Prothetik

5-jährige Erfahrung in Praxis und Labor

Von der digitalen Abformung zur prothetischen Restauration


Im Jahr 2009 kamen die ersten Mundscanner für die digitale Abformung auf den Markt. Durch die Einführung digitaler Abformtechniken konnten zahntechnische Labore direkt in den digitalen Workflow integriert werden. Das führte u. a. zur Verbesserung des Arbeitsflusses und Vereinfachung der Kommunikation zwischen Zahnarzt und Zahntechniker. Nachfolgend beschreiben ein Kollege und eine Zahntechnikermeisterin ihre Erfahrungen in Praxis und Labor nach 5-jähriger Anwendung der digitalen Abformung, erörtern die Vor- und Nachteile und stellen anhand von Beispielen die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten vor.

Bereits seit 1985 gibt es die Möglichkeit, präparierte Zahnstümpfe digital zu erfassen und in eine STL-Datei umzuwandeln, mit deren Hilfe später eine Krone oder ein Inlay gefräst werden kann [1]. Das CEREC-Verfahren ermöglichte die zeitnahe direkte Anwendung am Patienten ohne zahntechnisches Labor und ohne aufwendige provisorische Versorgungen [2]. Die Aufnahmetechniken wurden ständig weiterentwickelt. Anfang der 1990er-Jahre begann die computergestützte Navigation für Implantate mit stereolithografisch gefertigten Bohrschablonen. Nach 2000 kamen insbesondere in der Zahntechnik bei der Zirkoniumdioxid- und Titan-Bearbeitung CAD/CAM-Lösungen zum Einsatz [3] und seit der Anwendung von Zirkoniumdioxid als Kronenund Brückenmaterial die digitalen Frästechniken. Hierfür wurden anfänglich Modelle eingescannt. Verschiedene Software-Lösungen erlaubten es, komplizierte zahntechnische Arbeiten virtuell zu konstruieren und anschließend fräsen zu lassen. Auch metallische Werkstoffe wurden so bearbeitet. Die Brücke zur klinischen Situation bestand aber immer in der Präzisionsabformung und in der Modellherstellung aus Dentalwerkstoffen. Durch die Entwicklung der digitalen Abformtechniken für den Zahnarzt im Jahr 2009 konnten die zahntechnischen Labore in den durchgehenden Datenfluss direkt einbezogen werden. Dadurch wurde der bedeutsame Anfang für eine ununterbrochene Daten- und Fertigungskette geschaffen. Bei der Herstellung von Zahnersatz werden viele Prozesse miteinander verbunden [4]. Vorher wurden die Meistermodelle oder in wenigen Fällen auch die Präzisionsabformungen vom Zahnarzt oder Zahntechniker eingescannt. Alle Fehler aus der konventionellen Abformtechnologie waren jedoch an dieser Stelle schon nicht mehr korrigierbar. Die „Fehler“ bei der Abformung (Stauchung, zu frühes Ausgießen u. v. m.) wurden somit in den anschließenden digitalen Arbeitsfluss mit integriert.

Konventionelle Abformung und CAD/CAM-Verarbeitung

In der Zahnarztpraxis entstanden Fehlerquellen bei der Abformung aufgrund von Speichel oder Blut, durch Stauchungen bei der Entnahme der Abformung oder durch die Nichteinhaltung der vorgegebenen Aushärtezeiten [5]. Im zahntechnischen Labor entstanden Fehler durch zu frühes Ausgießen bei der Modellherstellung oder durch unkorrekte Mischungsverhältnisse der Modellmaterialien. Durch die Möglichkeit, die präparierte Situation zusammen mit dem Gegenkiefer und Informationen zur Bisssituation direkt aus dem Mund digital zu erfassen und zu übertragen, konnten die oben genannten Fehlerquellen minimiert werden. Ein neuer mit viel mehr klinischen Informationen gefüllter Arbeitsfluss wurde besonders für den Zahntechniker möglich [6].

