Anzeige

Praxisführung

Management der craniomandibulären Dysfunktion im klinischen Praxisalltag

Um den Verlauf restaurativer und/oder kieferorthopädischer Behandlungen nicht ungünstig zu beeinflussen und vorhersehbare therapeutische Ergebnisse zu erzielen, muss der zahnärztliche Behandler in der täglichen klinischen Routine Anzeichen funktioneller Störungen des muskuloskelettalen Systems erkennen. Behandlungsbedürftige Symptome sind situationsspezifisch und problemorientiert zeitnah zu behandeln. Im Folgenden werden die diagnostischen und initialtherapeutischen Möglichkeiten zur Bewertung und Behandlung der CMD-Leitsymptome vorgestellt.

. Dr. med. dent D. Weber
.
.

Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)

CMD ist ein Überbegriff für einen heterogenen Komplex aus behandlungsbedürftigen und nicht behandlungsbedürftigen klinischen Symptomen. Anzeichen dieses dysfunktionellen Zustands sind Schmerzen und/oder Dysfunktionen im craniomandibulären System unterschiedlicher Intensität (Tab. 1). Kopf-, Kiefer-, Gesichts-, Ohren- und Rückenschmerzen, neuralgieforme Attacken im Gesichtsbereich, Schwindel, Tinnitus, Hörbeeinflussungen, Sehstörungen, Schluckbeschwerden, Brennen der Mundschleimhaut und Parästhesien werden unter anderem als Begleitsymptome beschrieben.

Schmerz Ruhe- oder Bewegungsschmerz bzw. Druckempfindlichkeit der Kau-, Kauhilfs- und Nackenmuskulatur, der Kiefergelenke und/oder (para)funktionell bedingter Zahnschmerz
Funktionseinschränkung schmerzhafte oder nicht schmerzhafte Bewegungseinschränkung, Hypermobilität, asymmetrische und/oder inkoordinierte Beweglichkeit des Unterkiefers
Kiefergelenkgeräusch Knacken und/oder Reiben im Bereich der Kiefergelenke

Tab. 1: Charakteristische Symptome einer CMD.

Anzeige

Allein oder in Kombination können die genannten Auffälligkeiten häufig durch Unterkieferbewegungen oder andere funktionelle Aktivitäten wie beispielsweise Kauen provoziert und beeinflusst werden. Hinsichtlich der Ätiologie wird von einem multikausalen Geschehen ausgegangen.

Diagnostik der CMD

Bei der Untersuchung von Funktionsstörungen im craniomandibulären Bereich ist ein stufenweises Vorgehen angezeigt. Die Methodik wird dabei von Stufe zu Stufe gerichteter, um pathophysiologische Zustände möglichst genau erfassen und deuten zu können.

Am Ende einer individuell angepassten Untersuchungskaskade werden Verdachts- und gegebenenfalls Differenzialdiagnosen gestellt. Über die Befunde und die abgeleiteten Diagnosen ist der Patient aufzuklären, um die Behandlungsziele abzugleichen.

Funktioneller Kurzbefund

Als 1. Stufe der Diagnostikkaskade ist im Rahmen der zahnärztlichen Eingangsuntersuchung oder vor umfangreichen zahnärztlichen Behandlungen, die in die Okklusion eingreifen, ein funktionsorientiertes Screening sinnvoll (Abb. 1). Mit diesem „Siebtest“ sollen mit größtmöglicher Sicherheit, medizinisch und rechtlich, latente Anzeichen für eine Erkrankung – hier CMD – auch ohne manifeste Schmerzen oder vom Patienten beklagte Beschwerden erkannt werden.

Abb. 1: Der Untersuchungsbogen „CMD-Screening“ der DGFDT stellt einen Vorschlag seitens der Fachgesellschaft für den Umfang und die Durchführung des „CMD-Checks“ dar. Er ist unter www.dgfdt.de kostenfrei abrufbar. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 1: Der Untersuchungsbogen „CMD-Screening“ der DGFDT stellt einen Vorschlag seitens der Fachgesellschaft für den Umfang und die Durchführung des „CMD-Checks“ dar. Er ist unter www.dgfdt.de kostenfrei abrufbar.

Eine zeit- und kostenintensive Überdiagnostik soll vermieden und gleichzeitig das Risiko einer Vernachlässigung unerkannter Symptome reduziert werden. Gerichtete Basisfragen zu Zustand und Funktion des Kauorgans und eine klinische Sondierung genügen, um dysfunktionelle Auffälligkeiten zu erfassen.

Bei unauffälligem Ergebnis ist das craniomandibuläre System mit hinlänglicher Sicherheit als funktionsgesund oder bei kompensierter Situation als adaptiert anzusehen. Weitere diagnostische oder therapeutische Notwendigkeiten ergeben sich dann nicht. Ein positiver Kurzbefund begründet den Verdacht auf das Vorliegen einer dysfunktionellen Erkrankung und rechtfertigt eine spezifischere Analyse.

Klinische Funktionsanalyse

Als Folgediagnostik des CMD-Screenings oder bei bestehender CMD-Symptomatik kommt die klinische Funktionsanalyse mit dem Ziel der differenzierten Erfassung des (Dys-) Funktionszustandes zum Einsatz. Nach ausführlicher Anamneseerhebung (Tab. 2) mit gezielter Befragung und Beachtung von Vorbefunden und -behandlungen erfolgt die Untersuchung des craniomandibulären Systems.

