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Praxisführung

Erfolgreich niederlassen – ist die Selbstständigkeit etwas für mich? – Teil 1

Die zahnärztliche Selbstständigkeit offeriert Chancen, birgt aber auch Fallstricke. Damit der Berufsweg als Praxisinhaber von der Niederlassung bis zum Praxisverkauf gelingt, ist aktuelles Wissen, z.B. über Recht, Steuer, Betriebswirtschaft und Marketing in vielen Bereichen unabdingbar. Diese Artikelserie der Kanzlei Martin stellt Basisinformationen bereit und sensibilisiert für wichtige Fragestellungen. Im vorliegenden 1. Teil werden Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit und die Niederlassung in Einzelpraxis beschrieben.

. Kzenon/Fotolia
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Jeder junge Zahnarzt sollte sich die Frage stellen, ob er langfristig in Anstellung oder in eigener Praxis arbeiten möchte. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Ob Sie mit der Selbstständigkeit glücklich werden, hängt vor allem von Ihrer Persönlichkeit und Ihren Vorstellungen von der Work-Life-Balance ab.

Die hohe Investitionssumme kann abschreckend wirken. Diese ist aber nicht gleichbedeutend mit hohem finanziellem Risiko. Das kann man mit einer guten Planung und fachlicher Beratung geringhalten.

Vorteile der Selbstständigkeit

Sie können die Praxis nach Ihren Vorstellungen und Wünschen gestalten. Von der Einrichtung über die Personalzusammensetzung bis hin zur fachlichen Spezialisierung und zum Qualitätsanspruch können Sie als Praxisinhaber allein bestimmen, was Ihnen wichtig ist. Wenn Ihre Praxis erfolgreich ist, sind Sie dafür direkt verantwortlich (Selbstverwirklichung).

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Viele Selbstständige machen die Erfahrung, dass ihre Praxis zum „eigenen Baby“ wird, auf das sie stolz sind und in das sie gern Arbeitszeit und Kraft investieren. Darüber hinaus sind in der eigenen Praxis deutlich höhere Einkommen möglich als in der Anstellung.

Nachteile der Selbstständigkeit

Sie binden sich an den Ort der Praxis. Sie sind direkter von den vielfältigen Bürokratieanforderungen betroffen. Die unternehmerischen Aspekte der Selbstständigkeit (z.B. wirtschaftliches Denken, Treffen vieler Entscheidungen, Konkurrenzkampf, Personalführung und Mitarbeiterverantwortung) liegen nicht jedem.

Wenn Sie zu wenig Behandlungen durchführen oder zu hohe Kosten haben, reduziert sich Ihr Gewinn. Wenn Sie als Behandler urlaubs- oder krankheitsbedingt ausfallen, reduziert sich – je nach Struktur der Praxis – der Umsatz sehr stark.

Die Kosten (Miete, Personal usw.) laufen hingegen unverändert weiter. Diese Risiken sollten mit Rücklagen und Versicherungen abgesichert werden.

Vorteile der Anstellung

In der Anstellung erhalten Sie monatlich ein bestimmtes Gehalt. Sie haben Anspruch auf bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschutz. Den Lohnanspruch haben Sie unabhängig vom Gesamtumsatz der Praxis. Das Risiko, dass die Einnahmen für die Auszahlung des Gehalts nicht genügen, trägt die Arbeitgeberseite.

Nachteile der Anstellung

Bei der Anstellung besteht ein Weisungs- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den zusammenarbeitenden Parteien. Der Angestellte erwirtschaftet den Umsatz durch Erbringung zahnärztlicher Behandlungen für den Praxisinhaber und wird meist in Form einer Gehaltszahlung entschädigt. Diese fällt im Vergleich zum Gewinn des Praxisinhabers allerdings geringer aus.

Angestellten- oder Inhabertyp?

Im Anstellungsverhältnis sind Sie vorwiegend behandelnd tätig. Mit den unternehmerischen Aspekten der Praxisführung haben Sie normalerweise keinen Kontakt. Viele Angestellte sind damit zufrieden und schätzen die arbeitsrechtlichen Vorzüge des Anstellungsverhältnisses.

Wenn Ihnen geregelte Arbeitszeiten und klare Vorgaben wichtig sind, sind Sie in Anstellung gut aufgehoben. Für Inhaber kommen neben der Behandlung noch Management- und Führungsaufgaben hinzu. Als Selbstständiger sollten Sie Freude an Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten haben. Entscheidungen sollten Ihnen leichtfallen. Sie sollten selbstbewusst und durchsetzungsfähig sein und gut priorisieren können.

Im Praxisalltag werden Sie sich regelmäßig mit Patienten und Mitarbeitern auseinandersetzen müssen. Dafür benötigen Sie gute Menschenkenntnis und Feingefühl. Wenn Sie aktuell schon im Angestelltenverhältnis unternehmerisch denken, Arbeitsprozesse hinterfragen oder organisatorische Verantwortung übernehmen, ist dies ein gutes Indiz dafür, dass Ihnen die Herausforderungen der Selbstständigkeit liegen.

