Den Sprung in die eigene Zahnarztpraxis wagen?

Seit über 10 Jahren ist Thomas Jans Niederlassungsberater für Zahnärzte und begleitet diese in die eigene Praxis. Eigentlich wollte er anfangs ein Loblied für die Niederlassung singen und darüber dass in der eigenen Praxis das Gras viel grüner ist – nach 10 Jahren weiß er – das Gras ist nicht grüner!
Nach der Assistenzzeit zunächst angestellt bleiben, dafür entscheiden sich immer mehr Zahnärzte. Von insgesamt 72.683 behandelnd tätigen Zahnärzten waren im Jahr 2021 lt. KZBV Jahrbuch 46.700 niedergelassen, dies entspricht 64%.
Im Jahr 2005 waren es noch 56.100 von 65.157, also 86% (KZBV Jahrbuch 2022, S. 156). Dies ist ein Rückgang um 24%, dabei ist die Schere in beide Richtungen aufgegangen. Seit 2005 gibt es ca. 9.400 weniger niedergelassene Zahnärzte, doch 7.526 mehr Zahnärzte (Abb. 1).
Die Anstellung ist stressfreier
Dies stimmt allerdings. Auch hierzu macht die KZBV eine Statistik. Die Gesamtarbeitszeit eines Inhabers lag 2020 bei wöchentlichen 42,4 Stunden.
Diese teilen sich in 32,1 Stunden Behandlungszeit, 7,6 Stunden Praxisverwaltung und 2,7 Stunden Zeit für Sonstiges auf (Abb. 2). Dabei wird jedoch nicht erhoben, wann diese Arbeitszeit geleistet wird. Evtl. kann dies abends oder am Wochenende sein.
Um Fachpersonal muss sich der Chef kümmern und um seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bemüht sein. In vielen Praxen herrscht Fachkräftemangel.
Aufgrund der Tatsache sind die Gehälter gestiegen. Auch muss die angestellte Zahnärztin oder der Zahnarzt kein Darlehen für die eigene Praxis aufnehmen.
Neugründung einer Praxis: Lohnt sich der Aufwand und das Risiko
Für die Neugründung einer Einzelpraxis in 2018 lag das Finanzierungsvolumen bei knapp 600.000 € (lt. KZBV Jahrbuch 2022). Vorauszusetzen ist hierbei, dass bei Anmietung von Praxisräumen eine genaue Absprache mit dem Vermieter in Bezug auf die Ausbaukosten der Räumlichkeiten getroffen wurde.
Diese wurden in der oben genannten Zahl nur mit 25.000 € berücksichtigt, liegen aber oftmals bei 250.000 €. Somit ergibt sich für eine Neugründung inkl. Betriebsmittelkredit eine Finanzierungssumme von 600.000 bis 800.000 €.
Finanziert wird je nach Förderbank in der Regel auf 10 bzw. 15 Jahre. In dieser Zeit muss der Praxisinhaber das Darlehen komplett zurückzahlen.
Dies führt bei einer Laufzeit von 15 Jahren und einem Darlehen von 600.000 € zu einer jährlichen Tilgung von ca. 40.000 €. Die Zinsen in Höhe von ca. 3,3% (Stand Juli 2023) kommen noch hinzu und kalkulieren sich anfänglich mit weiteren ca. 20.000 €.
Ein Blick in das KZVB Jahrbuch 2022 verrät, dass Praxisinhaber im Jahr 2020 durchschnittlich ein Einkommen von 150.600 € erzielen konnten (Abb. 2). Diese Zahl hört sich erst einmal viel an und es wird in der folgenden Liquiditätsbetrachtung sogar noch mehr, da die Abschreibung als reine steuerliche Position addiert werden darf. Diese beträgt im Schnitt 24.000 €.
Leider sind diese 24.000 € auch direkt wieder weg, wenn wir eine abschreibungskonforme Finanzierungsstruktur unterstellen, die Darlehenslaufzeit also dem Abschreibungszeitraum entspricht. Aus 150.600 € Gewinn werden dann noch Steuern (ca. 47.600 € in Steuerklasse I ohne Kinder), Kranken- und Pflegeversicherung (mit ca. 13.000 €) und Beiträge fürs Versorgungswerk (je nach Bundesland gemittelte ca. 20.000 €) bezahlt.
