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Der richtige Zeitpunkt der Praxisabgabe

15.02.2018
aktualisiert am: 26.02.2018

© photowahn/fotolia
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Um es vorweg klar und deutlich zu formulieren und Bedenkenträgern entgegenzutreten, die der Auffassung sind, dass man vielfach Praxen nicht (mehr) veräußert bekäme: Wenn Sie einen Kaufinteressenten haben, mit dem Sie sich handelseinig sind, gibt es keinen Grund, mit einem Verkauf abzuwarten. Dann sollte der nächstmögliche Wunschtermin des Erwerbers auch das Kaufdatum sein. Eine tatsächliche Realisierung des Praxiswertes zu unter Umständen weniger optimalen Rahmenbedingungen ist allemal besser als ein nicht realisierter (optimierter) Praxiswert. Selbstverständlich gilt auch hier der Grundsatz: „Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach!“

Sind Sie in der Gestaltung Ihres Sachverhaltes frei bzw. ist der Erwerber terminlich flexibel, stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt im Jahr der Praxisverkauf am sinnvollsten ist. Bei diesen Überlegungen ist dringend zu beachten, dass die Einkommensteuer eine sogenannte Jahressteuer ist und erst mit Ablauf des Jahres (sprich: Ablauf bis 31.12.) entsteht. Der Gesetzgeber nimmt sich das Recht heraus, aufgrund dieser Tatsache die gesetzlichen Bestimmungen zur Besteuerung unter Umständen bis zum letzten Tag des Jahres zu ändern. Auch für die bis dahin entstandenen Einkommensbestandteile greifen dann die neuen gesetzlichen Bestimmungen, obwohl der Steuerzahler zum Zeitpunkt der Realisierung dieser Einkommensbestandteile von diesen neuen gesetzlichen Bestimmungen noch nichts gewusst haben konnte. Der Gesetzgeber sieht hierin keine rückwirkende Änderung, da die Einkommensteuer erst am Ende des Jahres entsteht und er somit bis zu diesem Zeitpunkt alle gesetzlichen Bestimmungen ändern darf. Der Gesetzgeber geht von einer rückwirkenden Änderung der Verhältnisse nur in den Fällen aus, in denen die Änderungen über den Jahreswechsel hinausgehen (z.B. Gesetzesänderung am 10.02. des Jahres mit Wirkung ab 01.07. des Vorjahres). Daher ist der Steuerzahler gut beraten, Sachverhalte, die der Gefahr unterliegen, dass die ihn betreffenden gesetzlichen Vorschriften geändert werden sollen, möglichst spät im Kalenderjahr zu realisieren. Es gilt, die Auswirkungen der Gefahr der Änderung der diesbezüglichen Vorschriften gering zu halten und damit die höchstmögliche Planungssicherheit zu erhalten.

Diesen Gedanken widerspricht jedoch die Überlegung, einen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf einer Praxis so anfallen zu lassen, dass eine geringst mögliche Besteuerungslast erreicht wird. Erfolgt die Realisierung des Veräußerungsgewinns am Ende eines Jahres, tritt die Gewinnrealisierung ein, nachdem bereits ein hohes Jahreseinkommen durch den laufenden Praxisbetrieb erzielt wurde. Da das Steuerjahr am 31.12. um 24 Uhr endet, liegt die Überlegung nahe, den Veräußerungsvorgang in das Folgejahr mit geringerem Einkommen zu verlagern. Diese Verlagerung ist insbesondere dann geboten, wenn die Praxis aus Altersgründen abgegeben wird, weil dann lediglich Alterseinkommen (Renten) erzielt wird, das deutlich niedriger ausfällt als der bisherige Praxisgewinn. Wird die Praxistätigkeit auf die eine oder andere Art und Weise fortgeführt bzw. weiterhin ein hohes Einkommen erzielt, spielt eine Gewinnverlagerung in das Folgejahr mangels sinkenden Steuersatzes keine Rolle. Es kann damit festgehalten werden, dass, wenn keine mindestens einjährige Einkommenspause eingelegt wird bzw. die Steuerbelastung nicht deutlich sinkt, der Zeitpunkt der Veräußerung ohne Relevanz für die Steuerbelastung ist.

