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Praxisführung

Vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung von Prüfverfahren

Die Prophylaxe von Zahnkrankheiten ist für alle Zahnärzte selbstverständlich und integraler Bestandteil des täglichen Praxislebens. Die Bezahlung der erbrachten Leistungen wird gesichert unter Beachtung der Abrechnungsvorschriften, die bekannt sind und eingehalten werden müssen. Bei manchen Leistungen ist es aber sinnvoll, im eigenen Interesse „Vorsorge zu treffen“, um einer möglichen Ladung vor den Prüfungsausschuss wegen des Vorwurfs der Unwirtschaftlichkeit aus dem Weg zu gehen. Das ist besonders dann von wichtiger Bedeutung, wenn längst überholte Vorschriften der wissenschaftlichen und vor allem rechtlichen Entwicklung nicht angepasst wurden.

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Nach dem Patientenrechtegesetz (BGB § 630 e von 2013) und den gerichtlichen Entscheidungen der letzten Jahre (OLGs und BGH) muss der Patient nach Aufklärung über Risiken, Nebenwirkungen und Alternativen der verschiedenen Behandlungsformen selbst entscheiden, welche Behandlungsform er für sich wünscht, was zu dokumentieren ist. Dies trifft auch auf die Lokalanästhesie vor zahnärztlichen Behandlungen zu, die als selbstverständliche Voraussetzung für die meisten Patienten (und die Behandler) gilt, bevor mit der eigentlichen Behandlung begonnen wird.

„Vorsätzliche Körperverletzung“ bei fehlender oder unzureichender Aufklärung

Die intraligamentäre Anästhesie (Einzelzahnanästhesie = ILA) gilt heute als eine wissenschaftlich anerkannte, gleichwertige Lokalanästhesieform zur Infiltrationsanästhesie und zur Leitungsanästhesie im Unterkiefer. Sie wird (korrekt angewandt) als risikoärmste Anästhesieform von einer ständig steigenden Zahl der Kollegen in der täglichen zahnärztlichen Praxis zur Zufriedenheit der Patienten durchgeführt.

Laut einer Entscheidung des OLG Hamm (26U199/15) war „die intraligamentäre Anästhesie bereits 2013 so weit in der zahnärztlichen Praxis angekommen, dass es dem Patienten überlassen werden musste, für welche der angebotenen Anästhesieformen er sich entscheiden möchte“. Das bedeutet für die Behandler, dass sie in der Lage sein müssen, jede der angebotenen Anästhesieformen – wie auch die intraligamentäre Anästhesie – durchzuführen, aber auch konfliktfrei abrechnen zu können.

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Die erfolgte Aufklärung und der Wunsch des Patienten müssen dokumentiert werden. Laut Prof. Dr. Thomas Ratajczak in der Praktischen Implantologie und Implantatprothetik (PIP) [1] „nimmt die Rechtsprechung seit langem in allen Fällen fehlender oder deutlich unzureichende Aufklärung vorsätzliche Körperverletzung i.S. des Paragraf 223 StGB an.“ Dies vorbeugend zu verhindern, ist wichtig und nicht schwierig.

Abb. 1: Aufklärungsbogen über die zur Verfügung stehenden Lokalanästhesiemethoden. Bender
Abb. 1: Aufklärungsbogen über die zur Verfügung stehenden Lokalanästhesiemethoden.

Alle Patienten sollten abgebildetes Formular (Abb. 1) über die durchgeführte Aufklärung einmalig pro Behandlungsfall unterschreiben und als gewünschtes Anästhesieverfahren nur die ILA ankreuzen. Wenn ein Patient nur die ILA als risikoärmste Lokalanästhesiemethode wünscht, hat er automatisch dokumentiert, dass er kein Einverständnis zur systemimmanent risikobehafteteren Leitungsanästhesie geben will = Nachweis zu „keine Zustimmung zu L1“.

ILA: BEMA-konforme Abrechnung nach Position Nr. 40 

Für die ILA gibt es bis heute noch keine eigene Abrechnungsposition, seit 1999 ist sie aber im BEMA unter der Position Nr. 40 = I zu finden: „Die intraligamentäre Anästhesie ist nach Nr. 40 abrechnungsfähig. Werden im Ausnahmefall 2 nebeneinanderstehende Zähne intraligamentär anästhesiert, so kann die Nr. 40 je Zahn 1-mal abgerechnet werden.“

Heute ist diese Lokalanästhesiemethode längst keine Ausnahme mehr, sondern muss rechtlich sogar zwingend als eine Alternative mit geringstem Risiko angeboten werden. In Seminaren äußern Kollegen oft Bedenken, sich bei erhöhten Abrechnungszahlen der Infiltrationsanästhesie = I später vor dem Prüfungsausschuss wegen des Vorwurfs der Unwirtschaftlichkeit verantworten zu müssen.