Dies führt zu einem „vergleichbaren“ Nettoeinkommen von ca. 70.000 € pro Jahr oder ca. 5.800 € im Monat. Bei 42,4 Wochenstunden und 4,33 Wochen im Monat entspricht dies einem Netto-Stundenlohn von ca. 35 € – na ja.
Fazit: Wenn Sie also eine Durchschnittspraxis planen – machen Sie es nicht. Außer Sie haben „nicht-monetäre“ Gründe, die überwiegen. Wenn Sie den Sprung in die eigene Praxis wagen, dann sollten Sie mit einer überdurchschnittlichen Praxis planen und dazu sind einige wichtige Schritte erforderlich.
Wie ist es, wenn es überdurchschnittlich ist?
- Sie haben die richtigen Patienten und diese folgen Ihrem Behandlungskonzept
- Sie haben die richtigen Mitarbeiter in ausreichender Anzahl und Qualifikation
- Ihre Prozesse sind dokumentiert und etabliert
- Ihr Einkommen reicht für ein gutes Leben
- Sie haben die passende Einstellung zur Selbstständigkeit und Unternehmertum
Der richtige Weg in die Selbstständigkeit
Mit der eigenen Praxis erweitern Sie einerseits Ihren Aufgabenbereich um die Tätigkeit als Unternehmer/-in oder Visionär/-in sowie die Tätigkeit eines Managers/-in bzw. Führungskraft. Auf diese Bereiche sollten Sie sich gut vorbereiten.
Zu Beginn müssen Sie sich die Frage beantworten, warum Sie sich selbstständig machen wollen? Prüfen Sie, ob Sie eher „weg wollen“ von dem Angestelltendasein oder eher „hin wollen“ zur Praxisgründung.
Wenn Sie nur „weg wollen“, dann motiviert dies nur bis zum Praxisstart. Für eine erfolgreiche Praxis brauchen Sie jedoch „hin-zu-Motivatoren“. Diese tragen Sie und Ihre Praxis über eine lange Zeit und motivieren auch andere, den Weg mit Ihnen zu gehen.
Beantworten Sie sich die Fragen: „Warum Sie Zahnarzt geworden sind“ und „Was Sie mit Ihrer Praxis erreichen möchten und warum Sie das wollen“. Die Antworten bringen Sie zu Papier.
Ihre Antworten müssen sich gut anfühlen, so als wenn Sie die Welt einreißen könnten, wenn Sie an Ihre Praxis denken. Sie wünschen sich, etwas aufzubauen, zu erreichen, umzusetzen und einen Wert für Ihre Patienten zu schaffen. Aus diesen Antworten wird Ihr langfristiges Ziel und Ihre Vision für Ihre Praxis formuliert.
Die Strategie – ein Praxiskonzept
Das Praxiskonzept ruht auf zwei Einflussfaktoren. Dies sind eine Selbst- bzw. Praxisanalyse kombiniert mit einer Umfeld- bzw. Standortanalyse:
Schritt 1: Selbst- bzw. Praxisanalyse
- Was können Sie besonders gut?
- Was machen Sie gerne?
- Welche Behandlung könnten Sie anderen beibringen?
- Haben Sie eine „Superkraft?“
- Was kann die Praxis besonders gut?
- Welche Fähigkeiten haben die Mitarbeiter?
- Welche Geräte und Einrichtungen sind vorhanden?
- Wie sind die Räumlichkeiten?
- Wie ist die Beschaffenheit des Gebäudes?
- Parkplatzsituation?
Im Fazit also: Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie und Ihre Praxis?
Schritt 2: Umfeld- bzw. Standortanalyse
- Digitalisierung
- Fachkräftemangel
- Gesundheitsbewußtsein
- Bevölkerung wird älter
Bei jedem der 4 Aspekte stellen Sie sich die Frage: Welche Chancen und welche Risiken Sie darin sehen. Ihre Stärken (Strenghs) und Ihre Schwächen (Weakness) können nun mit den Chancen (Opportunities) und den Risiken (Treats) in einer SWOT-Analyse kombiniert werden.