Schlussbilanz zur Erfassung ausstehender Forderungen und Verbindlichkeiten

Im Fall der Beendigung der zahnärztlichen Tätigkeit im Rahmen einer Einzelpraxis gilt für den Praxisinhaber die Verpflichtung, eine sogenannte Schlussbilanz zu erstellen. Mithilfe der klassischen Einnahmeüberschussrechnung werden die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in dem Zeitpunkt erfasst, in dem sie ihm/ ihr zugeflossen bzw. abgeflossen sind und damit im Rahmen der laufenden Praxistätigkeit vereinnahmt bzw. verausgabt wurden. Zum Schluss einer selbstständigen Tätigkeit fordert der Fiskus jedoch eine Versteuerung und damit Realisierung der noch ausstehenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zum Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeit. Dies erfolgt durch die Erstellung einer Schlussbilanz, in deren Rahmen alle ausstehenden Forderungen und Verbindlichkeiten erfasst werden. Der Fiskus möchte damit einen langen nachlaufenden Zeitraum vermeiden, in dem er den Zufluss bzw. Abfluss von Betriebseinnahmen und -ausgaben überwachen muss, die nach Einstellung der Tätigkeit erst geleistet werden. Eine zum Zeitpunkt der Beendigung zu erstellende Schlussbilanz fiktioniert den Zufluss bzw. Abfluss aller noch ausstehenden Einnahmen und Ausgaben zu diesem Zeitpunkt. Eine Gefahr, dass später nicht eingehende Einnahmen dennoch versteuert bzw. Ausgaben, die erst spät entstehen, nicht erfasst werden, besteht in der Praxis in der Regel nicht, da die Bilanzerstellung erst Monate nach dem fraglichen Zeitpunkt erfolgt, sodass alle Erkenntnisse, die bis dahin eingetreten sind, berücksichtigt werden können. Aus der Differenz Forderungen/ Verbindlichkeiten ergibt sich ein Gewinn, der eigentlich später bei Zufluss erst zu versteuern gewesen wäre. Da dieser Gewinn aber nunmehr zum Zeitpunkt der Veräußerung zu realisieren ist, führt dieser Umstand in vielen Fällen zu einer deutlich höheren progressiven Steuerbelastung durch ein höheres Einkommen. Neben dem laufenden Praxisgewinn sind also auch die ausstehenden Forderungen/Verbindlichkeiten zu versteuern und schließlich auch der eigentliche Gewinn aus der Veräußerung der Praxis.

Rechtliche und sprachliche Regelungen bei Gewinnverteilung auf zwei Kalenderjahre

Diese Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum (= Kalenderjahr) führt unweigerlich zu einer erhöhten Progression. Insbesondere bei Fällen, die um den Jahreswechsel abgewickelt werden, ist zu überlegen, ob eine Verteilung der im Zusammenhang mit der Praxisveräußerung zu erzielenden Gewinne möglich wäre. Die Verteilung dieser Gewinne auf zwei verschiedene Kalenderjahre ist grundsätzlich ein seitens der Vertragspartner zu gestaltender Sachverhalt und bedarf klarer rechtlicher und sprachlicher Regelungen. Der Verkauf einer Praxis zum 31.12./24.00 Uhr eines Jahres führt unweigerlich zu dem Ergebnis, dass der

