Arbeitsrecht in Zeiten von COVID-19

Im Zuge der Coronakrise rückte das Arbeitsrecht wieder mehr in den Fokus, da sich zwei – vermeintlich – unterschiedliche Positionen gegenüberstehen: Der Arbeitgeber versucht trotz sinkender Patientenzahlen seine Praxis profitorientiert zu führen. Der Arbeitnehmer hingegen fürchtet verkürzte Arbeitszeiten und damit einhergehend weniger Gehalt. Nachfolgende soll einige Fragestellungen zum Arbeitsrecht beantwortet werden.
Meine Mitarbeiter haben Angst zu behandeln und erscheinen nicht zur Arbeit. Muss ich dies als Praxisinhaber hinnehmen?
Zunächst einmal gilt, dass Arbeitgeber eine besondere Fürsorgepflicht trifft, welche aus § 618 BGB und § 4 ArbSchG folgt. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter vor möglichen Gefährdungen schützen und den Arbeitsplatz so gestalten, dass das Risiko einer Ansteckung möglichst gering gehalten wird. Dazu gehören die Bereitstellung von Arbeitsschutzmaterialien und die Einhaltung der geforderten Hygienestandards. Kommen Sie diesen Verpflichtungen nach, sind Mitarbeiter ihrerseits zur Arbeitsleistung verpflichtet.
Erscheint der Mitarbeiter trotz Aufforderung und Anbieten der Arbeit nicht, kann er abgemahnt werden und das Gehalt entsprechend des Arbeitsausfalls anteilig gekürzt werden, da sich der Mitarbeiter in Annahmeverzug befindet, §§ 293 ff. BGB.
Ich möchte Kurzarbeit durchführen, aber einzelne Mitarbeiter weigern sich. Was kann ich tun?
Sofern Ihre Arbeitsverträge keine Klausel zur Kurzarbeit haben, muss die Durchführung von Kurzarbeit einzelvertraglich mit jedem Mitarbeiter gesondert vereinbart werden. Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber nicht einseitig in das Arbeitsverhältnis mit seinen Mitarbeitern eingreifen darf. Denn der vereinbarte Arbeitsvertrag kann nicht ohne Zustimmung der Mitarbeiter zu deren Lasten verändert werden.
Daraus folgt, dass Arbeitgeber eine vertragliche Vereinbarung mit ihren Mitarbeitern schließen müssen, in der sich über die Durchführung von verkürzten Arbeitszeiten geeinigt wird. Die Vereinbarung sollte zudem Regelungen darüber enthalten, für welche Dauer der Arbeitgeber Kurzarbeit durchführen möchte, in welchem Umfang und mit welchem Gehalt der Arbeitnehmer zu rechnen hat und wie im Falle von Urlaub verfahren wird. Nur so hat eine Vereinbarung vor Gericht bestand, weil sie bestimmt genug ist.
Der Arbeitgeber kann folglich gegenüber seinen Mitarbeitern Kurzarbeit nicht einfach anordnen, sondern ist darauf angewiesen, dass seine Mitarbeiter zustimmen. Damit die Arbeitnehmer einer solchen Regelung zustimmen, sollte sich der Arbeitgeber in die Lage seiner Arbeitnehmer versetzen: Wann würde er selbst einer Vereinbarung zur Durchführung von Kurzarbeit zustimmen? Dies wohl nur, wenn die Regelungen klar verständlich sind und keine Fragen zu Art und Weise der Kurzarbeit offenbleiben. Dem Arbeitnehmer muss verständlich sein, worauf er sich die nächsten Monate einstellen kann: zu welchem Arbeitsausfall (aka: Gehaltsausfall) es voraussichtlich kommen wird und was Hintergrund des Arbeitsausfalles ist.
Das Verständnis der Arbeitnehmer erhalten Sie, wenn Sie den Hintergrund der Kurzarbeit möglichst ausführlich erläutern: Bei der aktuellen Krise handelt es sich um eine außergewöhnliche Situation, die Ihre Praxis so noch nie erlebt hat. Es kommt zu einem erhöhten Patientenausfall, sodass die Umsatzeinbußen das Gefüge der Praxis durcheinanderbringen. Dennoch ist Ihnen die Verantwortung gegenüber Ihren Mitarbeitern bewusst, sodass Sie auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten wollen. Denn Sie setzen darauf, dass es eine erfolgreiche Zeit nach der Krise geben wird. Daraus folgt jedoch, dass alle Mitarbeiter die veränderte Situation tragen müssen und dazu das Instrument der Kurzarbeit angewendet wird. Nur so können alle Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Praxis kann gesund durch die Krise gelenkt werden. Solche oder ähnliche Ansprachen helfen, das Verständnis für Kurzarbeit zu stärken.
