Interview


Präprozedurales Spülen – ein wertvoller Teil zum Infektionsschutz

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Während der Corona-Pandemie haben sich Mundspülungen in Kliniken und Praxen als eine wichtige Maßnahme des Infektionsschutzes etabliert. Doch welche Inhaltsstoffe haben sich als wirksam herauskristallisiert? Neue Studienergebnisse geben Hinweise. Hierzu beantwortet PD Dr. Fabian Cieplik, Oberarzt der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie am Universitätsklinikum Regensburg sowie Koordinator der klinischen Studie an SARS-CoV-2 einige Fragen. Seine Arbeitsgruppe Orale Mikrobiologie beschäftigt sich mit der Zusammensetzung des oralen Mikrobioms und der Untersuchung von Antiseptika.

Herr Dr. Cieplik, aktuell liegt einer Ihrer Forschungsschwerpunkte auf Mundspüllösungen, die bislang vorrangig in der Biofilmkontrolle sowie postoperativ zum Einsatz kamen. Welche Wirkstoffe sind hier relevant?

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    © Cieplik, Fabian
Dr. Cieplik: Mundspüllösungen finden ihren Einsatz insbesondere bei Gingivitiden, im Rahmen der unterstützenden Parodontitistherapie sowie bei Risikopatienten. Zum Biofilmmanagement besteht die meiste Evidenz für die klassischen Antiseptika Chlorhexidindicluconat – CHX, Cetylpyridiniumchlorid – CPC sowie eine Kombination ätherischer Öle.

Seit der Corona-Pandemie sind Mundspüllösungen vermehrt in den Fokus des Infektionsschutzes gerückt. War der Nutzen zuvor noch nicht bekannt?

Dr. Cieplik: Alles begann eigentlich mit einer Publikation aus China, welche einen Nutzen gegen SARS-CoV-2 von Wasserstoffperoxid und Povidon-Iod aufgrund ihrer oxidativen Eigenschaften vermutete und diese als Schutz für Praxisteams empfahl – ohne Evidenz. Dennoch wurde die Idee weltweit schnell von Forschenden und Fachgesellschaften aufgegriffen.

Warum kann Mundspülen sinnvoll sein?

Dr. Cieplik: Die Mundhöhle ist eine wichtige Eintrittspforte für Pathogene, die über Tröpfchen und Aerosole ihren Weg dorthin finden. SARS-CoV-2 dockt beispielsweise an den ACE-2-Rezeptor an, der in Zellen der Mundhöhle relativ häufig exprimiert wird.

So ist die Viruslast von SARS-CoV-2 in Mundhöhle und Rachenraum am höchsten. Inzwischen haben wir nicht nur in vitro, sondern auch in vivo Ergebnisse zu vielen Inhaltsstoffen vorliegen, die mit der Mundspüllösung an eben den Ort gelangen, der auch für die Infektiosität und Weiterverbreitung verantwortlich ist.

Welche Inhaltsstoffe haben sich herauskristallisiert?

Dr. Cieplik: Erstaunlicherweise haben wir ziemlich zu Beginn der Pandemie in unserer Forschungsgruppe zeigen können, dass Wasserstoffperoxid klinisch keine Wirkung gegen das Virus zeigte – was sich später auch in vitro bestätigte. Etwa im August 2020 wurden Povidon-Iod, Chlorhexidin und quartäre Ammoniumverbindungen wie Benzalkonium- und Cetylpyridiniumchlorid unter die Lupe genommen.

Allein das mechanische Spülen scheint bereits eine Reduktion der mittels PCR detektierten Viruslast durch Verdünnung zu verursachen, doch die PCR unterscheidet keine nicht-infektiösen und infektiösen Partikel. Wir wollen sehen, dass die Infektiosität signifikant sinkt. Die beste Evidenz besteht hier aktuell für CPC.

Die S1-Leitlinie „Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Erregern“ empfiehlt zahnärztlichen Praxen und Kliniken seit 2020 präprozedurales Spülen mit CPC, CHX oder ätherischen Ölen. Welchen Effekt haben diese Wirkstoffe insbesondere auf verschiedene Arten von Viren?

Dr. Cieplik: Gegen SARS-CoV-2 zeigt CHX Stand jetzt keine Wirkung, für Povidon-Iod liegen In-Vitro-Daten, jedoch bis heute keine In-Vivo-Ergebnisse vor. Zudem können Nebenwirkungen bei Schwangeren oder Schilddrüsenpatienten auftreten. Ätherische Öle zeigen bislang nur in vitro eine Wirkung gegen SARSCoV-2 sowie Herpesviren.

CPC bedient ein breiteres Spektrum, da es wie wir wissen die Membran von behüllten Viren wie SARS-CoV-2 oder Influenza zerstört und die Viren so inaktiviert. Hier gibt es zudem vier klinische Studien, die zusammen eine gute Datengrundlage schaffen.