  • laufende Praxisgewinn,
  • Gewinn aus der Realisierung ausstehender Einnahmen und Ausgaben und
  • Veräußerungsgewinn

im ablaufenden Kalenderjahr versteuert werden müssen. Würde hingegen die Praxis am 01.01. des Folgejahres verkauft werden, so ist der laufende Praxisgewinn im Vorjahr zu versteuern und der Gewinn aus der Realisierung ausstehender Einnahmen und Ausgaben sowie der Praxisveräußerungsgewinn im Folgejahr. In diesem Fall kommt es auf eine klare sprachliche Vereinbarung an, denn ob ein Verkauf am 31.12./24.00 Uhr oder am 01.01./ 0.00 Uhr erfolgt, ist nicht nur steuerlich ein Unterschied. Und getreu dem Motto „Deutsche Sprache – schwere Sprache“ besteht ein Unterschied darin, ob eine Praxis „am 01.01./0.00 Uhr“ oder „zum 01.01./0.00 Uhr“ verkauft wird. Ein Verkauf zum 01.01./0.00 Uhr setzt einen Übergang am 31.12./24.00 Uhr voraus – ein ggf. nicht gewünschtes Ergebnis. Wer stattdessen ganz sicher gehen will, verkauft in der Regel am 02.01. oder später. Ihm jedoch sei der Hinweis gestattet, dass § 28 Abs. 1 Zulassungsverordnung (Zahn-)Ärzte festlegt: „Der Verzicht auf die Zulassung wird mit dem Ende des auf den Zugang der Verzichtserklärung des Vertragsarztes beim Zulassungsausschuss folgenden Kalendervierteljahrs wirksam.“ Wenn nunmehr der Berufsträger zum 31.12./24.00 Uhr seine Zulassung zurückgibt, kann er seine vertrags(zahn)ärztliche Praxis nicht am 02.01. oder später verkaufen.

Beispiel

Verkauf einer Praxis zum 31.12.2016, Verkäufer ist verheiratet (Splittingtabelle)

  • Verkauf einer Praxis zum 31.12.2016.
  • Verkauf einer Praxis zum 31.12.2016.

Alternativ

Der Praxisverkauf vom 31.12.2016 wird auf den 01.01.2017 verlegt, ansonsten verbleibt es bei den übrigen Rahmendaten.

  • Der Praxisverkauf vom 31.12.2016 wird auf den 01.01.2017 verlegt.
  • Der Praxisverkauf vom 31.12.2016 wird auf den 01.01.2017 verlegt.

An diesem Beispiel wird also deutlich, dass die Wahl des richtigen Veräußerungszeitpunktes wichtig ist für die Höhe der definitiven Steuerbelastung. Da Praxisverkäufe und Praxisaufgaben vorwiegend zum Jahreswechsel abgewickelt werden, sollte geprüft werden, ob eine Veräußerung oder Aufgabe, die zum 31.12. des Jahres erfolgen soll, nicht auch am 01.01. oder 02.01. des darauffolgenden Jahres erfolgen kann. Immerhin sind weder tatsächlich noch rechtlich der 31.12./24.00 Uhr noch der 01.01./0.00 Uhr zwei gleiche Zeitpunkte, sondern – bedingt durch die sog. juristische Sekunde – zwei verschiedene Zeitpunkte. Zwei verschiedene Zeitpunkte mit grundsätzlich unterschiedlichen Wirkungen, wie die alternative Tabelle anschaulich verdeutlicht.

Ein zusätzlicher Effekt kann dadurch erzielt werden, dass die zum Zeitpunkt der Praxisaufgabe/des Praxisverkaufs notwendige Umstellung auf die Bilanzierung und der dadurch entstehende Übergangsgewinn ggf. um ein/zwei Jahre (je nach den persönlichen Verhältnissen) vorgezogen wird. Die Finanzverwaltung gewährt in diesen Fällen eine Erleichterung in der Hinsicht, dass dieser Übergangsgewinn gleichmäßig auf drei Jahre verteilt werden kann, wenn die Praxis (unverändert) fortgeführt wird. Hierdurch lässt sich u.U. eine Minderung der Progression erreichen. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dipl.-Finanzwirt Holger Wendland

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dipl.-Finanzwirt Holger Wendland