Beschwerdelokalisation (z.B. myogen vs. arthrogen durch Deuten auf den Beschwerdeort, lokalisierter oder verlaufender Schmerz), -qualität (z.B. stechender oder dumpfer Schmerz,), -stärke (z.B. per numerischer Analogskala), -zeitpunkt (z.B. morgens, abends), -häufigkeit (z.B. einmalig, mehrmals am Tag, immer), -dauer (akuter vs. chronischer Zustand), -entwicklung
prädisponierende (z.B. anatomisch, genetisch), unterhaltende (z.B. aktuelle psychosoziale Einflüsse) und auslösende Faktoren (z.B. Trauma)
bekannte Möglichkeiten der Beschwerdeprovokation (z.B. Kauen erreicht Schmerz), -modulation (z.B. bestimmte Unterkieferbewegung erreicht Verstärkung des Gelenkgeräusches), -reduktion (z.B. Wärmeanwendung lindert)
erfolgte Vorbehandlungen mit erreichten Behandlungseffekten
Beschwerdegewichtung (Hauptbeschwerde, Nebenbeschwerden)
Behandlungsauftrag (z.B. Aufklärung, Geräuschreduktion)

Tab. 2: Die Erhebung einer gerichteten und strukturierten Anamnese erreicht diagnostikrelevante Aussagen zur individuellen Beschwerdesituation. Es ergeben sich eine interne Arbeitsdiagnose und ein Behandlungsauftrag als rechtfertigende Grundlage für weitere Diagnostik.

Abb. 2: Ausgehend vom Schlussbiss wird das metrische Ausmaß der Rotationsund Translationskapazität der Kondylen in den Grundbewegungen Kieferöffnung, Seitschub (Laterotrusion), Vorschub (Protrusion) und Rückzug (Retraktion) bewertet. Es kommen Lineale oder Messzirkel zum Einsatz. Hilfslinien (hier markierter Overbite auf der frontalen Verbindungslinie OK/UK) erleichtern die Bemessung des Bewegungsumfanges.
a: Schlussbisssituation mit Darstellung der physiologischen Kondylus-Diskus-Relation. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 2: Ausgehend vom Schlussbiss wird das metrische Ausmaß der Rotationsund Translationskapazität der Kondylen in den Grundbewegungen Kieferöffnung, Seitschub (Laterotrusion), Vorschub (Protrusion) und Rückzug (Retraktion) bewertet. Es kommen Lineale oder Messzirkel zum Einsatz. Hilfslinien (hier markierter Overbite auf der frontalen Verbindungslinie OK/UK) erleichtern die Bemessung des Bewegungsumfanges.
a: Schlussbisssituation mit Darstellung der physiologischen Kondylus-Diskus-Relation.

Inspektion (Sichtprüfung) und metrische Erfassung der aktiven und passiven Unterkiefermobilität (Abb. 2a–c) (Tab. 3), Palpation (Abtasten) der Muskulatur (Abb. 3) und der Kiefergelenkstruktur (Abb. 4), Auskultation (Abhorchen) von Gelenkgeräuschen und eine Bewertung möglicher statischer und/oder dynamischer Okklusionshindernisse erlauben eine gerichtete Befunderhebung und Diagnosestellung. Für eine effektive Sammlung der Untersuchungserkenntnisse haben sich systematische Dokumentationsbögen bewährt.

