Implantologie


Sinusbodenelevation mit simultaner Implantation in den transferierten Knochenblock – Teil 1

Abb. 1: Das Orthopantomogramm stellt die Freiendsituation im 1. Quadranten dar.
Abb. 1: Das Orthopantomogramm stellt die Freiendsituation im 1. Quadranten dar.

Bei einem vertikalen Restknochenbestand im Oberkieferseitenzahnbereich von weniger als vier Millimetern ist sowohl die einzeitige Methode der Sinusbodenelevation mit simultaner Implantation als auch ein zweizeitiges Verfahren möglich. Viele Autoren propagieren bei dieser vertikalen Knochenhöhe das zweizeitige Vorgehen. Im Patientenfall, der Gegenstand dieses Beitrags ist, wurde hingegen eine einzeitige Sinusbodenelevation und -augmentation mit simultaner Implantation in einen transferierten kortikospongiösen Knochenblock gewählt. Die Autoren beschreiben dieses Vorgehen detailliert und diskutieren Vor- und Nachteile der Methode sowie die Bedingungen, unter denen sie angewendet werden kann.

Durch Atrophie und Ausdehnung des Sinus maxillaris ist das vertikale Knochenangebot im Oberkieferseitenzahnbereich reduziert. Die Implantation in diesem Bereich

  • Abb. 2: Vertikale Knochenhöhe in Regio 16 von ca. 3–4 mm.

  • Abb. 2: Vertikale Knochenhöhe in Regio 16 von ca. 3–4 mm.
ist bei normaler interokklusaler Distanz sowohl mit einem einzeitigen als auch mit einem zweizeitigen Verfahren möglich. Wir favorisieren die einzeitige Sinusbodenelevation. Durch die Einführung der Kieferhöhlenelevation durch Tatum8 wurde diese chirurgische Technik mit der Zeit als standardisiertes Verfahren im Bereich der Implantologie etabliert.
Die Operationstechnik der Sinusbodenaugmentation kann entweder von intern oder von extern eingesetzt werden. Die Indikation ergibt sich durch die vertikale Restknochenhöhe.
  • Abb. 3. Klinische Ausgangssituation: Freiendsituation im 1. Quadranten.

  • Abb. 3. Klinische Ausgangssituation: Freiendsituation im 1. Quadranten.
  • Abb. 4: Trapezlappen zur Darstellung der Fossa canina.

  • Abb. 4: Trapezlappen zur Darstellung der Fossa canina.
Bei mehr als fünf Millimetern Knochenangebot wird zumeist die einzeitige Sinusbodenaugmentation mit autologem, allogenem, xenogenem oder alloplastischem Knochen bzw. Knochenersatzmaterial favorisiert3.
Ab einem vertikalen Knochenbestand von weniger als vier Millimetern ist sowohl das einzeitige als auch das zweizeitige Vorgehen möglich. Bei der zweizeitigen Methode wird der entstandene Hohlraum zwischen dem elevierten Bereich der Schneider’schen Membran und dem ortsständigen Sinusboden in einem ersten operativen Eingriff je nach Indikation mit Knochen, Knochenersatzmaterial bzw. einem Gemisch aus beidem aufgefüllt2,5,7,9,10,11. In einem zweiten Eingriff erfolgt nach einer gewissen Einheilungszeit die Insertion der dentalen Implantate. Bei der einzeitigen Methode des simultanen Sinuslifts kann ein autologer Knochenblock sowohl aus dem Unterkiefer oder Kinn als auch aus dem Beckenkamm entnommen werden. Der Unterschied zwischen diesen zwei Entnahmestellen liegt im Aufwand. Die Entnahme des Mandibularblocks ist weniger invasiv. Der Vorteil liegt in der Möglichkeit, diesen operativen Eingriff ambulant in der Praxis durchführen zu können1,4,10. Als Spenderregion des Knochenspans aus dem Unterkiefer kommt entweder die Retromolarregion oder das Kinn infrage.

Ausgangsbefund und Diagnostik

  • Abb. 5: Sinusbodenelevation mit der Knochendeckelmethode.