Digitale Abformung und CAD/CAM-Verarbeitung (Abb.1)

Die Firmen Sirona und 3M ESPE stellten zur IDS 2009 als Erste ihre Mundscanner vor, weitere Firmen folgten. Inzwischen sind bei diesen beiden Firmen bereits Scanner der 2. Generation auf dem Markt erhältlich. Die Tabelle 1 zeigt eine Übersicht verschiedener Systeme.

  • Abb. 1: Unterschiedliche Wege des digitalen Datenflusses.
  • Tab. 1: Vergleichende Ãœbersicht aktueller Scansysteme und deren Besonderheiten [27].
  • Abb. 1: Unterschiedliche Wege des digitalen Datenflusses.
  • Tab. 1: Vergleichende Ãœbersicht aktueller Scansysteme und deren Besonderheiten [27].

Für die digitale Erfassung muss bei allen Systemen eine genau definierte Präparationsgrenze angelegt werden [7]. Tangentialpräparationen sind für die digitale Aufnahmetechnik nicht geeignet. Die bekannten Präparationstechniken für die jeweilige Versorgung können unverändert durchgeführt werden. Das Gingivamanagement [8] und die exakte Darstellung der Präparationsgrenze sind besonders wichtig; die zu scannenden Gebiete müssen trocken sein [9]. Der Scanner kann nur das aufnehmen, was man auch sehen kann. Die Form des Aufnahmehandstückes der einzelnen Systeme ist sehr unterschiedlich, hier kann es systembedingte Einschränkungen bei der Aufnahme schwer zugänglicher Bereiche geben. Für einige Systeme wird eine Puderung der Oberflächen notwendig (Tab. 1).

Beim Lava COS und dem True Definition Scanner dient die nur angedeutete dünne Puderung der Bildung von Fixationspunkten während der unter Bewegung durchgeführten Aufnahme. Durch die 3 nebeneinander angeordneten Linsen mit je 7 Kameras wird ein echtes 3D-Bild erzeugt – die Zugänglichkeit schwer erreichbarer Areale im Mundraum ist sehr gut. Bei der Bluecam wird die komplette Puderung zur Erzeugung einer reflexfreien Oberfläche benötigt. Je nach Hersteller können einzelne Zähne, Zahngruppen oder komplette Kiefer aufgenommen werden. Es gibt derzeit unterschiedliche Modellsysteme und Anbieter. In den ersten Jahren wurden die Modelle ausschließlich stereolithografisch hergestellt – aktuell gibt es auch Frästechniken, 3D-Drucker und das DLP-Verfahren (Direct Light Processing) sowie mehr oder weniger ausgereifte Modellfräsmaschinen mit individueller Software [10].

Anwendungsmöglichkeiten

Waren 2009 die Indikationen noch sehr eingeschränkt, so sind sie heute sehr vielfältig:

  • Ãœbertragung der Präparationen von Inlays, Veneers, Kronen, Brücken und Teleskopen
  • Ãœbertragung von Implantatsituationen für viele Implantatsysteme zur direkten Fertigung gefräster Abutments oder Bohrschablonen [11]
  • Herstellung von Situations- und Gegenbissmodellen, auch für die Schienenanfertigung und für die Kieferorthopädie
  • Ãœbertragung der Bisssituation.

  • Abb. 2a und b: Offener Biss und Schlussbiss von vestibulär.

  • Abb. 2a und b: Offener Biss und Schlussbiss von vestibulär.
Selbst die Übertragung der Bisssituation ist möglich, jedoch bei den meisten Systemen nur nach manueller Zuordnung bei der digitalen Bearbeitung. Beim Lava COS wird die aus dem Mund gescannte Bisssituation automatisch in den virtuellen Artikulator überführt (Abb. 2a u. b).

