Prothetik


Die adhäsive postendodontische Versorgung stark zerstörter Pfeilerzähne mit indirekten Restaurationen

Endodontisch behandelter Zahn 16 nach Entfernung des präendodontischen Aufbaus.
Endodontisch behandelter Zahn 16 nach Entfernung des präendodontischen Aufbaus.

Epidemiologische Untersuchungen im bleibenden Gebiss ermittelten, dass 10 % aller Zähne eine Wurzelkanalbehandlung aufweisen [1]. Demnach ist die Prävalenz in modernen Populationen mit einem hohen Wohlstandsindikator entsprechend dem Human Development Index der Vereinten Nationen mit annähernd 2 endodontisch behandelten Zähnen (EBZ) pro Patient sehr hoch. In der Altersgruppe über 65 Jahre steigt die Häufigkeit für EBZ auf 21 % [2]. Der langfristige Therapieerfolg stark zerstörter wurzelkanalbehandelter Zähne hängt nicht zuletzt von der gewählten Restaurationsart ab. Im vorliegenden Beitrag werden die entscheidenden Faktoren für den Langzeiterfolg postendodontischer Rekonstruktionen detailliert besprochen und anhand von Patientenfällen mit unterschiedlicher klinischer Ausgangssituation die geeigneten Versorgungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Die sofortige und bakteriendichte koronale Versiegelung des Wurzelkanalsystems sowie die Wiederherstellung der Kaufunktion sind neben der suffizienten endodontischen Behandlung grundlegende Faktoren für den langfristigen Behandlungserfolg endodontisch behandelter Zähne [3]. Der langfristige Zahnerhalt wird insbesondere von der Art und Qualität der koronalen Restauration beeinflusst [4–6]. Für die Wahl der geeigneten Restaurationsart wird dem koronalen Zerstörungsgrad des betroffenen Zahnes eine wesentliche Bedeutung beigemessen [7–9]. Mit zunehmendem koronalem Zerstörungsgrad steigt das Risiko für den technischen (restaurationsassoziiert) und biologischen Misserfolg (Sekundärkaries, Frakturen und endodontische Reinfektion) [8,10].

Das im Vergleich zu vitalen Zähnen erhöhte Frakturrisiko wird maßgeblich mit der Ausbildung von Spannungsspitzen in den äußeren Wurzelarealen begründet [11]. Endodontisch behandelte Zähne zeigen durch den Verlust koronaler und wurzelkanalnaher Dentinareale eine erhöhte Wurzeldeformation unter kaufunktioneller Belastung [12–14]. Während die Trepanation mit anschließender Wurzelkanalaufbereitung die relative Steifigkeit des Zahnes um lediglich 5 % reduziert, wird mit der Präparation einer größeren und tieferen okklusalen Kavität die Steifigkeit um 20 % und mit dem Verlust der Randleisten zu einer mod-Kavität um bis zu 63 % verringert [15]. Das Wurzeldentin weist einen E-Modulgradienten mit ansteigenden Werten in Richtung der Wurzeloberfläche auf [16]. Die inneren Dentinareale absorbieren einen Großteil der belastungsbedingten Spannungsspitzen, werden jedoch zum Teil mit der endodontischen Aufbereitung entfernt [17,18]. Mit der Rekonstruktion des EBZ soll das Frakturrisiko vermindert bzw. ungünstige Stresskonzentrationen durch kaufunktionelle Kräfte im Wurzeldentin vermieden werden.

Der biomimetische Ansatz des adhäsiven Aufbaus stark zerstörter Zähne mit Materialien, die dentinähnliche Eigenschaften aufweisen, verfolgt das Ziel, das biomechanische Verhalten des vitalen Zahnes auf die postendodontische Restauration zu übertragen.

