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Parodontologie

Studie: Risikofaktoren für Zahnverlust nach Parodontitistherapie – eine 20-Jahres-Evaluation

Welche zahnbezogenen Risikofaktoren begünstigen Zahnverlust nach systematischer Parodontitistherapie? Diese Fragestellung lag der im Folgenden dargestellten Studie an der Universitätsklinik Heidelberg zugrunde. Untersucht wurde das Überleben von parodontal beeinträchtigten Zähnen nach systematischer Parodontitistherapie bei Patienten in der Unterstützenden Parodontitistherapie (UPT). Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Patientenadhärenz in der UPT für den langfristigen Zahnerhalt.

Karies Pavel Losevsky/Fotolia

Zusammenfassung

Parodontitis stellt eine der am weitest verbreiteten chronischen Entzündungen dar. Unbehandelt führt sie zu einer irreversiblen Zerstörung des Zahnhalteapparates. Ziel der vorliegenden, partiell prospektiven Studie ist, die Überlebenswahrscheinlichkeit von Zähnen nach systematischer Parodontitistherapie und die zahnbezogenen Risikofaktoren für Zahnverlust zu evaluieren. Auf Zahnebene erhöhen Morphologie und Lokalisation eines Zahnes, Knochenabbau sowie Furkationsbeteiligung zu Therapiebeginn und Funktion als Pfeilerzahn das Verlustrisiko 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie.

Dennoch können Zähne mit einem initialen Knochenabbau von über 60% in 2 Drittel der Fälle erhalten werden. Hier wirkt sich die Patientenadhärenz signifikant positiv aus: Wer 20 Jahre lang mindestens jährlich zur parodontalen Nachsorge erscheint, kann 94% seiner Zähne erhalten; bei nicht-adhärenten Patienten ist der Zahnerhalt signifikant geringer.

Bei einem Knochenabbau über 60% finden sich ohne regelmäßige Nachsorge nur knapp die Hälfte der Zähne im Mund (47,6%), der Zahnerhalt bei adhärenten Patienten liegt mit 84,2% signifikant höher. Bei mehrwurzeligen Zähnen ohne und mit Furkationsbeteiligung zeigt sich analoger Zahnerhalt (mit 89% und 76,5%), bei Patienten mit regelmäßiger Teilnahme an der unterstützenden Parodontitistherapie aber signifikant häufiger (97,3% vs. 78,2% und 80,7% vs. 73,2%).

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Für Prognosestellung und Therapieplanung ist zu beachten, dass Zähne selbst bei ungünstiger Prognose in fast 2 Drittel langfristig erhalten werden können. Präventiv wird die regelmäßige Teilnahme an der unterstützenden Parodontitistherapie betont: Das Risiko für Zahnverlust ist bei adhärenten Patienten deutlich verringert.

Hintergrund

Laut der 2016 veröffentlichten fünften deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) liegt in Deutschland die Prävalenz für moderate Parodontalerkrankungen bei Senioren über 65 Jahren bei 50,8%; schwere Formen der Parodontitis betreffen 24,6% der Senioren [1]. Unbehandelt führt Parodontitis zur Zerstörung des Zahnhalteapparates, Lockerung der Zähne und zum Zahnverlust.

Der Zahnverlust stellt den Patienten häufig vor ästhetische sowie funktionelle Einschränkungen [2,3]. Es sollte untersucht werden, welche Faktoren den Zahnerhalt nach parodontaler Therapie beeinflussen [4].

Material und Methoden

Vorliegende Studie ist Teil einer partiell prospektiven Langzeituntersuchung, welche sich über 20 Jahre erstreckt [4-7]. Das Patientenkollektiv umfasst Patienten, die in der Sektion Parodontologie der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde des Universitätsklinikums Heidelberg vor 20 Jahren eine systematische Parodontitistherapie „aktive parodontale Therapie (APT)“ durch einen Fachzahnarzt für Parodontologie (Prof. Dr. Peter Eickholz) erhielten. 

10 Jahre nach Beginn der APT wurden alle diese Patienten eingeladen, bis 100 Studienteilnehmer (10 Jahre ± 6 Monate nach Beginn der APT) evaluiert werden konnten [6,7]. Im Rahmen der 10-Jahres-Untersuchung wurden die Patienten über eine prospektive Evaluation 20 Jahre ± 12 Monate nach Beginn der APT aufgeklärt. Für die 20-Jahres-Evaluation (T3) konnten 70 der genannten 100 Patienten nachuntersucht werden.

