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Parodontologie

Parodontitistherapie: Maßnahmen bei okklusalem Trauma

Patienten mit der Diagnose einer Parodontitis im Stadium IV bei fortgeschrittenem Verlust des parodontalen Attachments weisen häufig auch eine erhöhte Zahnbeweglichkeit auf. Wie wirksam ist die Zahnschienung und/oder ein selektives okklusales Einschleifen hypermobiler Zähne bei dieser Patientengruppe? Der folgende Beitrag erläutert zunächst den Kontext und gibt Kriterien für die Diagnostik eines okklusalen Traumas an die Hand, bevor er die Fragestellung auf Basis einer systematischen Übersichtsarbeit beantwortet.

. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
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Das gesunde Parodont ist charakterisiert durch ein epitheliales und ein bindegewebiges Attachment, die beide je rund 1 mm Höhe entlang der Zahnachse messen und als „suprakrestales Gewebsattachment“ umschrieben werden [11]. Die hemidesmosomale Anhaftung des epithelialen Attachments ist nach dem Zahndurchbruch auf der Schmelzoberfläche lokalisiert und kann sich bei Rezession des gingivalen Komplexes auf die Zementoberfläche apikal der Schmelz-Zement-Grenze verschieben [11]. Dieser Prozess der physiologischen Maturation findet auch ohne entzündliche Veränderungen statt und führt beim Erwachsenen zur intraoralen Exposition der Schmelz-Zement-Grenze [9,19].

Das bindegewebige Attachment beginnt immer apikal der Schmelz-Zement-Grenze und besteht aus Kollagenfasern, die im azellulären extrinsischen Faserzement inserieren. Im Bereich des Parodontalspaltes finden die im Zement verankerten Kollagenfasern ihre Fortsetzung als Sharpeysche Fasern, die in den Alveolarknochen hineinziehen [3]. Das parodontale Ligament zwischen Wurzelzement und Alveolarknochen weist eine durchschnittliche Breite von rund 0,25 mm (250 μm) auf und ermöglicht durch die umfangreichen Gefäßplexi eine physiologische Beweglichkeit des Zahnes als Intrusion beim Zubeißen und als horizontale Auslenkung bei schräg einwirkenden Kräften.

Zahnbeweglichkeit: Einflussfaktoren

Die Messung der Zahnbeweglichkeit ist ein etablierter Teil der zahnärztlichen Befunderhebung, die mit den Fingerkuppen oder mit den Griffenden zweier Mundspiegel in bukkooraler Richtung durchgeführt wird. Zur Standardisierung der Kraftapplikation wurde das Parodontometer entwickelt [16], das bei einer Krafteinwirkung von 45 kg (100 lb) auf einen gesunden Frontzahn eine initiale Zahnbeweglichkeit von 50 bis 100 μm in Höhe der Inzisalkante bzw. Okklusionsfläche verursacht. Dabei kommt es auf der Druckseite zu einer kurzfristigen Reduktion des Parodontalspaltes um etwa 10% seiner Breite (25 μm), die in Höhe des Limbus alveolaris am größten, im Bereich des Apex am geringsten ist [16].

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Abb. 1: Illustration der Zahnbeweglichkeit bei gesundem Parodont (links) und
reduziertem Attachment (rechts). Die in Höhe der Okklusionsebene gemessene
Auslenkung ist infolge der Apikalverschiebung des Widerstandszentrums erhöht. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
Abb. 1: Illustration der Zahnbeweglichkeit bei gesundem Parodont (links) und
reduziertem Attachment (rechts). Die in Höhe der Okklusionsebene gemessene
Auslenkung ist infolge der Apikalverschiebung des Widerstandszentrums erhöht.

Die Kippung erfolgt in Relation zum Widerstandszentrum, das beim gesunden Parodont etwa im Bereich der Wurzelmitte zu liegen kommt (Abb. 1). Die Zahnbeweglichkeit ist wesentlich mitbeeinflusst von der Zahnmorphologie (Anzahl und Form der Wurzeln), aber auch von der Höhe des umgebenden Alveolarknochens, von der Breite des Parodontalspaltes und vom Entzündungszustand des parodontalen Komplexes [13]. Auch beim gesunden Parodont bestehen somit Unterschiede in der Zahnbeweglichkeit zwischen Front- und Seitenzähnen sowie bei Zähnen mit vollständigem oder reduziertem Zahnhalteapparat.