Die Analogie des Monoblocks auf die postendodontische Rekonstruktion bezieht sich auf die adhäsive Verbindung zwischen dem Wurzel- und Kronendentin und den verschiedenen restaurativen Komponenten zu einer Einheit [19]. Im Gegensatz zu den spezifischen mechanischen Parametern der eingesetzten Materialien eines Materials, z. B. Elastizitätsmodul, Biegefestigkeit, Bruchfestigkeit, Spannungs- Dehnungsverhalten, beschreibt der Monoblock diese Parameter für ein ideales Mehrkomponentengemisch. Die Ausbildung eines Monoblocks setzt insbesondere voraus, dass der Elastizitätsmodul der einzelnen Komponenten dem des Dentins ähnlich ist [19]. Kritische Stresskonzentrationen in den Grenzflächen sollen durch die Verwendung von Kompositen (E-Modul Befestigungskomposite: 4–12 GPa) und faserverstärkten Kompositstiften (E-Modul glasfaserverstärkter Aufbaustifte: ca. 10–25 GPa) mit dentinähnlichem E-Modul (Wurzeldentin 6–17 GPa) vermindert werden [17,20,21].

Als stark zerstört werden Zähne mit einem koronalen Zahnhartsubstanzdefekt von mehr als 50 % eingestuft [22]. Orientierend kann dieser Zerstörungsgrad bei 2 oder weniger residualen Kavitätenwänden angenommen werden. Die Bewertung der Kavitätenwände sollte unter Berücksichtigung des Zahnhartsubstanzverlustes, welcher zusätzlich durch die Stumpfpräparation verursacht wird, erfolgen. Koronale Zahnhartsubstanz von weniger als 1 mm Dentinstärke wird nicht als erhaltene Kavitätenfläche gewertet, da von ihr keine relevante mechanische Unterstützung für die Rekonstruktion zu erwarten ist [23]. Im Vorfeld der endodontischen Therapie stark zerstörter Zähne ist die prothetische Wertigkeit des potenziellen Pfeilerzahnes und somit die Erhaltungswürdigkeit zu beurteilen. Dabei wird die Pfeilerwertigkeit u. a. von der prothetischen Gesamtplanung stark beeinflusst. Ein erhöhtes Frakturrisiko ist insbesondere bei teleskopierenden Versorgungen und endständigen wurzelkanalbehandelten Zähnen mit einer extraaxialen Belastung durch distale Extensionen gegeben [24–26]. Die prognostische Bewertung der adhäsiven postendodontischen Rekonstruktion für die Einbindung dieser Zähne in Doppelkronenversorgungen und Extensionsbrücken kann zurzeit nicht evidenzbasiert erfolgen. Andererseits steigt die Wertigkeit endodontisch behandelter Zähne, wenn mit der postendodontischen Rekonstruktion die geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann. Neben der Kronenversorgung sollten für die Einzelzahnrestauration in Abhängigkeit des initialen Zerstörungsgrades und der jeweiligen Zahngruppe verschiedene differenzialtherapeutische Ansätze berücksichtigt werden.

Ziel ist die Frakturprophylaxe durch höckerüberkuppelnde Restaurationen.

Im Seitenzahngebiet ist das Misserfolgsrisiko für Kompositfüllungen im Vergleich zu vitalen Zähnen doppelt so hoch [27]. Die Revision dieser Füllungen ist im Wesentlichen durch Zahnfrakturen indiziert. Die Belastbarkeit von endodontisch behandelten Prämolaren ist höher, wenn höckerüberkuppelnde, indirekte Restaurationen eingegliedert werden [28]. Die Steigerung der Belastbarkeit ist insbesondere dann signifikant, wenn die residualen Kavitätenwände weniger als 2 mm Dentinstärke aufweisen. Eine zusätzliche, auch adhäsive Verankerung im Wurzelkanal mit einem Aufbaustift erhöht die maximale Belastbarkeit nicht, wenn mindestens 2 Kavitätenwände erhalten sind [29]. Aufgrund der vertikalen Belastungskomponente erscheint die Verwendung eines Wurzelkanalstiftes selbst bei einem hohen Zerstörungsgrad für Einzelzahnrestaurationen nicht zwingend erforderlich [30], da im Bereich der Pulpakammer oftmals genügend Adhäsionsfläche für einen adhäsiven Aufbau zur Verfügung steht. Als zusätzliche Klebefläche können auch die Wurzelkanaleingänge nach entsprechender Reduktion der Wurzelkanalfüllung um etwa 2–3 mm genutzt werden. Zudem muss bei der Versorgung mit Kronen ein nicht unerheblicher Substanzabtrag der ggf. primär noch vorhandenen bukkalen und lingualen Wände in Kauf genommen werden. Somit ist die Verwendung von Wurzelkanalstiften nur bei tief zerstörten Molaren indiziert, bei denen die Retention für den koronalen Aufbau erhöht werden muss und anschließend eine Kronenversorgung mit einer entsprechenden Berücksichtigung des Ferrule-Designs (siehe unten) erfolgt.

