Parodontologie


Teil 3: Parodontitis und Periimplantitis – rechtzeitig erkennen und erfolgreich therapieren


Nachdem die Teile 1 und 2 umfassende Informationen zu den mikrobiologischen und genetischen Grundlagen von Parodontalerkrankungen sowie zur Rolle molekularbiologischer Testsysteme in der Therapie von Parodontitis und Periimplantitis gegeben haben, behandelt der dritte Teil der Artikelreihe nun vor allem praktische Aspekte der Diagnostik. Wann, bei wem, wie und warum ist der Einsatz der molekularbiologischen Diagnostik sinnvoll und sollte in der Behandlungsplanung berücksichtigt werden? Auf diese Fragen soll der vorliegende Beitrag Antworten liefern und dem praktisch tätigen Zahnarzt als eine Art Leitfaden dienen.

Diagnostik in der PAR-Therapie – was, wann, warum, wen und wie?

Aus der gemeinsamen Stellungnahme von DGP und DGZMK [2] sowie aus dem Konsensuspaper „Fachliche Empfehlungen für die mikrobiologische Parodontaldiagnostik in der Zahnarztpraxis“ [26] ist klar ersichtlich: Die molekularbiologische Diagnostik sollte nicht pauschal angewendet werden, sondern vielmehr dann zum Einsatz kommen, wenn sie einen therapeutischen Nutzen verspricht. Die Parodontitis ist eine multifaktorielle Erkrankung, deren Etablierung und Progredienz maßgeblich vom Vorhandensein verschiedener Risikofaktoren abhängt. Neben einer Reihe exogener Risikofaktoren (Mundhygiene, Rauchen, Stress, Allgemeinerkrankungen) sind es vor allem die genetische Prädisposition des Patienten sowie das Vorhandensein parodontopathogener Keime, die die Infektionskrankheit Parodontitis aufrechterhalten und vorantreiben [9,20, 28,29]. Eine erfolgreiche Parodontitistherapie basiert daher auf drei grundsätzlichen Elementen [32]. Dies sind: Diagnose – Infektionskontrolle – Erhaltungstherapie.

1. Diagnose

Als Screeningmethode zur Identifizierung parodontal erkrankter Patienten hat sich die Erhebung des PSI als verlässliche und wirksame Methode erwiesen [10, 6,14]. Durch die Beurteilung klinischer Parameter wie Zustand der Gingiva, Blutungsneigung, Taschentiefe, Vorhandensein von Retentionen, Plaque und Zahnstein können der Parodontalstatus und der potenziell erforderliche Behandlungsbedarf ermittelt werden. Patienten mit Code 0 werden als klinisch gesund eingestuft und sollten regelmäßig prophylaktisch betreut werden. Das Vorliegen der PSICodes 1 und 2 deutet auf eine Gingivitis hin und erfordert eine intensivierte Mundhygiene, das Entfernen von Retentionsrändern und Zahnstein sowie subgingivaler Plaque. Liegt ein PSI-Code 3 oder 4 vor, hat sich bereits eine Parodontitis etabliert, die eine umfangreiche Parodontalbehandlung erfordert. Diese umfasst neben einer intensiven intraoralen Befunderhebung (BOP, PD, CAL, Furkationsbefall, Mobilität, Okklusionsanomalien etc.) und einer röntgenologischen Untersuchung auch eine gründliche Anamnese potenzieller Risikofaktoren. Während die exogenen Risikofaktoren erfragt oder durch einfache Maßnahmen wie das Erstellen des Plaqueindex erhoben werden können, lassen sich die genetische Prädisposition und die Zusammensetzung der Subgingivalflora schnell und einfach durch den Einsatz moderner molekularbiologischer Testsysteme bestimmen [32].

