Anzeige

Implantologie

Wie viel Parodontitis steckt in der Periimplantitis?

In der neuen Klassifikation werden parodontale und periimplantäre Erkrankungen klar voneinander getrennt. Aber ist diese Abgrenzung tatsächlich so restriktiv zu sehen oder stellt die Periimplantitis vielleicht doch eine „Parodontitis am Implantat“ dar? Der folgende Beitrag soll die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Erkrankungsformen sowie gemeinsame ätiologische Faktoren und deren Rolle in der Diagnostik und Therapie von Parodontitis und Periimplantitis herausarbeiten.

Placeholder – News shutterstock

Grundsätzlich entwickelt sich die deutsche Mundgesundheit positiv. Dennoch leiden hierzulande immer noch ca. 20 Millionen Menschen im Alter von 35 bis 75 Jahren an einer behandlungsbedürftigen Form der Parodontitis [15]. In vielen Fällen führt die Erkrankung letztlich zum Verlust natürlicher Zähne, die dann oft durch Implantate ersetzt werden. Diese haben sich in den letzten Jahrzehnten sowohl in funktionaler als auch in ästhetischer Hinsicht als überzeugender Zahnersatz etabliert. Mittlerweile werden allein in Deutschland jährlich etwa 1,3 Millionen Implantate gesetzt – Tendenz steigend [6]. Trotz primär hoher Erfolgsraten nehmen mit zunehmender Verbreitung osseointegrierter Implantate in der Konsequenz natürlich auch Misserfolge zu. Neben iatrogen verursachten Komplikationen stellen periimplantäre Erkrankungen die Hauptursache hierfür dar.

Periimplantitis = Parodontitis?

Parodontitis und Periimplantitis weisen sowohl klinisch als auch ätiologisch eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf (Abb. 1). Daher liegt die Frage nahe, ob die Periimplantitis nicht gewissermaßen eine Parodontitis am Implantat ist. Eine Antwort hierauf lässt sich am ehesten finden, wenn man die ätiologischen Hintergründe beider Erkrankungen näher betrachtet.

Abb. 1: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Parodontitis und Periimplantitis. Dr. Dombrowa
Abb. 1: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Parodontitis und Periimplantitis.

Die Parodontitis entwickelt sich in der Regel aus einer Gingivitis heraus. Dabei handelt es sich um eine Entzündung der Gingiva, die keine Beteiligung des Kieferknochens aufweist und bei rechtzeitiger Behandlung vollständig reversibel ist [2,26,42]. Sie wird neben exogenen Risikofaktoren (Mundhygiene, Rauchen etc.) und einer genetischen Prädisposition in erster Linie durch parodontopathogene Bakterien hervorgerufen. Ohne Behandlung greift die Infektion auf den Kieferknochen über. In diesem Stadium der Erkrankung spricht man dann von einer Parodontitis. Durch die Immunreaktion des Körpers auf das Vorhandensein der PA-Bakterien kommt es zu einem fortschreitenden Verlust von Attachment, was final zum Zahnverlust führen kann [1,10,30,34].

Anzeige

Bei den periimplantären Erkrankungen ist, analog zu Gingivitis und Parodontitis, die periimplantäre Mukositis von der Periimplantitis abzugrenzen. Als primäre Ursache gilt auch hier eine bakterielle Infektion, auch wenn die Ätiologie ebenfalls multifaktoriell ist. Auf Patientenebene sind 48 bis 80% von einer Entzündung des Implantat-umgebenden Gewebes betroffen [42]. Neben klinischen Symptomen wie Schwellung, Suppuration und Erythem ist die Mukositis durch Blutung nach Sondieren mit leichter Kraft (max. 0,25 N) gekennzeichnet. In diesem Stadium der Entzündung liegt noch kein Übergriff auf den tragenden Knochen vor, weshalb sie bei rechtzeitiger Therapie vollständig abheilen kann. Unterbleibt die Behandlung, etabliert sich eine Periimplantitis, welche mit einem irreversibel-progressiven Abbau des Stützknochens einhergeht, der radiologisch dokumentierbar ist und zu steigender Mobilität und schließlich Implantatverlust führen kann. Grundsätzlich ist die Periimplantitis eine klassische Spätkomplikation, die unter Umständen erst Jahre nach einer erfolgreichen Einheilung auftritt. Untersuchungen zeigen, dass 28 bis 56% der Patienten von einer Periimplantitis betroffen sind [2,13,17,42,44].