Weiterhin kann der Datensatz gespeichert und bei Bedarf für eine Neuanfertigung genutzt werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für den Zahntechniker:

  1. Je nach Erfahrung, Laborprofil oder Ausstattung kann die Übertragung des Datensatzes auf eine einfache Laborsoftware (z. B. Lava Laboratory Software) erfolgen, um die Patientensituation einzuartikulieren, die Sägeschnitte herzustellen und die Unterkehlungen und Präparationsgrenzen festzulegen. Diese Variante ist sozusagen nur als Vorbereitung für die Modellherstellung notwendig. Gerade für kleinere Labore ist dies sehr interessant. Parallel dazu geht der Datensatz zum Fräszentrum. Der Zahntechniker bekommt dann vom Fräszentrum den unaufgepassten „Rohling“ und von der Modellherstellungsfirma das Modell. Das Aufpassen, die Feinausarbeitung und ggf. die Verblendung werden wie gewohnt vom Zahntechniker durchgeführt.
  2. Der Zahntechniker hat eine „Designsoftware“ und bearbeitet und konstruiert seine prothetische Restauration selbst, bevor er die Daten zum Fräsen schickt.
  3. Der Datensatz geht nicht zum Fräszentrum, die o. g. Arbeitsschritte zur Modellherstellung werden vom Zahntechniker durchgeführt, das Modell wird wie vorher die Superhartgipsmodelle erneut eingescannt und wie gewohnt weitergearbeitet.

Die 3. Möglichkeit erscheint auf den ersten Blick seltsam, hilft aber vielen unentschlossenen Zahntechnikern, möglichst viele Arbeiten im eigenen Betrieb zu belassen und dennoch auf diese modernen Methoden zurückgreifen zu können. Über die Präzision der digitalen Übertragung gibt es bereits etliche Untersuchungen, dabei sind Ungenauigkeiten von 10–25 ?m angegeben worden [12,13].

Vorteile

Für den Zahnarzt ergeben sich gänzlich neue Möglichkeiten. Eine Kontrolle der Präparation, insbesondere der Präparationsgrenze und der okklusalen Platzverhältnisse, sind sofort, auch vergrößert und in 3D-Ansicht sowie bei Bedarf von oral, möglich [14]. Beim Lava COS wird durch die räumlich getrennte Anordnung der Aufnahmekameras im Handstück ein „echtes“ 3D-Bild erzeugt, welches mit einer entsprechenden Brille betrachtet wird. Spätestens hierbei werden Unterschiede der Systeme deutlich. Im „echten“ 3D-Bild können schwierige Präparationsstellen für Zahnarzt und Zahntechniker viel deutlicher dargestellt werden als bei den anderen, „errechneten“ 3D-Darstellungen. Von großem Vorteil ist die schnellere und präzisere Kommunikation [15] mit dem zahntechnischen Labor. Bereits während oder gleich nach der Präparation können Daten direkt online an den Zahntechniker übermittelt und mit ihm besprochen werden. Etwaige Korrekturen können sofort am Patienten durchgeführt und erneut in das Labor übertragen werden – eine erneute Einbestellung und ggf. Anästhesie entfallen dadurch. Weiterhin bekommt der Zahntechniker einen direkten Einblick in die klinische Situation. Sozusagen per Mausklick können die Abstände zum Gegenkiefer sichtbar gemacht werden.

Desinfektion, Lagerung und Transport der Abformung in das Labor entfallen. Gerade im ländlichen Raum ist dies sehr vorteilhaft. Fehler, welche sich bei der Lagerung, beim Ausgießen der Abformung und beim Sägeschnitt ergeben können, werden ausgeschlossen. Wichtige Arbeitsschritte wie die Nutzung eines Gesichtsbogens sind problemlos möglich. Korrekturen können sofort durchgeführt bzw. mit dem Zahntechniker besprochen werden.

Wünschenswert wäre ein „digitaler Radiergummi“, um z. B. nachträglich Korrekturen an bestimmten Arealen durchzuführen. Bei Einzelzahnversorgungen und kleinen Brücken ergibt sich auch eine nicht unwesentliche Zeitersparnis gegenüber der konventionellen Abformung. Sind mehrere Stümpfe in unterschiedlichen Quadranten aufzunehmen, kann wesentlich stressfreier gearbeitet werden.

