Praxiswissen


Worauf es bei Webseiten für Zahnärzte wirklich ankommt

15.09.2022

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Wenn wir unsere Praxiswebseite gestalten lassen, achten wir vor allem darauf, dass Sie uns persönlich gefällt. Professionell und schön soll sie aussehen, die Werte der Praxis vermitteln. Das Problem dabei ist, dass die meisten Dinge, auf die wir dabei achten, rein subjektiv sind. Wir vergessen schnell, dass das, was uns gefällt und das, was wir für wichtig und richtig halten, nicht unbedingt unsere potenziellen Patienten anspricht oder gar zum Erfolg führt. Um Webseitenbesucher zu Neupatienten zu machen, müssen wir deren Entscheidungsprozesse verstehen.

Wir Menschen halten uns für rationale und selbstbestimmte Wesen und sind überzeugt von unserer vernunftgesteuerten Entscheidungsfähigkeit. Wir glauben, unser eigener Geschmack und unsere individuellen Vorlieben bestimmen darüber, für welche Produkte wir uns entscheiden. Ist es also nur Zufall, dass jeden Sommer Millionen von Menschen plötzlich auf die Idee kommen, ein bestimmtes Kleidungstück, noch dazu in einer ganz bestimmten Farbe, unbedingt zu brauchen?

Wohl kaum. Wie einfach Menschen beeinflussbar sind, zeigt folgendes Beispiel: Sicherlich gehen auch Sie davon aus, dass Sie in einem Buffetrestaurant das auswählen, auf was Sie zu diesem Zeitpunkt Lust haben. Nach Ihren eigenen Kriterien, ob gesundheitlich oder genussorientiert, stellen Sie sich Ihr Mittagessen zusammen.

Die Wahrheit ist, dass Sie diese Entscheidung nicht unbedingt „allein“ treffen. Einzig durch die Positionierung konnte in einem Versuch der Kauf von bestimmten Speisen um bis zu 25% gesteigert werden.

Hängt man im Restaurant Spiegel auf, haben übergewichtige Menschen eher zu gesunden Speisen gegriffen. Es gibt unzählige Entscheidungen, die wir nicht „allein“ treffen, obwohl wir fest davon ausgehen. 

Wie funktioniert das?

Führende Neurowissenschaftler sind sich sicher, dass unser Gehirn grundsätzlich in 2 verschiedenen Zuständen arbeitet, die sich grundlegend voneinander unterscheiden. Diese werden System 1 und System 2 genannt. In System 1 ist unser Gehirn entspannt, funktioniert so gut wie automatisch und Lösungen kommen uns sofort in den Sinn.

Es ist keine großartige Anstrengung nötig, unser Denken findet unbewusst statt. In System 2 agieren wir bewusst, wir müssen uns konzentrieren, können komplexe Aufgaben lösen. Das ist anstrengend und kostet Energie, sodass unser Gehirn möglichst in System 1 arbeitet.

Die meisten Menschen gehen allerdings davon aus, dass sie die meiste Zeit von System 2 gesteuert werden und jede ihrer Entscheidungen bewusst und rational treffen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Wir befinden uns also in der meisten Zeit in System 1 und treffen unbewusste Entscheidungen, obwohl wir selbst davon ausgehen, Entscheidungen bewusst zu treffen, uns also in System 2 zu befinden. Unser Wahrnehmungsapparat ist fehleranfällig. 

Was bedeutet das für das für Ihre Webseite?

Wir können uns diese Fehleranfälligkeit mit sogenannten kognitiven Verzerrungen zunutze machen. Kognitive Verzerrungen sind fehlerhafte Neigungen beim Wahrnehmen, Denken oder Urteilen, die dadurch entstehen, dass sich unser Gehirn die meiste Zeit in System 1, dem unbewussten Modus unseres Gehirns, befindet.

Diese können wir nutzen, um mehr Webseitenbesucher in Neupatienten umzuwandeln. Wie genau das funktioniert, möchte ich Ihnen an 2 weitverbreiteten kognitiven Verzerrungen erklären:

  • Der Barnum-Effekt

Der Barnum-Effekt, auch als Forer-Effekt bezeichnet, ist ein psychologisches Element, „das dann auftritt, wenn Personen davon überzeugt sind, dass Beschreibung einer Persönlichkeit besonders auf sie selbst zutreffen, obwohl diese auf jeden zutreffen kann“. Menschen sind allgemein sehr empfänglich für Schmeicheleien und vertrauen schnell vermeintlich zuverlässigen Quellen. Der Barnum-Effekt tritt also dann in Kraft, wenn Personen allgemein gehaltene Aussagen direkt auf sich beziehen. 

Praktische Anwendung: Persönliche Ansprachen in den Texten auf Ihrer Webseite lösen beim Leser das Gefühl einer Interaktion unter 4 Augen aus, zum Beispiel „Ihre Gesundheit ist Ihnen wichtig“ und „Sie gehen ungerne ein Risiko ein“. Obwohl diese Messages sehr allgemein gehalten sind und auf jeden zutreffen, verleihen sie dem potenziellen Patienten das Gefühl, individuell betrachtet zu werden.

  • Der Halo-Effekt

Eigentlich ein Effekt, den sich vor allem große Unternehmen zunutze machen, daher auch „Brand-Effekt“ genannt. Doch auch Zahnarztpraxen können den Effekt nutzen. Der Halo-Effekt beschreibt eine kognitive Verzerrung, bei dem eine bekannte Eigenschaft auf eine unbekannte Eigenschaft kognitiv übertragen wird. Einfacher gesagt: Eigenschaft A färbt auf Eigenschaft B ab. 

Praktische Anwendung: Der erste Eindruck zählt. Ist Ihre Webseite ansprechend gestaltet und wirkt wertig, gehen wir davon aus, dass auch die angebotene Dienstleistung dementsprechend hochwertig ist.

Umgekehrt funktioniert dieser Effekt allerdings auch: Ein Rechtschreibfehler auf Ihrer Webseite macht Sie sofort unglaubwürdig und wirft ein schlechtes Licht auf Ihre Praxis. Ihre Dienstleistung, egal wie gut sie auch sein mag, wird abgewertet.

Bringen Sie sich und Ihre Praxis mit positiven Eigenschaften in Verbindung, färbt das automatisch auf Ihre Dienstleistung ab. Diese Eigenschaften bilden gewissermaßen einen Heiligenschein, der Fehltritte eher verzeiht und für neue Vorhaben schneller Unterstützung findet.

Fazit

Es gibt unzählige Faktoren, die über Erfolg oder Misserfolg Ihrer Praxiswebseite entscheiden. Eines ist dabei sicher: Ihr eigener Geschmack und Ihre eigene Meinung sollten, auch wenn es schwerfällt, nicht im Vordergrund stehen.

Achten Sie bei der Auswahl eines Anbieters für Ihre neue Webseite darauf, dass dieser nicht nur auf das Design Wert legt. Auch ein paar Jahre Erfahrung in der Zahnmedizin sind von Vorteil, denn die Ansprache an potenzielle Neupatienten unterscheidet sich fundamental von der Ansprache für das Verkaufen von Produkten oder sonstigen Dienstleistungen.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Jonas Reggelin


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