Ähnlich, aber nicht gleich

Obwohl Parodontitis und Periimplantitis eine Reihe von Gemeinsamkeiten aufweisen, gibt es auch grundsätzliche Unterschiede. Das verdeutlicht z.B. eine experimentelle Studie beider Erkrankungen an Hunden [3]. Hier zeigten histologische Analysen von Gewebebiopsien nach Ligaturlegung an natürlichen Zähnen bzw. Implantaten signifikante Abweichungen voneinander. An Implantaten war das entzündliche Zellinfiltrat deutlich ausgeprägter als an natürlichen Zähnen und wies außerdem einen höheren Anteil an neutrophilen Granulozyten und Osteoklasten auf. Auch das Ausmaß des Knochenverlustes war bei periimplantären Defekten höher und reichte weiter an den Knochenkamm heran [2,3,13]. Der Grund für diese Unterschiede ist primär in der unterschiedlichen Anatomie von Zahn und Implantat zu suchen (Abb. 2). Während der natürliche Zahn durch das Ligament vom Alveolarknochen getrennt und über einen bindegewebigen Faserapparat in der Alveole aufgehängt ist, fehlen im periimplantären Gewebe durch den direkten Knochenkontakt der desmodontale Spalt und somit auch die Sharpey-Fasern. Anders als beim natürlichen Zahn inserieren die Kollagenfasern des Implantat-umgebenden Gewebes nicht am Implantatkörper, was eine geringere bindegewebige Anhaftung zur Folge hat. Im Parodont verlaufen die Kollagenfasern in verschiedene Richtungen und bilden dadurch ein schwer durchdringbares Netzwerk. Im Gegensatz dazu sind die Fasern im Implantat- umgebenden Gewebe parallel zum Implantat orientiert.

Abb. 2: Vergleichende Anatomie des parodontalen und periimplantären Gewebes. Dr. Dombrowa
Abb. 2: Vergleichende Anatomie des parodontalen und periimplantären Gewebes.

Dies trägt dazu bei, dass sich periimplantäre Entzündungen 2- bis 3-mal schneller in die Tiefe ausbreiten und einen schneller fortschreitenden Knochenverlust zeigen als parodontale Entzündungen. Darüber hinaus ist das periimplantäre Gewebe schlechter vaskularisiert als das Parodont. Insgesamt gleicht das periimplantäre Gewebe also eher einem Narbengewebe mit verringerter immunologischer Kompetenz, wodurch bakterielle Angriffe weniger effizient abgewehrt werden können. Dies spiegelt sich auch in der stärkeren Ausbreitung des inflammatorischen Zellinfiltrates (v.a. Neutrophile und Makrophagen) am Implantat im Vergleich zum natürlichen Zahn wider, was als Anzeichen für ein akuteres Entzündungsgeschehen gewertet werden kann [2,13,17,26,31, 35,42–44].

Mikrobiologie der Parodontitis

Abb. 3: Anteil verschiedener Bakteriengruppen an der subgingivalen Biomasse im gesunden (a) und im parodontal erkrankten Zustand (b) (mod. nach Diaz et al. 2016). Während der prozentuale Anteil der gesundheitsassoziierten Spezies (grün) zurückgeht, nimmt der Anteil parodontopathogener Spezies deutlich zu (rot). Kernspezies (hellgrau) sind in nahezu allen Proben zu finden und verändern ihre Proportionen im Krankheitsverlauf kaum. Variable Spezies (dunkelgrau) zeigen keine signifikante Assoziation zum Krankheitsbild und sind nicht standardmäßig nachweisbar. Dr. Dombrowa
Abb. 3: Anteil verschiedener Bakteriengruppen an der subgingivalen Biomasse im gesunden (a) und im parodontal erkrankten Zustand (b) (mod. nach Diaz et al. 2016). Während der prozentuale Anteil der gesundheitsassoziierten Spezies (grün) zurückgeht, nimmt der Anteil parodontopathogener Spezies deutlich zu (rot). Kernspezies (hellgrau) sind in nahezu allen Proben zu finden und verändern ihre Proportionen im Krankheitsverlauf kaum. Variable Spezies (dunkelgrau) zeigen keine signifikante Assoziation zum Krankheitsbild und sind nicht standardmäßig nachweisbar.

