Interview

„KI sollte kein ‚fancy Feature‘ sein, das man eigentlich gar nicht braucht!“

Dürr Dental IDS-Highlights: nachhaltig und KI-gestützt

25.04.2023

Martin Dürrstein, Vorstandsvorsitzender der Dürr Dental SE steht voll und ganz
zu seinen Produkten.
Martin Dürrstein, Vorstandsvorsitzender der Dürr Dental SE steht voll und ganz zu seinen Produkten.

Nachhaltigkeit und KI – auch bei dem süddeutschen Dentalunternehmen Dürr Dental standen diese beiden zentralen Messethemen im Fokus. Doch wie kann KI wirklich sinnvoll in Produkten für die dentale Praxis eingebunden werden? Und: Wie agiert ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit ernst nimmt? Diese Fragen haben wir mit Martin Dürrstein, Vorstandsvorsitzender der DÜRR DENTAL SE, besprochen.

Herr Dürrstein: Vor einer Woche startete Dürr Dental seine IDS-Präsenz mit einer ganz besonderen Aktion: Ein Kunstevent mit dem Vorstand von Dürr Dental, angeleitet durch Christoph Keck, einem bekannten Graffitikünstler aus Stuttgart. Wie kam es zu dieser Idee?

Martin Dürrstein: Mit der System-Hygiene von DÜRR DENTAL besitzen wir eine Marke, die sehr etabliert ist. Sie positioniert sich über Qualität – und von unserem Premium-Qualitätsanspruch werden wir keinen Millimeter abrücken. Mit dieser Aktion wollten wir unserem Publikum zeigen, dass die Marke zudem auch jung und dynamisch ist. Ein ähnliches Event gab es bereits in unserem Unternehmen. Was gut ankam – deshalb haben wir uns für diese Aktion auf der Messe entschieden.

Welche Neuerungen zeigen Sie auf der IDS?

  • Die neue plastikfreie Linie an
Desinfektionstücher.

  • Die neue plastikfreie Linie an Desinfektionstücher.
    © Dürr Dental
Martin Dürrstein: Wir stellen verschiedenste Neuerungen vor. Wir sprachen gerade von der System-Hygiene. In diesem Bereich haben wir eine neue Linie an Desinfektionstücher herausgebracht, die plastikfrei ist. Die Herausforderung bei einer Wischdesinfektion besteht darin, dass Papiertücher nicht in einer Wischdesinfektionslösung gelagert werden können, weil sie sich zersetzen würden. Das heißt, alle Desinfektionstücher auf dem Markt, sowohl die unserer Mitbewerber, als auch unsere klassische Linie, bestehen aus 100% Kunststoff, auch wenn sie sich nicht so anfühlen. Unsere neue Linie heißt „green“, was darauf hinweist, dass das Tuchmaterial kunststofffrei und damit umweltverträglicher ist. Wir haben vor, diese Linie noch zu erweitern.

Wie wirkt sich die umweltfreundlichere Materialzusammensetzung preislich aus?

Martin Dürrstein: Die green wipes sind 5-mal effizienter als herkömmliche Tücher aufgrund eines besseren Tränkverhaltens und einer höheren Aufnahmefähigkeit von Flüssigkeiten. Somit kann man mehr Fläche benetzen. Zwar sind in einer Dose nun weniger Tücher enthalten, da das einzelne Tuch eine höhere Materialstärke besitzt. Aber wenn man nach der benetzten Fläche geht, sind die Tücher trotzdem preiswerter, auch wenn das einzelne Tuch preislich betrachtet etwas teurer ist.

Wenn wir gerade über Preise sprechen – seit Covid leben wir mit starken Preissteigerungen in unserem Alltag. Hat Ihr Unternehmen dies auch erfahren? Mussten Sie Preise anheben, um erhöhte Kosten zu decken?

Martin Dürrstein: Wir sind der Kostenentwicklung fast nicht hinterhergekommen. Gespräche mit Lieferanten, in denen zweistellige Preiserhöhungen gefordert wurden, waren an der Tagesordnung.

