Prothetik


Retention und Widerstandsform bei zementierten Kronen und Brücken – Teil 1

21.10.2010

Abb. 1: Retention: Der Halt einer mit Phosphatzement zementierten Krone bei vertikalen Abzugskräften fällt bei zunehmenden Kegelwinkel sehr rasch ab (nach Jørgensen10).
Abb. 1: Retention: Der Halt einer mit Phosphatzement zementierten Krone bei vertikalen Abzugskräften fällt bei zunehmenden Kegelwinkel sehr rasch ab (nach Jørgensen10).

Die herkömmliche Zementierung prothetischer Arbeiten aus hochbelastbaren Materialien bringt verschiedene klinische Vorteile. Dabei spielt die geometrische Form der Präparation eine bedeutende Rolle für eine dauerhafte, erfolgreiche Zementierung. Da das Präparationsdesign allein in der Hand des Zahnarztes liegt, ist es wichtig, sich die Zusammenhänge von geometrischem Halt und Widerstandsform immer einmal wieder in Erinnerung zu rufen. Der folgende Überblick ist ebendazu gedacht und unterstreicht die Bedeutung von bewusst angelegten Retentionsrillen, retentiven Kästen wie auch parallelen Wänden im Rahmen der Präparation.

Die zunehmende Verbreitung vollkeramischer Kronen und Brücken stellt den Praktiker häufig vor die Frage der richtigen Befestigung. Schwach belastbare Materialien, wie Silikatkeramiken, erfordern materialbedingt a priori eine adhäsive Befestigung und schließen die Verwendung konventioneller Zemente aus. Anders verhält es sich bei hochfesten Gerüsten, z. B. aus Zirkonoxid. Diese weisen den klinischen Vorteil auf, dass eine herkömmliche Zementierung möglich ist. Eine solche wiederum ist in der klinischen Anwendung schneller, einfacher und weniger empfindlich gegenüber einer Kontamination. Bei zementierbaren Restaurationen ist es in erster Linie der Umstand, ob ausreichend Retention und Widerstandsform vorhanden ist, der darüber entscheidet, ob alternativ die adhäsive Befestigung vorteilhafter oder sogar erforderlich ist. Die Faktoren des geometrischen Halts werden trotz ihrer enormen Bedeutung in der täglichen Praxis bereits bei der Präparation häufig nicht ausreichend beachtet oder sorgfältig genug umgesetzt.

Grundsätzliches zur Restaurationsverankerung

  • Abb. 2: Nomenklatur der Winkel. Abb. 3: Ab einem Konvergenzwinkel von ca. 6° werden die Stümpfe (Ø 5 mm, Höhe 6 mm) deutlich konisch. Die Winkelangaben beziehen sich auf den Konvergenzwinkel.

  • Abb. 2: Nomenklatur der Winkel. Abb. 3: Ab einem Konvergenzwinkel von ca. 6° werden die Stümpfe (Ø 5 mm, Höhe 6 mm) deutlich konisch. Die Winkelangaben beziehen sich auf den Konvergenzwinkel.
Eine Restauration kann die funktionellen, biologischen und ästhetischen Anforderungen nur erfüllen, wenn sie sicher und fest auf dem Zahn verankert ist. Das Maß an Retention muss ausreichend groß sein, um abhebelnden funktionellen Kräften zu widerstehen. Bei konventionell zementierten Versorgungen spielt dabei die geometrische Form der Präparation die größte Rolle. Sie entscheidet über den dauerhaften Halt, da sie die Orientierung der Grenzflächen zwischen Zahn und Restauration bestimmt, die dementsprechend entweder auf Kompression, Zug oder Scherung beansprucht werden. Die Präparationsform unterliegt außerdem der vollständigen Kontrolle des Zahnarztes.

Alle konventionellen Zemente besitzen ihre höchste Festigkeit unter Druckbelastung1. Die Haftkraft zwischen Krone und Stumpf beruht auf einer Verriegelung durch die Zementkörner2. Bei der Verwendung von

  • Abb. 4: Eine Retentionsrille limitiert die möglichen Einschubrichtungen.

  • Abb. 4: Eine Retentionsrille limitiert die möglichen Einschubrichtungen.
Phosphatzement weisen glatt finierte oder polierte Zahnoberflächen die geringsten Haftwerte auf3. Dort, wo eine Restauration direkt von der Zahnoberfläche abgezogen wird, verhindern nur die sehr schwachen adhäsiven Eigenschaften des Zementes ein Ablösen. Phosphatzement (ZnPO4) weist eine hohe Druckfestigkeit (80–140 MPa), aber eine sehr geringe Zugfestigkeit (5–8 MPa) auf4,5. Phosphatzemente besitzen so gut wie keine adhäsiven Hafteigenschaften an der Zahnhartsubstanz, sodass sich der Verbund von einer der beiden Flächen löst, noch bevor die geringe Zugfestigkeit zum Tragen kommt. Glasionomerzemente zeigen höhere Haftwerte an der Zahnhartsubstanz als ZnPO4-Zemente6. Im Vergleich zur modernen Adhäsivtechnik jedoch ist die GIZ-Haftung an Schmelz und Dentin als geringer einzuschätzen7–9 und nicht ausreichend, um die Faktoren geometrischer Halt und Widerstandsform vernachlässigen zu können. Während mittels Schmelzätzung adhäsiv befestigte Glaskeramik (z. B. Inlays, Veneers, Teilkronen) auch ohne jeglichen mechanischen Halt dauerhaft befestigt werden können, kann eine vollständig fehlende Retention von – meist ausschließlich auf Dentin geklebten – Kronen oder Brücken durch adhäsive Befestigungsmaterialien nicht immer sicher kompensiert werden. Insbesondere weitspännige falsch präparierte Brücken können sich trotz einer Verklebung am distalen Pfeiler dezementieren. In der Praxis hängen Retention und Widerstandsform eng miteinander zusammen und sind nicht immer klar zu trennen.