Die orale Mikroflora ist ein komplexes Gemisch verschiedenster Bakterienspezies, das beim gesunden Menschen eine harmonische Beziehung zu seinem Wirt aufweist. In diesem Zustand ist das Parodont überwiegend mit grampositiven aeroben Bakterien, sogenannten benefiziellen Keimen, besiedelt. Sie dienen der Aufrechterhaltung des oralen Milieus und gelten als Indikatoren für gesunde symbiotische Verhältnisse [4,5,18]. Parodontopathogene Bakterien liegen in geringer Konzentration zwar auch bei parodontaler Gesundheit vor, werden aber vom Immunsystem des Wirtes unter Kontrolle gehalten.  Ändern sich jedoch die äußeren Faktoren und damit die Standortbedingungen innerhalb des Ökosystems Zahnfleischtasche – sei es aufgrund ineffizienter Mundhygiene, hormoneller Einflüsse oder eines nachlassenden Immunsystems -, verschiebt sich auch die Zusammensetzung der Subgingivalflora. Die Gesamtkeimzahl steigt um das bis zu 1.000- Fache an und die benefizielle Flora wird zugunsten der PA-Keime verdrängt. Aus der im gesunden Parodont herrschenden Symbiose entwickelt sich eine von den anaeroben Parodontitisbakterien dominierte Dysbiose (Abb. 3) [5,18,22,23,32].

Abb. 4: Bakterienkomplexe nach Socransky et al. 1998: Die Kolonisierung des Sulkus mit parodontopathogenen Keimen erfolgt sukzessive und je nach Patient unterschiedlich. Das gemeinsame Vorkommen und die Interaktion bestimmter Bakteriengruppen bestimmen maßgeblich die Etablierung und den Verlauf von Parodontalerkrankungen. Basierend darauf werden die verschiedenen parodontopathogenen Bakterienspezies zu Komplexen zusammengefasst. Dr. Dombrowa
Abb. 4: Bakterienkomplexe nach Socransky et al. 1998: Die Kolonisierung des Sulkus mit parodontopathogenen Keimen erfolgt sukzessive und je nach Patient unterschiedlich. Das gemeinsame Vorkommen und die Interaktion bestimmter Bakteriengruppen bestimmen maßgeblich die Etablierung und den Verlauf von Parodontalerkrankungen. Basierend darauf werden die verschiedenen parodontopathogenen Bakterienspezies zu Komplexen zusammengefasst.

Gemäß der Komplextheorie von Socransky [36,37] wird der Sulkus dabei durch verschiedene, metabolisch und physikalisch interagierende Bakteriengruppen sukzessive besiedelt, die die Zerstörung des Zahnhalteapparates gemeinsam vorantreiben (Abb. 4). Vor allem die Keime des Roten Komplexes (Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia und Treponema denticola) sowie Aggregatibacter actinomycetemcomitans gelten als ursächlich verantwortlich für den fortschreitenden Abbau des Weich- und Knochengewebes. Diese Bakterien produzieren proteolytische Enzyme und weitere Virulenzfaktoren, die neben der Gewebedestruktion auch die Entzündungs- und Immunantwort des Wirtes triggern. Zudem sind sie in der Lage, in Epithelzellen einzudringen und sich auf diese Weise einer rein instrumentellen Reinigung zu entziehen. Diese Keime können daher langfristig nur durch eine begleitende Antibiotikatherapie reduziert werden, da die Medikamente auch die im Gewebe lokalisierten Bakterien erreichen [1,4,8,14,27,41].

