Digitale Praxis


Lösung des Chippingproblems durch CAD/CAM-Technologie


Bei keramisch verblendetem festsitzendem Zahnersatz stellt das Versagen der Verblendung die häufigste technische Ursache für einen Misserfolg dar [1], wobei implantatgetragene Restaurationen in besonderem Maße betroffen sind [2]. Zusätzlich konnte in den letzten Jahren gezeigt werden, dass verblendete Zirkoniumdioxidgerüste häufiger Chipping aufweisen als metallgestützte Restaurationen [3]. Der Grund hierfür ist u.a. in Unterschieden bezüglich der Wärmekapazität, des Wärmeausdehnungsverhaltens und der Wärmeleitfähigkeit der Gerüstmaterialien zu suchen (Stichwort: transiente und residuelle Spannungen, d.h. Spannungen, die sich während des Brennvorgangs vorübergehend oder dauerhaft einstellen).

  • Abb. 1: Kohäsives und adhäsives Versagen an einer VMK-Krone im Frontzahngebiet.

  • Abb. 1: Kohäsives und adhäsives Versagen an einer VMK-Krone im Frontzahngebiet.
Beim Versagen der Verblendung muss grundsätzlich zwischen einem kohäsiven Versagen – hier bricht die Verblendung in sich, die Grenzfläche zwischen dem Gerüst und der Verblendung ist nicht betroffen (Chipping) – und einem adhäsiven Versagen, bei dem die Grenzfläche zwischen dem Gerüst und der Verblendung exponiert wird (Delamination), unterschieden werden (Abb. 1). Diese Unterscheidung ist aus werkstoffkundlicher Sicht sinnvoll, für den Zahnarzt jedoch in der Konsequenz oftmals gleichbedeutend. Die Restauration muss in einem solchen Fall oft erneuert werden, insbesondere wenn etwa Randleisten einschließlich des Approximalbereiches brechen oder, wie im Beispiel, ästhetische Probleme die Folge des Versagens sind. Zwar kann versucht werden, die Defekte intraoral zu reparieren, dies ist jedoch in vielen Fällen aufgrund der Lokalisation und der Defektgröße (insbesondere bei adhäsivem Versagen) schwierig und die Langzeitprognose bleibt unsicher. In jedem Falle muss bei einem Reparaturversuch die freigelegte Oberfläche konditioniert werden, um den notwendigen Kunststoff-Metall- bzw. Kunststoff-Keramik-Verbund herstellen zu können (Vergrößerung der Verbundoberfläche und chemische Anbindung [4]). Das Versagen der Verblendkeramik stellt zumeist sowohl für Zahnarzt und Zahntechniker als auch für den Patienten ein Problem dar: Zahnarzt und Zahntechniker müssen die Versorgung gegebenenfalls (auf Kulanz) neu anfertigen und der Patient muss erneut Termine wahrnehmen und in den meisten Fällen die wenig angenehme Prozedur der Abformung über sich ergehen lassen. Dies ist häufig mit wenig Verständnis seitens der Patienten verbunden, insbesondere wenn die Restauration noch nicht lange in situ war. Ist eine Reparatur möglich, so gestaltet sich diese ebenfalls aufwendig, da die Vorbehandlung der Bruchoberfläche und das Einbringen des Kompositmaterials schichtweise unter Kofferdam erfolgen müssen. Daher ist die Reduktion der Prävalenz von Kohäsivbrüchen oder Delaminationen innerhalb der Restauration ein großes Anliegen für alle Beteiligten (einschließlich der Industrie).

Doch weshalb stellt das Versagen der Verblendung die häufigste technische Komplikation dar? Bei der Herstellung der Verblendung kommen zumeist Feldspatkeramiken zur Anwendung. Diese Materialien weisen deutlich schlechtere werkstoffkundliche Eigenschaften auf als die Gerüstmaterialien aus Metall( legierungen) oder Oxidkeramiken [5]. So beträgt beispielsweise die Bruchzähigkeit (dieser Wert gibt an, welchen Widerstand ein Material dem einsetzenden Risswachstum entgegensetzen kann) von Gerüstmaterialien aus Metall oder Zirkoniumdioxid ein Vielfaches der Bruchzähigkeit der Feldspatkeramik. Verarbeitungsbedingte Inhomogenitäten, welche bei händisch hergestellten Verblendungen unvermeidbar sind, tragen ihren Teil zur weiteren Reduktion der ohnehin suboptimalen Bruchlast bei. Somit stellt die herkömmliche Verblendung die technische Schwachstelle der Restauration dar. Hinzu kommt, dass die händische Anfertigung der Verblendung eine Modellherstellung erforderlich macht, zeitintensiv ist und schlecht standardisiert werden kann (Stichwort Qualitätssicherung), was die Integration in den digitalen Workflow verhindert.