Manche Elektronikkomponenten, die früher für 3 oder 4 Euro eingekauft werden konnten, wurden uns kürzlich für 40 bis 50 € pro Stück angeboten – ohne Verhandlungsspielraum. Hochwertigere Elektronikkomponenten, die vor Corona bereits 25 bis 30 € das Stück gekostet haben, lagen bei 200 bis 300 €.

Solche Kostensteigerungen machen sich in der Produktherstellung gewaltig bemerkbar. Also insofern: Ja, die Entwicklung hat uns voll getroffen und wir mussten unsere Preise anpassen.

Eine solche Marktsituation kannten wir bisher gar nicht: Wirklich alle Kosten gingen durch die Decke: nicht nur in der Produktion, auch im Transport. Mittlerweile hat sich die Situation wieder ein wenig beruhigt. Aber es ist schon so, dass wir als Hersteller von Produkten „Made in Germany“ hauptsächlich von deutschen Unternehmen zuliefern lassen und in besonderer Weise betroffen sind. Dazu kommen Forderungen nach Lohnerhöhungen – durchaus berechtigt – aber auch diese lassen vermuten, dass wir wohl noch nicht am Ende dieser Phase der Kostensteigerung angekommen sind.

Noch einmal zu den Neuprodukten. Sie haben sicherlich mehr als eine Neuerung im Gepäck? Wir kennen Dürr Dental als innovatives Unternehmen …

  • Der Vorstand von Dürr Dental präsentierte sich mit ihrer Graffiti-Aktion als ein
junges und dynamisches Unternehmen.

  • Der Vorstand von Dürr Dental präsentierte sich mit ihrer Graffiti-Aktion als ein junges und dynamisches Unternehmen.
    © Dürr Dental
Martin Dürrstein: Wir haben unsere High-End-Absauglinie Tyscor überarbeitet und bringen nun eine neue Generation auf den Markt. Das Besondere an der neuen Tyscor-Linie ist aus meiner Sicht die 75%ige Energieeinsparung. Das ist einfach phänomenal! Durch die Umstellung auf die Radialtechnologie kann sich die Drehzahl der Geräte nun dem tatsächlichen Bedarf anpassen. Wir sagen, das Gerät atmet in der Drehzahl. Für die Zahnarztpraxis hat dies eine hohe Energieeinsparung zur Folge.

Hat die Praxis z.B. 5 Behandlungseinheiten, benötigt sie in einer herkömmlichen Installation eine Absaugung, die ständig 5 Räume bedient, unabhängig davon, ob in allen 5 Räumen gerade behandelt wird. Die neue Tyscor-Absaugung hingegen arbeitet mit einem Feedback, welches rückmeldet, wie hoch der Bedarf an Unterdruck momentan ist. Die Drehzahl wird bedarfsorientiert angepasst.

Eine zweite Innovation, die die Tyscor-Linie auszeichnet, ist ihre Netzwerk-Fähigkeit. Sie ist voll IoT-fähig. Somit ist es möglich, sich auf das Gerät aufzuschalten. Wenn eine Störung vorliegt, kann der Techniker das Problem auf diese Weise oftmals aus der Ferne lösen, etwa durch ein Reset. Mit der cloudbasierten IoT-Lösung bemerken wir auch sofort, wenn bei Geräten ein Problem vorliegt. Der Zahnarzt kann natürlich die Überwachung seines Gerätes durch uns ablehnen. Er hat die Wahl.

Der dritte Vorteil: die Tyscor-Geräte wachsen mit. Bislang musste man bei einer Praxiserweiterung eine neue Sauganlage kaufen, wenn ein höheres Unterdruckvolumen benötigt wurde. Wenn eine Zahnarztpraxis sich für die Tyscor-Linie von Dürr Dental entscheiden, dann kann diese im Falle einer Erweiterung das gleiche Gerät hinzukaufen. Die beiden Geräte verbinden sich und kooperieren, d.h., wenn hoher Bedarf besteht, arbeiten beide parallel.

Bei geringem Bedarf arbeitet nur ein Gerät, sodass der Nebeneffekt einer Redundanz entsteht; – falls ein Gerät doch einmal ausfallen sollte, ist die Versorgung durch das andere Gerät sichergestellt.