Abb. 1: Flow-Chart zur Patienten-Rekrutierung. Rahim-Wöstefeld
Abb. 1: Flow-Chart zur Patienten-Rekrutierung.

Aufgrund unvollständiger Daten musste ein weiterer Patient ausgeschlossen werden (Abb. 1). Die vorliegende Studie konzentriert sich auf zahnbezogene Risikofaktoren für den Zahnverlust 20 Jahre nach initialer Parodontitistherapie [4]. Zu folgenden Zeitpunkten wurden die dentalen Befunde verglichen: Beginn der APT (T0), Beginn der Erhaltungstherapie/erste UPT (T1), 10-Jahres-(T2) und 20-Jahres-Evaluation (T3).

Den Patienten wurde individuell anhand der Parodontitis-Risikobestimmung (PRA) von Lang und Tonetti retrospektiv ein Recall-Intervall zugeteilt, welches die zahnbezogene Faktoren wie Bluten auf Sondieren, Anzahl der pathologisch vertieften Taschen ≥ 5 mm, Anzahl der verlorenen Zähne, Knochenabbau in % in Relation zum Alter und patientenbezogene Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes mellitus und weitere genetische/systemische Faktoren berücksichtigt [6,8]. Als adhärent gilt, wer das Recall-Intervall mit einer Toleranz von 100% einhält. Als nicht-adhärent, wer das zugeordnete Intervall mindestens 1x um mehr als 100% überschreitet.

Neben den patientenbezogenen Faktoren Geschlecht (männlich/weiblich), Raucherstatus (aktiv/ehemalig/Nichtraucher) und Adhärenz (ja/nein) wurden folgende zahnbezogene Faktoren zu T0 erhoben: Kiefer (OK/UK), Zahntyp (Front/Prämolar/Molar), Furkation (einwurzelig/mehrwurzelig, ohne/mit Furkationsbeteiligung), Knochenabbau (≤20% / 21-40% / 41-60% / 61-80% / >80%), Prognose (gut/fraglich/ungünstig), Pfeiler (nein / Pfeiler für festsitzenden/herausnehmbaren Zahnersatz).

Statistische Auswertung 

Die statistische Analyse erfolgte unter Anwendung verschiedener Computerprogramme (Microsoft Excel©; Version 16.29.1; Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA & R; Version 3.5.1; Wien, Österreich). Die Analyse erfolgte auf Zahnebene. Weisheitszähne wurden nicht berücksichtigt. Als primärer Endpunkt gilt der Zahnverlust.

Ergebnisse

20 Jahre nach APT konnten 69 Patienten mit 1611 Zähne ausgewertet werden. Im Patientenpool fanden sich 42 Frauen (60,9%) und 27 Männer (39,1%), 11 aktive (11,5%) und 27 ehemalige Raucher (39,1%) sowie 31 Nichtraucher (44,9%). 39 Patienten waren nicht-adhärent (56,5%).

Es wurden 757 Frontzähne, 470 Prämolaren und 384 Molaren dokumentiert, wovon 1078 einwurzelig, 200 mehrwurzelig ohne und 268 mehrwurzelig mit Furkationsbeteiligung waren (Tab. 1).

Variable Anzahl Mittelwert Standardabweichung
Anzahl der Zähne (69 Patienten) 1611 23,348 4,752
Anzahl der verlorenen Zähne – nach 10 Jahren 84 1,217 1,954
Anzahl der verlorenen Zähne – nach 20 Jahren 198 2,870 3,539
Kiefer
Oberkiefer 831 12,043 2,367
Unterkiefer 780 11,304 2,922
Zahntyp
Frontzahn 757 10,971 1,925
Prämolar 470 6,812 1,726
Molar 384 5,565 2,159
Furkationsbeteiligung
Einwurzeliger Zahn 1078 15,623 4,000
Mehrwurzeliger Zahn ohne Furkationsbeteiligung 200 2,899 1,934
Mehrwurzeliger Zahn mit Furkationsbeteiligung 268 3,884 2,186
Pfeilerzahn
Zahn ohne Pfeilerfunktion 1368 19,826 7,681
Pfeilerzahn für festsitzenden Zahnersatz 134 1,942 2,930
Pfeilerzahn für herausnehmbaren Zahnersatz 44 0,638 1,925
Knochenabbau
Parodontaler Knochenabbau ≤ 20% 380 5,507 5,409
Parodontaler Knochenabbau 21–40% 671 9,725 4,844
Parodontaler Knochenabbau 41–60% 340 4,928 3,036
Parodontaler Knochenabbau > 60% 141 2,043 2,075
Prognose
gut 1166 16,899 6,107
fraglich 273 3,957 2,741
ungünstig 93 1,348 1,661