Eine erhöhte Zahnbeweglichkeit tritt auch während kieferorthopädischer Zahnbewegungen auf, bei denen im Bereich der Druckzone eine Knochenresorption, im Bereich der Zugzone eine Knochenapposition erfolgt; dies ohne Veränderungen im supraalveolären Weichgewebskomplex, d.h. ohne erhöhte Sondierungstiefen oder Attachmentverlust [12].

Veränderungen bei parodontaler Erkrankung und Heilung

Die morphologischen Veränderungen bei biofilminduzierter parodontaler Erkrankung umfassen die Verschiebung des epithelialen und bindegewebigen Attachments nach apikal, während sich marginal ein mehrschichtiges Taschenepithel mit Verlust der hemidesmosomalen Anhaftung bildet. Das angrenzende Gewebe erfährt eine Auflockerung durch Reduktion der Kollagenfasern, Zunahme der Vaskularisation und Etablierung eines entzündlichen Zellinfiltrates im Bindegewebe. Auch bei entzündlich bedingter marginaler Knochenresorption existiert immer noch ein schmales Band bindegewebigen Attachments.

Dieses schützt den Knochen vor einer direkten Exposition gegenüber dem der Wurzeloberfläche anhaftenden Biofilm und Konkrementen bzw. Zahnstein. Die erfolgreiche Parodontitistherapie zeichnet sich aus durch eine klinische Situation mit Sondierungstiefen bis 4 mm ohne Bluten auf Sondieren („closed pockets“ [22]), häufig kombiniert mit einer Rezession des gingivalen Komplexes (gemessen von der Schmelz-Zement-Grenze bis zum Margo gingivae) und einem reduzierten Restattachment infolge des Knochenverlustes. Histologisch bestehen i.d.R. ein langes Saumepithel und ein bindegewebiges Attachment mit einem Reattachment variierenden Ausmaßes.

Infolge des stattgefundenen Knochenverlustes verändert sich das Verhältnis der supraalveolären und alveolären Zahnanteile und das Widerstandszentrum verschiebt sich nach apikal (Abb. 1). Beim Einwirken schräg-kippender Bewegungen kommt es in Höhe des Limbus alveolaris wieder zur Kompression um rund 25 μm. Aufgrund des längeren Hebelarms (supraalveolärer Zahnanteil) ist die in Höhe der Inzisalkante oder der Okklusionsfläche gemessene Zahnauslenkung jedoch größer und wird als erhöhte Zahnbeweglichkeit wahrgenommen [13].

Zusätzlich kann eine Verbreiterung des Parodontalspaltes als Adaptation auf eine erhöhte Belastungssituation auftreten, die eine stärkere Auslenkung des Zahnes ermöglicht [18]. Diese Veränderung kann im Röntgenbild je nach Projektionsrichtung als sanduhrförmige Verbreiterung des Parodontalspaltes sichtbar werden. Die gemessene erhöhte Zahnbeweglichkeit ist somit eine Folge des geringeren Attachments und/oder verbreiterten Parodontalspaltes.

Beurteilung erhöhter Zahnbeweglichkeit

Wichtig ist das Verständnis, dass eine erhöhte Zahnbeweglichkeit per se kein Zeichen einer Pathologie darstellt, sondern im Kontext der parodontalen Situation beurteilt werden muss:

  • Bei reduziertem Restattachment, aber parodontal gesunden Verhältnissen (Situation nach erfolgreicher parodontaler Therapie mit Sondierungstiefen bis maximal 4 mm ohne Bluten auf Sondieren) ist eine erhöhte Zahnbeweglichkeit aufgrund der apikalen Verschiebung des krestalen „Drehpunktes“ physiologisch.
  • Bei der Erstbefundung des Parodontitis-Patienten ist eine erhöhte Zahnbeweglichkeit nicht nur durch den alveolären Knochenverlust, sondern auch durch die entzündlichen Veränderungen im supraalveolären Weichgewebskomplex verursacht und sollte zu diesem Zeitpunkt nicht als primärer Indikator der Zahnprognose herangezogen werden. Bereits in der ersten Phase der Parodontitistherapie mit Instruktion zur persönlichen Reinigung und dem Entfernen von Zahnstein und Biofilm findet eine Reduktion der Entzündungszeichen und damit eine Verringerung der Zahnbeweglichkeit statt.
  • Eine erhöhte Zahnbeweglichkeit ist nur dann als pathologisch einzustufen, wenn diese progressiv zunimmt.
  • Beeinträchtigt die erhöhte Zahnbeweglichkeit die Funktion und den Komfort des Patienten, kann eine Stabilisierung erwünscht sein [13].