Während beispielsweise im 1. Quadranten 3 Stümpfe in Ruhe aufgenommen werden, können die Stümpfe im 2. Quadranten später gescannt und hinzugefügt werden. Das quadrantenweise Einscannen bewährt sich vor allem bei mehreren Stümpfen im Unterkiefer, deren Trockenlegung durch Zunge und Speichel erschwert ist. Hier kann deutlich stressfreier gearbeitet werden, indem die Quadranten einzeln für die Aufnahme vorbereitet und aufgenommen werden können. Die genauere Darstellung der Präparation, vergrößert und in dreidimensionaler Ansicht, ermöglicht ein hohes Maß an Selbstkontrolle. Für den Patienten ist die digitale Abformung zumindest ein besonderes Erlebnis. Die Angst vor dem Würgereiz entfällt und weicht dem Interesse an der modernen Technik. Gleichfalls können ungeplante Wiederholungssitzungen und Abformungen entfallen. Ein Blick auf den Monitor hinterlässt beim Patienten einen sehr positiven Eindruck und führt zu mehr Achtung vor unserer Arbeit.

Schwachpunkte

Nachteilig sind die hohen Anschaffungskosten. Der Mundscanner kann sich durch die moderaten Abrechnungsmöglichkeiten in der GOZ (0065) leider nicht sofort und schon gar nicht vollständig amortisieren. Dies ist ein großer Hinderungsgrund für die Anschaffung solcher Systeme. Natürlich gibt es noch weitere Aspekte. Nicht jeder Zahnarzt oder Zahntechniker möchte sich in eine direkte Abhängigkeit von externen Dienstleistern begeben. Die Online-Verbindung kann schlecht sein, die Versandwege können nicht funktionieren, Päckchen können verloren gehen oder Modelle fehlerhaft sein. Für die Nutzung der Software oder der Firmenportale fallen ebenfalls Kosten an. Rechtliche Fragen bleiben offen: Wer ist für die Genauigkeit verantwortlich und ist der Datenschutz immer gewährleistet?

  • Abb. 3: Einartikulierte Modelle.

  • Abb. 3: Einartikulierte Modelle.
Neue und nicht beeinflussbare Abhängigkeiten resultieren für Zahnarzt und Zahntechniker, besonders im Zusammenhang mit der Modellherstellung und den entsprechenden Transportwegen. Das alles sind neue Herausforderungen, die beim konventionellen Arbeitsablauf nur bedingt existierten. Als größter Schwachpunkt hat sich bis heute die Modellherstellung erwiesen. Obwohl die Daten für das gesägte Modell und das ungesägte Modell aus einem Datensatz kommen, sind Unterschiede feststellbar. Die Modellsockel aus Kunststoff sind nicht genug verwindungsstabil. Die Einzelstümpfe sind bei einigen Systemen nicht genau genug fixierbar, eine korrekte Kontaktpunktgestaltung ist oft nur nach umfangreicher Erfahrung möglich. Artikulationsbewegungen im Kunststoffokkludator sind zwar durchführbar, jedoch nicht funktionsanalytisch verwertbar. Bis heute gehen Vorteile der supergenau und präzise erfassten Präparationsdaten durch diese Modellsysteme verloren; hier muss die Zukunft Verbesserungen bringen (Abb. 3).

Basierend auf dem STL-Datenformat werden die Modelle stereolithografisch hergestellt oder gedruckt bzw. mittels Fräsen hergestellt [16]. Anfänglich waren die Systeme „geschlossen“, d. h., jede Firma hatte ein eigenes Modellsystem, welches nicht für andere Systeme kompatibel war.

Dies hat sich in den letzten 2 Jahren verändert. „Offene“ Systeme erlauben dem Zahnarzt oder dem Zahntechniker eine individuelle Auswahl der Modellhersteller. Es gibt bereits Anbieter, die eine individuelle Modellherstellungssoftware und Materialien anbieten, mit denen Modelle selbst konstruiert und hergestellt werden können. Weiterhin sind Systeme, die eine Puderung erfordern, für den Patienten lästig und in der Anwendung schwieriger. Beim Cerec-System [17] dient die Puderung der Herstellung einer spiegelfreien Oberfläche; die gesamte aufzunehmende Fläche muss dünn und gleichmäßig bepudert werden. Bei dem Lava COS wird nur ganz wenig gepudert, um Fixations- und Orientierungspunkte für die Erfassung der Daten unter Bewegung zu ermöglichen. Gerade bei Aufnahmen des gesamten Unterkiefers ist dies nicht immer einfach. Die Systeme ohne Puderung setzen aber auch eine trockene Oberfläche für eine exakte Aufnahme voraus – auch dies führt gerade im Unterkiefer zu Problemen. Übertragungen vom zahnlosen Kiefer sind leider genauso wenig möglich wie die Darstellung funktioneller Bewegungen – hier wird es in der Zukunft sicher neue Lösungswege geben.