Tab. 1: Deskriptive Analyse der patienten- und zahnbezogenen Faktoren (Mittelwert und Standardabweichung/Patient).

Die meisten Zähne (n = 671) wiesen 21-40% Knochenabbau zu T0 auf, 141 Zähne zeigten einen Abbau zwischen 61 und 100%. 1368 Zähne wiesen keine Pfeilerfunktion auf. 134 Zähne dienten als Pfeilerzahn für festsitzenden und 44 Zähne für herausnehmbaren Zahnersatz.

Zahnverlust

Abb. 2: Zahnverlust und Zahnerhalt 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie in %-Angaben. Vergleich adhärenter und nicht-adhärenter Patienten. Rahim-Wöstefeld
Abb. 2: Zahnverlust und Zahnerhalt 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie in %-Angaben. Vergleich adhärenter und nicht-adhärenter Patienten.

In den ersten 10 Jahren nach APT (T1-T2) gingen 84 Zähne, in den darauffolgenden Jahren (T2-T3) weitere 114 Zähne verloren. Nicht-adhärente Patienten (n = 875 Zähne) verloren 154 Zähne (17,6%) und damit etwa 3x so viele wie adhärente Patienten (44 Zähne; 6,0%; Abb. 2). Die univariate Analyse mittels gemischtem logistischen Regressionsmodell ergab einen höheren Verlust auf Zahnebene für folgende Faktoren (Tab. 2): Lokalisation im Oberkiefer, Molaren, mehrwurzelige Zähne mit Furkationsbeteiligung, erhöhter initialer Knochenabbau, Pfeilerzahn.

Zahnbezogene Risikofaktoren Odds Ratio (95%-Konfidenzintervall) P-Wert
Oberkiefer vs. Unterkiefer 1,9780 (1,4040–2,8070) 0,0001
Zahntyp: Frontzahn vs. Molar 0,132 (0,082–0,21) < 0,0001
Zahntyp: Prämolar vs. Molar 0,377 (0,242–0,582) < 0,0001
Mehrwurzeliger Zahn ohne Furkationsbeteiligung vs. einwurzeliger Zahn 1,83 (1,014–3,211) 0,0392
Mehrwurzeliger Zahn mit Furkationsbeteiligung vs. einwurzeliger Zahn 5,693 (3,678–8,887) < 0,0001
Pfeilerzahn für festsitzenden Zahnersatz vs. Zahn ohne Pfeilerfunktion 3,907 (2,254–6,746) < 0,0001
Pfeilerzahn für herausnehmbaren Zahnersatz vs. Zahn ohne Pfeilerfunktion 2,9 (1,115–7,559) 0,0284
Parodontaler Knochenabbau 21–40% vs. ≤ 20% 1,512 (0,814–2,91) 0,2013
Parodontaler Knochenabbau 41–60% vs. ≤ 20% 3,891 (2,038–7,718) < 0,0001
Parodontaler Knochenabbau ≥ 60% vs. ≤ 20% 17,564 (8,632–37,292) < 0,0001
Fragliche Prognose (50–75%) vs. gute Prognose (< 50%) 4,108 (2,608–6,5) < 0,0001
Ungünstige/hoffnungslose Prognose (> 75%) vs. gute Prognose (< 50%) 12,046 (6,38–23,067) < 0,0001

Tab. 2: Univariate Analyse – Einfluss zahnbezogener Risikofaktoren für Zahnverlust 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie.

Abb. 3: Zahnverlust 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie: Initialer Knochenabbau bei adhärenten vs. nicht-adhärenten Patienten. Rahim-Wöstefeld
Abb. 3: Zahnverlust 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie: Initialer Knochenabbau bei adhärenten vs. nicht-adhärenten Patienten.