Unter dem Gesichtspunkt der maximalen Zahnhartsubstanzschonung sollte die Indikationsstellung der Kronenversorgung im Seitenzahngebiet zugunsten einer adhäsiven Teilkronenrestauration eingeschränkt werden.

Klinische Patientenfälle

Fall 1

Das erste Fallbeispiel zeigt die adhäsive Rekonstruktion mit einer vollkeramischen Teilkronenversorgung für den hemisezierten Zahn 36. Zum Zeitpunkt der Befundaufnahme wies der Zahn einen Lockerungsgrad 2 sowie eine ausgeprägte Paro-Endo-Läsion der distalen Wurzel auf (Abb. 1). Nach erfolgreicher Wurzelkanalbehandlung wurde die distale Wurzel entfernt (Abb. 2). Mit der Hemisektion muss für eine gute Hygienisierbarkeit das Furkationsdach vollständig entfernt werden. Die Hohlkehlpräparation ist unter den Aspekten der vollständigen Höckerüberkuppelung, maximaler Substanzschonung und unter Einbeziehung des vestibulären Zahnhalsdefektes angelegt worden (Abb. 3). Eine Kronenpräparation hätte durch den zirkulären Substanzabtrag eine erhebliche Reduktion der bereits geringen distalen Dentinwandstärke zur Folge. Die Lithiumdisilikatkeramik-Teilkrone wurde im Prämolarendesign angefertigt, um zusätzliche extraaxiale Belastungen zu vermeiden (Abb. 4). Zum Zeitpunkt der Eingliederung hatte sich der Lockerungsgrad der mesialen Wurzel auf 1 verringert.

  • Abb. 1: Ausgangsbefund: Zahn 36 mit einer ausgeprägten Paro-Endo-Läsion der distalen Wurzel.
  • Abb. 2: Kontrollaufnahme nach 4 Monaten: Zustand nach erfolgreicher Wurzelkanalbehandlung und Entfernung der distalen Wurzel.
  • Abb. 1: Ausgangsbefund: Zahn 36 mit einer ausgeprägten Paro-Endo-Läsion der distalen Wurzel.
  • Abb. 2: Kontrollaufnahme nach 4 Monaten: Zustand nach erfolgreicher Wurzelkanalbehandlung und Entfernung der distalen Wurzel.

  • Abb. 3: Die Hohlkehlpräparation erfolgte unter den Aspekten der vollständigen Höckerüberkuppelung, maximaler Substanzschonung und unter Einbeziehung des vestibulären Zahnhalsdefektes (Screenshot CEREC Omnicam).
  • Abb. 4: Durch die Anfertigung der Lithiumdisilikatkeramik-Teilkrone im Prämolarendesign sollen zusätzliche extraaxiale Belastungen vermieden werden.
  • Abb. 3: Die Hohlkehlpräparation erfolgte unter den Aspekten der vollständigen Höckerüberkuppelung, maximaler Substanzschonung und unter Einbeziehung des vestibulären Zahnhalsdefektes (Screenshot CEREC Omnicam).
  • Abb. 4: Durch die Anfertigung der Lithiumdisilikatkeramik-Teilkrone im Prämolarendesign sollen zusätzliche extraaxiale Belastungen vermieden werden.

  • Abb. 5: Beispiel eines Prämolaren mit einem ausgeweiteten koronalen Zugang (flaring).
  • Abb. 5: Beispiel eines Prämolaren mit einem ausgeweiteten koronalen Zugang (flaring).