Der digitale Workflow, d.h. die möglichst komplett computergestützte Fertigung von Zahnersatz, hat mehr und mehr in das zahntechnische Labor und die Zahnarztpraxis Einzug gehalten. Digitale intraorale „Abformungen“, elektronische Aufzeichnung der Unterkieferbewegungen, CAD/CAM-Fertigung des Zahnersatzes, stereolithographische Fertigung von Modellen, spektrophotometrische Farbbestimmung etc. gehören heute zum Praxis- bzw. Laboralltag. Daher wäre es wünschenswert, Lösungsstrategien für das Problem „Chipping“ zu erarbeiten, die sich innerhalb dieses digitalen Workflows realisieren lassen.

Digitale Auswege aus dem Chipping-Problem

Der sicherlich vielversprechendste Ansatz ist die Optimierung der mechanischen Eigenschaften der okklusionstragenden Bereiche. Hierfür stehen zwei CAD/CAM-basierte Wege zur Verfügung: 1) der Verzicht auf die Verblendung und die Gestaltung der Restauration aus nur einem keramischen Material (analog der Vollgusskrone), d.h. die monolithische Fertigung der Restauration [6], 2) die Verwendung von Keramiken mit besseren werkstoffkundlichen Eigenschaften als Feldspatkeramik zur CAD/CAM-gestützten Herstellung der Verblendung [7].

1) Monolithische Restaurationen

Vollanatomisch gefertigte vollkeramische Kronen und Brücken werden derzeit hauptsächlich aus Lithiumdisilikatkeramik und Zirkoniumdioxidkeramik erstellt, wobei die mechanischen Eigenschaften des Zirkoniumdioxids denen des Lithiumdisilikats deutlich überlegen sind. Aus diesem Grund eignet sich Lithiumdisilikatkeramik nur für die Herstellung kleinerer Versorgungen, wohingegen Zirkoniumdioxidgerüste den Belastungen auch bei größeren Brücken gewachsen scheinen [8].

Die mechanischen Eigenschaften der seit geraumer Zeit auf dem Markt befindlichen Empress II Lithiumdisilikatkeramik (Biegefestigkeit ca. 290 MPa) konnte durch die Einführung der e.max Lithiumdisilikatkeramik weiter optimiert werden (Biegefestigkeit e.max press ca. 390 MPa; e.max CAD ca. 360 MPa lt. Herstellerangaben). Dies erhöht die Anwendungssicherheit des Materials und erweitert das Indikationsspektrum. Die ästhetischen Eigenschaften sind sehr gut und prädestinieren den Werkstoff für die Anwendung im Frontzahngebiet. Hierbei kann das ästhetische Ergebnis durch die farbliche Oberflächenindividualisierung optimiert werden (Abb. 2a–c). Auch die Cut-back-Variante, d.h. die Verblendung des Materials, ist möglich, wobei bei dieser Technik das Chipping-Problem wieder relevant werden kann.

  • Abb. 2a: Monolithische Lithiumdisilikat-Frontzahnkrone, Ausgangssituation.
  • Abb. 2b: Eingegliederte Kronen. Das bestehende Diastema wurde etwas verkleinert.
  • Abb. 2a: Monolithische Lithiumdisilikat-Frontzahnkrone, Ausgangssituation.
  • Abb. 2b: Eingegliederte Kronen. Das bestehende Diastema wurde etwas verkleinert.

  • Abb. 2c: Extraoralansicht der individualisierten Kronen.
  • Abb. 2c: Extraoralansicht der individualisierten Kronen.