Mehr als die Hälfte aller Zähne bei nicht-adhärenten Patienten mit einem Knochenabbau über 60% konnten nicht gehalten werden (52,4%). Hingegen war Zahnerhalt in 84,2% der Fälle mit einem initialen Knochenabbau über 60% bei adhärenten Patienten möglich (Tab. 3, Abb. 3). Bei adhärenten Patienten blieben außerdem mehr als 80% furkationsbeteiligter Molaren erhalten.

Initialer parodontaler Knochenabbau in %

Gesamt ≤ 20% 21%–40% 41%–60% < 60%
(a) Gesamt
N
Verlust n
Verlust %
1611
198
12,29
380
18
4,7
671
56
8,3
340
54
15,9
141
53
37,6
(b) Adhärent
N
Verlust n
Verlust %
736
44
6,0
194
4
2,1
316
14
4,4
161
13
8,1
57
9
15,8
(c) Nicht-adhärent
N
Verlust n
Verlust %
875
154
17,6
186
14
7,5
355
42
11,8
179
41
22,9
84
44
52,4

Tab. 3: Zahnverlust 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie in Relation zum parodontalen Knochenabbau: (a) gesamtes Patientenkollektiv, (b) adhärente Patienten und (c) nicht-adhärente Patienten.

Zahnerhalt bei nicht-adhärenten Patienten war nur in 73,2% dieser Fälle möglich (Tab. 4). Im multivariaten Modell für Zahnverlust 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie wiesen die Faktoren Patientenadhärenz, initialer Knochenabbau über 60% und mehrwurzelige Zähne mit Furkationsbeteiligung einen signifikanten Einfluss auf.

Initiale Furkationsbeteiligung

Gesamt Einwurzeliger Zahn Mehrwurzeliger Zahn ohne Furkationsbeteiligung Mehrwurzeliger Zahn mit Furkationsbeteiligung
(a) Gesamt
N
Verlust n
Verlust %
1611
198
12,29
1078
97
9,0
200
22
11,0
268
63
23,5
(b) Adhärent
N
Verlust n
Verlust %
736
44
6,0
497
15
3,0
113
3
2,7
119
23
19,3
(c) Nicht-adhärent
N
Verlust n
Verlust %
875
154
17,6
581
82
14,1
87
19
21,8
149
40
26,8

Tab. 4: Zahnverlust 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie in Relation zur Furkationsbeteiligung: (a) gesamtes Patientenkollektiv, (b) adhärente Patienten und (c) nicht-adhärente Patienten.

Diskussion

Das partiell prospektive Studiendesign berücksichtigt patienten- und zahnbezogene Risikofaktoren für Zahnverlust auf Zahnebene. In einer retrospektiven Fallserie von Martinez-Canut et al. wird der Einfluss von patienten- und zahnbezogenen Faktoren auf Zahnverlust bei Patienten über 20,2 Jahre UPT untersucht [9]. In Übereinstimmung mit unseren Ergebnissen ist Zahnverlust am häufigsten bei Molaren zu erkennen.

Insgesamt gehen in der Studie von Martinez-Canut 875 Zähne (6,8%) verloren, wohingegen in der vorliegenden Studie Zahnverlust in 12,3% der Fälle auftritt. Diese Diskrepanz lässt sich zum einen über die größere Anzahl an schwer parodontal komprimierten Zähnen in unserer Studie und zum anderen über die Präselektion erklären: Patienten mit unregelmäßiger Teilnahme an der UPT wurden in der Studie von Martinez-Canut ausgeschlossen [9].

In der vorliegenden Studie wurden auch Patienten kontaktiert, die sich aufgrund verschiedener Gründe (Weiterbehandlung durch Hauszahnarzt, Umzug etc.) nicht mehr am Universitätsklinikum in Behandlung befanden [6]. Ziel der Longitudinalstudie von Graetz et al. 2017 war es, prognostische Faktoren für Zahnverlust bei 315 Patienten mit 8009 Zähnen nach 18 Jahren zu bestimmen [10].

Insgesamt gingen 10,8% der Zähne verloren, was mit vorliegender Studie vergleichbar ist. Allerdings nahmen Graetz et al. (2017) nur adhärente Patienten in ihre Studie auf. Weitere retrospektive Studien berücksichtigten ebenfalls nur Patienten unter regelmäßiger Nachsorge bzw. übermittelten keine Angaben [11-14].

