Implantologie


Eine erfolgreiche implantologische Versorgung setzt eine sorgfältige Planung voraus

Abb. 1: Seitenaufnahme des Ausgangsbefundes (rechts).
Abb. 1: Seitenaufnahme des Ausgangsbefundes (rechts).

Der nachfolgende Case Report hat das Ziel, die Wichtigkeit und Bedeutung der präimplantologischen Planung in den Vordergrund zu stellen und deren Rolle für die Vorhersagbarkeit des Endergebnisses zu beschreiben. Sowohl eine dreidimensionale Befunderhebung als auch die Anwendung einer Implantatsoftware zur Planung von Augmentationsmaßnahmen und Implantatinsertionen beeinflussen das Ergebnis maßgeblich, so die Erfahrung der Autoren. Auch weitere beeinflussende Faktoren werden dargestellt. Herstellerangaben zum verwendeten

Produktsystem fließen in die Ausführungen ein.

In der modernen Implantologie stehen dem Behandler eine Reihe von diagnostischen und prognostischen Technologien sowie Untersuchungs- und Planungsmethoden zu Verfügung. Oft geht es darum zu entscheiden, welcher Weg der sinnvollere ist, nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus patientenwirtschaftlicher Sicht. In solchen Situationen muss der Behandler folgende Aspekte bedenken und ggf. gegeneinander abwägen:

  • anatomische Verhältnisse und damit verbundene potenzielle Gefahrenquellen
  • anamnestisch bekannte Gefahrenquellen
  • Erwartungen des Patienten
  • therapeutische Möglichkeiten
  • zur Verfügung stehende diagnostische Möglichkeiten
  • finanzieller Aspekt
  • Umsetzbarkeit der Patientenwünsche etc.

Anamnese

Eine gesunde 64-jährige Nichtraucherin mit einem medizinischen akademischen Abschluss und sehr hohen Erwartungen in Bezug auf die Ästhetik und Funktion des neuen Zahnersatzes wurde in der Praxis vorstellig. Die Anamnese ergab eine chronische Parodontalerkrankung. Die von der Patientin mitgebrachte Panoramaschichtaufnahme zeigte einen mäßig ausgeprägten horizontalen Knochenabbau im Ober- und im Unterkiefer sowie den parodontalen Zerstörungsgrad der Zähne 14, 15, 16, 23, 27 und 35, der durch die intraorale Inspektion bestätigt wurde. Die Prognose des Zahnes 25 war fragwürdig. Alle Weisheitszähne sowie die Zähne 36 und 37 fehlten bereits. Der Zustand des Parodontiums und die Angaben der Patientin wiesen auf eine seit längerem bestehende chronische Parodontitis hin. Diese Diagnose führte vermutlich bereits zu der einseitigen Freiendsituation im dritten Quadranten sowie zur Nichterhaltungswürdigkeit von mindestens fünf weiteren Zähnen.

  • Abb. 2: Seitenaufnahme des Ausgangsbefundes (links).
  • Abb. 3: Okklusalansicht des Oberkiefers.
  • Abb. 2: Seitenaufnahme des Ausgangsbefundes (links).
  • Abb. 3: Okklusalansicht des Oberkiefers.

  • Abb. 4: Okklusalansicht des Unterkiefers nach Extraktion des Zahnes 35.
  • Abb. 4: Okklusalansicht des Unterkiefers nach Extraktion des Zahnes 35.


Die Situation des Gebisses bei der Eingangsuntersuchung wurde durch intraorale Fotoaufnahmen dokumentiert (Abb. 1–4).

Der intraorlae Befund sah damit wie folgt aus:







Behandlungsplanung

Für die Planung des Behandlungsweges spielten die hohen Erwartungen der Patientin in Bezug auf Funktion und Ästhetik, die chronische Parodontalerkrankung, die potenziellen anatomischen Gefahrenquellen – geringe Restknochenhöhe im oberen Seitenzahnbereich, geringe Knochenhöhe und Knochenbreite im Bereich des rechten Unterkiefers mit Gefahr der Verletzung des Nervus alveolaris inferior und einem balkonartigen Knochenverlauf im Bereich der Molaren – sowie der hohe Motivations- und Akzeptanzgrad der Patientin eine Rolle. In diesem Fall wurden vorerst festsitzende implantatgetragene Kronen in den Positionen 14, 15, 16, 17, 23, 24, 26, 27, 35, 36, 37 geplant. Intraoperativ stellte sich die Nichterhaltungswürdigkeit des Zahnes 25 heraus. Dieser wurde extrahiert und in dieser Position ebenfalls ein Implantat inseriert. Es wurde eine beidseitige Sinusbodenelevation geplant.
Um eine genauere Planung und Optimierung der chirurgischen und der prothetischen Ergebnisse zu realisieren, wurde präoperativ eine computertomographische Untersuchung durchgeführt und diese mithilfe der SimPlant-Software (Materialise Dental) ausgewertet. Diese dreidimensionale Untersuchungs- und Planungsmethode (Abb. 5–8) zeigt dabei exemplarisch die Implantatplanung mit ihren nachstehenden Vorteilen.