Fügen Sie solche Formulierungen an, zeigen Sie daneben Ihren Mitarbeitern gegenüber, dass Sie das gesamte Team wertschätzen und nicht verlieren möchten. Sie zeigen den Arbeitnehmern weiter, dass Sie wissen, wozu Kurzarbeit da ist und wie sie korrekt durchgeführt wird. Diese Aspekte werden das Verständnis Ihrer Mitarbeiter für die Maßnahme mit großer Wahrscheinlichkeit steigern, als wenn nicht kommuniziert wird.
Gleichwohl kann es Mitarbeiter geben, die einer Kurzarbeiterregelung widersprechen. Fakt ist: Außer der Möglichkeit einer Änderungskündigung haben Sie als Arbeitgeber kaum Handlungsspielraum.
Darf ich gegenüber meinen Mitarbeitern Betriebsurlaub anordnen, damit wir nach Erholung der aktuellen Situation wieder gemeinsam durchstarten können?
Die Entscheidung, in welchem Zeitraum der Arbeitnehmer Urlaub macht, darf ihm nicht einseitig genommen werden (§ 7 BurlG). Der Arbeitgeber hat daher nach überwiegender Meinung der Gerichte für die Anordnung von Betriebsurlaub dringende betriebliche Erfordernisse vorzuweisen. Erst dann kann er von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen und die Wünsche der Arbeitnehmer unberücksichtigt lassen.
Doch welche Gründe rechtfertigen Betriebsferien? Dies hängt von der konkreten einzelnen Situation jeder Praxis ab. So ist eine feste Höchstzahl an Arbeitstagen für Betriebsferien nicht gesetzlich festgelegt. Aber klar ist, der Zwangsurlaub darf nicht den ganzen Jahresurlaub umfassen und den Arbeitnehmern muss noch ein Spielraum an Tagen verbleiben, die sie frei einteilen können. Die Gerichte bewerten diesen Spielraum unterschiedlich. Als Faustformel werden häufig 2 Wochen als zulässige Grenze für Betriebsurlaub formuliert. Wichtig ist dabei: Haben Sie Ihren Mitarbeitern bereits Urlaub genehmigt, können Sie diese Genehmigung im Nachhinein nicht wieder zurückziehen. Ebenso muss Betriebsurlaub mit ausreichend Zeit angekündigt und bestenfalls am Anfang des Jahres kommuniziert werden. Ist dies – wie aktuell in dieser Zeit – nicht möglich, ist der Arbeitgeber auf das Wohlwollen seiner Arbeitnehmer angewiesen, da der Vorlauf im Rahmen des Zumutbaren sein muss. Führen Sie hier die Besonderheit der Situation an und erläutern Sie, weshalb Betriebsurlaub nun sinnvoll ist. Sie können Ihre Mitarbeiter jedoch nicht einseitig zwingen, ihre Urlaubspläne umzuwerfen.
Es empfiehlt sich daher, zu überlegen, ob man Betriebsferien im Arbeitsvertrag verankern möchte und diese somit einseitig anordnen darf.
Fazit
Nicht nur in der jetzigen Zeit sollte der Fokus des Arbeitgebers auf klaren Vereinbarungen liegen, die juristisch Gehalt haben. Werden Anordnungen und Vereinbarungen klar kommuniziert und basieren sie auf der gängigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, so kann ein Arbeitnehmer nicht vorbringen, er werde nicht sachgerecht behandelt. Daneben sollte die Art und Weise der Kommunikation im Mittelpunkt stehen: Arbeitgeber sollten ihre arbeitsrechtlichen Maßnahmen begründen können, damit der Arbeitnehmer sie nachvollziehen kann und sie im besten Falle widerspruchslos trägt. Suchen Sie sich bei Fragen rund um das Arbeitsrecht einen Profi, der zunächst prüft, ob Ihr Vorhaben umsetzbar ist, damit das sensible Thema Arbeitsrecht nicht zu eskalieren droht. Denn ist zwischen Arbeitgeber und bestimmten Arbeitnehmern einmal Sand im Getriebe, stört dies nicht selten den gesamten Praxisbetrieb.
Leonie Unkelbach
Rechtsanwältin
Lyck+Pätzold. healthcare.recht
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