Die Teilkronenversorgung ist insbesondere bei Zähnen mit einer ausgeprägten Kanalaufweitung im Wurzelkanaleingang indiziert, da mit einer Kronenstumpfpräparation das verbliebene äußere Dentin entfernt werden würde. Die Abbildung 5 zeigt einen Prämolaren mit einem ausgeweiteten koronalen Zugang (flaring). Für die adhäsive Verankerung einer Teilkrone steht nach dem plastischen Aufbau zirkulär Zahnhartsubstanz zur Verfügung. Jedoch muss der Kompositaufbau als zusätzliche Adhäsivfläche mechanisch mittels Korundstrahlung und chemisch durch Silanisierung vorbehandelt werden.

Die adhäsive Befestigung der Teilkronenrestauration wird bei tief liegenden, meist subgingivalen Kavitäten durch die eingeschränkte Kontaminationskontrolle limitiert. In diesen Fällen kann mithilfe der „marginal box elevation technique“ der approximale Kavitätenboden mit Kompositen angehoben werden. Das Ziel ist, die Präparationsgrenze auf ein supragingivales Niveau zu verlagern. Jüngere Untersuchungen konnten in vitro zeigen, dass die Ausbildung von stressinduzierten Randspalten in der Grenzfläche zwischen dem Komposit und der keramischen Restauration gering ist [31–33]. Damit scheint der Verbund zwischen der keramischen Restauration und dem für die Kavitätenbodenelevation verwendeten Komposit nach chemomechanischer Konditionierung mit dem Haftverbund zum Dentin vergleichbar stabil zu sein. Bislang wurden für dieses Vorgehen jedoch keine klinischen Daten publiziert, weshalb dieses Vorgehen nur unter enger Indikationsstellung und nach erfolgter Risikoaufklärung zu empfehlen ist.


Fall 2

Das zweite Fallbeispiel zeigt die klinische Ausgangssituation des endodontisch behandelten Zahnes 16 nach Entfernung des präendodontischen Aufbaus (Abb. 6). Der distale Kavitätenboden liegt ca. 2 mm subgingival im Dentin. Die Kavität wurde nach Matrizenlegung (Palodent V3 EZ Coat Matrize, DENTSPLY DE TREY GmbH, Konstanz) mit einem Bulkfill-Komposit (x-tra base, VOCO, Cuxhaven) und einem Feinhybridkomposit (Amaris, VOCO, Cuxhaven) aufgebaut. Das Kontrollröntgenbild nach der box elevation zeigt den distalen Kompositaufbau (Abb. 7). Die Präparationsgrenze wurde im Kompositaufbau supragingival angelegt. Nach der nun möglichen absoluten Trockenlegung wurden zunächst die Schmelzareale mit Phosphorsäure konditioniert (Abb. 8). Der Kompositaufbau muss für den adhäsiven Verbund mechanisch und chemisch vorbehandelt werden. Die Kavität wurde mit silikatisiertem Korund (Cojet™, 3M ESPE, Seefeld) im Sinne des Rocatec™-Verfahrens und anschließender Silanisierung mit Monobond Plus (IvoclarVivadent, Schaan, Lichtenstein) konditioniert. Anschließend wurde das Adhäsiv appliziert und nach dem Verblasen lichtgehärtet.

  • Abb. 6: Ausgangsbefund: endodontisch behandelter Zahn 16 nach Entfernung des präendodontischen Aufbaus.
  • Abb. 7: Kontrollaufnahme nach distaler box elevation mit Komposit.
  • Abb. 6: Ausgangsbefund: endodontisch behandelter Zahn 16 nach Entfernung des präendodontischen Aufbaus.
  • Abb. 7: Kontrollaufnahme nach distaler box elevation mit Komposit.

  • Abb. 8: Vorbereitung zur adhäsiven Befestigung. Z. n. selektiver Schmelzätzung und Korundstrahlung des Kompositaufbaus.
  • Abb. 9: Präparationsdesign einer Endokrone für den Zahn 15.
  • Abb. 8: Vorbereitung zur adhäsiven Befestigung. Z. n. selektiver Schmelzätzung und Korundstrahlung des Kompositaufbaus.
  • Abb. 9: Präparationsdesign einer Endokrone für den Zahn 15.