  • Abb. 5: Aus dem CT-Datensatz rekonstruiertes OPG (die roten Areale um die Implantate herum bezeichnen eine 3 mm breite Sicherheitsabstandzone).
  • Abb. 6: Virtuelles Modell des Oberkiefers mit Implantatachsenverlängerungen.
  • Abb. 5: Aus dem CT-Datensatz rekonstruiertes OPG (die roten Areale um die Implantate herum bezeichnen eine 3 mm breite Sicherheitsabstandzone).
  • Abb. 6: Virtuelles Modell des Oberkiefers mit Implantatachsenverlängerungen.

  • Abb. 7: Geplantes Implantat in regio 27.
  • Abb. 8: Geplantes Implantat in Regio 37.
  • Abb. 7: Geplantes Implantat in regio 27.
  • Abb. 8: Geplantes Implantat in Regio 37.


  1. Eine zweidimensionale Aufnahme (OPG, FRS, Röntgenfilm) gibt ausreichende Informationen über die zur Verfügung stehende Knochenhöhe, aber nicht über die Knochenbreite. Eine genaue Lokalisation der wichtigen anatomischen Strukturen ist dabei nicht immer möglich. Im Gegensatz dazu ist bei einer dreidimensionalen Aufnahme eine Beurteilung des Knochenangebotes und der Lage aller relevanten anatomischen Strukturen in allen Dimensionen und mit sehr großer Sicherheit möglich (Abb. 5).
  2. Die Planung mit der SimPlant®-Software ist sehr exakt und sicher in der Durchführung.
  3. Der mit SimPlant® dargestellte Nervverlauf und der Kieferkamm sichern eine minimalinvasive und sichere Schnittführung.
  4. Das Knochenangebot kann optimal genutzt werden und die bestmöglichen Implantatlängen und Durchmesser gewählt werden.
  5. Die Anwendung von einer auf das gewählte Implantatsystem ausgerichteten Sicherheitsschablone (in diesem Fall Astra-Facilitate) gewährleistet eine optimale und sichere Positionierung der geplanten Implantate, wobei die möglichen chirurgischen Risiken sehr weit minimiert werden (Verletzung des Nervus alveolaris inferior, Implantatperforationen etc.).
  6. Während der Operation spart man Zeit. Damit ist sie weniger belastend für die Patientin.

Auswahl des Implantatsystems

Die Auswahl des Implantatsystems spielt eine sehr wichtige Rolle. Dabei sollten die Indikation und die anatomischen Verhältnisse des jeweiligen Patientenfalls den Eigenschaften des Implantatsystems gegenübergestellt werden, bevor sich der Implanteur für die Anwendung eines Systems entscheidet. Dabei spielen insbesondere folgende Faktoren eine Rolle:

  • Implantatlänge und Implantatdurchmesser,
  • Implantatform,
  • Beschichtung und Oberfläche,
  • Studien über das Verhalten des konkreten Implantates in ähnlichen anatomischen Verhältnissen,
  • Besonderheiten der prothetischen Komponenten des Implantatsystems.