Einführung der digitalen Abformung in unsere Praxis

  • Abb. 4: Vorbereitung zum Scannen.

  • Abb. 4: Vorbereitung zum Scannen.
Unsere Praxis verfügt über ein komplettes zahntechnisches Labor mit einer Zahntechnikermeisterin und einer Zahntechnikerin. Ziel war, möglichst viele Arbeitsschritte und Prozesse in die Zahntechnik zu verlagern – eine direkte zeitnahe Herstellung am Patienten war nicht geplant. Im September 2009 entschieden wir uns für den Chairside-Oral-Scanner (COS, 3M ESPE). Seine technische Ausstattung, die Funktionalität und das hygienefreundliche Design beeindruckten uns. Auch die Möglichkeit, echte 3D-Bilder aufzunehmen, hat uns überzeugt. Für die Nutzung in der Praxis war nur ein VDSL-Anschluss notwendig, für das zahntechnische Labor ein extrem schneller Rechner mit besonderem Grafikprogramm für die COS-Laborbearbeitungssoftware. Wir wollten nicht nur Präparationen für Einzelzahnrestaurationen (Inlay, Veneer, Teilkrone, Krone,) digital aufnehmen, sondern auch Brücken und Primärteile für Teleskoparbeiten. Voraussetzung für die digitale Erfassung sind eine sichtbare Präparationsgrenze und eine gut durchgeführte Trockenlegung der Gingiva. Der Ablauf der digitalen Abformung ist einfach und unkompliziert. Die Lippen werden mit einem Optragate und Speichel an der Wange und im Mundboden mit „Drypads“ abgehalten. Diese vorbereitenden Maßnahmen können von der ZFA durchgeführt werden. Die Erfassung der Daten der präparierten Zähne sowie die Bissübertragung werden vom Zahnarzt durchgeführt [18] (Abb. 4).

Optional kann man auch vor der Erfassung mit dem Handstück des COS im Videomodus ähnlich wie bei einer intraoralen Kamera die korrekte Lage der Fäden und den Sulkus kontrollieren. Nach Trocknung [19] mit dem Luftbläser wird ganz dünn ein Scan-Puder aufgetragen – er dient als Fixationspunkt bei der Abtastung der Zähne in Bewegung. Das Aufnehmen der klinischen Situation erfolgt unter Bewegung des Handstücks und kann direkt auf dem Monitor nachvollzogen werden. In Echtzeit werden die aufgenommenen Areale sichtbar. Nachträgliche Kontrollen und Korrekturen sind möglich. Sind beide Kiefer eingescannt, wird die Bisssituation im Schlussbiss aufgenommen – der Scanner fügt dann je nach System automatisch oder von Hand die beiden Kiefer in dieser Situation zusammen. Mit einem sehr leicht zu bedienenden Touchscreen kann die Aufnahme vergrößert, gedreht und damit von allen Seiten betrachtet werden – alles funktioniert hygienisch problemfrei. Das System wandelt die aufgenommenen Daten in eine CAD/CAM-taugliche STLDatei [20] um. Die Daten werden nach entsprechend ausgefülltem Laborauftrag online ins Labor übertragen (Abb. 5a und b). Nachdem die Kieferscans im virtuellen Artikulator einartikuliert wurden, werden die Sägeschnitte gesetzt und anschließend die Präparationsgrenzen und die Unterkehlungen markiert. Jetzt wird die Patientensituation an das Fräszentrum und an die Modellherstellungsfirma, in unserem Fall die Firma Dreve (Innovation Meditech), gesendet. Nach etwa 3 Tagen treffen die Modelle im Kunststoffokkludator als Sägemodell mit einer zusätzlichen ungesägten Kiefersituation ein. Bei schwierigen Situationen können auch diese Modelle noch einmal eingescannt werden. Für den Zahntechniker beginnt nun das Aufpassen der Restauration auf dem Modell und die individuelle Fertigstellung bzw. Verblendung. Eine exakte Kontrolle der Passung ist immer auf dem Modell möglich. Seit August 2014 arbeiten wir mit dem neuen True Definition Scanner von 3M. Das Handteil ist deutlich kleiner, ergonomischer und leichter. Die Software wurde vom Lava-COS übernommen. Der Touchscreenmonitor ist größer. Die Daten sind jetzt mit anderen Systemen kompatibel (Abb.6 a und b). Die ersten Fälle verliefen mit dem neuen System problemlos.