2. Infektionskontrolle

Die Reduktion der supra- und subgingivalen Keimlast wird als wichtigste Maßnahme zur Eindämmung der parodontalen Destruktion angesehen [2,11,12,15]. Aus diesem Grund wird der Patient zunächst einer Initial- und Hygienephase zugeführt, die die Information, Motivation und Instruktion zu verbesserter Mundhygiene ebenso umfasst wie die Herstellung hygienefähiger Verhältnisse durch PZR und u. U. subgingivales Scaling. Eine Reevaluation 2–3 Wochen nach der Initialtherapie gibt Aufschluss über den Erfolg dieser Behandlungsmaßnahmen: Ist eine deutliche Verbesserung der klinischen Parameter erkennbar, kann der Patient nun direkt der Erhaltungstherapie zugeführt werden. Hat sich das klinische Bild hingegen nicht verbessert, so liegt der Verdacht nahe, dass eine Reduktion der Anzahl an subgingivalen Bakterien durch eine rein mechanische Instrumentierung nicht möglich war [11,21]. In diesen Fällen muss eine über die Wirkung des subgingivalen Débridements hinausgehende antibiotische Begleittherapie in Erwägung gezogen werden. Eine zu diesem Zeitpunkt durchgeführte mikrobiologische Analyse des individuellen subgingivalen Keimspektrums liefert hier eine wichtige Entscheidungshilfe für die weitere Therapieplanung und die Auswahl eines optimal wirksamen Antibiotikums [26,32]. Ob eine systemische Antibiose erforderlich ist, entscheidet die Keimverteilung über das gesamte Parodont hinweg. Als repräsentativ und ökonomisch sinnvoll gilt die Beprobung der jeweils tiefsten Tasche jedes Quadranten, die dann in Form einer „Poolprobe“ analysiert wird [5].

3. Erhaltungstherapie

Etwa 6–8 Wochen nach abgeschlossener Einnahme des Antibiotikums sollte eine erneute Überprüfung von klinischem Bild und subgingivalem Keimspektrum mittels einer Kontrollanalyse stattfinden [10,26, 32]. Zeigt sich jetzt eine Verbesserung der klinischen sowie mikrobiologischen Verhältnisse, kann der Patient zur langfristigen Erhaltung des Therapieziels der parodontalen Erhaltungstherapie (Recall) zugeführt werden. Ergibt die mikrobiologische Kontrollanalyse hingegen eine fortgesetzt hohe Keimbelastung, so kann dies verschiedene Ursachen haben (s. Troubleshooting). Die aktive Parodontitistherapie sollte in diesen Fällen solange fortgeführt werden, bis eine deutliche Verbesserung der klinischen und mikrobiologischen Verhältnisse verzeichnet werden kann.

Die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) ist für den Langzeiterfolg einer Parodontitistherapie unverzichtbar und beinhaltet neben der regelmäßigen Plaquekontrolle und -entfernung auch eine Remotivation des Patienten sowie eine Überprüfung der klinischen Parameter [4,14,28].

  • Abb. 1: Wann sollte die mikrobiologische Diagnostik durchgeführt werden? Die fünf Bausteine der systematischen Parodontaltherapie (nach DGP-Richtlinien) in ihren 4 Behandlungsschritten (modifiziert nach Scholz et al. [26]).

  • Abb. 1: Wann sollte die mikrobiologische Diagnostik durchgeführt werden? Die fünf Bausteine der systematischen Parodontaltherapie (nach DGP-Richtlinien) in ihren 4 Behandlungsschritten (modifiziert nach Scholz et al. [26]).
Das Behandlungsintervall richtet sich dabei nach der individuellen Risikobeurteilung des Patienten und ist u. a. von exogenen Risikofaktoren, dem bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlauf sowie von der IL-1-vermittelten genetisch bedingten Entzündungsneigung des Patienten abhängig. Die individuellen Risikofaktoren addieren sich dabei nicht nur, sondern wirken synergistisch [28]. So haben z. B. Raucher, bei denen gleichzeitig Veränderungen im IL-1-Gencluster vorliegen, ein fast 8-fach erhöhtes Risiko für progredienten Attachmentverlust [1,18]. Auch das Vorliegen erhöhter Konzentrationen parodontopathogener Markerkeime steigert das Risiko für fortschreitenden Zahn- bzw. Implantatverlust in der Erhaltungsphase deutlich. Regelmäßig durchgeführte mikrobiologische Untersuchungen während des Recalls helfen, Rezidive oder Patienten mit erhöhtem Rezidivrisiko frühzeitig zu identifizieren [32] (Abb. 1).

Warum zeigt die Kontrolluntersuchung gelegentlich immer noch eine Keimbelastung?