Bis vor kurzem waren die ästhetischen Eigenschaften der vollanatomischen Zirkoniumdioxidrestaurationen nicht zufriedenstellend. Dieser Nachteil konnte durch die Einführung transparenterer Zirkoniumdioxidvarianten und die Möglichkeit, bereits komplett eingefärbte Rohlinge zu verwenden, deutlich reduziert werden. Der Anwendungsbereich hat sich so erheblich erweitert (siehe Oberkiefermolarenkrone bei einem Patient mit nächtlichen Knirschepisoden in Abbildung 3). Monolithische Lithiumdisilikatkronen bleiben jedoch weiterhin den monolithischen Zirkoniumdioxidkronen ästhetisch überlegen.

Trotz dieser Entwicklungen wird die Verwendung vollanatomisch gefertigter Zirkoniumdioxidrestaurationen kritisch diskutiert [9, 10, 6]. Der Grund hierfür ist die Befürchtung, dass der antagonistische Verschleiß stärker ausgeprägt sein könnte als bei anderen Werkstoffen. Klinische Studien zu dieser Problematik sind bisher nicht zu finden, wohl aber labortechnische Untersuchungen. In diesen Laborstudien konnte gezeigt werden, dass bei adäquater Oberflächenbeschaffenheit der Zirkoniumdioxidrestauration der antagonistische Verschleiß nicht höher ist als bei herkömmlichen Verblendkeramiken. Einige Ergebnisse deuten sogar auf einen geringeren antagonistischen Verschleiß hin. Zusätzlich konnte jedoch gezeigt werden, dass bei der Verwendung von vollanatomischen Zirkoniumdioxidrestaurationen die Gefahr von antagonistischen Schmelzsprüngen zunimmt. Die klinische Bedeutung dieser Schmelzsschädigungen wird aktuell kontrovers diskutiert. Daher müssen sich diese Restaurationen zunächst in klinischen Studien bewähren. Das Potenzial dieser Versorgungsart ist indes beachtlich, da nahezu alle festsitzenden prothetischen Arbeiten gefertigt werden können.

Ein weiterer Vorteil zirkoniumdioxidbasierter monolithischer Kronen ist der recht geringe Substanzabtrag, der notwendig ist, um die Restauration fertigen zu können. Daher kann diese Versorgungsvariante sicherlich als „reduziert invasiv“ bezeichnet werden. Auch die niedrige Wärmeleitfähigkeit (ca. 2 W/mK) spricht für die Verwendung dieses Materials. Temperaturüberempfindlichkeiten, wie sie nach der Eingliederung anderer Restaurationsmaterialien (z.B. Edelmetall- Vollgussrestauration mit einer sehr guten Wärmeleitfähigkeit von ca. 300 W/mK) oftmals auftreten, sind hier deutlich seltener zu beobachten.

Am Beispiel einer Molarenkrone ist im Folgenden der digitale Workflow für die Herstellung einer vollanatomischen Zirkoniumdioxidkrone (Abb. 3a–e) dargestellt. Nach der Abformung (digital oder konventionell) erfolgt die Konstruktion der Krone am Bildschirm. Es können bereits durchgefärbte, transparente Rohlinge verwendet werden. Die gefräste Krone wird individualisiert und gesintert. Der Übergang zum natürlichen Zahn ist bei Zirkoniumdioxidrestaurationen zumeist deutlich zu erkennen. Bei einer Lithiumdisilikatkrone kann dieser Übergang ästhetisch ansprechender gestaltet werden.

  • Abb. 3a: Eingescannte Präparation.
  • Abb. 3b: Konstruierte Krone in der Okklusalansicht mit eingeblendeten antagonistischen Kontaktarealen.
  • Abb. 3a: Eingescannte Präparation.
  • Abb. 3b: Konstruierte Krone in der Okklusalansicht mit eingeblendeten antagonistischen Kontaktarealen.

  • Abb. 3c: Gefräste Zirkoniumdioxidkrone vor der Sinterung.
  • Abb. 3d: Gesinterte und individualisierte Zirkoniumdioxidkrone.
  • Abb. 3c: Gefräste Zirkoniumdioxidkrone vor der Sinterung.
  • Abb. 3d: Gesinterte und individualisierte Zirkoniumdioxidkrone.

  • Abb. 3e: Krone in situ.
  • Abb. 3e: Krone in situ.