  • Abb. 5: Sinusbodenelevation mit der Knochendeckelmethode.
In diesem Patientenfall wurde eine Freiendsituation im ersten Quadranten versorgt. Der profunde Knochendefekt in der Vertikalen kann sowohl einzeitig als auch zweizeitig  operativ rekonstruiert werden. Um der Patientin einen zweiten operativen Eingriff zu ersparen, führten wir die Sinusbodenelevation simultan mit der Implantation in den transferierten Knochenblock durch. Die Indikation für eine Sinusbodenelevation war durch die reduzierte Restknochenhöhe des Oberkiefers im Seitenzahnbereich mit normaler interokklusaler Distanz gegeben. Mittels Orthopantomogramm wurde das vertikale Knochenangebot im Seitenzahnbereich des Oberkiefers ermittelt, das in diesem Fall drei bis vier Millimeter ergab (Abb. 1 u. 2).
  • Abb. 6: Modifizierter Winkelschnitt im Bereich der rechten Retromolarregion.

  • Abb. 6: Modifizierter Winkelschnitt im Bereich der rechten Retromolarregion.
Ab einer vertikalen Knochenhöhe von über fünf Millimetern ist die Implantation mit simultaner Augmentation bei Erreichen einer Primärstabilität angezeigt. In solchen Fällen kann die Sinusbodenaugmentation mit Substitution durch Knochenersatzmaterial oder granulierten autologen Knochen erfolgen. In solchen Fällen ist ein gutes Regenerationspotenzial vorhanden.

Die Verwendung von Knochenersatzmaterial beinhaltet bei einem regenerationsarmen Knochenlager ein gewisses Risiko. Dazu gehört eine Restknochenhöhe von wenigen Millimetern, die nur aus einer dünnen Kortikalis besteht. Des Weiteren zählt dazu ein großes Augmentatvolumen. Unter diesen Bedingungen kommt es nur zu einer knöchernen Durchbauung der basalen Partikel des Knochenersatzmaterials.
  • Abb. 7: Präparation der Entnahme des kortikospongiösen Knochenblocks.

  • Abb. 7: Präparation der Entnahme des kortikospongiösen Knochenblocks.
Die restlichen Partikel werden bindegewebig ummantelt mit der Folge, dass keine knöcherne Konsolidierung des Implantats erreicht wird.

Ab einer vertikalen Knochenhöhe im Oberkieferseitenzahnbereich unter vier Millimetern favorisieren wir die einzeitige simultane Implantation mit einem autologen Knochenblock. Diese Operationstechnik wurde an der Frankfurter Klinik von Prof. Nentwig entwickelt. Das suboptimale Regenerationspotenzial wird dabei durch die Wachstumsfaktoren (Bone Morphogenetic Proteins) des Knochenblocks kompensiert. Der kortikospongiöse Knochenblock wird simultan mit dem Implantat befestigt. Dabei wird der Block mit der spongiösen Seite zum Kieferhöhlenboden in der Kieferhöhle fixiert.

Chirurgisches Vorgehen

  • Abb. 8: Knochenblockentnahme aus der Retromolarregion.

  • Abb. 8: Knochenblockentnahme aus der Retromolarregion.
  • Abb. 9: Unterkieferknochenblock ex situ.

  • Abb. 9: Unterkieferknochenblock ex situ.
Die Patientin wurde instruiert, zwei Tage vor der Operation mit der oralen Antibiose zu beginnen. In Lokalanästhesie wurde ein leicht nach palatinal versetzter Kieferkammschnitt mit mesialer und distaler Entlastung ins Vestibulum durchgeführt. Dieser Trapezlappen wurde so weit präpariert, dass die laterale Kieferhöhlenwand dargestellt wurde (Abb. 4 u. 5). Mit einer großen kugelförmigen Hartmetallfräse wurde ein ovales Fenster in die Fossa canina präpariert. Die Schneider’sche Membran blieb dabei unverletzt. Anschließend erfolgte mittels Sinusliftküretten die Elevation der Kieferhöhlenschleimhaut, um den Platz für den zu transferierenden Knochenblock zu schaffen. Bei der Sinusbodenelevation wurde die Methode des Knochendeckels verwendet, der nach kranial eingeklappt wird. Der Operationssitus wurde mittels Einzelnähten temporär verschlossen.

Nun erfolgte die Knochenblockentnahme aus dem Unterkiefer. Als Spenderregion des kortikospongiösen Knochenspans diente der rechte Kieferwinkel. Als Alternative ist die Kinnregion möglich. In der Donorregion des rechten Unterkiefers erfolgte ein modifizierter Winkelschnitt, dessen krestale Grenze die Linea obliqua externa bildet (Abb. 6).
  • Abb. 10: Nahtverschluss im Bereich der Retromolarregion.

