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Serie: Die Praxisabgabe

Wie lange möchte ich noch arbeiten? – Teil 1

Unabhängig davon, mit welcher Praxisform Sie niedergelassen sind, stellt sich irgendwann die Frage: „Wie lange möchte oder muss ich noch arbeiten?“ Von dieser Antwort hängt es ab, welche der nachfolgend dargestellten Vorgehensweisen für Sie am besten passt. Dabei spielen auch Ihre Pläne für das „Danach“ eine wichtige Rolle. Wie andere Berufsgruppen haben auch Zahnärzte ganz unterschiedliche Einstellungen zu ihrem Beruf. Jeder Berufsweg ist anders und mit verschiedenen guten und weniger guten Erfahrungen verbunden. Wer eine Praxis führt, hat zudem eine individuelle Einstellung zum Thema Ruhestand.

. Racle fotodesign/Adobe
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Wenn Sie ein aktiver Mensch sind und vielseitige Interessen haben, könnten Sie den Wunsch entwickeln, die gut laufende Praxis frühzeitig abzugeben, um sich mit voller Energie und viel Zeit neuen Herausforderungen zu stellen. Wenn Sie seit Jahren routiniert behandeln, aber die Motivation und die körperliche Leistungsfähigkeit nachlassen, steigt das Bedürfnis auszusteigen oder zumindest kürzer zu treten.

Wenn Sie mit Leib und Seele Zahnarzt sind und sich nicht vorstellen können, Ihren Patientenstamm und Ihr Team „im Stich zu lassen“, kann Sie auch kein attraktives Angebot zum Verkauf der Praxis bewegen. Vielleicht ist aber eine Reduktion der Arbeitszeit auf ein angenehmes Maß verlockend?

Harter Schnitt oder langsames Ausklingen 

Wenn Sie Ihre Praxis noch nicht verkaufen, aber die Arbeitszeit bereits reduzieren möchten, können Sie einen Zahnarzt anstellen. Durch ein zahnärztliches Teammitglied können Sie Unterstützung erhalten und recht bald Ihre Arbeitszeit herunterfahren. Damit behalten Sie weiterhin die Zügel in der Hand, können sich aber Entlastung und Freiraum für Privates schaffen.

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Wenn Sie Zahnarztkollegen anstellen, denen die Selbstständigkeit eher fernliegt, reduzieren Sie das Risiko, dass Sie spätere Konkurrenz mit Ihrem Patientenstamm und Ihrem Personal vertraut machen. Es muss Ihnen aber auch bewusst sein, dass solche Angestellte Ihnen später die Praxis wahrscheinlich nicht abkaufen werden.

Risiko: Anstellung des Käufers vor dem Verkauf

Als erster Schritt eines mittelfristig anstehenden Praxisverkaufs kann die Anstellung des späteren Käufers sinnvoll sein. Kaufinteressierte können durch die Mitarbeit in der Praxis von einem Kauf überzeugt werden. Während der Anstellung können Sie den Angestellten einlernen, ohne dass bereits Mitspracherecht bei der Praxisführung besteht.

Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht ungefährlich. Sie haften als Arbeitgeber für sämtliche Fehler, die dem zahnärztlichen Nachwuchs bei der Behandlung unterlaufen, ohne ihn permanent kontrollieren zu können. Der Angestellte kann sich mit Ihrem Praxisteam und einem Großteil der Patientinnen und Patienten bekannt und vertraut machen.

Ohne eine vertragliche Regelung hindert den Angestellten (rechtlich) nichts daran, nach einer gewissen Zeit zu kündigen und eine eigene Praxis in der unmittelbaren Nähe zu eröffnen. Es gibt einige Fälle, in denen die junge Konkurrenz einen Großteil des Patientenguts und des Personal selbst oder zu einem anderen Arbeitgeber mitgenommen haben.

Es gibt aber die Möglichkeit, in einem Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu regeln. Wenn die Anstellung des jungen Kollegen von Anfang an auf die spätere Übernahme der Praxis angelegt ist, sollte nach einer kurzen Probezeit ein verbindlicher Praxiskaufvertrag unterzeichnet werden.