Aktuelle eigne In-vitro-Studien untersuchen die Versorgungsalternative der sogenannten Endokrone. Mit diesem Präparationsdesign wird das Ziel verfolgt, durch eine zusätzliche Verzapfung im Wurzelkanaleingang kritische Belastungen im Bereich der Kompositfuge zu reduzieren. Erste, bislang unveröffentlichte Ergebnisse nach simulierter Ermüdungsbelastung zeigen im Vergleich zur Kronenversorgung mit einem glasfaserverstärkten Kompositstift und der Teilkronenversorgung mit Lithiumdisilikatkeramik für die Endokrone aus dem gleichen Material bei dekapitierten Prämolaren vergleichbar hohe Belastbarkeiten. Die Abbildung 9 zeigt den intraoralen Scan für das untersuchte Präparationsdesign einer Endokrone für den Zahn 15. Die zirkuläre Dentinwandstärke betrug mind. 2 mm. Die Kavität für die interne Verzapfung wurde auf 3 mm von der Dekapitationsebene nach apikal präpariert.

Da für die Versorgung mit einer Endokrone nur die biologische Breite gesichert werden muss, wäre diese Restaurationsform eine im Vergleich zur Kronenversorgung substanzschonendere und weniger invasive Alternative. Zudem wäre das Kronenwurzelverhältnis günstiger. Eine allgemeingültige Empfehlung kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der sehr geringen Evidenz noch nicht gegeben werden. Bis zur weiteren klinischen Abklärung muss dieses Restaurationsdesign trotz der vielversprechenden In-vitro-Daten als experimentell bewertet werden.

Im Frontzahngebiet ist meist aus ästhetischen Aspekten die Indikation für eine Kronenrestauration gegeben. Endodontisch behandelte Frontzähne zeigen die signifikant höchste Komplikationsrate [34]. Insbesondere die Oberkieferschneidezähne müssen als Hochrisikogebiet der postendodontischen Versorgung eingeordnet werden, da sie in der Interkuspidation überwiegend Scherkräften ausgesetzt sind. Die Indikation für einen Aufbaustift ergibt sich aus dem koronalen Substanzverlust infolge der Trepanation und zusätzlichen approximalen Kavitationen. Der Einsatz von Wurzelkanalstiften ist wie auch im Seitenzahnbereich generell auf die Situationen beschränkt, in denen die Kavität zu wenig Retentions- bzw. Adhäsionsfläche für den koronalen Aufbau bietet. Klinische Untersuchungen zeigten, dass für die Indikation einer Kronenrestauration erst bei ausgeprägtem Zahnhartsubstanzverlust mit maximal einer erhaltenen Kavitätenwand die adhäsive Insertion eines Aufbaustiftes die Überlebensraten signifikant erhöht [35–37].

Neben dem adhäsiven Aufbau ist der sog. „Fassreifen-Effekt“ (ferrule effect) einer der wichtigsten prognostischen Faktoren für den Langzeiterhalt endodontisch behandelter Zähne.