Bakterien am Implantat

Wie bei der Parodontitis besteht auch bei der Periimplantitis ein enger kausaler Zusammenhang mit der bakteriellen Belastung des Implantats. In verschiedenen wissenschaftlichen Studien konnte gezeigt werden, dass die Bakterienbelastung an erkrankten Implantaten signifikant höher ist als an gesunden. Entzündete Implantate wiesen dabei nicht nur etwa die doppelte Bakterienmenge, sondern auch signifikant mehr parodontopathogene Keime auf, die überwiegend dem Roten und Orangen Komplex angehören [38-40]. Bernd Sigusch und Kollegen untersuchten die Besiedelung von Implantaten mit PA-Pathogenen [33]. Dazu verglichen sie Implantate von Patienten, die bei der Implantation noch natürliche Zähne hatten, mit denen von Patienten, die bei der Implantation völlig zahnlos waren (Abb. 5a u. b).

Abb. 5a: Bakterienspektrum an Implantaten bei Patienten ohne Restbezahnung. Parodontopathogene Bakterien werden selten nachgewiesen (mod. nach Sigusch et al. 2006). Dr. Dombrowa
Abb. 5a: Bakterienspektrum an Implantaten bei Patienten ohne Restbezahnung. Parodontopathogene Bakterien werden selten nachgewiesen (mod. nach Sigusch et al. 2006).
Abb. 5b: Bakterienspektrum an Implantaten bei Patienten mit Restbezahnung. Im Vergleich werden sowohl an Implantaten als auch an der Restbezahnung deutlich häufiger parodontopathogene Bakterien nachgewiesen (mod. nach Sigusch et al. 2006). Dr. Dombrowa
Abb. 5b: Bakterienspektrum an Implantaten bei Patienten mit Restbezahnung. Im Vergleich werden sowohl an Implantaten als auch an der Restbezahnung deutlich häufiger parodontopathogene Bakterien nachgewiesen (mod. nach Sigusch et al. 2006).

Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass der natürliche Zahn als Infektionsquelle für periimplantäre Erkrankungen dient, da die parodontopathogenen Bakterien am Implantat bei Vorhandensein natürlicher Zähne nicht nur deutlich häufiger als bei zahnlosen Patienten vorkommen, sondern das Keimspektrum auch das des natürlichen Zahnes widerspiegelt [7,33,38-40]. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Patienten mit einer Parodontitis in der Historie ein 5- bis 6-fach erhöhtes Risiko für Periimplantitis mit schwereren klinischen Verläufen aufweisen und eine längere Behandlungsdauer benötigen. Liegt aktuell eine Parodontitis vor, erhöht sich das Risiko für periimplantäre Erkrankungen sogar auf das bis zu 7-Fache [31]. Die Parodontitis gilt daher als signifikanter Risikofaktor für periimplantäre Infektionen [2,35,42-44]. Aus diesem Grund besagt auch der erste implantologische Imperativ, dass keine Implantation erfolgen darf, bevor die parodontale Erkrankung erfolgreich behandelt wurde. Diese Vorgabe schließt eine mikrobiologische Sanierung zwingend ein.

Diagnostisch abgesicherte Therapie

Die wichtigsten Ziele zur erfolgreichen Behandlung einer Parodontitis sind die Reduktion der parodontopathogenen Bakterien und die Wiederherstellung einer symbiotischen Subgingivalflora. Aufgrund der gewebeinvasiven Eigenschaften einiger Bakterienspezies ist eine rein mechanische Reduktion dieser Keime aber häufig nicht möglich, sondern es bedarf einer spezifisch auf die Erreger ausgerichteten antibiotischen Begleittherapie [14,27,28,41]. Auch wenn es für die Behandlung der Periimplantitis kein evidenzbasiertes Konzept gibt, so gilt auch hier, dass die bakterielle Belastung am Implantat die Hauptursache darstellt und reduziert werden muss [2,42]. Hat sich eine Periimplantitis etabliert, so ist die mechanische Reinigung zwar auch – wie bei der Parodontitis – eine zwingende Voraussetzung für eine effiziente Keimreduktion, reicht als alleinige Maßnahme aber oft nicht aus. Auch hier kann eine spezifische Antibiotikatherapie den Verlust des Implantats häufig verhindern [25]. Die Antibiotikagabe sollte aber nicht ohne Kenntnis des individuellen Keimspektrums erfolgen, denn sowohl das Keimspektrum als auch die -belastung kann sich von Patient zu Patient stark unterscheiden. Deshalb macht erst die Bestimmung von Art und Menge der vorhandenen Bakterien die zielgerichtete Auswahl eines passenden Wirkstoffs möglich und erlaubt somit den verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika. Molekularbiologische Testsysteme zur Analyse der subgingivalen Bakterienbelastung (z.B. micro-IDent®, Hain Lifescience, Nehren) weisen unkompliziert und zuverlässig 5 bzw. 11 parodontopathogene Markerkeime und deren Konzentration nach. Diese Informationen helfen dabei, fundiert zu entscheiden, ob eine adjuvante Antibiotikagabe notwendig ist und welcher Wirkstoff optimal das vorliegende Keimspektrum abdeckt.