Eine vollständige Eliminierung der Markerkeime ist weder möglich noch Ziel der antiinfektiösen Therapie. Wenn die Konzentrationen der PA-Bakterien in einer Kontrolluntersuchung unterhalb der antibiotischen Therapieschwelle bleiben und das klinische Bild zufriedenstellend ist, besteht demnach kein akuter Handlungsbedarf und die Therapie kann als erfolgreich gewertet werden, da das Immunsystem des Patienten die verbleibenden Restkeime beherrschen kann [29,31]. Nach einer antibiotischen Begleittherapie mit Wirkstoffen wie Metronidazol oder Clindamycin, die gezielt auf gramnegative Anaerobier wirken, kann es vereinzelt zu einer Verschiebung des Keimspektrums kommen. In solchen Fällen können Bakterienspezies, welche unempfindlich gegen den eingesetzten Wirkstoff sind, die durch die Beseitigung der Anaerobier entstehende Lücke nutzen und sich aufgrund des Mehrangebots an Platz und Nährstoffen vermehren [21]. Ist dies der Fall, muss in Abhängigkeit vom Ergebnis der mikrobiologischen Kontrollanalyse und dem klinischem Bild über den Fortgang der Behandlung entschieden werden.

Ist die Keimbelastung in der Kontrolluntersuchung unverändert hoch, können die Gründe für diesen „Misserfolg“ unterschiedlich sein; auf das Vorliegen von resistenten Bakterienstämmen ist dies aber nur selten zurückzuführen. Zunächst sollte in solchen Fällen geklärt werden, ob der Patient die verordneten Antibiotika regelmäßig und vollständig eingenommen hat, um Compliancefehler auszuschließen. Möglicherweise ist aber auch eine unterbliebene, unzureichende oder nicht unmittelbar vor Beginn der Antibiotikatherapie durchgeführte subgingivale Plaqueentfernung (SRP = Scaling & Root Planning) für den Fortbestand der Infektion verantwortlich, da ein intakter Biofilm den Bakterien quasi als „Schutzschild“ dient und die Antibiotika folglich nicht oder nur eingeschränkt wirken können [11,30]. Ist der zeitliche Abstand zwischen SRP und Tabletteneinnahme zu lang, kann sich der Biofilm unter Umständen bereits wieder etabliert haben und die erhoffte keimreduzierende Wirkung bleibt aus.

In schwer zugänglichen Bereichen persistierende Restkeime können ebenfalls zum Problem werden: Bleiben Plaquereste zurück – z. B. in den Furkationen mehrwurzeliger Zähne nach geschlossener Kürettage –, kann dies zu einer Rekolonisierung bereits gereinigter Bereiche führen. Eine offene Instrumentierung dieser Problembereiche mit erneuter Antibiotikagabe/SRP führt hier in der Regel zum Erfolg [2,32].

Zu beachten ist auch ein ausreichend großer zeitlicher Abstand zwischen Antibiotikatherapie und Erfolgskontrolle. So sollte eine Kontrollanalyse frühestens 6–8 Wochen nach Ende der Antibiotikatherapie durchgeführt werden. Erfolgt sie zu früh, besteht die Gefahr, dass die Analyse aufgrund noch vorhandener DNA von bereits abgetöteten Bakterien ein falsch positives Ergebnis liefert.

Über das Therapieende hinaus fortbestehende hohe Keimkonzentrationen können möglicherweise auch auf eine Reinfektion durch den Partner des Patienten zurückzuführen sein. Dabei kann der Partner aufgrund einer soliden Immunabwehr klinisch sogar unauffällig sein, dient aber dennoch als Quelle für eine fortgesetzte Bakterienübertragung. Können andere Ursachen für das „Therapieversagen“ ausgeschlossen werden, sollte daher eine parodontale und mikrobiologische Untersuchung des Partners in Erwägung gezogen werden. Eine kombinierte und zeitgleiche Partnerbehandlung reduziert das Risiko von Reinfektionen und ist unter Umständen Voraussetzung für eine nachhaltige Keimreduktion, wie das folgende Fallbeispiel (freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Frau Dr. C. Tietmann, Aachen) eindrucksvoll zeigt.