Sie sagten, das neue Tyscor-Saugsystem verbraucht wesentlich weniger Energie als Vorgängermodelle. Sie setzen hinsichtlich Nachhaltigkeit also vor allem am Energieverbrauch im Geräteeinsatz an, weniger in der Produktion?

Martin Dürrstein: Wenn wir über die grüne Praxis und damit über Umweltverantwortlichkeit sprechen, spielt die Musik nicht im Entstehungsprozess eines Produktes, sondern in dessen Benutzung.

Wir sprechen hier von 95% zu 5%. Und dies ist nicht nur bei unseren Produkten der Fall, sondern beispielsweise auch bei einem Auto. Rund 90% des Energieverbrauchs eines Produktes liegt im Gebrauch und nur ein einstelliger Prozentsatz vom sogenannten Fußabdruck in der Produktion. Wenn es also gelingt, das Produkt in seinem Lebenszyklus nach der Herstellung umweltfreundlicher zu gestalten, ist der Effekt ein völlig anderer – das ist der große Hebel – als wenn man nur in der Produktion ansetzt. Was wir allerdings zusätzlich tun.

Arbeiten Sie hinsichtlich Ihrer Bestrebungen zur Nachhaltigkeit mit externen Partnern zusammen?

Martin Dürrstein: Ja, wir arbeiten mit 2 Beratern zusammen. Mit einem Energieberater, der sich ganz klassisch mit dem Bereich Produktion befasst: Wie viel Energie verbrauchen wir insgesamt – wie viel Strom, wie viel Heizenergie. Das betrifft die Frage, wie produziert ihr und wie könnt ihr hier Energie einsparen. Dieser Dienstleister berechnet die Zahlen für unser Unternehmen.

Daher kommen auch unsere Daten bezüglich des Energieverbrauchs in Produktion und Nutzung im Lebenszyklus eines Produkts, die ich Ihnen gerade genannt habe.

Der zweite Bereich, in dem wir uns beraten lassen, ist die Nachhaltigkeit unserer Firmengebäude. Wir haben 3 Fertigungsstandorte in Deutschland. Der Standort für die Bildgebung ist bereits CO2-neutral, und zwar nicht über den Kauf von Zertifikaten, sondern – ich würde das ehrlich CO2-neutral nennen – über eine Gebäudesanierung und den Austausch fossiler Energieträger. Die Dächer beispielsweise wurden komplett mit Photovoltaik belegt.

Nachhaltigkeit in unserem Bereich bedeutet natürlich auch, dass Produkte langlebig und reparierbar sein müssen. Für Produkte von Dürr Dental traf das schon immer zu. Das heißt, wir sind in die Nachhaltigkeitsdiskussion auf einem sehr hohen Level eingestiegen. Genau diese Qualitäten zeichnen uns ja aus. Die Produkte müssen lange leben, sie müssen den Zahnarzt völlig stressfrei unterstützen, was zum Beispiel über unseren Service vor Ort gewährleistet wird.

Für welche Lebensdauer sind Geräte von Dürr Dental ausgelegt?

Martin Dürrstein: Wir entwickeln Geräte für 10.000 Stunden. Das bedeutet, dass sie unter normalen Umständen deutlich über 10 Jahre Lebenserwartung haben. Wobei in Abhängigkeit davon, wie stark ein Gerät in Anspruch genommen wird, große Unterschiede in der Überlebensdauer bestehen.

Sie sagten, Ihre Geräte zeichnen sich auch durch Reparaturfähigkeit aus. Aber können sie auch nach 5 oder 10 Jahren noch repariert werden?

Martin Dürrstein: Absolut! Es kommt vor, dass wir zu Geräten, die bereits 20 Jahre lang in der Zahnarztpraxis im Einsatz sind, Anfragen bekommen. Diese können immer noch repariert werden.

Ersatzteile, wie z.B. Verdichter-Aggregate für den Kompressor, können immer nachgekauft werden und Geräte werden vor Ort in der Praxis repariert. Wobei wir dem Zahnarzt oder der Zahnärztin nach 20 Jahren empfehlen würden, über eine Neuanschaffung nachzudenken …

Neben der Nachhaltigkeit ist KI das große Thema dieser Messe. Bereits auf der Vorgänger-IDS waren Sie mit KIunterstützen Produkten vertreten. Haben Sie die KI-Entwicklung intensiviert?