2) CAD/CAM-Fertigung der Verblendung

Die Abbildungen 4a und 4b zeigen die Bruchfestigkeit und Risszähigkeit von drei keramischen Werkstoffen. Wie bereits seit langem bekannt und aus der Abbildung ersichtlich, bleibt die Feldspatkeramik bezüglich ihrer mechanischen Eigenschaften weit hinter der Lithiumdisilikatkeramik zurück. Somit könnte die Herstellung der Verblendung aus einer Lithiumdisilikatkeramik deutliche mechanische Vorteile bringen. Zusätzlich können durch die Verwendung industriell gefertigter Rohlinge die mechanischen Eigenschaften der Verblendung weiter optimiert werden, da „Fehlstellen“, wie sie bei der händischen Schichtung unvermeidbar sind, drastisch reduziert werden. Insbesondere die Empfindlichkeit gegenüber Alterungsprozessen ist bei CAD/CAM-gefertigten Verblendungen im Vergleich zu händisch gefertigten Verblendungen geringer [7]. Dies mag auch erklären, weshalb klinisch ein Versagen der händisch verblendeten Restaurationen zumeist nicht gleich nach dem Einsetzen der Restauration auftritt, sondern erst nach einiger Tragezeit. Obgleich die ästhetischen Eigenschaften der Lithiumdisilikatkeramik noch hinter denen der Feldspatkeramik zurückbleiben, kann durch die entsprechende Individualisierung der Verblendung das ästhetische Ergebnis deutlich verbessert werden.

  • Abb. 4a: Bruchfestigkeit dreier keramischer Werkstoffe.
  • Abb. 4b: Risszähigkeit dreier keramischer Werkstoffe.
  • Abb. 4a: Bruchfestigkeit dreier keramischer Werkstoffe.
  • Abb. 4b: Risszähigkeit dreier keramischer Werkstoffe.

  • Abb. 5: Zirkoniumdioxidgerüst, welches mit einer CAD/CAMgefertigten Lithiumdisilikatkeramik verblendet wurde (gefügt mittels Glaslot). Das Gerüst ist im marginalen Bereich der Restauration erkennbar (Pfeil).
  • Abb. 5: Zirkoniumdioxidgerüst, welches mit einer CAD/CAMgefertigten Lithiumdisilikatkeramik verblendet wurde (gefügt mittels Glaslot). Das Gerüst ist im marginalen Bereich der Restauration erkennbar (Pfeil).

Die Verblendung muss nach der Fertigung mit dem Zirkoniumdioxidgerüst gefügt werden. Bei Lithiumdisilikatverblendungen kann dies durch Klebung oder durch thermisches Fügen mittels einer geeigneten Keramik (Glaslot) erfolgen. Bei Feldspatkeramiken ist nur Klebung möglich. Mit Glaslot gefügte lithiumdisilikatverblendete Restaurationen erreichen höhere Bruchlastwerte als geklebte, wobei die Bruchlastwerte beider Varianten oberhalb der zu erwartenden Kaukräfte im Seitenzahngebiet liegen. Zwangsläufig bleiben bei dieser Technik die basalen Anteile von Brückenzwischengliedern sowie der Randbereich von Kronen unverblendet (Abb. 5). Dies kann im ästhetisch relevanten Bereich die Anwendung limitieren. Da im Frontzahngebiet jedoch auch die zu erwartenden Kräfte deutlich geringer ausfallen als im Molarenbereich, kann hier z.B. auf Lithiumdisilikatkronen (monolithisch-individualisiert oder cutback) zurückgegriffen werden.

Fazit

Der Umbruch auf dem Gebiet der zahntechnischen Fertigung von Zahnersatz ist in vollem Gange. Digitale Konstruktions- und Fertigungstechnologien ergänzen derzeit die traditionellen Techniken und sind auf dem besten Weg, diese auf breiter Basis zu ersetzen. Daher lohnt es sich, das Problem der Versagensanfälligkeit der händisch gefertigten keramischen Verblendung innerhalb des digitalen Workflows zu lösen. Dies kann durch die CAD/CAM-gestützte Konstruktion und die Herstellung der Verblendung aus geeigneten (keramischen) Werkstoffen (z.B. Lithiumdisilikat), die auf das Gerüst aufgeklebt oder aufgesintert werden, erfolgen. Auch der gänzliche Verzicht auf eine Verblendung, d.h. die Herstellung monolithischer Restaurationen, stellt seit der Einführung geeigneter keramischer Werkstoffe einen vielversprechenden Lösungsansatz dar. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Prof. Dr. Marc Schmitter

Bilder soweit nicht anders deklariert: Prof. Dr. Marc Schmitter


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