Ein zu Beginn der Behandlung 50-jähriger Mann mit generalisierter aggressiver Parodontitis (Abb. 2) zeigte in der mikrobiologischen Eingangsuntersuchung eine erhöhte Belastung mit Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia und Treponema denticola (Abb. 3). Die 8 Wochen nach Therapie (geschlossene Kürettage + 3 x 400 mg Metronidazol/ Tag für 1 Woche) durchgeführte Kontrolluntersuchung ergab keine Reduktion der parodontalpathogenen Keime (Abb. 4). Erst nach Überweisung der Ehefrau zur PAR-Therapie (chronische Parodontitis) in die Praxis wurde die Ursache für die Therapieresistenz offensichtlich. Bei einer erneuten mikrobiologischen Analyse fiel die auffällige Ähnlichkeit der individuellen Keimspektren beider Partner auf (Abb. 5 u. 6). Nach parallel erfolgter Therapie beider Eheleute (geschlossene Kürettage in Kombination mit systemischen Antibiotikagaben) konnte schließlich eine erfolgreiche Reduktion der Markerkeime erzielt werden (Abb. 7).

  • Abb. 2: Klinisches Bild des Ehemanns vor Behandlung (aggressive generalisierte Parodontitis).
  • Abb. 3: Ehemann; Eingangsanalyse: 27.08.2007.
  • Abb. 2: Klinisches Bild des Ehemanns vor Behandlung (aggressive generalisierte Parodontitis).
  • Abb. 3: Ehemann; Eingangsanalyse: 27.08.2007.

  • Abb. 4: Ehemann; Kontrollanalyse nach SRP + Metronidazol: 10.11.2007.
  • Abb. 5: Ehefrau; Analyse vom 10.11.2009.
  • Abb. 4: Ehemann; Kontrollanalyse nach SRP + Metronidazol: 10.11.2007.
  • Abb. 5: Ehefrau; Analyse vom 10.11.2009.

  • Abb. 6: Ehemann; Analyse vom 08.02.2010.
  • Abb. 7: Ehemann; Kontrollanalyse vom 07.05.2010 nach erneutem SRP und Antibiotikagaben.
  • Abb. 6: Ehemann; Analyse vom 08.02.2010.
  • Abb. 7: Ehemann; Kontrollanalyse vom 07.05.2010 nach erneutem SRP und Antibiotikagaben.

Wen? Welche Patienten brauchen molekularbiologische Diagnostik?

Insbesondere PA-Patienten, die nach Abschluss der initialen Hygienephase keine maßgebliche Verbesserung der Klinik zeigen, profitieren von einer intensivierten Diagnostik, da so Wege aufzeigt werden können, die eine langfristig erfolgreiche PAR-Therapie auch über die konventionelle Therapie hinaus ermöglichen [21]. Auch Kontrollanalysen zur Dokumentation des Behandlungserfolges nach antibiotisch unterstütztem oder rein instrumentellem SRP sowie für die Rezidiverkennung- bzw. prophylaxe während der Nachsorge sind wichtige Indikationen für mikrobiologische Untersuchungen [2,5,26,32]. So profitiert nicht jeder Patient, der die Praxis betritt, zwangsläufig von einer Analyse des subgingivalen Keimspektrums oder des Interleukin-vermittelten Parodontitisrisikos. Tatsächlich können dies auch Patienten sein, bei denen man solches auf den ersten Blick nicht vermutet hätte.

Da das Keimspektrum periimplantärer Infektionen weitgehend vergleichbar ist mit dem der Parodontitis [17,27], hat die Reduktion der Keimbelastung auch hier oberste Priorität. So sollten im Zuge der Periimplantitis-Prophylaxe aufwendige Sanierungen mit osseointegriertem Zahnersatz gemäß dem ersten implantologischen Imperativ „Kein Implantat bei bestehender Parodontitis!“ erst nach der erfolgreichen Reduzierung einer möglicherweise vorliegenden Keimbelastung durchgeführt werden. Die präimplantologisch durchgeführte mikrobiologische Untersuchung gilt somit als wichtiges Hilfsmittel zur Vermeidung periimplantärer Infektionen. Bei bereits etablierter Periimplantitis kann der Verlust des Implantats durch die adjunktive Applikation eines auf die individuelle Situation hin ausgewählten spezifischen Antibiotikums häufig verhindert werden [15,19,23].