Okklusales Trauma

Das okklusale Trauma ist definiert als Verletzung des parodontalen Halteapparates durch funktionelle oder parafunktionelle okklusale Kräfte, die die Anpassungs- und Reparaturfähigkeiten des Parodonts (mit Ligament, Alveolarknochen und Zement) überschreiten [21]. Im Gegensatz zu kieferorthopädischen Kräften, die kontinuierlich in die gleiche Richtung einwirken und durch Knochenremodelling an der Druckseite sowie Knochenapposition an der Zugseite die Zahnbewegung ermöglichen, führen beim okklusalen Trauma intermittierende Kräfte zur zirkulären Verbreiterung des Parodontalspaltes und damit zu erhöhter Zahnbeweglichkeit.

Ab wann eine einwirkende okklusale Kraft traumatisch wirkt, ist sehr individuell und wird mitbeeinflusst von der Kraftamplitude, Richtung, Frequenz und von der lokalen Situation mit intaktem oder reduziertem Attachment. Es ist offensichtlich, dass ein Zahn mit intaktem Parodont einem höheren Schwellenwert widerstehen kann als ein Zahn mit reduziertem Attachment. Auf dieser Basis wurde das „primäre okklusale Trauma“, bei dem traumatische okklusale Kräfte auf Zähne mit normalem, gesundem parodontalen Halteapparat einwirken, vom „sekundären okklusalen Trauma“ unterschieden.

Bei Letzterem wirken normale oder traumatische okklusale Kräfte auf Zähne mit reduziertem Attachment ein [2,7,11,13]. Diese formale Unterscheidung hat jedoch keine Implikationen auf Diagnose und Therapie. Mögliche Anzeichen und Symptome traumatischer Kräfte sind [2,7,10,11]:

  • progressiv zunehmende Zahnbeweglichkeit
  • Zahnwanderung
  • Fremitus (durch Palpation wahrnehmbare Vibration bei Zahnkontakt)
  • okklusale Diskrepanzen
  • Attritions- und Abrasionsfacetten
  • Zahnfrakturen
  • thermische Sensibilität, Empfindlichkeit beim Kauen
  • radiologisch verbreiterter Parodontalspalt
  • Wurzelresorption, Ablation eines Zementfragments, Hyperzementosen

Insbesondere intermittierend einwirkende schräg gerichtete Kräfte verursachen Druckzonen mit entzündlichen Veränderungen und lokalisiertem Knochenabbau im parodontalen Ligament. So verursacht beispielsweise ein von palatinal nach bukkal gerichteter vorzeitiger Kontakt auf einem oberen Prämolaren Druckzonen bukkal am Limbus und – infolge der Zahnkippung – auch gegenüberliegend, palatinal im Apexbereich.

Der lokalisierte Knochenabbau führt zu einer Ausweitung des Parodontalspaltes (z.B. sanduhrförmig), wobei der supraalveoläre Weichgewebskomplex nicht betroffen ist (kein Attachmentverlust, keine erhöhten Sondierungstiefen). Nach Elimination der traumatischen okklusalen Kräfte durch selektives Einschleifen normalisieren sich die Breite des Parodontalspaltes und die Zahnbeweglichkeit [13].

Klinische Untersuchung

Die klinische Untersuchung umfasst:

  • Erfassen des Plaque-Index und Blutungsindex (durch Entlangstreifen am Margo gingivae mit der Parodontalsonde)
  • Messen der Sondierungstiefe (ST) und des klinischen Attachmentlevels (CAL) an jeweils 6 Stellen
  • Erfassen der Blutung auf Sondierung (BOP) oder Pusentleerung (jeweils rückblickend nach Sondierung eines Quadranten)
  • Sensibilitätstest (z.B. CO2-Schnee)
  • bei lokalisierten Beschwerden auch Perkussion und Palpation
  • periapikale Röntgenaufnahmen
  • Zahnbeweglichkeit
    Die Graduierung der Zahnbeweglichkeit nach Miller [15] erfolgt in Höhe der klinischen Krone (Inzisalkante oder Okklusionsfläche):
    Grad 0: 0,1–0,2 mm horizontal
    Grad 1: ≤ 1 mm horizontal
    Grad 2: > 1 mm horizontal
    Grad 3: umfangreich horizontal & vertikal mit funktioneller Beeinträchtigung
  • Okklusions- und Funktionskontrolle

Zur Analyse der statischen und dynamischen Okklusion hat sich das folgende Vorgehen bewährt. Das Vorhandensein von Zahnkontakten in statischer Okklusion wird mit 8 bis 10 μm starker Shimstock-Folie überprüft. Die Lage der Kontakte wird mit 15 bis 20 μm doppelseitig färbender Hanel-Folie (z.B. schwarz) markiert; funktionelle Kontakte in der Laterotrusion werden mit 15 bis 20 μm doppelseitig färbender Hanel-Folie (z.B. rot) angezeichnet. Zur Unterscheidung von den statischen Kontakten werden diese erneut registriert, wobei die schwarze Anfärbung die rote überdeckt.