Wie viel Einsatz möchte bzw. kann ich leisten?

Manche Existenzgründer haben die Hoffnung, dass sie als Inhaber entscheiden können, wie viel Zeit sie mit der Arbeit bzw. mit der Familie verbringen. Dazu können wir aus unserer Erfahrung feststellen: Selbstständigkeit ist immer zeitaufwendig. Als Inhaber beschäftigen Sie sich z.B. mit Fragen der fachlichen Ausrichtung, dem Marketingkonzept, mit dem Einholen und dem Vergleich verschiedener Angebote für eine Neuinvestition, mit Problemen im Team, mit der Frage der Einstellung und Ausbildung neuer Mitarbeiter bis hin zu Abrechnung und Buchhaltung.

Dass Sie all diese Überlegungen und Arbeiten nicht während der Praxisöffnungszeiten erledigen können, versteht sich von selbst. Eine Praxis zu führen und als Behandler tätig zu sein, ist zeitaufwendiger als eine Anstellung.

Gewinnmöglichkeiten

Die Gewinnerzielungsmöglichkeiten von Zahnarztpraxen sind sehr unterschiedlich. Laut Statistik der KZBV (Geschäftsbericht 2019/2020) betrug im Jahr 2016 der durchschnittliche Jahresgewinn einer Zahnarztpraxis 160.900 Euro.

Nach unserer Erfahrung können Inhaber, die ihre Praxis im Griff haben und sich betriebswirtschaftlich beraten lassen, mit 250.000 Euro Gewinn pro Jahr rechnen. Werden die Potenziale optimal ausgeschöpft, ist auch deutlich mehr möglich (siehe Beispielrechnung Tabelle 1).

Einnahmen in Euro pro Jahr %
KZV-Honorare 330.000 47,20
Privatliquidation 370.000 52,80
Summe Einnahmen 700.000 100,00
Ausgaben
Personalkosten 201.000 28,70
Praxiseinrichtung 1.000 0,14
Raum- und Energiekosten 28.000 4,00
Praxis- und Laborbedarf 40.000 5,72
Fremdlabor 107.000 15,30
Praxisversicherungen 7.000 1,00
Reise- und Fortbildungskosten 5.000 0,71
Abschreibungen 22.000 3,14
Reparatur/Instandhaltung 15.000 2,14
Sonstige Ausgaben 40.500 7,00
Summe Abgaben 475.000 67,85
Praxisgewinn 225.000 32,15

Tab. 1: Beispielhafte Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) des Gewinns einer typischen Einzelpraxis mit einem behandelnden Inhaber in einer Kleinstadt.

Bruttogehalt vs. Praxisgewinn

Der Praxisgewinn ist nicht direkt mit dem Bruttogehalt eines Angestellten vergleichbar. Als Praxisinhaber müssen Sie Darlehen zurückzahlen und Risiken, die eventuell zum Einnahmenausfall führen, absichern. Darüber hinaus tragen Sie Ihre Altersversorgung und Krankenversicherung allein.

Sie haben auch keinen gesetzlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Diese Risiken und Ihr erhöhter Arbeitseinsatz als Selbstständiger müssen sich lohnen. Eine Faustregel besagt, dass ein niedergelassener Zahnarzt mindestens einen jährlichen Gewinn von 200.000 Euro erreichen sollte.

Arten der Niederlassung

Praxisneugründung

Für Zahnärzte gilt: Sobald sie die Vorbereitungszeit als Assistent abgeschlossen haben, dürfen diese eine eigene Zahnarztpraxis führen und damit auch gründen. Für eine Neugründung entscheiden sich nur ca. 7% der Existenzgründer (apoBank Existenzgründungsanalyse Zahnärzte 2019). Hierunter wird der Aufbau einer Praxis aus dem „Nichts“ verstanden.

Der Grund für diese niedrige Quote dürfte zum einen in den höheren Anfangsinvestitionen liegen. Laut einer Statistik des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ-Information 3/20) betrugen die Investitionen für eine Neugründung einer Einzelpraxis im Jahr 2019 durchschnittlich 557.000 Euro (nach unserer Erfahrung 507.000 Euro). Im Vergleich dazu waren die durchschnittlichen Investitionen für die Übernahme einer Einzelpraxis 410.000 Euro (nach unserer Erfahrung 376.000 Euro) und für den Einstieg in eine Berufsausübungsgemeinschaft 341.000 Euro (nach unserer Erfahrung 410.000 Euro) deutlich niedriger.

Zum anderen betritt man mit einer neu gegründeten Praxis buchstäblich Neuland. Wie gut der Standort gewählt wurde und inwieweit die Ausrichtung der Praxis den Anforderungen der umliegenden Bevölkerung entspricht, wird erst später sichtbar. Anders als bei der Übernahme einer bestehenden Praxis gibt es hier keine Erfahrungswerte.