  • Abb. 10: Nahtverschluss im Bereich der Retromolarregion.
Der zu entnehmende kortikospongiöse Knochenblock wurde mit mehreren Knochenbohrungen entsprechend markiert und mit der Lindemann-Fräse und einem kleinen Rosenbohrer umfräst (Abb. 7). Anschließend konnte so der Knochenblock mit einem Meißel herausgelöst werden (Abb. 8 u. 9). Das entnommene Transplantat wurde vorübergehend im Eigenblut der Patientin ex situ gelagert. Damit können die vitalen Zellen erhalten werden. Im Anschluss wurden in der Donorregion die Knochenkanten geglättet und die Wunde mit Einzelknopfnähten verschlossen.
  • Abb. 11: Fixation des Knochenblocks zwischen der elevierten Schneider´schen Membran und dem ortsständigen Restknochen.

  • Abb. 11: Fixation des Knochenblocks zwischen der elevierten Schneider´schen Membran und dem ortsständigen Restknochen.

Im weiteren Verlauf wurde die temporäre Fixationsnaht im Oberkiefer entfernt. Der Unterkieferblock wurde dann zwischen dem elevierten Bereich des Sinus maxillaris und dem ortsständigen Knochen im Oberkiefer mit der spongiösen Seite zum Kieferhöhlenboden eingelagert. Das Knochentransplantat wird durch Beschleifen entsprechend angepasst. Damit der Knochenblock einheilen kann, ist die Lagestabilität des Transplantats notwendig. Der transferierte Knochenblock wurde temporär mit der Knochenhaltezange (Fa. Ustomed, Tuttlingen) in der Kieferhöhle am Oberkieferknochen im Seitenzahnbereich fixiert (Abb. 11).
Daraufhin erfolgte die Fixierung des Knochenblocks durch das dentale Implantat. Dazu wurde zunächst das Implantatbett aufbereitet. Die Kavität des dentalen Implantats
  • Abb. 12: Implantatbettaufbereitung durch den Oberkieferknochen in den fixierten Knochenblock.

  • Abb. 12: Implantatbettaufbereitung durch den Oberkieferknochen in den fixierten Knochenblock.
wurde kombiniert – ablativ und nicht ablativ – präpariert (Abb. 12). Dann erfolgte die simultane Insertion eines konischen, selbstschneidenden Implantats (Ankylos®: 3,5 mm Durchmesser, 740 11 mm Länge; Fa. DENTSPLY Friadent, Mannheim) in den transferierten Knochenblock, so dass eine Zugschraubenwirkung entstand (Abb. 13). Das Implantat war zirkulär ausreichend von Knochen umgeben (Abb. 13). Die Primärstabilität des Implantats war gegeben. Aufgrund der notwendigen Länge des Knochenblocks zwecks temporärer Fixierung befestigten wir den Knochenblock im distalen Bereich zusätzlich mit einer Osteosyntheseschraube (Fa. Leibinger, Tuttlingen) (Abb. 13). Um Irritationen des Gewebes zu vermeiden, wird der Kopf der Osteosyntheseschraube vertieft in den Knochenblock eingebracht.
  • Abb. 13: Zusätzliche Applikation einer Osteosyntheseschraube im distalen Bereich.

  • Abb. 13: Zusätzliche Applikation einer Osteosyntheseschraube im distalen Bereich.

Nahtverschluss

Anschließend erfolgte der Nahtverschluss mit nicht resorbierbaren Fäden (Abb. 14). Als Analgetikum und Antiphlogistikum wurden der Patientin dreimal täglich Ibuprofen 400 mg und Chlorhexidin 0,12 % mediziert. Die Nähte wurden nach einer Woche wieder entfernt. In der radiologischen Kontrolle mittels Orthopantomogramm lässt sich der transferierte und fixierte Knochenblock im elevierten Sinusbereich erkennen (Abb. 15 u. 16).

 

 

Bei Redaktionsschluss lagen die Schlussaufnahmen dieses dargestellten Falles aufgrund einer noch durchzuführenden Parodontalbehandlung beim Patienten noch nicht vor. Diese werden von der Autorin nachgereicht.
Der dargestellte Fall und die verwendeten Abbildungen wurden von der Autorin an der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie der ZZMK der Universität Frankfurt am Main (Direktor: Prof. Dr. G.-H. Nentwig) durchgeführt und dokumentiert.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Nina Psenicka

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Nina Psenicka



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