Vorkontakte können mit okklusalem Indikatorwachs und manuell geführten Okklusionskontakten dargestellt werden. Das Auffinden von Balancekontakten erfolgt mit einer weiteren Folie (z.B. grün) und/oder durch eine Schlaufe gewachster Zahnseide, die distal des hintersten Antagonistenpaares der Mediotrusionsseite positioniert und während der Seitwärtsbewegung langsam nach anterior gezogen wird.

Durch Palpation (Fingerspitze liegt an den bukkalen Zahnflächen) kann ein Fremitus (Vibrationsbewegung) oder ein okklusales Trauma wahrgenommen werden. Kommt es in der habituellen Okklusion und/oder der Laterotrusion zur Deflexion eines einzelnen Zahnes („Jiggling“), die über die physiologische Zahnbeweglichkeit hinausgeht und progredient ist, so kann die Diagnose des okklusalen Traumas gestellt werden.

Therapeutische Maßnahmen

Schienung hypermobiler Zähne

Bei Beeinträchtigung des Patientenkomforts und/oder der Funktion durch hypermobile Zähne kann eine Schienung zur Ruhigstellung indiziert sein. Zur Bildung der starren Einheit von ≥ 2 Zähnen können folgende Schienungsvarianten zur Anwendung kommen:

  • Verbindung mit Füllungskomposit (Abb. 2a und b)
    Abb. 2a: Ausgangslage nach parodontaler Initialtherapie. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
    Abb. 2a: Ausgangslage nach parodontaler Initialtherapie.
    Abb. 2b: Schienung durch interdentale Verbindungen mit Kompositfüllungsmaterial. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
    Abb. 2b: Schienung durch interdentale Verbindungen mit Kompositfüllungsmaterial.
  • Glasfaserverstärkung mit Adhäsivtechnik und Füllungskomposit
  • Titan-Trauma-Schiene (TTS, Medartis, Basel, Schweiz) mit Adhäsivtechnik
  • kieferorthopädischer Draht-Retainer mit Adhäsivtechnik
  • Abb. 3a: Planung einer intrakoronalen Retention
mit palatinaler Präparation mittels Parallelometer
bei einer Patientin nach parodontaler und
kieferorthopädischer Therapie. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
    Abb. 3a: Planung einer intrakoronalen Retention
    mit palatinaler Präparation mittels Parallelometer
    bei einer Patientin nach parodontaler und
    kieferorthopädischer Therapie.

    gegossene oder gefräste CrCoMo-Schiene mit lingualen Führungsrillen und Adhäsivtechnik (Abb. 3a-e)

Abb. 3b: Meistermodell. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
Abb. 3b: Meistermodell.
Abb. 3c: Schiene. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
Abb. 3c: Schiene.
Abb. 3d: adhäsives
Zementieren mit opakem Kompositzement. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
Abb. 3d: adhäsives
Zementieren mit opakem Kompositzement.
Abb. 3e: Schlusssituation. Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
Abb. 3e: Schlusssituation.

Der klinische Nutzen der Schienung von Zähnen mit progressiver Beweglichkeit und Vorliegen einer Parodontitis wurde in einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit umfangreich untersucht [6]. Primär wurde der Einfluss der Schienungsmaßnahme auf das Überleben und sekundär auf Veränderungen der Sondierungstiefen und des klinischen Attachmentlevels von Zähnen mit erhöhter Beweglichkeit und reduziertem Parodont betrachtet.

Es zeigte sich, dass die Schienung von Zähnen mit progressiver Beweglichkeit keinen negativen Einfluss auf die untersuchten Parameter hatte. Somit waren weder der Zahnverlust noch der Zahnerhalt durch die Schienung wahrscheinlicher [6]. Dennoch gibt es deutliche Hinweise, dass Patienten von einer verbesserten mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität berichteten, wenn Zähne mit progressiver Beweglichkeit geschient wurden [20].