  • Abb. 5a: Sägeschnitte und Schlussbisssituation.
  • Abb. 5b: Ansicht aller Arbeitsschritte in Laborsoftware.
  • Abb. 5a: Sägeschnitte und Schlussbisssituation.
  • Abb. 5b: Ansicht aller Arbeitsschritte in Laborsoftware.

  • Abb. 6a: True Definition Scanner.
  • Abb. 6b: Das Handteil ist ergonomisch und leicht.
  • Abb. 6a: True Definition Scanner.
  • Abb. 6b: Das Handteil ist ergonomisch und leicht.

Beispiele

Inlay

Für die Datenübertragung zur Herstellung eines Inlays, Onlays oder einer Teil- bzw. Vollkrone ist die digitale Abformung mit oder ohne Meistermodelle bestens geeignet. In den allermeisten Fällen liegen die Präparationsgrenzen supragingival – eine trockene Oberfläche kann fast immer gewährleistet werden. Weiterhin wird meist quadrantenweise saniert, sodass die Kiefer nicht vollständig aufgenommen werden müssen. Je nach System und der Gestaltung der Aufnahmeeinheit können auch weit distal gelegene Präparationen unkompliziert erfasst werden. Der Lava COS eignet sich hierfür ideal. Grundsätzlich sind alle Materialien für Inlays wie z. B. Goldlegierungen, Keramik oder Kunststoff mit dieser Technik anwendbar.

Frontzahnkronen

Bei Fronzahnkronen ist es ähnlich wie bei schwierigen, subgingivalen Präparationen an Seitenzähnen. Hier kommt aber noch die Länge der präparierten Stümpfe zu den natürlich schon aus ästhetischen Gründen tiefer liegenden Präparationsgrenzen hinzu. Zumindest für den Lava COS konnten wir feststellen, dass, wenn die Präparationsrichtlinien eingehalten werden, eine sehr gute Übertragung möglich ist. Auch hier ist es vorteilhaft, dass die einzelnen, meist subgingival präparierten Stümpfe nacheinander aufgenommen werden können. Eine Kontrolle ist sofort möglich sowie auch Korrekturen direkt im Anschluss ohne aufwendige Zusatzsitzungen.

Größere (5-gliedrige) Brücken

Die Freigaben für die Indikation von Zirkoniumdioxidbrücken sind unterschiedlich. Wir haben bisher mit bis zu 6-gliedrigen Brücken sehr gute Erfahrungen gemacht. Für die digitale Abformung stellt das kein Problem dar. Selbstverständlich benötigt man für solche Arbeiten ein Modell. Durch die Möglichkeit, die Präparationen zeitversetzt aufzunehmen und Korrekturen durchzuführen, kann hierbei gegenüber der konventionellen Abformung viel stressfreier gearbeitet werden (7a u. b).

  • Abb. 7a u. b: Gerüst und fertige Arbeit auf dem Modell.
  • Abb. 8a und b: Situation im Mund und auf dem Modell.
  • Abb. 7a u. b: Gerüst und fertige Arbeit auf dem Modell.
  • Abb. 8a und b: Situation im Mund und auf dem Modell.