Für die direkte adhäsive Aufbauretention stehen heute nichtmetallische Materialien in Form von konischen Aufbaustiften aus einer Epoxidharz- oder Kompositmatrix mit eingelagerten Glas- oder Quarzfasern sowie Zirkondioxidstifte zur Verfügung. Für die Anwendung der Zirkondioxidstifte besteht derzeit nur eine geringe Evidenz auf der Basis klinischer Langzeitdaten einer retrospektiven Studie und In-vitro-Daten mit uneinheitlichen Ergebnissen [38–41]. Bei der Verwendung von metallischen Wurzelstiften mit einem höheren EModul (Titan ca. 117 GPa) wird angenommen, dass es zur Spannungsübertragung an das Dentin kommt [42]. Der dentinähnliche E-Modul des Faserstiftes und der Bis-GMAbasierten Befestigungskomposite soll das Risiko für Wurzelfrakturen reduzieren. Begründet wird dies durch eine mögliche positive Beeinflussung des biomimetischen Verhaltens dieser Stifte auf die Spannungsverteilung im Wurzeldentin bei Kaubelastung [19,43]. Faserverstärkte Wurzelkanalstifte zeigten in Finite-Element-Analysen im Vergleich zu metallischen Stiften eine 4-fach geringere Zug- und Scherspannung im Bereich der Grenzschicht zwischen Stift und Befestigungsmaterial [44]. Der Einfluss des Stiftmaterials auf die Überlebensraten postendodontischer Restaurationen in vivo kann aktuell nicht auf Basis systematischer Übersichtsarbeiten zufriedenstellend beantwortet werden [45,46]. Eigene prospektiv erhobene klinische Daten einer randomisierten kontrollierten Studie über den Einfluss des Stiftmaterials (glasfaserverstärkte Wurzelkanalstifte oder Titanstifte) auf die Überlebensraten endodontisch behandelter Zähne zeigten nach 7 Jahren in beiden Gruppen eine Überlebensrate von über 90 %. Das Risiko, nicht zu versagen, war für beide Interventionsgruppen vergleichbar gering [47]. Vergleichbar hohe Überlebensraten der mit glasfaserverstärkten Aufbaustiften versorgten, ursprünglich stark zerstörten Zähne wurden bisher nur für Nachbeobachtungszeiten von bis zu 3 Jahren beschrieben [46,48–50]. Die ermittelten Überlebensraten reduzierten sich nach bis zu 6 Jahren auf ca. 70 % [22,36,51,52] und nach 10 Jahren stieg die jährliche Versagensrate auf 4,6 % [34]. Die vergleichsweise hohe Erfolgsrate nach 7 Jahren kann unter anderem mit dem ferrule effect begründet werden, da im Unterschied zu den zitierten Untersuchungen in dieser Studie bei jedem Zahn mit der Kronenpräparation ein Ferrule-Design angelegt worden ist. Somit scheint der Einfluss des Stiftmaterials auf die Überlebensraten postendodontischer Restaurationen bei konsequenter Einhaltung eines 1,5–2 mm breiten Ferrule-Designs eher vermindert zu sein [53]. Die zirkuläre Dentinmanschette wird heute als bedeutender Parameter für die Belastbarkeit endodontisch behandelter Zähne gewertet. Mit der Überkronung wird der ferrule effect ausgebildet. Der ferrule effect erhöht die maximale Belastbarkeit des endodontisch behandelten Zahnes um bis zu 40 % [54,55]. Somit ist die erzielte Frakturstabilisierung erst mit der definitiven, möglichst adhäsiven Befestigung der Kronenrestauration gegeben, woraus sich eine maximale Verkürzung der provisorischen Phase nach der Stiftsetzung ableiten lässt. In einigen Fällen erfordert die konsequente Umsetzung des Ferrule-Designs in Abhängigkeit von der Ausgangssituation die Wiederherstellung der biologischen Breite. Unter Beachtung der erforderlichen alveolären Unterstützung von 50 % der Wurzellänge [56] kann dies durch eine chirurgische Kronenverlängerung oder bei einwurzeligen Zähnen mit einer forcierten orthodontischen Extrusion erfolgen.


Fall 3

Das dritte Beispiel zeigt die bereits mit faserverstärkten Aufbaustiften und Kompositaufbauten restaurierten Zähne 21 und 22 (Abb. 10). Der Zahn 23 ist subgingival zerstört. Für die erforderliche Präparation des Ferrule-Designs wurde eine chirurgische Kronenverlängerung an den Zähnen 21–23 durchgeführt. Nach paramarginaler Schnittführung ohne vertikale Inzisionen wird der Spaltlappen scharf präpariert. Mit der Osteotomie wird ein suprakrestaler Dentinanteil von 4–5 mm wiederhergestellt und der Spaltlappen mit Periosthaltenähten und approximalen Einzelknopfnähten spannungsfrei fixiert. Die Abbildung 11 zeigt den Zustand 10 Tage nach dem Eingriff. Nach 6 Wochen erfolgte die Präparation des Ferrule-Designs. Die Kronen wurden adhäsiv mit einem selbsthaftenden Befestigungskomposit (RelyX Unicem 2, 3M ESPE, Seefeld) eingegliedert (Abb. 12). Der Verlauf der marginalen Gingiva blieb im Vergleich zum Zeitpunkt der Nahtentfernung nahezu unverändert.