Genetischer Hintergrund

Obwohl parodontopathogene Bakterien die Hauptursache parodontaler und periimplantärer Erkrankungen sind, ist die Destruktion des Parodonts bzw. des periimplantären Gewebes letztlich ein Ausdruck der inflammatorischen Immunantwort des Wirtes auf die vorliegende Infektion [10,11]. Im Zentrum steht dabei die Anregung von Wirtszellen wie Monozyten/Makrophagen, Fibroblasten und Mastzellen zur Produktion der proinflammatorischen Zytokine Interleukin-1A und -1B (zusammengefasst Interleukin- 1; IL-1). Als wichtiger Entzündungsmediator ist IL-1 an der Zerstörung von bakteriellen Erregern sowie defekten oder entarteten Zellen beteiligt. Auch bei der Regulation des Knochengleichgewichts spielt IL-1 eine wichtige Rolle. Es wirkt maßgeblich an der Differenzierung von Vorläuferzellen zu Osteoklasten mit, hemmt gleichzeitig die Osteoblasten und verschiebt somit das Gleichgewicht in Richtung Knochenabbau. Wird IL-1 ausgeschüttet, bindet es an seinen Rezeptor, der auf der Oberfläche verschiedener Zielzellen präsentiert wird (Abb. 6a). Die spezifische Bindung führt zu einer Aktivierung dieser Zellen, was weitere Entzündungs- und Abwehrreaktionen initiiert. Der natürliche Gegenspieler des IL-1 ist der sogenannte IL-1-Rezeptorantagonist (IL-1RN). Dieser bindet an denselben Rezeptor, aktiviert ihn allerdings nicht, sondern blockiert ihn (Abb. 6b). Bei Abklingen des Reizes bewirkt IL-1RN so einen sukzessiven Abfall der Immunund Entzündungsreaktionen.

Abb. 6a: Durch Bindung von IL-1 an dessen Rezeptor auf der Oberfläche einer Zielzelle wird die Weiterleitung eines Signals ausgelöst. Dies führt zur Aktivierung von Entzündungs- und Immunreaktionen sowie von Osteoklasten. Dr. Dombrowa
Abb. 6a: Durch Bindung von IL-1 an dessen Rezeptor auf der Oberfläche einer Zielzelle wird die Weiterleitung eines Signals ausgelöst. Dies führt zur Aktivierung von Entzündungs- und Immunreaktionen sowie von Osteoklasten.
Abb. 6b: Wird der Rezeptor durch den IL-1-Rezeptorantagonisten blockiert, kann IL-1 nicht binden und es erfolgt keine Signalweiterleitung. Die Aktivierung von Immunantwort, Entzündungsreaktionen und Osteoklasten unterbleibt. Dr. Dombrowa
Abb. 6b: Wird der Rezeptor durch den IL-1-Rezeptorantagonisten blockiert, kann IL-1 nicht binden und es erfolgt keine Signalweiterleitung. Die Aktivierung von Immunantwort, Entzündungsreaktionen und Osteoklasten unterbleibt.