Schwierige Brückensituationen

Oft wird irrtümlicherweise behauptet, mit einer digitalen Abformung können maximal nur supragingivale oder paragingivale Präparationen aufgenommen werden – das stimmt nur teilweise. Für manche Systeme und Aufnahmetechniken kann das richtig sein; für den Lava COS gilt dies nicht. Wenn eine sichtbare Stufe präpariert wurde und die Situation trocken ist, dann können durchaus auch subgingivale Bereiche von 1–2 mm Tiefe aufgenommen werden. In der „echten“ 3D-Ansicht der meisten Systeme, also nicht dem lediglich errechneten 3D-Bild, lässt sich die Präparationsgrenze gut darstellen und markieren. Es besteht auch hier die Möglichkeit, wie auch bei der konventionellen Abformung, die Aufnahme für die Übertragung erst 2–3 Tage nach der Präparation durchzuführen (Abb. 8a und b).

Restaurationen mit Doppelkronen

Neben den schon erwähnten Vorteilen beim direkten Übertragen der Präparation aus dem Patientenmund kann hier auch sofort die Bisssituation übertragen werden. Jeder Zahntechniker kennt das Problem – die Abformung für die Primärteile ist da und der Gegenbiss kann nicht richtig zugeordnet werden, da ja meist die Bissnahme erst auf dem Funktionsmodell gemacht wird. Wenn alle Restzähne beschliffen wurden, setzt man nach dem Aufnehmen der präparierten Situation rechts, mittig oder links die Provisorien auf und lässt den Patienten die Zahnreihen schließen, so kann auf der anderen Seite die Bisssituation eingescannt werden. Der Zahntechniker erhält somit schon bei der Übertragung wichtige Informationen zur Bisslage (Abb. 9a–d). Mit dem Lava COS kann man 3 verschiedene Ansichten wählen: Seite links, Seite rechts und Front. Die Modelle gelangen dann exakt in dieser Position im Kunststoff-Modell-Okkludator ins Labor. Parallel dazu gehen diese Daten zum Fräszentrum und es werden die Primärteile in Nullgradfräsung (bei 1–2 Primärteilen) oder Eingradfräsung (bei mehr als 2 Primärteilen) konstruiert und hergestellt.

  • Abb. 9a: Situation nach Präparation.
  • Abb. 9b: Screenshot vom COS-Monitor.
  • Abb. 9a: Situation nach Präparation.
  • Abb. 9b: Screenshot vom COS-Monitor.

  • Abb. 9c: Einprobe der Primärteile.
  • Abb. 9d: Ansicht nach Fertigstellung.
  • Abb. 9c: Einprobe der Primärteile.
  • Abb. 9d: Ansicht nach Fertigstellung.

Die weiteren Arbeitsschritte sind dieselben wie bei der konventionellen Arbeitsweise. Lediglich für die Herstellung eines funktionellen Abformlöffels sollte nach dem Scan bei größeren unbezahnten Kieferarealen eine konventionelle Situationsabformung angefertigt werden. Für alle Restaurationen mit Doppelkronen ist die digitale Abformung für die Primärteile eine ausgezeichnete Basis für den weiteren Arbeitsfluss. Die digitale Abformung bietet hier einen weiteren Vorteil – man kann die Seiten nacheinander einzeln trockenhalten und aufnehmen. Die gesamte Abformung läuft dadurch wesentlich stressfreier ab und bringt sehr gute Ergebnisse. Auch hier sind wieder – je nach Wunsch des Zahntechnikers – verschiedene Vorgehensweisen denkbar. Einerseits können die Primärteile direkt aus dem Datensatz konstruiert und gefräst werden, andererseits kann das Modell für die weitere konventionelle Arbeitsweise genutzt werden.

Schienen

Für die Herstellung von Schienen können die entsprechenden Modelle ebenfalls problemlos digital abgeformt werden (Abb. 10a u. b). Eine vorherige Bearbeitung im Labor wird hierbei nicht nötig – die Daten werden direkt an eine Modellherstellungsfirma geschickt und die Modelle kommen wenige Tage später direkt in die Praxis bzw. in das zahntechnische Labor. Die Speicherung der Daten auf CD lässt immer eine Reproduktion der Ausgangssituation zu. Es wird bereits daran gearbeitet, dass nach einer bestimmten Zeit erneut die Situation im Mund aufgenommen wird und die Daten dann miteinander durch eine entsprechende Software verglichen und sichtbar gemacht werden. Man stelle sich vor, winzige und mit dem Auge nicht wahrzunehmende funktionelle Fehlkontakte werden auf dem Bildschirm plötzlich für uns Zahnärzte sichtbar! Was hätte das forensisch für uns für Vorteile, wir könnten routinemäßig die „Ausgangssituation“ mit einem kompletten Scan dokumentieren und je nach Tragezeit durch einen erneuten Scan die Abrasionen und Schlifffacetten bzw. Fehlbelastungen dokumentieren.