Zahnverlust

Von 1611 Zähnen gingen 198 Zähne in 20 Jahren UPT verloren. Dabei unterscheidet sich der Zahnverlust zwischen T1-T2 und T2-T3 (84 versus 114 Zähne). Eine mögliche Begründung hierfür kann steigendes Alter sein [6,13,15].

Schätzle et al. (2009) konnten feststellen, dass zunehmendes Alter die Krankheitsprogression beeinflusst. Ein Zusammenhang zwischen zunehmendem Alter und Zahnverlust konnte zusätzlich durch ein systematisches Review bestätigt werden [16].

Einflussfaktoren

Die Ergebnisse vorliegender Studie weisen auf einen Zusammenhang zwischen Zahnverlust und Patientenadhärenz hin. Verglichen mit nicht-adhärenten Patienten trat bei adhärenten nur knapp ein Drittel Zahnverlust auf (17,6% versus 6,0%). Übereinstimmend zeigten Matuliène et al. (2010), dass nicht-adhärente Patienten mehr Zähne als adhärente verloren (14,7% versus 4,7%).

Zwei Metaanalysen bestätigen, dass Adhärenz Zahnerhalt positiv beeinflusst [16,17]. Ungeachtet der fehlenden Signifikanz deuten die Ergebnisse auf ein tendenziell erhöhtes Risiko für Zahnverlust bei aktiven Rauchern verglichen zu ehemaligen und Nicht-Rauchern hin. Einige Studien konnten den Raucherstatus als Risikofaktor für Zahnverlust bestätigen und einen signifikanten Einfluss auf die Krankheitsprogression belegen [3,9,13,16,18-22].

Eine mögliche Ursache für die fehlende statistische Signifikanz in der vorliegenden Studie könnte die geringe Anzahl an Rauchern sein. Mit einem Zahnverlust von 15% gingen im Oberkiefer wesentlich mehr Zähne verloren als im Unterkiefer (9,7%). Graetz et al. (2017) legten dar, dass das Risiko für Zahnverlust im Vergleich zum Unterkiefer (11,3%) im Oberkiefer höher ist (18,5%), was weitere Studien bestätigen [21,23].

Frontzähne gingen deutlich seltener verloren als andere Zahntypen. Diese Beobachtung wird durch andere Studien bestätigt, in denen Molaren ebenfalls ein höheres Verlustrisiko zeigen [10,16,21,23,24]. Allerdings muss beachtet werden, dass der Zahnerhalt parodontal vorgeschädigter Molaren über 20 Jahre noch in 78,9% der Fälle möglich ist [4].

In der multivariaten logistischen Regressionsanalyse wird Zahnverlust signifikant von mehrwurzeligen Zähnen mit Furkationsbeteiligung beeinflusst, was andere Untersuchungen bestätigen (Tab. 5) [18,21,25,26]. Dennoch war Zahnerhalt in 76,5% der Fälle von mehrwurzeligen Zähnen mit Furkationsbeteiligung möglich.

Variablen Odds Ratio KI_ unterer Grenzwert KI_oberer Grenzwert P-Wert
Patientenadhärenz 0,205 0,080 0,492 < 0,0001
Parodontaler Knochenabbau 21%–40% 1,259 0,666 2,455 0,487
Parodontaler Knochenabbau 41%–60% 2,739 1,396 5,547 0,004
Parodontaler Knochenabbau > 60% 11,519 5,524 24,956 < 0,0001
Mehrwurzelige Zähne ohne Furkationsbeteiligung 1,509 0,800 2,765 0,1918
Mehrwurzelige Zähne mit Furkationsbeteiligung 4,152 2,596 6,693 < 0,0001

Tab. 5: Multivariate logistische Regressionsanalyse: Zahnverlust 20 Jahre nach systematischer Parodontitistherapie in Relation zu Risikofaktoren.

Einige Studien konnten bereits feststellen, dass ein erhöhtes Risiko für Zahnverlust mit stärkerem Knochenabbau assoziiert ist [7,10,14,18,21,27]. Übereinstimmend zeigen vorliegende Daten, dass Zähne mit Knochenabbau über 60% signifikant häufiger verloren gehen. Allerdings hat auch bei diesen Zähnen die Patientenadhärenz einen entscheidenden Einfluss auf den Zahnerhalt: Jeder zweite Zahn im Beobachtungszeitraum von 20 Jahren ging bei nicht-adhärenten Patienten verloren.