Abb. 2: Ausgehend vom Schlussbiss wird das metrische Ausmaß der Rotationsund Translationskapazität der Kondylen in den Grundbewegungen Kieferöffnung, Seitschub (Laterotrusion), Vorschub (Protrusion) und Rückzug (Retraktion) bewertet. Es kommen Lineale oder Messzirkel zum Einsatz. Hilfslinien (hier markierter Overbite auf der frontalen Verbindungslinie OK/UK) erleichtern die Bemessung des Bewegungsumfanges.
b: Subtotale Kieferöffnung mit Darstellung der translativen Kondylenposition bilateral. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 2: Ausgehend vom Schlussbiss wird das metrische Ausmaß der Rotationsund Translationskapazität der Kondylen in den Grundbewegungen Kieferöffnung, Seitschub (Laterotrusion), Vorschub (Protrusion) und Rückzug (Retraktion) bewertet. Es kommen Lineale oder Messzirkel zum Einsatz. Hilfslinien (hier markierter Overbite auf der frontalen Verbindungslinie OK/UK) erleichtern die Bemessung des Bewegungsumfanges.
b: Subtotale Kieferöffnung mit Darstellung der translativen Kondylenposition bilateral.
Abb. 2: Ausgehend vom Schlussbiss wird das metrische Ausmaß der Rotationsund Translationskapazität der Kondylen in den Grundbewegungen Kieferöffnung, Seitschub (Laterotrusion), Vorschub (Protrusion) und Rückzug (Retraktion) bewertet. Es kommen Lineale oder Messzirkel zum Einsatz. Hilfslinien (hier markierter Overbite auf der frontalen Verbindungslinie OK/UK) erleichtern die Bemessung des Bewegungsumfanges.
c: Laterotrusion nach rechts mit Darstellung des unilateralen Transversalschubs des linken Kondylus Dr. med. dent D. Weber
Abb. 2: Ausgehend vom Schlussbiss wird das metrische Ausmaß der Rotationsund Translationskapazität der Kondylen in den Grundbewegungen Kieferöffnung, Seitschub (Laterotrusion), Vorschub (Protrusion) und Rückzug (Retraktion) bewertet. Es kommen Lineale oder Messzirkel zum Einsatz. Hilfslinien (hier markierter Overbite auf der frontalen Verbindungslinie OK/UK) erleichtern die Bemessung des Bewegungsumfanges.
c: Laterotrusion nach rechts mit Darstellung des unilateralen Transversalschubs des linken Kondylus
Abb. 3: Palpation des M. temporalis. Per kleinflächig-rotierendem Abfahren längs und quer zum Faserverlauf wird die komplette Muskelfläche gezielt auf Schmerzen oder Verhärtungen abgesucht. Es werden möglichst definierte und reproduzierbare Kräfte zwischen 5 und maximal 10 N angewendet. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 3: Palpation des M. temporalis. Per kleinflächig-rotierendem Abfahren längs und quer zum Faserverlauf wird die komplette Muskelfläche gezielt auf Schmerzen oder Verhärtungen abgesucht. Es werden möglichst definierte und reproduzierbare Kräfte zwischen 5 und maximal 10 N angewendet.
Abb. 4: Palpation lateraler Kondylenpole. Im physiologischen Falle sind die belasteten Gewebe bei gerichteter Druckausübung unempfindlich. Gelenkgeräusche sind per Palpation während der Unterkieferdynamik z.B. aufgrund des Klanges, der Intensität oder des Zeitpunktes im Bewegungsablauf beschreibbar. Gegebenenfalls ist ein Stethoskop nutzbringend. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 4: Palpation lateraler Kondylenpole. Im physiologischen Falle sind die belasteten Gewebe bei gerichteter Druckausübung unempfindlich. Gelenkgeräusche sind per Palpation während der Unterkieferdynamik z.B. aufgrund des Klanges, der Intensität oder des Zeitpunktes im Bewegungsablauf beschreibbar. Gegebenenfalls ist ein Stethoskop nutzbringend.

physiologische Normwerte pathologische Werte
Mundöffnung (SKD) > 38mm < 30 mm
Laterotrusion 8 mm < 5 mm
Protrusion 8 mm < 5 mm
Retrusion 0-1 mm 0 mm und > 3mm

Tab. 3: Physiologische Normwerte der Unterkieferbewegungen und unterdurchschnittliche, pathologisch auffällige Bewegungsumfänge.

Manuelle Strukturanalyse

Abb. 5: Isometrischer Belastungstest bei der Medio-/Laterotrusion nach links. Der Untersucher begrenzt die Unterkieferbeweglichkeit durch stabilisierende Grifftechniken, während der Patient ca. 10 Sek. aktiv gegen diesen Widerstand Kraft produziert. Positive Untersuchungsergebnisse weisen auf eine muskuläre Überlastung – hier des M. pterygoideus lateralis rechts – im Sinne einer Myopathie hin. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 5: Isometrischer Belastungstest bei der Medio-/Laterotrusion nach links. Der Untersucher begrenzt die Unterkieferbeweglichkeit durch stabilisierende Grifftechniken, während der Patient ca. 10 Sek. aktiv gegen diesen Widerstand Kraft produziert. Positive Untersuchungsergebnisse weisen auf eine muskuläre Überlastung – hier des M. pterygoideus lateralis rechts – im Sinne einer Myopathie hin.

Per gerichteten Belastungsprüfungen und Manipulationstechniken der Muskel- bzw. Kiefergelenkstrukturen sind Befunddifferenzierungen möglich. So ergänzen isometrische Belastungstests die passiv-palpative Muskelbewertung in aktiver Funktion (Abb. 5). Auch nicht direkt zugängliche Muskeln sind so in ihrem Spannungszustand bewertbar.

Abb. 6: Durch die dorso- (rechte Hand) kraniale (linke Hand) Kompression werden Kraftvektoren in die Gelenkstruktur eingeleitet, die bei entzündlichen Veränderungen der adressierten Gelenkstrukturen Schmerzen provozieren. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 6: Durch die dorso- (rechte Hand) kraniale (linke Hand) Kompression werden Kraftvektoren in die Gelenkstruktur eingeleitet, die bei entzündlichen Veränderungen der adressierten Gelenkstrukturen Schmerzen provozieren.

Ein gezieltes indirektes „internes Austasten“ der artikulären Gewebe in den relevanten Raumrichtungen (z.B. dorsal, kranial, kaudal, lateral) ist mittels spezieller Provokationstechniken möglich (Abb. 6). Mit der manuellen Strukturanalyse kann auf parafunktionelle Aktivitäten, die ein geortetes Gewebetrauma bedingen oder unterhalten könnten, rückgeschlossen werden.

Die gerichtete Modellierung und Beeinflussung von Gelenkgeräuschen und/oder Bewegungsabläufen erlaubt diagnostische und therapeutische Rückschlüsse. Ebenso wie die klinische Funktionsanalyse kommt auch die manuelle Strukturanalyse ohne spezielle Messinstrumente oder technische Apparaturen aus.