  • Abb. 10: Ausgangsbefund: mit faserverstäkten Aufbaustiften und Kompositaufbauten restaurierte Zähne 21 und 22. Zahn 23 ist subgingival zerstört.
  • Abb. 11: Zustand 10 Tage nach der chirurgischen Kronenverlängerung an den Zähnen 21–23.
  • Abb. 10: Ausgangsbefund: mit faserverstäkten Aufbaustiften und Kompositaufbauten restaurierte Zähne 21 und 22. Zahn 23 ist subgingival zerstört.
  • Abb. 11: Zustand 10 Tage nach der chirurgischen Kronenverlängerung an den Zähnen 21–23.

  • Abb. 12: Nach Präparation des Ferrule-Designs wurden die Kronen adhäsiv mit einem selbsthaftenden Befestigungskomposit (RelyX Unicem 2, 3M ESPE, Seefeld) eingegliedert.
  • Abb. 12: Nach Präparation des Ferrule-Designs wurden die Kronen adhäsiv mit einem selbsthaftenden Befestigungskomposit (RelyX Unicem 2, 3M ESPE, Seefeld) eingegliedert.

Infolge der Kronenverlängerung wird jedoch das Kronen-Wurzel-Verhältnis ungünstig beeinflusst. Mit der forcierten orthodontischen Extrusion kann der suprakrestale Wurzelanteil verlängert werden, wobei das Kronen-Wurzel-Verhältnis im Vergleich zur chirurgischen Kronenverlängerung günstiger ausfällt. Eigene Daten, die aktuell für eine Publikation vorbereitet werden, zeigen eine Abhängigkeit der Belastbarkeit vom Kronen-Wurzel-Verhältnis zugunsten der orthodontischen Extrusion.


Fall 4

Das vierte Fallbeispiel zeigt den dekapitierten Zahn 11 mit einem adhäsiv befestigten Plättchen aus einer ferromagnetischen Legierung (bei ausreichender vertikaler Distanz kann alternativ auch ein zweiter Magnet geklebt werden) (Abb. 13). Mit der zirkulären Periotomie wird eine Veränderung des marginalen Gingivaverlaufs verhindert. Mit doppelt gelegter, 0,3 mm starker Zinnfolie als Platzhalter wurde dann der Magnet (DYNA WR Magnet S5) in die vorher vorbereitete Schiene einpolymerisiert (Abb. 14). Über einen Zeitraum von 3 Wochen wurde die Wurzel forciert extrudiert; dabei musste der Magnet mehrfach umgesetzt werden, um weiter extrudierend zu wirken. Nach dem Erreichen der gewünschten Extrusionslänge wurde die Schiene noch weitere 4 Wochen zur Retention getragen und der Zahn mittels Glasfaserstift und dentinadhäsiver Aufbaufüllung aufgebaut. Nach der Präparation des Ferrule-Designs wurde die verblendete Lithiumdisilikatkrone adhäsiv befestigt (Abb. 15 u.16).

  • Abb. 13: Dekapitierter Zahn 11 mit einem adhäsiv befestigten Plättchen aus einer ferromagnetischen Legierung.
  • Abb. 14: Mit doppelt gelegter, 0,3 mm starker Zinnfolie als Platzhalter wird der Magnet (DYNA WR Magnet S5) in die vorher vorbereitete Schiene einpolymerisiert.
  • Abb. 13: Dekapitierter Zahn 11 mit einem adhäsiv befestigten Plättchen aus einer ferromagnetischen Legierung.
  • Abb. 14: Mit doppelt gelegter, 0,3 mm starker Zinnfolie als Platzhalter wird der Magnet (DYNA WR Magnet S5) in die vorher vorbereitete Schiene einpolymerisiert.