Die Parodontitis ist bekanntermaßen eine langsam fortschreitende, chronische Infektionskrankheit [29,32], in deren Verlauf die oft in hohen Konzentrationen vorhandenen Parodontitisbakterien schon beim Zähneputzen oder Kauen – von zahnärztlichen Eingriffen ganz zu schweigen – in den Blutkreislauf gelangen und hier zu entzündlichen Reaktionen im Sinne einer Bakteriämie führen können [25,33]. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Parodontitis auch in allgemeinmedizinischer Hinsicht nicht unterschätzt werden darf [8]. Demgemäß sind bisher Assoziationen von Parodontalerkrankungen u. a. mit koronaren Herzerkrankungen, Diabetes mellitus, rheumatoider Arthritis sowie Schwangerschaftskomplikationen (Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht) belegt [8,13,16,34]. Insbesondere Schwangere und Personen, die als Risikopatienten für diese Erkrankungen gelten, profitieren daher über den zahnmedizinischen Bereich hinaus von einer Reduktion ihrer subgingivalen Keimlast.

Mikrobiologische Testsysteme sind also auch in der Lage, ein potenzielles allgemeingesundheitliches Risiko aufzuzeigen, und ermöglichen eine frühzeitige Identifikation und Therapie dieser gefährdeten Patienten. So wirkt sich z. B. eine Verbesserung der parodontalen Verhältnisse bei Diabetespatienten positiv auf die glykämische Einstellung aus [8]. Bei Frauen mit Kinderwunsch sollte eine parodontale Sanierung inklusive der Bestimmung des subgingivalen Keimspektrums möglichst schon vor Beginn der Schwangerschaft durchgeführt werden, da zu diesem Zeitpunkt noch alle therapeutischen Optionen offenstehen. Bei bestehender Gravidität gilt das 2. Trimenon für eine nichtchirurgische Parodontitisbehandlung als sicher, eine antibiotische Begleittherapie sollte jedoch nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung durchgeführt werden [7].

Wie? Die richtige und erfolgreiche Umsetzung der Informationen in der Praxis

  • Tab. 1: Troubleshooting bei positiver Kontrollanalyse.

  • Tab. 1: Troubleshooting bei positiver Kontrollanalyse.
Die Hauptindikation für die molekularbiologische Diagnostik im Rahmen der Therapie von Parodontitis und Periimplantitis besteht darin, eine Entscheidungshilfe zu erhalten, ob eine antibiotische Begleittherapie indiziert ist oder nicht [2,5,26,32]. Ergibt die mikrobiologische Untersuchung ein Keimspektrum, das die Gabe von Antibiotika erforderlich macht, so richtet sich die Wirkstoffwahl nach der Menge und der Zusammensetzung der Markerkeime. In der Ergebnismitteilung des micro-IDent®-Tests (Hain Lifescience GmbH, Nehren) zeigt die antibiotische Therapieschwelle bereits auf einen Blick, ob das Keimspektrum des Patienten ausschließlich mit mechanischen Therapieformen behandelt werden kann oder zusätzlich eine Antibiotikatherapie erforderlich ist. Über diese Basisinformation hinaus enthält die individualisierte Therapieempfehlung – in Anlehnung an die wissenschaftliche Stellungnahme der DGP/ DGZMK [2] – dann detaillierte Angaben zur individuell erforderlichen Wirkstoffwahl und Dosierung.

Ergibt die mikrobiologische Analyse, dass eine antibiotische Unterstützung der Therapie sinnvoll ist, sollte der weitere Behandlungsablauf gut geplant werden. Um eine effektive Wirkung des Antibiotikums zu gewährleisten und darüber hinaus eine Rekolonisierung bereits gereinigter Bereiche zu vermeiden, empfehlen Experten eine antiinfektiöse Therapie nach dem Konzept der „Full Mouth Disinfection“ [22]. Hierzu werden neben einer unterstützenden Desinfektion mit Chlorhexidin-Präparaten insbesondere ein Vollscaling innerhalb eines Zeitraumes von 24 bis 48 Stunden sowie ein Beginn der Antibiotikaeinnahme unmittelbar im Anschluss an das SRP empfohlen. In der Praxis kann das wie folgt aussehen:

Tag 1: SRP der Quadranten 1 und 4; Patient bekommt Rezept für das Antibiotikum entsprechend der Therapieempfehlung der mikrobiologischen Untersuchung.