Weiterführende und ergänzende Diagnostik

Bei einem absehbar diagnostischen und therapeutischen Zusatznutzen sind bildgebende und instrumentelle Diagnostikverfahren einzuleiten. Sie stellen kein primäres Diagnostikum dar. Eine rechtfertigende Indikation ergibt sich auf Grundlage der Erkenntnisse der klinischen Untersuchungsverfahren.

Die Magnetresonanztomographie (Kernspintomographie) (Abb. 7a und b) ist als Goldstandard in der Bildgebung der Kiefergelenkstrukturen anzusehen und kann bei einer qualifizierten radiologischen Einrichtung beauftragt werden. Die dreidimensionale Darstellung der Binnenstrukturen, der ossären und muskulären Anteile und des Kapsel-Band-Apparates ist unter Ausschluss einer Strahlenbelastung in guter Qualität möglich.

Abb. 7: MRT des Kiefergelenks in translativer Kondylusposition bei
subtotaler Mundöffnung.
a: Anteriore Diskusverlagerung ohne Reposition. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 7: MRT des Kiefergelenks in translativer Kondylusposition bei
subtotaler Mundöffnung.
a: Anteriore Diskusverlagerung ohne Reposition.
Abb. 7: MRT des Kiefergelenks in translativer Kondylusposition bei subtotaler Mundöffnung.
b: Retrokondyläre synoviale Zyste infolge eines Distorsionstraumas. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 7: MRT des Kiefergelenks in translativer Kondylusposition bei subtotaler Mundöffnung.
b: Retrokondyläre synoviale Zyste infolge eines Distorsionstraumas.

Instrumentelle Aufzeichnungs- und Analyseverfahren (instrumentelle Okklusions- und Bewegungsanalyse) unterstützen durch mechanische oder elektronische Behelfe die quantitative bzw. qualitative Beurteilung des craniomandibulären Systems. Der Einsatz technischen Equipments setzt eine entsprechende Kenntnis und die Fähigkeit der folgerichtigen Interpretation der Untersuchungsergebnisse voraus. Gegebenenfalls sind bei Verdacht auf Komorbiditäten interdisziplinäre konsiliarische Diagnostikverfahren einzuleiten.

Initialtherapie der CMD

Als initiale zahnärztliche Therapieoptionen kommen konservative und möglichst reversible Behandlungsansätze wie zum Beispiel Aufbissbehelfe, Physiotherapie oder Medikamente, ggf. in Kombination, zum Einsatz. Chirurgische Maßnahmen sind grundsätzlich nur dann indiziert, wenn von vornherein eine konservative Therapie offensichtlich nicht zielführend ist oder morphologisch fassbare Gründe für Funktionsstörungen oder Schmerzen vorliegen, die allein durch eine adäquate und konsequente konservative Therapie nicht zu beseitigen sind.

Aufbissbehelfe

Bei der Therapie der CMD stehen Aufbissbehelfe als reversible Vorrichtung mit der Möglichkeit der gezielten Modifizierung der interokklusalen Beziehung nach wie vor im Mittelpunkt der zahnärztlichen Tätigkeit. Obwohl der Wirkmechanismus auf kausale Faktoren der CMD nicht abschließend geklärt ist, haben sie als temporär einsetzbare Hilfsmittel bei der kurativen und palliativen Therapie belastungsbedingter dentogener, myogener und arthrogener Beschwerden im Kopf-, Hals-, Nackenbereich eine wichtige Indikation.

Die schmerzreduzierende Wirkung ist vorrangig bei akuten oder akut-persistierenden myofaszialen und arthrogenen Schmerzen nachgewiesen. Ebenso ist eine signifikante Reduktion der Muskelaktivität unter Einsatz von Aufbissbehelfen wissenschaftlich bestätigt.

Aus der Möglichkeit der probatorischen Nutzung von Aufbissbehelfen ergibt sich der Einsatz als (Differential-)Diagnostikmedium, um beispielsweise zwischen einer okklusionsbedingten parafunktionellen Situation oder einem primär psychoemotional überlagerten Zustand zu unterscheiden. Zudem ermöglichen sie die Erprobung okklusaler oder intermaxillärer Konzepte vor der definitiven prothetischen, restaurativen, kieferorthopädischen oder kombiniert kieferorthopädisch-chirurgischen Umsetzung. Durch die kostengünstige und zeitnahe Fertigungsmöglichkeit per analoger oder digitaler Verfahren sind die zumeist aus hartem, transparentem oder zahnfarbenem Kunststoff gefertigten Behelfe praktikabel umsetzbar.

Es gibt keine Standardschiene. Entsprechend der Leitsymptomatik und dem angestrebten Behandlungsziel ist der individuelle Behelf zu konzipieren. Kenntnisse zum Wirkprinzip der Aufbissbehelfe und die Qualität der technischen Umsetzung und okklusalen Adjustierung sind entscheidend für eine Vorhersagbarkeit des Therapieeffektes.

Von den Relaxierungsschienen, die durch ihre Gestaltung okklusale Zwangsstellungen und Gleithindernisse aufheben und dadurch den Muskeltonus im Sinne einer Entspannung positiv beeinflussen und die neuromuskuläre Koordination verbessern sollen, werden die Positionierungsschienen unterschieden. Diese dienen der gezielten therapeutischen Veränderung der interartikulären Relation.

Behandlungsziel ist die Entlastung von durch Mikrotraumen kompromittierter Gewebe bzw. die Sicherung einer therapeutischen interartikulären Relation, z.B. zur Stabilisierung einer physiologischen Kondylus-Diskus-Fossa-Relation. Neben nicht voraussagbaren möglichen biomechanischen Schieneneffekten kommt es ebenso zu unspezifischen Wirkungen und psychologischen Effekten.

Relaxierungsschienen

Äquilibrierungs- und Stabilisierungsschienen sind den Relaxierungsschienen zuzuordnen. Sie ähneln sich in Gestaltung, dem Konzept der statischen und dynamischen Schienenokklusion und dem angestrebten Therapieeffekt (Tab. 4).

Ausschalten zentrischer und exzentrischer okklusaler Interferenzen
Unterbrechung eingefahrener und parafunktionell genutzter Kontakt- und Bewegungsmuster (statisch und dynamisch)
Durchbrechung neuromuskulärer Regelkreise
Veränderung der neuromuskulären Koordination
Neuorganisation inter- und intramuskulärer Funktionsmuster
Programmierung neuer mandibulärer Bewegungsmuster
Harmonisierung des muskulären Gleichgewichts
Senkung des muskulären Aktivitätsniveaus durch Veränderung des Kraft-Längen-Verhältnisses der Elevatoren

Tab. 4: Beispiele möglicher biomechanischer Effekte von Relaxierungsschienen.

Eine starre Verriegelung der Zahnreihen wird durch gleichmäßige und punktuelle statische Kontaktierungen der antagonistischen tragenden Höckerspitzen auf einer planen, allenfalls mit seichten Impressionen versehenen Schienenoberfläche vermieden. Im Front-/Eckzahnbereich sind die Kontakte schwächer ausgebildet als in der Seitenzahnregion.

Eine eckzahn- oder front-eckzahngeführte Dynamik mit Disklusion der Seitenzähne erreicht ein störungsfreies und geradliniges Gleiten bei Unterkieferbewegungen in der Horizontalebene (Abb. 8a und b). Die Michigan-Schiene weist die Besonderheit einer verzögerten Eckzahnführung auf („freedom in centric“).

Abb. 8a: Oberkiefer-Äquilibrierungsschiene mit Darstellung der statischen und dynamischen Kontakte (schwarz: Kontaktpunkte der  ragenden Höcker der Unterkieferzähne, blau: Eckzahnführung, rot: anteriore Führung, grün: Retrusionsführung). Dr. med. dent D. Weber
Abb. 8a: Oberkiefer-Äquilibrierungsschiene mit Darstellung der statischen und dynamischen Kontakte (schwarz: Kontaktpunkte der ragenden Höcker der Unterkieferzähne, blau: Eckzahnführung, rot: anteriore Führung, grün: Retrusionsführung).
Abb. 8b: Punktuelle Kontakte auf der Okklusionsfolie nach Prüfung der statischen Okklusion einer Äquilibrierungsschiene. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 8b: Punktuelle Kontakte auf der Okklusionsfolie nach Prüfung der statischen Okklusion einer Äquilibrierungsschiene.

Statische Parafunktionen sind der vorrangige Einsatzbereich von Reflexschienen, die als Subgruppe der Relaxierungsschienen angesehen werden können. Gemeinsam ist ihnen ein reduzierter Aufbiss von einzelnen Zähnen oder Zahngruppen mit einer statischen und dynamischen Disklusion der Restbezahnung.

So sind Konzepte mit anteriorem Plateau, anteriorem Jig (Abb. 9a) oder symmetrischen bilateralen punktuellen Aufbissen (Abb. 9b) nutzbar. Der „therapeutische Störkontakt“ soll eine reflektorische Aktivitätserniedrigung der Muskulatur bewirken („Kirschkerneffekt“).

Abb. 9a: Reflexschiene mit anteriorem Jig von dorsal. Der solitäre Kontakt 31/41 führt zur statischen und dynamischen Disklusion aller weiterer Zähne. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 9a: Reflexschiene mit anteriorem Jig von dorsal. Der solitäre Kontakt 31/41 führt zur statischen und dynamischen Disklusion aller weiterer Zähne.
Abb. 9b: Reflexschiene mit symmetrischen bilateralen punktuellen Aufbissen im Bereich der 1. Prämolaren. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 9b: Reflexschiene mit symmetrischen bilateralen punktuellen Aufbissen im Bereich der 1. Prämolaren.

Zudem sind bekannte parafunktionelle Unterkieferpositionen zeitweise nicht mehr stabil einnehmbar, was initial zu einer dentalen, parodontalen und artikulären Entlastung führt. Aufgrund der inkompletten und solitären antagonistischen Kontaktierung sind orthodontische Effekte wie Zahnbewegungen und parodontale Überlastungen bei dauerhafter Nutzung absehbar.

Ebenso wurden Veränderungen der Kieferlage und Gelenkbelastungen als Nebenwirkungen beschrieben. Angepasste Parafunktionsmuster können sich etablieren. Reflexschienen sollten unter strenger Indikationsstellung und in engmaschigem Recall nicht länger als 2 Wochen im Sinne einer symptomatischen Akuttherapie angewandt werden.

Konfektionierte Behelfe sind als Sofortmaßnahme und ohne labortechnischen Aufwand einsetzbar und erreichen ungerichtete tonusmindernde Effekte (Abb. 10a). Hydrostatische Behelfe (Abb. 10b) ermöglichen eine relative interokklusale „Stabilisierung“.

Abb. 10a: NTI-tss™ (Nociceptive Trigeminal Inhibition Tension Suppression System) soll durch Ausnutzung des körpereigenen Schutzreflexes auftretende Muskelanspannungen
reduzieren. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 10a: NTI-tss™ (Nociceptive Trigeminal Inhibition Tension Suppression System) soll durch Ausnutzung des körpereigenen Schutzreflexes auftretende Muskelanspannungen
reduzieren.
Abb. 10b: Mit dem Aqualizer® soll der Unterkiefer in einer ausbalancierten, neuromuskulär gesteuerten Unterkieferposition unter Ausschluss jeglicher okklusaler Interferenzen „stabilisiert“ werden. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 10b: Mit dem Aqualizer® soll der Unterkiefer in einer ausbalancierten, neuromuskulär gesteuerten Unterkieferposition unter Ausschluss jeglicher okklusaler Interferenzen „stabilisiert“ werden.

Diese Behelfe sind nicht individuell anpassbar und erreichen nur im akuten Stadium eine unmittelbare Einflussnahme. Das Nebenwirkungsprofil ist bei längerem Gebrauch dem der laborgefertigten Reflexschienen gleich.

Positionierungsschienen

Positionierungsschienen finden ihren Einsatz bei Arthro- und Diskopathien. Sie erreichen z.B. durch Retrusionsfacetten im Prämolarenbereich oder eine sichernde Verzahnungstiefe eine effektive interokklusale Orientierung. Der Unterkiefer soll in der festgelegten therapeutischen Position gesichert werden.

Zur Therapie arthrogener, synovialer Schmerzen wird die kompromittierte Struktur durch okklusale Vorkontakte im gesamten Molarenbereich (Dekompressionsschiene) oder durch solitäre Kontakte der distalen Molaren im Sinne eines Hypomochlions (Distraktionsschiene) entlastet. In Kombination mit manualtherapeutischen Techniken soll es zum Stressabbau in den belasteten artikulären Strukturen und damit zur Schmerzreduktion kommen. Diskopathien (partielle oder totale Diskusverlagerungen) imponieren als störende Knackeffekte oder Bewegungsbehinderungen.

Mit dem Ziel der physiologischen Kondylus-Diskus-Zuordnung kommen Repositionierungs- oder Protrusivschienen oder ähnlich wirkende kieferorthopädische Apparaturen zum Einsatz. Der Unterkiefer wird in einer registrierten, reponierten und knackfreien Position gehalten.

Da im Vergleich zu den Relaxierungsschienen eine höhere Invasivität resultiert, ist eine besonders sorgfältige Diagnostik und Indikationsstellung erforderlich. Die Behandlung eines schmerzfreien Kiefergelenkknackens ohne Bewegungseinschränkungen ist nicht indiziert. Auftretende Myopathien als Folge der provozierten therapeutischen Unterkieferposition und interokklusale Veränderungen sind als Nebenwirkung bekannt.

Durch die therapeutisch gewünschte Umorganisation synovialer, retrodiskaler Gewebe ist keine Reversibilität gegeben. Am Ende der Schienenvorbehandlung folgt somit meist eine definitive Rekonstruktion. Eine Abwägung der Aufwand-Nutzen-Relation ist vor der Therapie notwendig und muss mit dem Patienten besprochen werden.

Praktische Hinweise

Aus Gründen der Stabilität und Haltbarkeit sollte der Aufbissbehelf im Bereich der okklusalen Kontakte der 1. Molaren eine Mindeststärke von 2 mm aufweisen. Harten Werkstoffen, meist Acrylaten, ist zur Fertigung von Aufbissbehelfen der Vorzug zu geben. Weiche Behelfe oder Tiefziehschienen sind zur gerichteten funktionellen Therapie nur wenig geeignet.

Abb. 11: Stabilisierungsschiene im Unterkiefer zur Stützzonenergänzung bei Verlust der Zähne 36 und 37. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 11: Stabilisierungsschiene im Unterkiefer zur Stützzonenergänzung bei Verlust der Zähne 36 und 37.

Die Entscheidung, ob ein Aufbissbehelf im Ober- oder Unterkiefer inseriert werden soll, hängt u.a. vom Zahnbestand ab. So hat die „Beschienung“ des Kiefers zu erfolgen, in dem eine inkomplette Stützzone (verkürzte Zahnreihe) ergänzt oder ersetzt (Freiendsituation, offener Stützzonenverlust) werden kann (Abb. 11).

Liegt ein Stützzonenverlust im Sinne einer Infraokklusion (verdeckter posteriorer Stützzonenverlust) vor, ist eine Unterkieferschiene aufgrund der besseren Patiententoleranz (weniger eingeschränkte Ästhetik, geringer ausgeprägte Lautbildungsstörungen) anwendbar. Bei therapeutischem Nutzen der Umgestaltung der Dynamik per Aufbissbehelf kommen OK-Schienen zur Anwendung.

Nur hiermit ist eine gezielte Justierung der Länge und Steilheit der dynamischen Führung möglich. Weitere Entscheidungskriterien sind z.B. die Länge und Neigung der klinischen Kronen, Geometrie der Okklusionsebene und -kurve sowie kosmetische und retentive individuelle Vorgaben.

Um einer unerwünschten orthodontischen Wirkung im Sinne von Elongationen oder Intrusionen entgegenzuwirken, sind die Bedeckung der kompletten Zahnreihe des schienentragenden Kiefers und eine stabile statische Abstützung möglichst aller antagonistischer Zähne grundsätzlich. Ausnahme bilden interokklusale Relationen, z.B. Deckbisse, die nur durch eine unverhältnismäßig große vertikale Sperrung eine Ventralverlagerung des Unterkiefers erlauben würden. In diesen Fällen kann der Kunststoff im Bereich 42 bis 32 perforiert gestaltet werden.

Die unbedeckten Inzisiven kontaktieren direkt, während Eckzahn-/Stützzonensegmente per Sublingualbügel stabil verbunden sind. Um die Elongation des Frontzahnsegmentes zu vermeiden, ist die körperliche Fassung der Eckzähne ratsam. Eine passgenaue Fertigung ist ebenso wie eine parodontalprotektive Gestaltung unerlässlich.

Zusätzliche Halteelemente (z.B. Knopfklammern) sichern bei Bedarf eine effektive Retention. Die Schiene darf sich bei Lippen-, Wangen oder Zungenfunktion ebenso wenig wie bei dynamischer Belastung (Latero- und Protrusion) von der Zahnreihe abheben. Ein subjektiv nicht-spannungsfreier Sitz ist nachzuarbeiten. Die Tragefrequenz und -dauer ist situationsspezifisch zu planen.

So ist bei der Therapie von arthrogenen Schäden, bei deren Entstehung und Unterhaltung okklusale Störungen in einem kausalen Zusammenhang stehen, beim Versuch der Diskusreponierung oder vor definitiven Rekonstruktionen zur anhaltenden Strukturentlastung der Behelf im Sinne einer Dauerschiene 24 Stunden, ggf. auch beim Essen, zu tragen. Eine solche Behandlung kann mehrere Monate andauern.

Bei Beschwerden im Zusammenhang mit bruxistischer, parafunktioneller Belastung (Zähneknirschen und -pressen) ist die Tragezeit auf die okklusionsaktiven Phasen (z.B. nachts bei Schlafbruxismus) oder in Anspannungssituationen als „Stressbrecher“ beschränkbar. Eine Behandlung, die vorrangig zur Normalisierung der Muskelfunktion dient, dauert erfahrungsgemäß 1 bis 2 Monate.

Zur Detektion unerwünschter Wirkungen und zur Verlaufskontrolle sind regelmäßige Reevaluierungen einzuplanen. So kommt es therapiebedingt ggf. zu Veränderungen der Muskelfunktion und zur Entstehung von Störkontakten, die zeitnah entlastet werden müssen. Ziel ist die Unterstützung der mandibulären Autorepositionierung.

Die Abstimmung des Kontrolltermins in zeitnahem Zusammenhang zu physiotherapeutischen Behandlungen ist empfehlenswert. Die Behandlung per Aufbissbehelf ist erfolgreich abgeschlossen, wenn eine Beschwerdefreiheit erreicht werden konnte oder sich die Schienen-Okklusion über 2 bis 3 Wochen unverändert zeigt.

Begleitende Maßnahmen

Medikamentöse Therapie

Primäres Ziel der pharmakologischen Therapie ist die Schmerzreduktion, um gegebenenfalls andere Therapien zu ermöglichen und einer Chronifizierung entgegenzuwirken. Bei leichter myogener und arthrogener Schmerzproblematik kommen nichtsaure, antipyretische Analgetika (z.B. Paracetamol) zum Einsatz. Muskelrelaxantien (z.B. Magnesium, Methocarbamol) erreichen eine Detonisierung und Entkrampfung.

Nichtsteroidale Antirheumatika (z.B. Ibuprofen) und selektive COX-2-Hemmer (z.B. Etoricoxib) haben ihre Anwendung bei primär arthrogen, traumatisch bedingten Schmerzen. Zur Erreichung einer effektiven Schmerzlinderung und Entzündungshemmung hat die Einnahme nicht nach subjektivem Bedarf, sondern für ca. 8 bis 10 Tage entsprechend der Herstellerinformation in effektvollen Dosen zu erfolgen.

Zur Vermeidung gastrointestinaler und Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen bei oraler Darreichung ist eine topische Anwendung, z.B. als Schmerzsalbe, möglich. Die Behandlung idiopathischer, neuropathischer oder rezidivierender chronischer Schmerzen, z.B. mit trizyklischen Antidepressiva oder Opioiden, sollte spezialisierten Behandlern vorbehalten bleiben.

Physiotherapie

Die Verordnung von Heilmitteln ist eine wesentliche Säule in der multimodalen Behandlung der CMD. Schmerzreduzierende Effekte, Linderung von CMD-Symptomen und die Optimierung der Unterkieferdynamik konnten wissenschaftlich nachgewiesen werden. Die Heilmittel-Richtlinie für Zahnärzte definiert den Inhalt und Umfang der Verordnungsmöglichkeiten einheitlich und rechtssicher.

Je nach Leitsymptom werden vorrangige (Krankengymnastik oder Manuelle Therapie) und ergänzende physikalische Heilmittel (z.B. Wärme) in einer festgelegten Behandlungsmenge und -frequenz verordnet. Neben der gezielten Therapie durch passive, behandlergeführte Verfahren, kommt patientenaktiven und selbstständig geleisteten Bewegungen eine hohe Bedeutung zu.

Biofeedback

Kaum bewusste körperliche Prozesse, z.B. orale Parafunktionen, die normalerweise nicht aktiv kontrollierbar sind, werden mithilfe von portablen Biofeedback-Geräten, z.B. per akustischem Signal, zurückgemeldet und damit beobachtbar gemacht. Der Patient lernt seine Körperfunktionen willentlich zu beeinflussen und zu steuern.

Damit sind Verhaltensänderungen möglich und die Verbesserung der muskulären Funktionsmuster. Intraorale (z.B. Bruxane®) und extraorale (z.B. Expain®change) (Abb. 12). Geräte wurden für den craniomandibulären Bereich für den Tages- und/oder Nachteinsatz konzipiert.

Abb. 12: Portables, akkubetriebenes Einkanal-EMG-Biofeedbackgerät EXPAIN®change, angelegt am M. masseter zur Rückmeldung nicht-funktionaler Anspannung der Kaumuskulatur durch Zähnepressen oder nonokklusale Parafunktionen. Dr. med. dent D. Weber
Abb. 12: Portables, akkubetriebenes Einkanal-EMG-Biofeedbackgerät EXPAIN®change, angelegt am M. masseter zur Rückmeldung nicht-funktionaler Anspannung der Kaumuskulatur durch Zähnepressen oder nonokklusale Parafunktionen.

Weitere Behandlungskomponenten

Erfahrungsgemäß kommt der problemorientierten Aufklärung des Patienten in einem schlüssigen therapeutischen Gesamtkonzept eine nicht zu vernachlässigende Wichtigkeit zu. Eine klare Diagnose stellen oder sicher ausschließen, Pathologien visualisieren und Zusammenhänge verdeutlichen, über mögliche Folgen der Dysfunktion aufklären, ohne zu dramatisieren, sinnvolle Therapiemöglichkeiten darlegen und gleichzeitig Überbehandlungen entkräften, helfen Ängste und Befürchtungen der Patienten hinsichtlich der Erkrankung zu relativieren.

Durch die Reduktion einer bestehenden Krankheitslast ist nicht selten weiterer Behandlungsbedarf verzichtbar. Im Rahmen einer diagnosespezifischen Edukation können Informationen zur Selbstwahrnehmung (z.B. Rote-Punkt-Technik, BruxApp) vermittelt werden. Ziel ist die Reduktion auslösender oder unterhaltender Faktoren und die Minimierung von unphysiologischem Verhalten.

Entspannungstechniken sollen einen gerichteten Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, die Konditionierung einer Entspannungssituation und eine gerichtete Körperwahrnehmung unterstützen. Anweisungen zu Selbstübungen, Selbsthilfetechniken und Eigenmassage ermöglichen die selbstständige Behandlung verspannter und schmerzhafter Muskelareale. Unterstützend können Thermo- (z.B. Wärmflasche) und Kryoanwendungen (z.B. Coolpack) genutzt werden.

Myofunktionelle Übungen wie isometrische, isotonische und Dehnungsübungen können mit Geräten unterstützt werden (z.B. Face Former®, Rehabite) und haben die Veränderung der inter- und intramuskulären Rekrutierungsmuster zum Ziel. Parafunktionell überanspruchte Muskelareale werden entlastet.

Fazit

Ergebnis einer problemorientierten Stufendiagnostik der CMD soll die Erkennung potenziell beschwerdeauslösender oder -unterhaltender, funktionell-mechanischer Effektoren sein. Diagnostische Basis hierfür sind die klinische Funktions- und manuelle Strukturanalyse. Ebenso ist eine Erfassung möglicher bio-psychosozialer Stressoren geboten.

Hierfür stehen standardisierte Fragebögen zur Detektion von Risikofaktoren (z.B. Stress, Angst, Depressivität, Chronifizierung, Somatisierung) zur Verfügung. Nach Festlegung von Diagnose und ggf. Nebendiagnosen muss eine ursachenbezogene und prognostisch einschätzbare Behandlungsstrategie mit dem Patienten geplant werden.

Auf dieser Grundlage werden individuell geeignete, ggf. multimodale und interdisziplinäre Therapieverfahren festgelegt. Sowohl die Basisdiagnostik als auch konservative Initialtherapie sind in der zahnärztlichen Praxis gut umsetzbar.

Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels

Kommentare

Keine Kommentare.

Anzeige