Die Praxisübergabe kann davon losgelöst erst später erfolgen. Ab der Unterzeichnung des Vertrages ist aber für Sie klar, dass Sie die Praxis an den Kollegen verkaufen werden.

Risiko: Anstellung des Verkäufers nach dem Verkauf

Sie können auch nach dem Verkauf Ihrer Praxis im Rahmen einer Anstellung für den Käufer tätig werden. Dann haben Sie die betriebswirtschaftliche, organisatorische und personelle Verantwortung schon abgegeben und den Kaufpreis schon erhalten. Trotzdem können Sie noch zahnmedizinisch behandeln und erzielen weiterhin Einkünfte.

Sie sollten sich allerdings nicht auf den langfristigen Bestand eines Arbeitsverhältnisses verlassen. Ein Arbeitsverhältnis kann gekündigt werden. Der Arbeitgeber hat das Weisungsrecht und kann Ihnen Patienten und Personal zuweisen, ohne dass Sie ein Mitspracherecht haben.

Wenn Sie auf die Einkünfte angewiesen sind, ist es daher sicherer, die Praxis erst später zu verkaufen. Es gibt auch ehemalige Praxisinhaber, die darunter leiden, dass sie in ihrem alten „Herrschaftsbereich“ nichts mehr zu sagen haben und dass der Käufer viele Dinge ändert, an die sich der Arbeitgeber über lange Zeit gewöhnt hat.

Übergangs-Berufsausübungsgemeinschaft (Übergangs-BAG)

Sollten Sie Kaufinteressierte zu einem Zeitpunkt finden, zu dem Sie selbst noch nicht aufhören möchten, bietet sich die Gründung einer Übergangs-BAG an. Hierbei arbeiten Sie mit dem Übernehmer für eine gewisse Zeit in einer Gesellschaft zusammen und können ihn an die Patienten und die Praxisabläufe heranführen. Der Nachfolger kann in die Praxisabläufe hineinfinden und tritt früh gegenüber Personal und Patientenstamm als Mitinhaber auf.

Der Gesellschaftsvertrag muss so formuliert sein, dass rechtssicher festgelegt ist, wann Sie ausscheiden und wie hoch die Abfindung ist, die Ihnen der Kollege zu Ihrem Ausscheiden (z.B. nach 2 Jahren) als Äquivalent zum Kaufpreis zahlen wird. Die Verwertung Ihrer Praxis muss gesichert sein, d.h., die kaufende Partei darf nicht mehr grundlos „abspringen“ können. Auch im Falle Ihrer Berufsunfähigkeit oder Ihres Todes haben Sie bzw. Ihre Erbberechtigten bei einem guten Vertrag Anspruch auf die Abfindung.

Die Gründung einer Übergangs-BAG ist deshalb der übergangsweisen Anstellung der Kaufinteressierten im Regelfall vorzuziehen, auch weil hier dem jungen Kollegen ein wirksames Wettbewerbsverbot auferlegt werden kann. Eine Berufsausübungsgemeinschaft ist die engste Form zahnärztlicher Zusammenarbeit und bietet daher auch immer Konfliktpotenzial. Die kooperative Arbeitsweise sollte Ihnen liegen.

Wenn Sie Ihr Berufsleben lang „Einzelkämpfer“ waren, kann es schwierig werden, zugunsten einer gleichberechtigten Partnerschaft Kompromisse eingehen zu müssen. Einige ältere Zahnärzte kommen nicht damit klar, dass nun alle von ihnen getroffenen Gestaltungsentscheidungen und Abläufe auf dem Prüfstand stehen.

Andere hingegen erleben auch einen richtigen Motivationsschub, wenn sie nicht mehr für alle organisatorischen Arbeiten alleine verantwortlich sind und ihre Arbeitszeit reduzieren können. In Anbetracht des längeren Zeitraums der Zusammenarbeit sollten Sie den potenziellen Partner und vor allem auch sich selbst gut einschätzen können, bevor Sie eine Übergangs-Berufsausübungsgemeinschaft eingehen.