  • Abb. 10a: Schiene auf Modell.
  • Abb. 10b: Modelle einartikuliert.
  • Abb. 10a: Schiene auf Modell.
  • Abb. 10b: Modelle einartikuliert.

Scan mit True Definition

Bei einem jungen Patienten war eine Brückenversorgung zum Ersatz von Zahn 11 erforderlich. Die leichte Puderung wird genau wie beim Lava COS aufgebracht. Der Scanablauf ist unverändert – in Echtzeit kann das Ergebnis auf dem großen Monitor eingesehen werden (Abb. 11a–c). Die Passung der Arbeit war optimal.

  • Abb. 11a: Screenshot True Definition.
  • Abb. 11b: Fertigstellung auf Modell.
  • Abb. 11a: Screenshot True Definition.
  • Abb. 11b: Fertigstellung auf Modell.

  • Abb. 11c: Fertigstellung im Mund.
  • Abb. 11c: Fertigstellung im Mund.

Schlussfolgerung

Nach über 5-jähriger Anwendung der digitalen Abformung in mehr als 250 Patientensituationen und bei mehr als 500 präparierten Zähnen können wir für unsere Praxis und unser Labor feststellen, dass dieses System praxistauglich ist. Die größten Schwachpunkte stellen für uns die Modellsysteme dar. Die Arbeit mit Modellen ist aber für uns die Voraussetzung für die Anwendung bei umfangreichen Restaurationen. Eine genaue Präparationsgrenze ist unabdinglich für die genaue Übertragung und den prothetischen Erfolg [24]. Für den Patienten ist die digitale Abformung zwar interessant, aber nicht immer angenehmer.

Patienten mit Abformphobie oder starkem Würgereiz profitieren von den neuen digitalen Abformsystemen. Die Zeitersparnis muss insgesamt betrachtet werden. Für das Gingivamanagement wird genauso viel Zeit benötigt, wie bei der konventionellen Abformung. Durch die direkte Korrekturmöglichkeit beim Scannen wird jedoch insgesamt Zeit eingespart. Die Aufnahmeeinheit (Lava COS) ist praxistauglich und nimmt selbst schwer zugänglich Areale problemlos und genau auf – eine anatomisch bedingte Einschränkung konnten wir hierbei nicht feststellen. Die Genauigkeiten sind mindestens ebenso gut wie bei der herkömmlichen Präzisionsabformung [25,26]. Die Abhängigkeit von Dritten wie Paketdienst, Onlinesystemportal, Geräteherstellersupport, Internetanbieter, Modellhersteller sowie die oft nur in englischer Sprache verfassten Supportberichte sind gewöhnungsbedürftig, stellen aber kein Hindernis dar. Die Aspekte der Selbstkontrolle, des Qualitätsmanagements, der forensischen Nutzung und der Reproduzierbarkeit spielen eine große Rolle und kommen immer mehr zum Tragen. Trotz vieler Anwendungsmöglichkeiten löst die digitale Abformung in unserer Praxis und unserem zahntechnischen Labor nicht die konventionelle Abformung vollständig ab. Schon deswegen nicht, da für einfache Regelversorgungen oft kein finanzieller Spielraum für die entsprechende Zuzahlung besteht. Aus unserer „praktischen“ Sicht ist die zunehmende Digitalisierung keine Sackgasse. Wir sind gespannt auf die weiteren Entwicklungen, denken aber, dass es noch mindestens 5–10 Jahre dauern wird, bis diese Systeme in den Zahnarztpraxen und zahntechnischen Laboren selbstverständlich integriert werden.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Christoph Meißner - ZTM Ina Meißner

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Christoph Meißner , ZTM Ina Meißner


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