  • Abb. 15: Zustand nach Präparation des Ferrule-Designs.
  • Abb. 16: Die adhäsiv befestigte, verblendete Lithiumdisilikatkrone in situ.
  • Abb. 15: Zustand nach Präparation des Ferrule-Designs.
  • Abb. 16: Die adhäsiv befestigte, verblendete Lithiumdisilikatkrone in situ.

Die adhäsive Befestigung von Wurzelkanalstiften stellt eine besondere Herausforderung dar, da die korrekte Anwendung der techniksensitiven Adhäsivtechnik in tiefen und engen Wurzelkanälen schwierig zu kontrollieren und damit als eher ungünstig einzustufen ist. Sowohl der hohe CFaktor [57] und die schlechte Einsicht als auch verbliebene Sealer- und Guttaperchareste [58] sowie irreguläre Dentinstrukturen [59] können die Ausbildung der Adhäsivschicht negativ beeinflussen.

Zur adhäsiven Befestigung faserverstärkter Stiftsysteme stehen selbstkonditionierende und Etch-and-Rinse-Systeme zur Verfügung. Selbstkonditionierende Systeme lassen sich ferner in selbsthaftende Befestigungskomposite und Befestigungskomposite, bei denen zuvor ein selbstkonditionierender Primer angewendet wird, einteilen. Selbsthaftende Befestigungssysteme zeigten in den Ergebnissen von Invitro- Untersuchungen zufriedenstellende Haftwerte, die zum Teil über den Werten von Systemen lagen, die mit der Etchand-Rinse-Technik angewendet werden [60–62]. Ein Erklärungsansatz hierfür ist die höhere Techniksensitivität von Etch-and-Rinse-Systemen bei den gegebenen ungünstigen Bedingungen im Wurzelkanal. Darüber hinaus belegt eine aktuelle Metaanalyse zur adhäsiven Befestigung von Faserstiften einen positiven Effekt selbsthaftender Befestigungskomposite auf die Retention von Wurzelkanalstiften [63]. Zudem scheint der spezifische Haftmechanismus zum Dentin durch die Ausbildung hydrolysestabiler Kalziumsalze zum Hydroxylapatit für den langfristigen Haftverbund im Wurzelkanal vorteilhaft zu sein.

Des Weiteren kann das Spülprotokoll nach Präparation der Stiftbettkavität die Haftwerte zum Wurzelkanaldentin steigern. Nach ultraschallaktivierter Spülung mit 1%igem Natriumhypochlorit für eine Minute, gefolgt von einer Zwischenspülung mit Aqua dest. und einer Abschlussspülung für eine weitere Minute mit Ethanol 99 % wurden die Haftwerte für ein selbsthaftendes Befestigungskomposit initial signifikant gesteigert und langfristig stabilisiert [64,65]. Während das Natriumhypochlorit die Schmierschicht auflockert indem organische Anteile herausgelöst werden, wird der Effekt mit der Ultraschallaktivierung verstärkt, wodurch die Schmierschicht teilweise entfernt wird. Somit wird die Monomerinfiltration begünstigt. Mit der Wasserspülung werden die oxidierend wirkenden Substrate entfernt. Die Anwendung hochkonzentrierten Ethanols (modified ethanol wet bonding) verfolgt den Ansatz das rückständige Wasser im Wurzelkanal kontrolliert zu entfernen und damit die Kunststoffimprägnierung des Dentins zu verbessern.


Fazit

Insgesamt sind die Faktoren maximaler Erhalt von Zahnhartsubstanz, sofortige adhäsive Versiegelung des Wurzelkanaleingangs, höckerüberkuppelnde Restauration, adhäsive Befestigung des Wurzelkanalstiftes sowie die Gewährleistung eines Ferrule-Designs bei Kronenversorgung entscheidend für den Langzeiterfolg postendodontischer Rekonstruktionen.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Guido Sterzenbach - Mario Wilhelm - Dr. Kerstin Bitter

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Guido Sterzenbach , Mario Wilhelm , Dr. Kerstin Bitter



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