Überlegen Sie sich, wie Sie mit Ihren Stärken auf Chancen und Risiken reagieren und welchen Einfluss diese auf Ihre Schwächen haben. Dabei bewerten Sie, wie relevant einzelne Punkte für Sie sind und welche Aktivitäten Sie entwickeln. Ein Beispiel gibt folgende Matrix (Abb 3):
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Abb. 3.
© Thomas Jans
Nun können Sie Ihren Businessplan entwerfen. Sie wissen, wo sich Ihre Praxis hin enwickeln soll. Daraus ergibt sich das Leistungsangebot, Ihr Qualifikationsniveau und das Ihrer Mitarbeiter, die benötigten Geräte und eine Raumaufteilung der Praxis.
Sie wissen, was Sie und Ihr Team gut können und welche Chancen und Risiken auf Sie zukommen und wie Sie bereits präventiv agieren können. Erst jetzt kommt die Zahlenwelt dazu: Investitionsübersicht, Mindestumsatzkalkulation, Rentabilitäts-, Liquiditäts-, und Steuerplanung.
Ein vereinfachtes Beispiel für eine Rentabilitäts-, Liquiditäts-, und Steuerplanung nacheiner Praxisübernahme zeigt die Abbildung 4. Auf dieser Grundlage können Sie verschiedene Szenarien durchspielen.
Was passiert, wenn
- durch die Übernahme kurzfristig 20% der Patienten verloren gehen
- der angestellte Zahnarzt die Praxis verlässt
- die Personal- oder die Raumkosten steigen
- die Abschreibung ausläuft
Dabei sollten Sie immer die Auswirkungen auf Ihre Liquidität und Ihre Steuerzahlung berücksichtigen. Über diesen Weg können Sie Ihr „Netto“ ermitteln und wissen von Anfang an, wieviel Sie sich aus der Praxis entnehmen können. In Kombination mit der Mindestumsatzkalkulation, dem Kosten- und dem Leistungsstundensatz können Sie nun die Machbarkeit Ihres Vorhabens prüfen.
Die zwei Kernfragen lauten:
- Haben Sie und die Praxis die Fähigkeiten den erforderlichen Umsatz zu erarbeiten?
- Ist an diesem Standort der Umsatz mit Ihrem Leistungsangebot möglich?
Stehen dann alle Zeichen auf grün, dann haben Sie sehr gute Voraussetzungen, dass Sie mit Ihrer Praxis ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielen. Wichtig ist, dass Sie in regelmäßigen Abständen die Schritte wiederholen und prüfen „ob Sie noch auf dem richtigen Weg“ sind. Nach meiner Erfahrung ist diese unternehmerische Tätigkeit, also die kontinuierliche Arbeit „an“ der Praxis ein wesentlicher Unterschied, ob Sie eine durchschnittliche oder überdurchschnittliche Praxis werden.
Fazit
Die eigene Praxis heißt hohe Verantwortung und Bewältigung zahlreicher Aufgaben. Zwischenzeitlich sind die Einkommensmöglichkeiten als angestellter Zahnmediziner ähnlich hoch, wie als Inhaber einer durchschnittlichen Zahnarztpraxis und das mit weniger Aufwand.
Etwas aufzubauen und die Freiheit zu haben, die Berufsausübung so zu gestalten, wie Sie es für richtig halten, sich zu beweisen, ein Ziel zu erreichen und etwas zu hinterlassen – darum geht es im Leben. Damit Ihre Praxis für Sie nicht zur Last wird, sondern Freude bringt, Sinn stiftet und überdurchschnittlich viel Einkommen generiert, ist es wichtig, dass Sie sich von der reinen Fachkraft zum Unternehmer, Manager und zur Führungskraft weiterentwickeln und kontinuierlich an sich und an Ihrer Praxis arbeiten.
Weil sich immer weniger trauen, sind die Chancen für die Mutigen enorm. Und wenn Sie jetzt noch ausreichend Einkommen erzielen, damit Sie für den Ruhestand vorsorgen, sich eine Rücklage aufbauen und auf viele schöne Erlebnisse, Reisen und Momente blicken können, dann ist die Selbstständigkeit die schönste Form seinen Beruf auszuüben.
Curriculum
„Fit für die Existenzgründung“ in
Neustadt a.d.W. am 06./07. Oktober 2023
oder in
Ulm am 20./21. Oktober 2023

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