Zahnverlust bei adhärenten Patienten war mit 15,8% signifikant geringer. Des Weiteren sollte berücksichtigt werden, dass 46,7% der Zähne mit einem initialen Knochenabbau von über 80%, unabhängig von weiteren Faktoren, 20 Jahre nach APT erhalten blieben.

Pfeilerzähne für festsitzenden oder herausnehmbaren Zahnersatz zeigen eine höhere Wahrscheinlichkeit für Zahnverlust. Eine Studie von Mc Guire und Nunn (1996) bestätigt diesen Zusammenhang.

Hierbei unterscheidet sich allerdings nochmals das Risiko zwischen Pfeilerzähnen für herausnehmbaren und festsitzenden Zahnersatz (36,4% versus 26,7%). Als ursächlich können die an Pfeilerzähnen wirkenden Scherkräfte beim Ein- und Ausgliedern der Prothese angesehen werden [18]. Der zunehmende Verlust von Zähnen kann zu einer mastikatorischen Dysfunktion führen, welche die Erstellung eines Therapieplanes und Versorgung des Patienten erschwert [19].

Diese Beobachtungen sollten daher bei der Erstellung eines Therapieplanes berücksichtigt werden. Die Extraktion eines angeblich „hoffnungslosen“ Zahn kann eine prothetische Versorgung des Gebisses einleiten.

20 Jahre nach Beginn der APT können 64,5% der Zähne mit ungünstiger, angeblich „hoffnungsloser“ Prognose [12] gehalten werden. Nicht-adhärente Patienten verloren mehr als die Hälfte ihrer ungünstigen Zähne. Demgegenüber liegt der Verlust „hoffnungsloser“ Zähne bei adhärenten Patienten nur bei 15% [4].

Limitationen

In vorliegender Untersuchung wurden nur Daten von Patienten betrachtet, welche 20 Jahre zuvor durch denselben Spezialisten eine systematische Parodontitistherapie erhalten hatten. Der akademische Rahmen kann einen Vergleich von Zahnverlustraten mit Studien, die in zahnärztlichen Praxen durchgeführt wurden, erschweren, da die beiden Settings unterschiedliche Patientenkollektive aufweisen.

Das partiell retrospektive Design der Studie ist anfällig für Stichprobenverzerrung (selection bias), Verzerrungen durch die durchgeführte Behandlung (performance bias) und Verzerrungen durch die Dokumentation der Ergebnisse (reporting bias). Des Weiteren sollten die Ergebnisse der gemischten logistischen Regressionsanalyse aufgrund der geringen Anzahl von 69 Patienten und der Menge an eingebrachten Variablen in Bezug auf die Einflussfaktoren mit Bedacht interpretiert werden.

Schlussfolgerung

Bei Prognosestellung und Therapieplanung ist zu berücksichtigen, dass Zahnerhalt auch langfristig selbst bei ungünstiger Prognose in fast zwei Drittel der Fälle möglich ist. Eine regelmäßige Teilnahme an der unterstützenden Parodontitistherapie senkt das Risiko für Zahnverlust nach Parodontitistherapie deutlich.

Autoren und Interessenkonflikt:

Autoren: Sonja Rahim-Wöstefeld1, Nihad El Sayed2, Dorothea Kronsteiner3, Shirin El-Sayed4, Peter Eickholz2, Bernadette Pretzl4,5
Diese Zusammenfassung der Studie basiert auf der Dissertation von Sonja Rahim-Wöstefeld (Rahim-Wöstefeld und El Sayed et al., 2020); sie stellt die deutsche Version des 2020 veröffentlichten Artikels „Tooth-related factors for tooth loss 20 years after active periodontal therapy – a partially prospective study“ [4] der Autorengruppe im Journal of Clinical Periodontology dar. Wir danken John Wiley and Sons für die Nachdruckgenehmigung.
1 Zahnärztliche Praxis Dr. Bert Bauder, Mannheim
2 Poliklinik für Parodontologie, Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum), Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
3 Institut für medizinische Biometrie, Universitätsklinikum Heidelberg
4 Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten des Universitätsklinikums Heidelberg
5 Zahnärztliche Akademie, Karlsruhe
Die Autoren deklarieren, dass sie im Rahmen dieser Publikation keine Interessenkonflikte aufweisen.

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