Tag 2: SRP der Quadranten 2 und 3; Beginn der Einnahme unmittelbar nach Abschluss des subgingivalen Débridements.

Cave

  • Tab. 2: Mikrobiologische Analyse: Bei welchen Patienten ist sie sinnvoll?

  • Tab. 2: Mikrobiologische Analyse: Bei welchen Patienten ist sie sinnvoll?
Antibiotika sind wichtige Werkzeuge im Kampf gegen Infektionen. Bei allen positiven Wirkungen sind die Medikamente aber nicht frei von Nebenwirkungen. Aus diesem Grund müssen bei der Verschreibung von Antibiotika einige wichtige Regeln eingehalten und verschiedene Fragestellungen abgeklärt werden. Grundsätzlich muss jeder Patient befragt werden, ob bereits Unverträglichkeiten oder Allergien bekannt sind, die die Rezeptierung bestimmter Wirkstoffe ausschließen und/oder die Auswahl von Alternativpräparaten erforderlich machen. Unverträglichkeiten können aber nicht nur gegenüber einem Wirkstoff vorliegen, sondern sich auch gegen die Trägersubstanz des Medikamentes richten. Weil Laktose- oder Glutenunverträglichkeiten relativ häufig auftreten, bieten einige Pharmafirmen heute bereits entsprechend allergenfreie Präparate an.

Allgemeinerkrankungen, wie beispielsweise ZNS-Erkrankungen (z. B. Epilepsie), Immunsuppression sowie Leber- und Nierenerkrankungen, aber auch eine bestehende Schwangerschaft können eine Kontraindikation für bestimmte Wirkstoffe darstellen oder eine Dosisanpassung erforderlich machen.

Dem Patienten sollte bereits im Vorfeld erläutert werden, dass während der Einnahme von Antibiotika unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können. Vor allem Störungen der Darmflora gehören zu den häufigen Begleiterscheinungen, die – wenngleich lästig – im Allgemeinen aber einen milden Verlauf haben und häufig bereits während, sonst mit Ende der Einnahme abklingen. Zur Stabilisierung der Darmflora bei Antibiotika- assoziierter Diarrhö hat sich der prophylaktische Einsatz von Probiotika während und drei Tage über die Antibiotikaeinnahme hinaus als hilfreich erwiesen. Bei Auftreten massiver Durchfälle, insbesondere bei schleimigem oder blutigem Stuhl, sollte das Antibiotikum allerdings sofort abgesetzt und Rücksprache mit dem Hausarzt gehalten werden (Verdacht auf pseudomembranöse Enterokolitis).

  • Tab. 3: Checkliste: Was muss vor einer Antibiotikatherapie beachtet werden?

  • Tab. 3: Checkliste: Was muss vor einer Antibiotikatherapie beachtet werden?
Die Einnahme von Antibiotika kann auch zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen. Dabei kann sich die Wirkung der Arzneimittel gegenseitig verstärken, abschwächen oder sogar ganz aufheben. Aus diesem Grund sollten andere Medikamenteneinnahmen des Patienten vor Beginn der Antibiotikatherapie anamnestisch abgeklärt werden. Ein bekanntes Beispiel ist die mögliche Einschränkung der empfängnisverhütenden Wirkung der Anti-Baby-Pille durch einige Antibiotika oder durch das Auftreten Antibiotika-assoziierter Durchfälle. Auch auf Alkohol sollte während der Einnahme von Antibiotika verzichtet werden, da der Abbau von Antibiotika ebenfalls über die Leber erfolgt. Wird während einer Antibiotikabehandlung Alkohol konsumiert, so ist die Leber überfordert und der Alkoholabbau gehemmt. Die Folge: Die Alkoholwirkung tritt schneller ein und hält länger an. Insbesondere bei der Einnahme von Metronidazol können schon kleine Alkoholmengen zu massiven Unverträglichkeitsreaktionen führen! Raucher können von einer verlängerten Antibiotikatherapie profi tieren, da das Nikotin sowohl die Durchblutung des Gingivagewebes als auch die Menge an Sulkusfl üssigkeit reduziert. Demgemäß ist dann die Exposition der parodontopathogenen Keime gegenüber den Antibiotika herabgesetzt [3].

Systemisch oder lokal? Die Klinik führt!