Die Retention

  • Abb. 5a: Parallel zur Einschubrichtung wirkende Belastungen, die innerhalb der nach okklusal projizierten Präparationsgrenzen auftreffen, erzeugen keine Kippmomente. Die Krone wird an jeder Stelle der Innenfläche in Richtung Stumpf gedrückt.

  • Abb. 5a: Parallel zur Einschubrichtung wirkende Belastungen, die innerhalb der nach okklusal projizierten Präparationsgrenzen auftreffen, erzeugen keine Kippmomente. Die Krone wird an jeder Stelle der Innenfläche in Richtung Stumpf gedrückt.
  • Abb. 5b: Diagonal oder horizontal auftretende Kräfte erzeugen einen Torque, der die Krone um einen Punkt am Kronenrand rotieren lässt, der dem Kraftvektor am nächsten liegt.

  • Abb. 5b: Diagonal oder horizontal auftretende Kräfte erzeugen einen Torque, der die Krone um einen Punkt am Kronenrand rotieren lässt, der dem Kraftvektor am nächsten liegt.
  • Abb. 5c: Außerhalb der Präparationsgrenzen können auch vertikale Kräfte eine Rotation bewirken.

  • Abb. 5c: Außerhalb der Präparationsgrenzen können auch vertikale Kräfte eine Rotation bewirken.
Retention ist die Eigenschaft einer Präparation, der Entfernung einer Restauration entgegen ihrer Einschubrichtung entgegenzuwirken. Senkrecht abziehende Kräfte können im Mund bei sehr klebrigen Speisen oder aufgrund von Hebelwirkungen bei Brücken auftreten.

Bei zementierten Versorgungen spielen dabei die physikalischen Eigenschaften des Zementes, insbesondere dessen Scher- und Zugfestigkeit in Zusammenhang mit der Oberflächenrauigkeit der Flächen sowie seine Haftung, eine große Rolle. Je konischer ein Stumpf ist, desto mehr wird der Zement bei abziehenden Kräften auf Zug belastet. Daher steht die Retention im Zusammenhang mit den Eigenschaften des verwendeten Zementes sowie der Oberflächenbeschaffenheit von Zahn und Restauration und fällt mit zunehmenden Konuswinkel sehr rasch ab (Abb. 1).

Der Kegelwinkel oder Konuswinkel entspricht der Summe der gegenüberliegenden Konvergenzwinkel, um welche die Steigung der Präparation von der Kronenlängsachse abweicht (Abb. 2). Für Vollkeramikkronen wird in der Regel ein Präparationswinkel von mindestens 3° empfohlen11,12.

In der Abbildung 3 sind zur Veranschaulichung runde Kronenstümpfe mit 5 mm Durchmesser an der Basis und 6 mm Höhe bei unterschiedlichen Präparationswinkeln dargestellt.

Bei erfahrenen Behandlern wurden durchschnittliche Präparationswinkel (Konvergenzwinkell) von 7,3° gefunden. Je nach Lokalisation und Zugänglichkeit variierten die Werte von 4,3° bis 13,3°13. Die Auswertung von Modellen in einem Dentallabor in den USA ergab einen Durchschnittswert von 10°14. Es ist davon auszugehen, dass im Praxisalltag generell konischer präpariert wird als die geforderten 3°. Je größer die Gesamtoberfläche des Stumpfes ist, desto größer ist die retentive Fläche. Die Größe ist vor allem durch die Größe des Zahnes bestimmt und kann durch die Präparation nur in Grenzen beeinflusst werden. Wichtiger als die Größe der Oberfläche ist das Vorhandensein möglichst vieler gegenüberliegender paralleler Wände, da dort der Zement nur auf Scherung und nicht auf Zug belastet werden kann. Je konischer ein Stumpf ist, desto mehr mögliche Abzugsrichtungen entstehen, wodurch sich das Risiko einer Dezementierung erhöht. Im Idealfall ist die Präparation so angelegt, dass es nur eine einzige Einschubrichtung gibt15. Retentionsrillen können dies bewirken (Abb. 4).

 

 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Jan Hajtó

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Jan Hajtó