Umso wichtiger ist es, dass Sie die Erstellung des Gesellschaftsvertrages ernst nehmen und diesen von spezialisierten Rechtsanwälten fertigen lassen. Das Recht der Personengesellschaften ist in hohem Maß von Einzelfallrechtsprechung geprägt, sodass Verträge von nichtspezialisierten Kanzleien fast zwangsläufig Lücken und unwirksame Regelungen enthalten. Dies sollten Sie bei der Verwertung Ihrer Praxis nicht riskieren.

Eine gute Beratung zum Gesellschaftsvertrag beinhaltet auch, dass die Parteien im Vorfeld über alle wichtigen und konfliktträchtigen Aspekte der Zusammenarbeit sprechen. Somit kann noch rechtzeitig gehandelt werden, sollten sich hierbei problematische Differenzen ergeben.

Nachfolgend erhalten Sie Beispiele mit den zu erwartenden Nettoeinkünften für die verschiedenen o.g. Szenarien.

Verkauf mit anschließender Anstellung bei der erwerbenden Person

Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5 Gesamt
Veräußerungsgewinn 395.723€
Einkommenssteuer (22,83%) „halber“ Satz -90.344€
Pra 90.000€ 90.000€ 90.000€ 90.000€ 90.000€
Einkommenssteuer -29.016€ -29.016€ -29.016€ -29.016€ -29.016€

Summe netto

366.363€ 60.984€ 60.984€ 60.984€ 60.984€

 

610.299€

(Einkommensteuer bei Einzelveranlagung)
Hinweis: Im Jahr 1 beträgt die gesamte Einkommensteuerbelastung 119.360 €

Anstellung des späteren Erwerbers mit anschließendem Praxisverkauf

Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5 Gesamt
Veräußerungsgewinn 395.723€
Einkommenssteuer (22,83%) „halber“ Satz -90.344€
Praxisgewinn 342.394€ 342.394€ 342.394€ 342.394€ 342.394€
Angestelltengehalt -90.000€ -90.000€ -90.000€ -90.000€ -90.000€
Einkommensteuer -97.222€ -97.222€ -97.222€ -97.222€ -97.222€
Summe netto 155.172€ 155.172€ 155.172€ 155.172€ 460.551€ 1.081.239€

Hinweis: Im Jahr 5 beträgt die gesamte Einkommensteuerbelastung 187.566 €

Übergangs-Berufsausübungsgesellschaft

Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5 Gesamt
Veräußerungsgewinn 5% 19.786€
Veräußerungsgewinn 95% 375.937€
Einkommenssteuer (22,83%) „halber“ Satz -85.375€
Praxisgewinn 342.394€ 342.394€ 342.394€ 342.394€ 342.394€
Gewinn vorab Käufer -90.000€ -90.000€ -90.000€ -90.000€ -90.000€
5% Gewinnanteil Käufer -12.620€ -12.620€ -12.620€ -12.620€ -12.620€
Einkommensteuer -100.242€ -91.929€ -91.929€ -91.929€ -91.929€
Summe netto 159.318€ 147.845€ 147.845€ 147.845€ 438.407€ 1.041.260€

Fazit

Kaufinteressierte verpflichten sich kaum zu dem Kauf einer Praxis in 5 Jahren, ohne dabei Mitsprache- und Gestaltungsrecht zu haben. Deshalb sollte der Käufer als Gesellschafter aufgenommen werden. Als Gesellschafter unterliegt die erwerbende Person einem wirksamen Wettbewerbsverbot und tritt nach außen trotz der „nur“ 5%igen Beteiligung als gleichwertiger Partner auf.

Wägt man die Risiken und Chancen ab, sieht man bei den o.g. Beispielen, dass die Übergangs-Berufsausübungsgesellschaft die attraktivste Möglichkeit ist. Hier haben Sie nach 5 Jahren kumulierte Nettoeinkünfte in Höhe von 1.041.260 €.

Literatur

Die Artikelserie basiert auf: Martin A. Praxiswissen, Bd. 3: Erfolgreich abgeben. 4. Auflage, Würzburg, Januar 2022. Abdruck in leicht gekürzter und geringfügig veränderter Fassung. Wir bedanken uns für die freundliche Erlaubnis der Kanzlei Martin.

Weiterführende Links

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