Während sich bei einer systemischen Antibiotikatherapie der Wirkstoff im gesamten Körper verteilt und auf diese Weise auch die parodontalen Taschen erreicht, wird er bei lokalen Antibiotikagaben direkt in die Tasche appliziert. Beide Formen der Antibiotikatherapie haben Vor- und Nachteile und empfehlen sich für unterschiedliche klinische Situationen. In Abhängigkeit von Keimspektrum und der Art der parodontalen Infektion wird das Antibiotikum oder die Antibiotika-Kombination ausgewählt, für die gute antimikrobielle und klinische Wirkungen beschrieben wurden.

Systemische Antibiotikatherapie

Entscheidend für die Auswahl systemischer Antibiotika ist nicht die exakte Lokalisation und Quantität der parodontopathogenen Erreger, sondern deren qualitativer Nachweis innerhalb der Mundhöhle. Ein wesentlicher Vorteil der systemischen Antibiotikagabe liegt darin, dass alle parodontalen Taschen und auch andere von den Bakterien besiedelte Nischen der Mundhöhle vom Wirkstoff erreicht werden [21]. Die systemische Therapie ist daher insbesondere bei generalisierten Parodontalerkrankungen indiziert, bei denen viele oder gar alle Zähne betroffen sind. Zu den Nachteilen systemischer Antibiotikagaben gehören aber nicht nur Nebenwirkungen, die – wie bereits erläutert – von leichten Magen-Darm-Störungen bis zu allergischen Reaktionen reichen können, sondern auch die mögliche Ausbildung von Resistenzen. Nach Beikeler et al. [2] ist die Anfertigung eines Antibiogramms zum Nachweis einer Antibiotikaresistenz aber erst nach einer vorausgegangenen, klinisch nicht erfolgreichen Antibiotikatherapie sinnvoll.

Lokalantibiotika

Eine Alternative zu systemischen Antibiotika ist die Verwendung von Lokalantibiotika, die gezielt an bestimmten Stellen des Parodonts eingesetzt werden. Hierzu wird der Wirkstoff mithilfe eines Medikamententrägers in die Parodontaltasche eingebracht und somit direkt am Ort des Geschehens abgegeben. Dabei sollten Applikationsformen bevorzugt werden, die eine kontinuierliche Freisetzung des Antibiotikums ermöglichen und so eine anhaltende antimikrobielle Wirksamkeit im Sulkus aufrechterhalten [3,24].

Lokalantibiotika haben, verglichen mit systemischen Präparaten, geringere Nebenwirkungen und ermöglichen eine Compliance-unabhängige Dosierung des Medikamentes. Am Ort des Bedarfes lassen sich darüber hinaus deutlich höhere Wirkstoffkonzentrationen erzielen [21,3]. Als Nachteile gelten die deutlich aufwendigere Applikation, höhere Kosten und die mangelnde Wirksamkeit gegenüber Keimen, die sich außerhalb des Sulkus befinden. In der Praxis empfiehlt sich daher die Anwendung von Lokalantibiotika vor allem für die Therapie isolierter Defekte sowie refraktärer Resttaschen nach positiver Keimanalyse. Nach Eickholz [3] erscheint „der Einsatz der lokalen Antibiotikatherapie insbesondere in der unterstützenden Parodontitistherapie bei Patienten sinnvoll, die nach abgeschlossener Parodontitistherapie (Wurzeloberfl äche frei von harten Belägen) an einzelnen Stellen trotz subgingivalen Scalings noch persistierende oder auch nach chirurgischer Intervention rezidivierende pathologisch vertiefte Taschen (ST ? 5 mm und BOP) aufweisen. Bei diesen Patienten verursacht wiederholtes subgingivales Scaling langfristig nicht unerhebliche Hartsubstanzverluste und häufi g Zahnhalsüberempfi ndlichkeiten.“

Fazit

Für die langfristig erfolgreiche Behandlung multifaktorieller Erkrankungen wie Parodontitis und Periimplantitis ist es wichtig, die individuellen Risikofaktoren des Patienten zu kennen. Moderne molekularbiologische Testsysteme können hierzu einen wertvollen Beitrag leisten und ermöglichen die Erstellung eines patientenspezifischen, kausal orientierten Therapiekonzeptes als Basis für einen gesteigerten Behandlungserfolg. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Sylke Dombrowa

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Sylke Dombrowa



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