Es wird dabei übersehen, dass mit jeder nicht abgerechneten L1 jeweils 4 Punkte eingespart werden. Dadurch kommt es zum Ausgleich für die Fälle, in denen bei 2 nebeneinander liegenden Zähnen die Pos. 40 = I je 1-mal abgerechnet werden darf.

Aus Angst vor einem Prüfverfahren wird – auch im Unterkiefer – häufig weiter wie bisher abgerechnet, in dem Glauben, damit leichter die Abrechnungsnorm einhalten zu können. Allerdings bestätigen Prüfungsausschussmitglieder, dass die BEMA-konforme Abrechnung nicht beanstandet wird, weil Sicherheit der Patienten, Gesetzeslage und Gerichtsentscheidungen das höhere Rechtsgut sind als mögliche, unangepasste Abrechnungsbeschränkungen (auch nach EuGH).

Unstreitig ist es ein Abrechnungsfehler, wenn schematisch im Unterkiefer – auch bei durchgeführter ILA – wie bisher eine Leitungsanästhesie zu 12 Punkten abgerechnet wird, obwohl nur eine ILA zu 8 Punkten erbracht wurde. Das gilt aber auch für die Fälle (zum Beispiel bei Behandlung von 34 und 36), bei denen die ILA 2-mal = je Zahn abgerechnet werden kann, aber bei Abrechnung der nicht erbrachten L1 auf 4 Punkte verzichtet wird.

Spätestens bei einer Routineprüfung würde diese unrichtige Abrechnung auffallen, als Abrechnungsbetrug gebrandmarkt und den Krankenkassen die Möglichkeit gegeben, solche Leitungsanästhesien als tatsächlich nicht erbrachten Leistungen (!) komplett zurückzuverlangen. Nachträgliche Abrechnung der erbrachten ILAs ist in der Regel aus Gründen der Verfristung nicht mehr möglich. Prüfungsausschüsse können nicht verlangen, dass im Einzelfall aus Kostenersparnis für den Patienten eine L1 abgerechnet wird, die nicht tatsächlich erbracht wurde und zu der der Patient kein Einverständnis gegeben hat.

Bei der Abrechnung gibt es nur erbracht und richtig abgerechnet oder falsch, es wird von allen Abrechnenden verlangt, dass sie immer richtig und dazu wirtschaftlich abrechnen. Den KZVen liegen, da eine eigene Abrechnungsposition der ILA nicht vorhanden ist, keine Zahlen zu den tatsächlich erbrachten ILAs vor. Da eine Differenzierung zu I nicht möglich ist, gibt es keine Fakten, die eine Unwirtschaftlichkeit belegen können.

Eine evidenzbasierte Analyse von tatsächlichen Abrechnungsdaten ergab, dass die konsequent richtige, BEMA-gerechte Abrechnung der intraligamentären Anästhesie für die Krankenkassen weder Mehrkosten hervorruft noch ein mögliches Budget belasten würde, es wurde sogar eine (zu vernachlässigende) geringfügige Ersparnis durch diese Anästhesiemethode ILA festgestellt. Bei Rückfragen zur Abrechnung der ILA wird manchmal von den KZVen empfohlen, „kreativ“ abzurechnen. Hier ist jedoch besondere Vorsicht geboten: Solche „kreativen“ Abrechnungen werden den Abrechnenden zu gegebener Zeit möglicherweise sogar vorgeworfen – entweder als Betrugsabsicht oder als mangelhafte Abrechnungskenntnisse.

Fazit

Wenn der Patient sein Einverständnis nur zur risikoärmsten Lokalanästhesiemethode – der intraligamentären Anästhesie – gibt, haben dies die Behandler zu befolgen und können nur die tatsächlich erbrachten Leistungen BEMA-konform abrechnen. Sie dürfen auch ersatzweise keine andere als die tatsächlich erbrachten Leistungen abrechnen, insbesondere wenn diese, wie nachgewiesen, nicht zu Mehrkosten für die Krankenkassen führen und somit nicht unwirtschaftlich sein können.

Quelle

[1] Ratajczak T. Extraktionszange als gefährliches Werkzeug? Das strafrechtliche Risiko steigt. pip. 2022; 4: 60-61.

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