Das Verhältnis der pro- und antientzündlichen Zytokine zueinander bestimmt letztlich den Verlauf und das Ausmaß der individuellen Entzündungsreaktion [17,20,30]. Für Entzündungen des Parodonts konnte bereits vor mehr als 20 Jahren gezeigt werden, dass Veränderungen in den IL-1-kodierenden Genen mit deutlich schwereren klinischen Verläufen und früherem Krankheitsbeginn korrelieren [19]. Heute weiß man, dass Patienten mit bestimmten Veränderungen in den Genen IL-1A und IL-1B mit einer überschießenden Produktion von IL-1 auf exogene Reize wie z.B. das Vorhandensein von parodontopathogenen Bakterien reagieren und daher eine allgemein erhöhte, erblich bedingte Entzündungsneigung aufweisen. Etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung ist Träger dieser veränderten IL-1-Gene und weist damit ein erhöhtes Risiko für parodontale Erkrankungen auf. Nach Untersuchungen von McGuire & Nunn steigert das Vorliegen eines IL-1-Polymorphismus das Risiko für progredienten Zahnverlust um das 2,7-Fache [24]. Kommen weitere Risikofaktoren wie z.B. Rauchen oder eine erhöhte Konzentration parodontopathogener Bakterien hinzu, kann dieser Wert gemäß dem multifaktoriellen Charakter der Parodontitis auf das über 20-Fache ansteigen [16,34]. Patienten mit Veränderungen der IL-1-Gene sollten daher besonders engmaschig betreut werden und weitere parodontale Risikofaktoren möglichst reduzieren bzw. meiden [29,43]. Unter Umständen benötigen Patienten mit einer erhöhten Entzündungsneigung zu einem früheren Zeitpunkt der Behandlung eine antibiotische Begleittherapie. Die Kenntnis des IL-1-Risikotyps ermöglicht dem behandelnden Zahnarzt also neben der Abschätzung des Krankheitsverlaufs auch die Festlegung individuell angepasster Recallintervalle. Erblich belastete Familienmitglieder von Parodontitispatienten können zudem frühzeitig identifiziert und prophylaktischen Maßnahmen zugeführt werden.

Auch in der Implantologie ist der IL-1-Status eines Patienten von großer Bedeutung. Patienten mit einem Polymorphismus im IL-1A- und IL-1B-Gen weisen ein signifikant erhöhtes Risiko für Periimplantitis und für Implantatkomplikationen bzw. -verluste auf [12,21]. Patienten, die eine Veränderung im IL-1-Gencluster aufweisen und zusätzlich rauchen, müssen sogar zu 50% mit Implantatkomplikationen bis hin zum Verlust des Implantats rechnen. Die präimplantologische Bestimmung des IL-1-Polymorphismus ist daher insbesondere bei Rauchern dringend anzuraten [24]. Auch eine Veränderung im IL-1RN-codierenden Gen ist gemäß Untersuchungen von Laine et al. mit einer erhöhten Anfälligkeit für Periimplantitis verbunden und stellt demzufolge einen Risikofaktor dar [20]. Somit kann eine Analyse des IL-1-Polymorphismus (z.B. GenoType IL-1, Hain Lifescience, Nehren) eine wertvolle Hilfestellung in der Festlegung des Therapiekonzeptes sein.

Fazit

Obwohl Parodontitis und Periimplantitis gemäß der neuen Klassifikation klar voneinander abgegrenzt werden, haben sie doch eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Vor allem im Hinblick auf ihre ätiologisch relevanten Risikofaktoren weisen die Erkrankungen deutliche Parallelen auf. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten zeigen Ansätze aus der Parodontaltherapie auch in der Behandlung periimplantärer Erkrankungen gute Erfolge. Weil es für die Behandlung der Periimplantitis kein evidenzbasiertes Konzept gibt, sollte vor allem die Prävention periimplantärer Erkrankungen im Fokus stehen, also die präimplantologische Behandlung einer vorliegenden Parodontitis. Molekularbiologische Analysen bieten dabei die optimale Grundlage für eine diagnostisch fundierte und erfolgreiche Therapie.

Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels

Kommentare

Keine Kommentare.

Anzeige