Klar ist aber, dass Sie eine längere Anlaufphase überstehen müssen, bis Sie sich einen Patientenstamm aufgebaut haben. Wie schnell die Terminbücher voll sein werden, lässt sich nicht vorhersagen, in der Regel vergehen ca. 2 bis 3 Jahre. Nach dieser Anlaufzeit sollte ein zahnärztlicher Honorarumsatz (ohne Material- und Laborkosten) von mindestens 30.000 Euro pro Monat und pro Behandler erwirtschaftet werden.

Ein Vorteil der Neugründung ist, dass Sie Ihre eigenen Vorstellungen in Sachen Standort, Ausstattung und Design vollkommen frei umsetzen können. So können Sie von Anfang an Ihrer Praxis eine Marke geben und diese am Markt positionieren. Zudem kann das Praxispersonal sorgfältig ausgewählt und zusammengestellt werden.

Hierin liegt allerdings auch eine der Herausforderungen der Neugründung: Es ist noch kein Team vorhanden, das bereits die Abläufe der Praxis kennt. Vielmehr müssen Sie als Neugründer Angestellte finden und dafür sorgen, dass diese ins Team passen und eingearbeitet werden.

Übernahme einer Einzelpraxis

Für die Übernahme einer Einzelpraxis entschieden sich im Jahr 2019 ca. 67% der Existenzgründer (IDZ-Info 3/20). Neben den geringeren Anfangsinvestitionen ist hierbei attraktiv, dass der Käufer einen funktionierenden und eingespielten Betrieb übernimmt, mit dem viele Patienten seit Jahren verbunden sind. Der Nachfolger kann damit rechnen, dass ein großer Teil des Patientenstamms sich von ihm weiterbehandeln lässt.

Die Gewinnermittlungen des Abgebers erlauben Rückschlüsse auf den zu erwartenden Gewinn. Im Gegensatz zu der Neugründung entfallen die teilweise schwierige Suche nach qualifiziertem Praxispersonal und die Teambildung.

Je nach Konstellation besteht die Möglichkeit, dass der Praxisverkäufer und der Übernehmer für eine gewisse Dauer zusammen in der Praxis arbeiten. Das erleichtert die Einarbeitung in die bestehenden Prozesse und sorgt für einen „fließenden“ Übergang.

Es kann allerdings passieren, dass der Verkäufer sich Ihnen nicht als Angestellter unterordnet und Ihre Autorität bei dem Praxisteam untergräbt (immerhin war er Jahrzehnte der Chef im Haus). Für diesen Fall sollten die Verträge eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit vorsehen.

Sie können als Käufer nicht sofort alle eigenen Vorstellungen für Ihre Wunschpraxis umsetzen, sondern müssen auf den bestehenden Strukturen aufbauen. Hier ist gerade in Bezug auf die Personalführung Fingerspitzengefühl gefragt, um das langjährig eingearbeitete Personal auf neue Wege mitnehmen zu können. Da Sie rechtlich die bestehenden Arbeitsverträge übernehmen müssen, gehen evtl. großzügige Gehaltsverbindlichkeiten auf Sie über.

In vielen Fällen sind die Räume, die Einrichtung und die Geräte in erneuerungsbedürftigem Zustand. Diese Investitionen müssen Sie bei der betriebswirtschaftlichen Planung berücksichtigen.

Ein weiteres Risiko kann die Haftung für gewisse „Steuersünden“ des Verkäufers sein, welche auf den Käufer übergehen. Ist der Verkäufer z.B. mit dem Abführen von Lohnsteuer oder Umsatzsteuer im Rückstand, hat das Finanzamt das Recht, den Erwerber in Anspruch zu nehmen. Vertraglich kann zwar der Verkäufer zur Erstattung der Steuersünden verpflichtet werden.

Das schützt den Käufer jedoch nicht, wenn beim Verkäufer kein Vermögen mehr vorhanden sein sollte. Um ein solches Risiko zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, beim Finanzamt, welches für den Praxisveräußerer zuständig ist, eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung einzuholen. Falls darin bestätigt wird, dass keine betrieblichen Steuerrückstände vorhanden sind, kann der Käufer auch nicht in die Haftung gelangen.

Die Bescheinigung kann allerding nur vom Verkäufer selbst beantragt werden. Deshalb sollte hier besonders vorsichtig vorgegangen werden, da sich der Praxisverkäufer durch solch eine Forderung der Unbedenklichkeitsbescheinigung angegriffen fühlen könnte. Der Verkäufer könnte dem Käufer die Seriosität absprechen, weshalb wir empfehlen, solch eine Bescheinigung nur in begründeten Fällen zu verlangen.

Literatur

Die Artikelserie basiert auf: Martin A. Praxiswissen, Bd. 1: Erfolgreich niederlassen. 4. Auflage, Würzburg, Januar 2022. Abdruck in leicht gekürzter und geringfügig veränderter Fassung. Wir bedanken uns für die freundliche Erlaubnis der Kanzlei Martin.
Zu allen in diesem Artikel beschriebenen Angelegenheiten bietet die Kanzlei versierte Beratung.

Weiterführende Links

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