Sie haben gerade eine prospektive, randomisierte, verblindete, placebokontrollierte Studie an SARS-CoV-2-positiven Patienten veröffentlicht. Was genau haben Sie untersucht?

Dr. Cieplik: Wir haben 61 Patientinnen und Patienten mit frischer Coronainfektion je 60 Sekunden mit Kochsalzlösung sowie mit einer Kombination aus CHX und CPC spülen lassen. Das Ergebnis: Wir sehen tatsächlich den leichten mechanischen Effekt der Kochsalzlösung, aber vor allem eine signifikante Reduktion der Infektiosität bei der Mundspüllösung.

Warum haben Sie eine Mundspüllösung mit der Kombination aus CPC und CHX gewählt?

Dr. Cieplik: In PerioAid sind CHX und CPC zu gleichen Teilen, je zu 0,05%, enthalten. Im Prinzip wussten wir aus vorigen Studienergebnissen zu CHX, dass CPC das aktive Agens gegen SARS-CoV-2 sein würde, wollten dies aber noch einmal testen.

Zudem ist CHX nach wie vor der Goldstandard in seiner antibakteriellen Wirkung, auf die man beim präprozeduralen Spülen nicht verzichten will. Auch CPC hat ein breites antibakterielles Wirkspektrum, jedoch vermuten wir synergistische Effekte auf die bakterielle Membran beim kombinierten Einsatz der beiden Antiseptika. Das gilt es jedoch noch zu erforschen.

Beide Wirkstoffe sind relativ gering dosiert. Reicht das aus?

Dr. Cieplik: Ja, bei CPC sehen wir eine signifikante Reduktion der Infektiosität, etwa um das 10- bis 100-Fache. Bei CHX haben wir bei höheren Konzentrationen sogar eher das Problem mit Nebenwirkungen wie Verfärbungen oder Geschmacksveränderungen, die so reduziert werden können.

Corona ist gefühlt vorbei, warum sind die Ergebnisse der Studie dennoch relevant?

Dr. Cieplik: Die Ergebnisse geben uns wichtige In-Vivo-Hinweise für den Infektionsschutz bei SARS-CoV-2. Das präprozedurale Spülen ist ein wertvoller Bestandteil des gesamten Maßnahmenbündels zum Infektionsschutz in der zahnärztlichen Praxis.

Nur weil die Pandemie erst einmal abgeebbt ist, sollten wir nicht in alte Standards zurückfallen. Zwar waren die Hygienemaßnahmen im zahnärztlichen Bereich schon immer sehr hoch, weshalb es in dieser Berufsgruppe weniger Infektionen gab als erwartet, jedoch sollten wir die Ergebnisse auch künftig berücksichtigen.

Was glauben Sie? Haben viele Praxen und Kliniken das präprozedurale Spülen nun wieder gestoppt?

Dr. Cieplik: Das kann ich aus dem Stehgreif nicht sicher sagen. In meinem Umkreis sehe ich, dass die meisten das Gurgeln vor der Behandlung beibehalten.

Würden Sie das präprozedurale Spülen also weiterhin empfehlen?

Dr. Cieplik: Definitiv. Es ist eine einfache, kostengünstige Maßnahme im großen Strauß des Infektionsschutzes, die Praxisteams und gegebenenfalls auch nachfolgende Patientinnen und Patienten vor allerlei Pathogenen schützen kann, gerade während und nach aerosolerzeugenden Behandlungen.

Die Patientinnen und Patienten empfinden das vor der Behandlung als professionell. Für sie ist das zudem eine sinnvolle antibakterielle Maßnahme vor der PZR oder einem operativen Eingriff. Das Spülen vorab sollte der Standard sein.

Was werden die Forschungsergebnisse über die Pandemie hinaus bringen?

Dr. Cieplik: Ich denke, hier gibt es noch viele spannende Ansätze. Erstens haben wir trotz Massen an Coronapatienten bisher gar nicht so viele In-Vivo-Studien, da die Rekrutierung der Probanden sehr schwierig ist. Zum anderen geht das Thema deutlich weiter.

Wenn CPC gegen Influenzaviren aktiv ist, können wir dann davon in der Erkältungszeit profitieren? Hat die Kombination von CHX und CPC synergistische Effekte und Vorteile gegenüber eines Single-Use im Hinblick auf den Biofilm und verschiedene Pathogene?

Und zu guter Letzt, sehe ich Mundspülungen nicht nur im zahnmedizinischen Bereich als interessantes Forschungsthema. Zum Beispiel könnte ich mir die Endoskopie als mögliches sinnvolles Anwendungsfeld vorstellen.

Herzlichen Dank für das spannende Gespräch, Herr Dr. Cieplik!

Das Gespräch führte Isabel Becker.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: PD Dr. Fabian Cieplik - Isabel Becker


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