Für die Behandlung des beschriebenen Falles fiel die Auswahl auf die sich erweiternden OsseoSpeed-Implantate der Firma Astra Tech für den Oberkiefer und auf die zylindrischen OsseoSpeed für den Unterkiefer. Diese Wahl wurde im Oberkiefer getroffen, da die Implantate im oberen Drittel eine konische Form aufweisen. Diese Form provoziert eine Verankerung nach dem Prinzip des Keil-Haltes und erhöht somit die Primärstabilität eines Implantates im Bereich einer Sinusbodenelevation um ein Vielfaches. Alle OsseoSpeed-Implantate sind im okklusalen Drittel mit einem Mikrogewinde versehen, das die Primärstabilität der Implantate zusätzlich erhöht sowie die anschließende Osseointegration verbessert. Außerdem entspricht integriertes Plattformswitching den neuesten Untersuchungen in der Implantologie. Ein weiteres Argument für uns war, dass eine kombinierte konische und rotationsgesicherte Verbindung zwischen der prothetischen Suprakonstruktion und dem Implantat die Mikrobewegungen und Materialverschleißerscheinungen reduziert und flach mit der Implantatschulter abschließende Deckschrauben die reizlose geschlossene Heilung fördern.

Chirurgischer Eingriff

Die chirurgische Behandlung wurde unter einer Analgosedierung in der Anwesenheit eines Anästhesisten durchgeführt. Dieses Verfahren hat sich in meiner Praxis als sehr hilfreich erwiesen. Zum einen ermöglicht es, sich während des Eingriffes voll und ganz auf die Behandlung zu konzentrieren (Wegfall von Behandlungsunterbrechungen, keine Überwachung der Funktionen oder Medikamentenapplikationen durch den Behandler etc.), und zum anderen stellt dieses Verfahren eine sehr sichere Behandlungsalternative für die Patienten dar (Wegfall der stationären postoperativen Überwachung wie bei einer ITN, keine Erinnerung an den Eingriff, kein aktives Schmerzempfinden, Minimierung der Risiken einiger Allgemeinerkrankungen durch eine gezielte intravenöse Medikamentenapplikation, etc.).
Vor der Behandlung wurden 50 ml intravenöses Blut entnommen und mittels eines speziellen Schleuderverfahrens ein Thrombozytenkonzentrat gewonnen. Dieses Konzentrat wurde zum Vermischen des Knochenersatzmaterials mit dem partikulären Eigenknochen und zum Benetzen der Implantatoberfläche unmittelbar vor der Insertion verwendet. Die darin enthaltenen Wachstumsfaktoren fördern die Ossifikation des Augmentats, die Osseointegration des Implantat, sowie die Wundheilung. Mit einem ähnlichen Verfahren ist es in anderen klinischen Situationen möglich, eine innerhalb von 2 bis 3 Tagen resorbierbare Fibrinmembran herzustellen, die über diesen Zeitraum das Augmentat „versorgt“.
Im ersten Schritt wurden die drei im Unterkiefer geplanten Implantate unter Verwendung der erstellten chirurgischen Guide unter absoluter Einhaltung des mitgelieferten chirurgischen Protokolls inseriert. Dabei wurden die bei der Bohrung anfallenden Knochenspäne in einem Sieb gesammelt. Aus dem retromolaren Bereich wurde zusätzlich Eigenknochen in partikulärer Form entnommen. Der Eigenknochen wurde mit einer ausreichenden Menge eines xenographen Knochenersatzmaterials und dem vorher gewonnenen Thrombozytenkonzentrat vermischt. Dieses Gemisch wurde zirkulär um die teilweise frei liegenden Implantatschultern aufgetragen (s. die geringe Knochenhöhe in Abb. 8) und der Rest für die Weiterverwendung im Oberkiefer bereitgestellt. Anschließend wurde das Operationsgebiet sorgfältig verschlossen.
Nach vorheriger Markierung mithilfe der chirurgischen Guide wurde im Oberkiefer seitenweise vorerst die Sinusbodenelevation durchgeführt. Die Präparation des Knochendeckels sowie die Ablösung der Schneider’schen Membran wurden mithilfe eines speziellen chirurgischen Ultraschallgeräts und dem dazu gehörenden Instrumentarium (Fa. Mectron) ohne Verletzung der Membran durchgeführt (Abb. 9 u. 10). Nach der Applikation des oben genannten Gemisches auf dem Sinusboden wurden die geplanten Implantate mithilfe der chirurgischen Guide inseriert.

  • Abb. 9: Präparation des Knochendeckels beim Sinuslift.
  • Abb. 10: Verwendung einer chirurgischen Guide intraoperativ.
  • Abb. 9: Präparation des Knochendeckels beim Sinuslift.
  • Abb. 10: Verwendung einer chirurgischen Guide intraoperativ.

  • Abb. 11: Postoperatives OPG.
  • Abb. 11: Postoperatives OPG.


