Eine Lagerung in einer antibiotikahaltigen Lösung vor der Replantation wird für Zähne mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum und für Zähne nach trockener Lagerung unter 60 Minuten empfohlen.
  • Eine systemische oder lokale Antibiose ist bei Hartsubstanzverletzungen mit und ohne Pulpaexposition nicht indiziert, solange nicht ausgedehntere Weichteilverletzungen oder systemische Umstände dies erfordern.
  • Traumatisch bedingte Wurzelquerfrakturen oder Luxationsverletzungen bedürfen keiner Antibiose.

Zusammenfassung

Die Rezeption systemischer und lokaler Antibiotika sollte in der Zahnmedizin und auch in der Endodontie verantwortungsbewusst und zurückhaltend erfolgen. Einer lokalen kausalen Therapie der bakteriellen Infektion (Trepanation, Desinfektion, Inzision) ist in der Regel der Vorzug zu geben, eine alleinige Antibiose ohne kausale Therapie stellt keine adäquate Behandlung dar. Die vorliegenden Stellungnahmen und Richt-/Leitlinien der Fachgesellschaften sind zu beachten.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Prof. Dr. Michael Hülsmann