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Herausforderungen durch das neue Coronavirus umgehen

Webinar der DGI – Covid-19 & Zahnmedizin: Ein Update zum Stand der Wissenschaft

Mehr als 9000 Zahnärztinnen und Zahnärzte aus dem In- und Ausland verfolgten am vergangenen Mittwoch ein Webinar mit dem Dekan der School of Stomatology der Universität von Wuhan und weiteren Experten, das die DGI kurzfristig auf die Agenda gesetzt hatte.

Prof. Dr. Zhuan Bian. DGI
Prof. Dr. Zhuan Bian.
Prof. Dr. Zhuan Bian.

??Wie Zahnärztinnen und Zahnärzte in Wuhan mit den Herausforderungen durch das neue Coronavirus SARS-CoV-19 umgehen und Diskussionen ihrer Erfahrungen mit deutschen Experten standen im Mittelpunkt eines Webinars der DGI am 25. März. Mehr als 9000 Teilnehmer belegen den großen Informationsbedarf in der Zahnärzteschaft.

?Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Dentalhygienikerinnen haben von allen Berufsgruppen das höchste Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren. Wer wüsste besser als Prof. Dr. Zhuan Bian, der Dekan der School of Stomatology der Universität von Wuhan in China, was dieses Risiko bedeutet, wie man mit ihm umgeht und wie man es reduzieren kann? Seine Klinik liegt schließlich in jener Stadt, von der im Dezember 2019 jene Pandemie ihren Ausgang nahm, die sich inzwischen auf alle Kontinente ausgebreitet hat und die in vielen Ländern inzwischen Gesellschaften, Wirtschaft und das Leben insgesamt zum Stillstand gebracht hat.

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Wissenschaft liefert das Fundament für politische Entscheidungen

Prof. Dr. Frank Schwarz (Frankfurt/Main), Pastpräsident der DGI, war es gelungen, Professor Bian für ein Webinar der Fachgesellschaft am 25. März zu gewinnen. „Es ist für uns außerordentlich wichtig, zu wissen, welche Erfahrungen die Kolleginnen und Kollegen in Wuhan bei dem Ausbruch gemacht haben“, erklärt Professor Schwarz, „und wir haben uns sehr gefreut, dass Professor Bian dieses Wissen mit uns geteilt hat.“ „Die DGI kann nicht die juristischen, gesundheits- und standespolitischen Probleme lösen, die durch die Corona-Pandemie hierzulande entstanden sind“, sagt DGI-Schriftführer Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas (Mainz), der das Webinar zusammen mit Prof. Schwarz binnen drei Tagen auf den Weg gebracht und realisiert hat. „Aber die DGI kann gleichwohl – trotz aller unvermeidlichen Unsicherheiten wissenschaftlicher Aussagen – als wissenschaftliche Gesellschaft durch Informationen, Daten und Fakten eine Basis liefern, um diese Probleme anzugehen.

Großer Bedarf im Berufsstand nach solchen Informationen

Der Informationsbedarf ließ sich am Interesse ablesen, welches das Webinar hervorrief. Andere Fachgesellschaften aus dem In- und Ausland unterstützten die DGI dabei, über das Webinar im Vorfeld zu informieren. Resultat: Mehr als 9000 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die Präsentation von Professor Bian und die Diskussionen mit ihm und anderen Experten an ihren Computerbildschirmen. Eingeloggt hatten sich Interessenten aus den USA, aus der Schweiz, Österreich, Frankreich, Großbritannien und den Benelux-Staaten. Die Fragen prasselten schneller herein, als die Experten in der knappen Zeit abarbeiten konnten. „Wir werden aber noch unbeantwortet gebliebene Fragen in den nächsten Tagen aufgreifen und die Antworten auf unserer Website veröffentlichen“, versprechen die Professoren Al-Nawas und Schwarz.

 

Die Botschaft von Professor Bian beim Webinar war eindeutig

„Aufgrund der besonderen Merkmale zahnärztlicher Verfahren, bei der eine große Anzahl von Tröpfchen und Aerosolen erzeugt werden können, sind die Standard-Schutzmaßnahmen der täglichen klinischen Arbeit nicht wirksam genug, um die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern, insbesondere wenn sich Patienten in der Inkubationszeit befinden oder nicht wissen dass sie infiziert sind.“ Es gibt Hinweise, dass die Viren auf Oberflächen sowie in Aerosolen überleben und infektiös bleiben können. Auch infizierte, aber asymptomatische Patienten können die Erreger weitergeben. „Diese Eigenschaften machen die Kontrolle der Epidemie zu einer großen Herausforderung“, betonte Professor Bian.

Im Januar 2020 hatte die Nationale Gesundheitskommission Chinas COVID-19 jener Kategorie der Infektionskrankheiten (Gruppe B) zugeordnet, die etwa SARS und das hochpathogene Vogelgrippe-Virus umfasst. Die Kommission riet darüber hinaus, dass alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens Schutzmaßnahmen verwenden, die bei Infektionskrank-heiten der Gruppe A empfohlen werden, zu denen Krankheitserreger wie Cholera und Pest gehören. Ab diesem Zeitpunkt wurde, berichtete Professor Bian, in den meisten Städten der Region zunächst nur noch eine zahnärztliche Notfallversorgung aufrechterhalten. Private Zahnarztpraxen in ganz China wurden geschlossen, jeweils abhängig von der epidemiologischen Situation. Inzwischen haben die privaten Praxen in China ihre Arbeit wieder aufgenommen – nur in Wuhan, dem Epizentrum der Epidemie, sind sie noch immer geschlossen.