Vor dem Hintergrund der wenigen verfügbaren Daten zur Schienung leitet sich die klinische Empfehlung ab, dass die Schienung von Zähnen mit progressiver Beweglichkeit bei Patientinnen und Patienten mit Parodontitis, auch zur Verbesserung der Lebensqualität, erwogen werden kann [6,8]. Diese Empfehlung gilt unabhängig von der Art und Weise, wie die Schienung vorgenommen wird.

Selektives okklusales Einschleifen

Historisch wurde eine okklusale Äquilibrierung der gesamten Dentition angestrebt, dies mit dem Ziel gleichzeitiger okklusaler Kontakte, Freiheit in der Zentrik und Beseitigung von Balanceinterferenzen [17]. Heute fokussiert das okklusale Einschleifen auf einem selektiven Vorgehen („spot grinding“) an einzelnen oder mehreren Zähnen, um harmonische Kontaktbeziehungen herzustellen und deflektive (vorzeitige / interzeptive) Okklusionskontakte zu beseitigen [1,14].

Analog zur Befundung ist auch während dieser therapeutischen Einschleifmaßnahmen die palpatorische Kontrolle des betroffenen Zahnes mit dem Finger an der Bukkalseite der Zahnreihe unerlässlich, um das Ausmaß der Deflexion beim schrittweisen Einschleifen eines vorzeitigen Kontaktes wahrnehmen zu können (Abb. 4a und b). Insbesondere bei okklusalem Trauma in Funktion an den oberen ersten Prämolaren infolge parafunktioneller Abrasion und Attrition der Eckzahnspitze sollte alternativ zum Einschleifen der additive Aufbau des Eckzahnes zur Wiederherstellung der Front-/Eckzahnführung erwogen werden. Die alleinige Schienung eines Zahnes, der durch ein okklusales Trauma eine erhöhte Beweglichkeit aufweist, ist hingegen i.A. nicht zielführend.

Abb. 4a: Klinische Situation mit störendem vorzeitigem Kontakt des elongierten Zahnes 22 in Bewegung (mit roter Okklusionsfolie). Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
Abb. 4a: Klinische Situation mit störendem vorzeitigem Kontakt des elongierten Zahnes 22 in Bewegung (mit roter Okklusionsfolie).
Abb. 4: Klinische Situation mit störendem vorzeitigem Kontakt des elongierten Zahnes 22 in Bewegung (a, mit roter Okklusionsfolie) und in statischer Okklusion
(b, mit schwarzer Okklusionsfolie). Prof. Dr. Zitzmann / Prof. Dr. Dommisch
Abb. 4: Klinische Situation mit störendem vorzeitigem Kontakt des elongierten Zahnes 22 in Bewegung (a, mit roter Okklusionsfolie) und in statischer Okklusion
(b, mit schwarzer Okklusionsfolie).

Während des Recalls wird die Elimination des störenden vorzeitigen Kontaktes bei parodontal gesunden Verhältnissen nachkontrolliert und bei Bedarf erneut adjustiert. Ob sich das gezielte Einschleifen selektiver Früh-/Kontaktpunkte bei Patienten mit Parodontitis positiv auf das Überleben von Zähnen, die Sondierungstiefen oder auf den klinischen Attachmentlevel auswirken könnte, wurde ebenfalls in der oben erwähnten systematischen Übersicht näher betrachtet [6]. Auch hier zeigte sich, dass das gezielte Einschleifen selektiver Okklusionskontakte keinen Einfluss auf das Überleben von Zähnen mit reduziertem Parodont zeigte.

Jedoch konnte eine der eingeschlossenen Studien aufzeigen, dass sich der klinische Attachmentlevel nach dem Einschleifen minimal verbesserte, ohne dabei die Parameter Sondierungstiefen und Zahnbeweglichkeit positiv zu beeinflussen [4,6]. Basierend auf den wenigen verfügbaren Daten lautet die klinische Empfehlung, dass das gezielte Einschleifen störender vorzeitiger Kontakte an Zähnen mit reduziertem Parodont erwogen werden kann [6,8].

Zusammenfassung und Empfehlungen

Die Daten der systematischen Übersichtsarbeit sind aufgrund der relativ schwachen Evidenzlage mit Vorsicht zu interpretieren. Grundsätzlich zeigte sich, dass durch das Schienen hypermobiler Zähne deren Überlebenswahrscheinlichkeit bei Parodontitis-Patienten nicht verbessert werden kann. