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Frischluft gegen Virenbelastung

Frischluft gegen Virenbelastung

Zur Risikoreduzierung einer Übertragung von SARS-CoV-2 empfiehlt das Bundesumweltamt in Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut eine hohe Frischluftzufuhr in den Räumen, in denen sich Personen aufhalten, um virenbelastete Aerosole zu verdünnen. Das heißt: Fenster auf oder Lüftungsanlage an!

. peterschreiber.media; exclusiv-design/Adobe
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Wir sprechen, husten, niesen und schicken dabei einen Luftstrom mit kleinen Partikeln, bestehend aus Wasser, Proteinen und Salzen, auf die Reise. Trittbrettfahrer in diesen Partikeln können Viren sein. Die kleinen Partikel sinken nicht direkt zu Boden, sondern schweben zunächst im Raum und können so den nächsten Menschen erreichen. Ist ein Virus an Bord, kann dieses, unter Umständen und von vielen Faktoren abhängig, einen Menschen infizieren. Vor allem in geschlossenen Räumen ist die Übertragung von Krankheiten – aktuell von Corona – durch solche Aerosole in der Luft eine Gefahr. Das gilt grundsätzlich auch im Wartezimmer oder in den Behandlungsräumen einer Zahnarztpraxis.

Viren in der Schwebe

Bei den durch Husten, Niesen oder Sprechen ausgestoßenen Partikeln handelt es sich je nach Größe um Tröpfchen (> 5 ?m) oder Aerosole (< 5 ?m). Da diese in der Regel wärmer als die Umgebungsluft sind, verdunstet ein Teil des enthaltenen Wassers. Daher können auch größere Tröpfchen rasch zu Aerosolen schrumpfen. Sobald Partikel die Temperatur der Umgebungsluft angenommen haben, verlangsamt sich der Verdunstungsprozess. Dieser ist überdies von der Luftfeuchtigkeit abhängig. Bei vollständiger Verdunstung bleibt ein sogenannter Tröpfchenkern übrig [1].

Durch den Verdunstungsprozess bleiben auch die meisten größeren ausgeatmeten Partikel für längere Zeit in der Luft und sinken nicht sofort zu Boden, wobei beim normalen Sprechen und Husten ohnehin zum Großteil kleine flüssige Partikel, also Aerosole, ausgestoßen werden [2,3]. Größere Tröpfchen können aber auch direkt auf eine Oberfläche treffen und haften bleiben bzw. auf Schleimhäute eines anderen Menschen treffen und zu einer Tröpfcheninfektion führen.

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Wie genau sich Aerosole und damit auch die darin enthaltenen Viren in der Raumluft ausbreiten, ist derzeit noch Gegenstand der Forschung und von vielen Faktoren abhängig. Die Ausbreitung des Atems und die Verweilzeit der darin enthaltenen Erreger in der Luft unter verschiedenen Bedingungen werden derzeit auch in den Laboren des Hermann-Rietschel-Instituts an der TU Berlin erforscht. Die Wissenschaftler untersuchen u.a. die sogenannte Sedimentationszeit, also die Zeit, die die unterschiedlich großen Partikel benötigen, um sich abzusenken. Die Forscher stellten fest, dass sich kleine Partikel (0,5 bis 3 ?m) nach 20 Minuten noch nahezu vollständig in der Luft befinden, und noch immerhin die Hälfte mittlerer Partikel (3 bis 10 ?m) ist nach der gleichen Zeit in der Luft zu finden. Selbst größere Tröpfchen (> 60 ?m) können sich unter Umständen weit im Raum ausbreiten, so die Erkenntnisse der Wissenschaftler, etwa dann, wenn diese in erwärmte aufsteigende Luft geraten [3].

In einer anderen Studie waren virenbeladene Aerosole auch nach 3 Stunden noch nachweisbar, die Infektiosität von SARS-CoV-2 hatte sich aber reduziert; der Titer hatte exponentiell abgenommen. Die Forscher stellten für das Virus eine Halbwertszeit von ca. 1,1 bis 1,2 Stunden fest und resümieren, dass die Übertragung von Corona über Aerosole und Tröpfchen nach ihren Studienergebnissen plausibel erscheine, da die Viren in der Luft über Stunden infektiös bleiben und auf Oberflächen sogar tagelang [4].

Allerdings sind noch viele Fragen zum Übertragungsweg über die Luft offen, etwa wie groß SARS-CoV-2-Partikel sein müssen, damit noch eine Ansteckungsgefahr von ihnen ausgeht, wie sich Umgebungseinflüsse auswirken und welcher Titer für eine Ansteckung notwendig ist. Sicher erscheint aber derzeit, dass Coronaviren sehr lange in der Atemluft erhalten bleiben. Weltgesundheitsorganisation und Robert Koch-Institut (RKI) gehen davon aus, dass die Übertragung von Covid-19 über die Luft möglich und ernst zu nehmen ist [5,6].

Gefahren minimieren: lüften!

Welche Situationen erscheinen auf diesem Hintergrund besonders gefährlich? Wie sind sie zu vermeiden? Die Experten des RKI mahnen zur Vorsicht bei engen, schlecht belüfteten Räumen, in denen es verstärkt zur Produktion und Anreicherung von Aerosolen kommen kann [6]. Weiterhin empfiehlt das RKI regelmäßiges Lüften bzw. den Austausch der Raumluft unter Zufuhr von Frischluft über „raumlufttechnische Anlagen“ (d.h. Klima- oder Lüftungsanlagen), neben den weiteren hinlänglich bekannten Maßnahmen wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und der Einhaltung eines Abstandes von 1,5 Metern zu anderen Personen, um eine Exposition gegenüber Tröpfchen sowie in gewissem Umfang auch gegenüber Aerosolen zu verringern.

In der Stellungnahme der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) des Umweltbundesamtes in Abstimmung mit dem RKI heißt es: „Im Sinne des Infektionsschutzes sollten Innenräume mit einem möglichst hohen Luftaustausch und Frischluftanteil versorgt werden. Dies gilt gleichermaßen für freies Lüften über Fenster wie beim Einsatz von raumlufttechnischen (RLT-)Anlagen“ [2].

Lüftungsanlagen für gesteuerte Frischluftzufuhr

Auch die Technische Universität Berlin informiert zur schützenden Wirkung der Frischluftzufuhr in Innenräumen und hebt die Überlegenheit einer Lüftungsanalage gegenüber dem händischen Fensteröffnen hervor. Dies verhalte sich wie die Regelung einer Heizungsanlage mittels Thermostat gegenüber der Befeuerung eines Ofens per Hand. Die Technik der Anlage könne den Zustrom von Frischluft besser steuern und eine ausreichende Versorgung sicherstellen [1].

Drei verschiedene Anlagentypen sind zu unterschieden: Anlagen, die Raumluft gegen Frischluft austauschen, reine Umluftanlagen, die die gebrauchte Luft umwälzen und keine Frischluft zuführen, und solche, die einen Teil Umluft wiederverwenden und Frischluft beimengen.

Der Frischluftanteil ist entscheidend, er verdünnt die Aerosolkonzentration. Daher empfehlen RKI und IRK zur Risikoeindämmung in Innenräumen möglichst nur Zuluft von außen, also einen Frischluftanteil von 100% oder bei Anlagen mit Umluftanteil eine zusätzliche Filterung mittels hochabscheidender Schwebstofffilter (HEPA-Filter), die in manchen Fällen nachgerüstet werden können. Die TU Berlin formuliert weniger scharf und stellt fest, dass grundsätzlich alle Anlagen mit Frischluftanteil das Risiko minimieren und dass je mehr Frischluft, desto stärker die virenbeladenen Aerosole in der Raumluft verdünnt werden [1,2,3].

Wer eine Lüftungsanalage bereits eingebaut hat oder dies vorhat, sollte die Luftwechselrate beachten. Diese besagt, welches Raumvolumen in welcher Zeit ausgetauscht wird. Eine Luftwechselzahl von 1 pro Stunde bedeutet, dass eine ebenso große Menge Luft in den Raum zu- und abgeführt wird, wie der Raum fasst. Das heißt aber nicht, dass freigesetzte Stoffe, Viren etc. dann vollständig eliminiert sind, sondern sie dezimieren sich innerhalb einer Stunde bei einer Luftwechselzahl von 1 um ca. 60% [2].

Gute Luftqualität: wenig CO2, etwas Feuchtigkeit

Von Haus aus haben Lüftungsanlagen nicht unbedingt den Infektionsschutz, sondern allgemein die Verbesserung der Luftqualität im Fokus. Dazu gehört neben der Abwesenheit von Viren und Schadstoffen vor allem eine geringe CO2-Konzentration. Diese sollte unter 1.000 ppm liegen, ab 2.000 ppm CO2 wird der Raum als hygienisch bedenklich eingestuft. Auch die Luftfeuchte ist ein Aspekt, der für eine angenehme und gesunde Luft im Innenraum beachtet werden sollte. Lüftungsanalagen oder Luftbefeuchtungsanlagen sollten auf eine relative Luftfeuchte zwischen 40 und 60% abzielen. Trockenere Luft unter 20 bis 30% relative Luftfeuchte lässt die Atemwege austrocknen. Feuchtere Luft wiederum (ab 50–55% im Winter oder 60% im Sommer) kann zu Schimmelpilzen führen [2]. Die empfohlene Luftfeuchte von 40 bis 60% r.F. kann zumindest im Winter in den Räumen nur mithilfe einer Befeuchtungsanlage sichergestellt werden [9].

Hinweise, dass die Luftfeuchte für das Wohlbefinden wichtig ist, haben Ergebnisse aus einer Studie des Fraunhofer-Instituts ergeben. Die internetbasierte Untersuchung zeigte, dass ein Drittel mehr Mitarbeiter in Büros ohne Luftbefeuchtung angaben, unter trockenen Atemwegen zu leiden, als solche, die in Büros mit Luftbefeuchtung tätig waren (dort war es aber immerhin noch ein Drittel der Gesamtzahl, die über solche Beschwerden klagten). Es ist anzunehmen, dass Luftfeuchte die Schleimhäute feucht hält und in ihrer Schutz- und Abwehrfunktion unterstützt [7]. Eine Hypothese besagt, dass eine geringe relative Luftfeuchte – also trockene Luft – zudem die Übertragung von Viren, auch SARS-CoV-2, begünstigt [8] – dies müsste aber noch weiter belegt werden.

Literatur

[1] FAQ zu Aerosolen in Bezug auf SARS-CoV-2. Themenportal Forschen der TU Berlin. August 2020. https://www.tu.berlin/forschen/themenportal-forschen/2020/august/faq-zu-aersolen-in-bezug-auf-sars-cov-2/; zuletzt abgerufen am 02.09.2020.
[2] Das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV-2 in Innenräumen lässt sich durch geeignete Lüftungsmaßnahmen reduzieren. Stellungnahme der Kommission Innenraumlufthygiene am Umweltbundesamt. 12.08.2020. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/dokumente/irk_stellungnahme_lueften_sars-cov-2_0.pdf; zuletzt abgerufen am 02.09.2020.
[3] Ansteckungsgefahr liegt in der Luft: Wie breitet sich das SARS-CoV-2-Virus in der Raumluft aus? Eine Medieninformation der TU Berlin 81/2020. Technische Universität Berlin. 18.05.2020. https://www.pressestelle.tu-berlin.de/menue/tub_medien/publikationen/medieninformationen/2020/mai_2020/medieninformation_nr_812020/; zuletzt abgerufen am 02.09.2020.
[4] van Doremalen N, Bushmaker T, Morris DH, Holbrook MG, Gamble A, Williamson BN, Tamin A, Harcourt JL, Thornburg NJ., Gerber SI, Lloyd-Smith JO, de Wit E, Munster VJ. Aerosol and surface stability of SARS-CoV-2 as compared with SARS-CoV-1. J New England Journal of Medicine 382 (16), 1564–1567 (2020).
[5] Covid-19: Welche Rolle Aerosole bei der Übertragung des Coronavirus spielen. Deutschlandfunk. 27.08.2020. https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-welche-rolle-aerosole-bei-deruebertragung-des.1939.de.html?drn:news_id=1166180/; zuletzt abgerufen am 02.09.2020.
[6] Infektionsschutzmaßnahmen. Robert Koch-Institut. 13.08.2020: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz; zuletzt abgerufen am 02.09.2020.
[7] Rief S, Jurecic M. Luftfeuchtigkeit am Büroarbeitsplatz. Studie zur Bedeutung der Luftfeuchtigkeit im Büro. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Fraunhofer-Studie 2014/193.
[8] Hugentobler W, Iwasaki A. Saisonalität der respiratorischen viralen Infektionen. September 2020/Review in Advance. first posted online on March 20, 2020.
[9] www.mindestfeuchte40.de; https://gesunde-raumluft.hygromatik.com 

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