  • Beim VistaScan Mini View 2.0 ist nicht nur das Design futuristisch, sondern auch
die Technik.

  • Beim VistaScan Mini View 2.0 ist nicht nur das Design futuristisch, sondern auch die Technik.
    © Claudia Mastnak
Martin Dürrstein: Genauso ist es. Wir haben den sinnvollen Einsatz von KI in unseren Produkten konsequent vorangetrieben. Wir legen unseren Schwerpunkt ganz klar auf den Arbeitsalltag der Zahnärztin bzw. des Zahnarztes. Wir sagen, die KI soll den Zahnarzt unterstützen. KI sollte kein „fancy Feature“ sein, das man eigentlich gar nicht braucht. Wir schauen, welche Abläufe sehr regelmäßig in der Routine einer dentalen Praxis vorkommen, denn da kann man sinnvoll ansetzen. Die KI in unseren Lesegeräten erkennt z.B., ob die Speicherfolie versehentlich falsch herum eingesetzt wurde und korrigiert dies. Dann das Thema Nervenkanal – dieser wird durch die Röntgensoftware von Dürr Dental identifiziert, sogar wenn die Aufnahme suboptimal ist.

KI-Features sind auch in den neuen VistaScan Mini View 2.0 integriert, dem Nachfolger des Mini. Wir sind übrigens die einzige Firma, die in diesem Bereich ein Spektrum anbietet: Unser Flaggschiff ist der VistaScan Ultra View mit 2 Slots. KI-Features haben alle VistaScan-Geräte: Die Verschleißerkennung warnt, wenn die Speicherfolie defekt ist, Kratzer oder Risse aufweist. Der Zahnarzt wird darauf hingewiesen, sodass er nicht fälschlich von einem Defekt am Zahn ausgeht. Der Smart Reader erleichtert die Zuordnung des Röntgenbilds zur Patientenakte. Diese Reader sind für die verschiedenen Behandlungszimmer gedacht und durch das Einlesen wird die Folie dem Patienten direkt zugeordnet. So kann es nicht mehr zu Verwechslungen kommen.

Kam der Wunsch nach einem solchen Feature aus der Zahnärzteschaft?

Martin Dürrstein: Nein, die Idee kam von Dürr Dental. Wir nahmen durchaus an, dass der Reader ein cooles Feature ist, aber wir waren doch positiv überrascht, wie stark er angenommen wird. Daran erkennt man einmal mehr, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte vor allem einen easy Workflow und Unterstützung im Alltag haben möchten.

Arbeiten Sie mit Zahnarztpraxen zusammen, die Ihre Entwicklungen beurteilen?

Martin Dürrstein: Wir gehen nicht nur ins Kämmerchen und machen die Tür zu (lacht). Wir sind tatsächlich ständig im Dialog mit Praxen. Denn es macht keinen Sinn, etwas für ein Zielpublikum zu entwickeln, das nicht in die Entwicklung involviert ist.

Sie stecken viel Energie in die Weiterentwicklung z.B. Ihrer Imaging-Software VistaSoft. Handelt es sich um ein offenes System?

Martin Dürrstein: Ja. Wir sind mit allen Anbietern im Dialog und bieten eine ideale Anbindung an die Systeme von 3Shape, Dentsply Sirona, Sicat und Exocad. Ich glaube, wenn sich jemand für Dürr Dental entscheidet, wählt er den Anbieter, der ihm den größten Freiraum gibt, für seine Praxis später den Intraoralscanner zu kaufen, den er wirklich möchte. Er kann auch KI-Funktionen von Drittanbietern einbinden. Und wir glauben, wir dürfen für uns in Anspruch nehmen, dass wir in unserer Software-Lösung gute Schnittstellen bieten. Eine Schnittstelle muss so sein, dass es einfach flutscht.

Herr Dürrstein, die IDS-Woche ist schon beinahe vorüber. Sind Sie mit dem bisherigen Messeverlauf zufrieden?

Martin Dürrstein: Wir sind superzufrieden! Wir haben genügend Traffic auf dem Stand. Also ich würde sagen, die IDS ist für uns ein Erfolg.

Vielen Dank für das Interview!


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