Intraoperativ stellte sich der Zahn 25 als nicht erhaltungswürdig heraus und wurde extrahiert. Auch in dieser klinischen Position konnte aufgrund der besonderen Implantatform sofort primärstabil implantiert werden. Das Operationsgebiet wurde verschlossen. Das drei Tage postoperativ angefertigte OPG zeigte eine optimale Positionierung der Implantate und der Augmentation (Abb. 11). Die Verheilungsphase wurde bei der Patientin aufgrund der massiven Augmentation auf acht Monate festgelegt. Diese verliefen absolut unauffällig.

Prothetische Versorgung

Um ein optimales prothetisches Ergebnis zu erzielen, wurde eine präprothetische chirurgische Modellation des Weichgewebes notwendig. Diese wurde im Zuge der Freilegung der Implantate in Form einer Vestibulumplastik im Oberkiefer durchgeführt (Abb. 12 u. 13).
14 Tage nach Freilegung und Einbringen der Vestibulumplastik wurden die Funktionsabformungen mittels eines okklusal offenen Individuallöffels durchgeführt (Abb. 15 u. 16). Zur Kontrolle der korrekten Positionierung wurde ein OPG mit den Abformpfosten angefertigt (Abb. 14).

  • Abb. 12: Vestibulumplastik rechts.
  • Abb. 13: Vestibulumplastik links.
  • Abb. 12: Vestibulumplastik rechts.
  • Abb. 13: Vestibulumplastik links.

  • Abb. 14: OPG mit Abformpfosten.
  • Abb. 15: Die zu abformende Situation im Oberkiefer.
  • Abb. 14: OPG mit Abformpfosten.
  • Abb. 15: Die zu abformende Situation im Oberkiefer.

  • Abb. 16: Der OK-Abdruck.
  • Abb. 17: Herstellung der Gerüste.
  • Abb. 16: Der OK-Abdruck.
  • Abb. 17: Herstellung der Gerüste.

  • Abb. 18: Schichtung der Keramik.
  • Abb. 19: Der im Labor fertig gestellte ZE.
  • Abb. 18: Schichtung der Keramik.
  • Abb. 19: Der im Labor fertig gestellte ZE.

  • Abb. 20a und b: Versorgung in situ.
  • Abb. 20b
  • Abb. 20a und b: Versorgung in situ.
  • Abb. 20b

  • Abb. 21a und b: Okklusalansicht Oberkiefer und Unterkiefer.
  • Abb. 21b
  • Abb. 21a und b: Okklusalansicht Oberkiefer und Unterkiefer.
  • Abb. 21b


In den folgenden acht Wochen fanden die Farbnahme, Bissnahme und computerunterstützte Vermessung der Kiefegelenkbahnen, Gerüsteinprobe sowie die ästhetischen Einproben statt (Abb. 17–19).
Acht Wochen nach der Abformung wurde der Zahnersatz eingegliedert (Abb. 20 u. 21). Die Patientin ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden und nimmt an einem regelmäßigen vierteljährlichen Recall teil. Erstellte Kontrollbilder, zwei Jahre nach der Versorgung, zeigen keine negativen Veränderungen (Abb. 22).

Fazit

Die Erarbeitung eines individuellen Behandlungskonzeptes ist für die Implantatplanung und die Durchführung der Implantation von sehr großer Wichtigkeit. Dabei konnten wir feststellen, dass die Diagnosestellung bei einer bevorstehenden Implantation durch ein dreidimensionales Bild (CT- oder DVT-Aufnahme) positiv beeinflusst wird. Die konkrete Planung von Augmentationsmaßnahmen und Implantatinsertionen werden durch die Anwendung einer Implantatsoftware um ein Vielfaches genauer. Außerdem sollte die Auswahl eines Implantatsystems und eines Implantattyps sehr sorgfältig vorgenommen werden. Die anatomischen Gegebenheiten, die Implantateigenschaften sowie die prothetischen Möglichkeiten des Implantatsystems sollten in Betracht gezogen werden. Schließlich zeichnet sich der Erfolg einer Behandlung nicht nur durch erfolgreiche Osseointegration der inserierten Implantate, eine erfolgreiche Augmentation und eine funktionelle Prothetik aus, sondern misst sich auch an der Zufriedenheit des Patienten und seiner (Wieder-)Integration in sein soziales Umfeld.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Wilfried Thomas Reiche - Dr. Golman von Rimon

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Wilfried Thomas Reiche , Dr. Golman von Rimon