Die Zahnklinik der Universität von Wuhan versorgte im vergangenen Jahr 890.000 Patienten und verfügt über rund 1100 Mitarbeiter sowie 820 Studierende. „Seit dem Ausbruch der Epidemie wurden neun Kollegen mit COVID-19 diagnostiziert“, berichtete Professor Bian. Trotz steigender Infektions- und Erkrankungsraten in der Region gab es keine weiteren Infektionen bei Mitarbeitern der Klinik, obwohl das Team mehr als 700 Patienten im Zeitraum seit Januar behandelt hat – unter entsprechend, der jeweiligen Situation angepassten Sicherheitsvorkehrungen. Wie diese aussehen, präsentierte Professor Bian in einer Übersicht (siehe Abbildung).

"Auf der Grundlage unserer Erfahrung und einschlägiger Richtlinien und neuen Erkenntnissen der Forschung, sollten Zahnärzte strikte Schutzmaßnahmen ergreifen“, betonte der Experte. Es gelte ebenso Operationen und Eingriffe zu vermeiden oder zu minimieren, die Tröpfchen oder Aerosole erzeugen. Patienten wurden nach ihrem Befinden gefragt und mit Schutzmasken versorgt, Fieber gemessen sobald sie die Klinik betraten. In Regionen, in denen sich COVID-19 stark ausbreitete, wurden elektive Behandlungen verschoben.

Professor Bian empfahl den Einsatz antimikrobieller Mundspülungen (in diesem Fall 1% H2O2) und riet, Verfahren, die bei Patienten Husten auslösen können, wenn möglich zu vermeiden oder sehr vorsichtig durchzuführen. Da die intraorale Röntgenuntersuchung die Speichelsekretion und den Husten stimuliert, sollte sie durch extraorale Röntgenaufnahmen ersetzt werden. Maßnahmen, bei denen Aerosole entstehen, sollten ebenfalls minimiert werden. Kofferdam und großvolumige Speichelsauger können helfen, Aerosole oder Spritzer zu minimieren.

In der nachfolgenden Expertendiskussion betonte Professor Bilal Al-Nawas, dass angesichts der Dauer des Shutdowns und der Entwicklung der epidemiologischen Situation Zahnmedizin nicht nur auf die Notfallbehandlung beschränkbar sei. „Da sich die schwierigen Zustände sicherlich über die nächsten Wochen hinweg ziehen werden, geht es nicht nur um Schmerzbeseitigung. Es geht auch um die langfristige Substanzsicherung und eine sinnvolle Diagnostik, sowie die Aufrechterhaltung der Kaufunktion“, betonte Al-Nawas. Ebenso gelte es, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte mit ihrem Team eine individuelle Risikoeinschätzung für ihre Praxis vornehmen müssten. Sicherlich sei das Risiko der Übertragung von SARS-CoV2 von Bundesland zu Bundesland verschieden und hängt natürlich auch von der Praxisstruktur ab. Angesichts der hohen Zahl asymptomatischer, aber möglicherweise infizierter Kinder, könne das Risiko für eine Übertragung in einer entsprechend orientierten Praxis höher liegen, als zum Beispiel in einer kieferchirurgischen oder kieferorthopädischen Praxis. „Damit wird klar, dass ein allgemein gültiges Rezept für die Abläufe in der Zahnarztpraxis in die falsche Richtung führt“, so Professor Al-Nawas.

Bezüglich der Masken erklärte Dr. Wolfgang Kohnen, Krankenhaushygieniker der Universitätsmedizin Mainz, dass das ganze Team mit Mund-Nasenschutz, Brille und Handschuhen für den Normalfall ausreichend geschützt sei. Masken sollten gewechselt werden, wenn sie durchfeuchtet sind. Dies gelte auch für Schutzkleidung.

Bei der Behandlung von COVID-19-Patienten mit Aerosolbildung muss der Schutz jedoch intensiver sein: Dann sind FFP2- oder FFP3-Masken und dichte Schutzbrillen erforderlich. Gleichwohl wurde in der Diskussion auch klar, dass die Einschätzung, ob ein Patient infiziert ist oder nicht, relativ schwierig ist – denn auch Infizierte, die keine Krankheitssymptome haben, können die Erreger weitergeben.

Experten raten, PZR mit Handgeräten durchzuführen

Einig waren sich die Experten, dass eine PZR derzeit besser mit Handgeräten durchgeführt werden sollte als mit Ultraschall oder Airflow. Prof. Dr. Jürgen Becker (Düsseldorf) ergänzte, dass durch die Begrenzung der zahnärztlichen Therapiemaßnahmen, den erhöhten Hygieneaufwand, und durch die langen Raumlüftungszeiten nach Behandlungen die Einnahmen sinken und die Ausgaben steigen. Dies müsse durch den Gesetzgeber kompensiert werden, z.B. analog zum GOZ-Zuschlag für das ambulante Operieren.

Mehr am Telefon als am Patienten. Wichtig sei die Bedeutung der Aufklärung von Patienten und vor allem des Personals, erklärten die Experten einmütig. In manchen Fällen seien die Teammitglieder verunsichert und zum Teil auch falsch informiert. „Darum kommt der Zahnärztin oder dem Zahnarzt neben der fürsorglichen auch eine zentrale kommunikative Rolle zu“, sagte Professor Al-Nawas. Auch die Patienten gelte es, entsprechend aufzuklären. „Wir müssen unsere defensivere Behandlung erläutern“, betonte DGZMK-Präsident Prof. Roland Frankenberger (Marburg). „Darum sind wir momentan mehr am Telefon als am Patienten.“

Empfehlungen zu Aerosolen der Bundeszahnärztekammer und der Zahnärztekammern (hier Hessen) https://bit.ly/2ycXG3z

Quelle: DGI

 

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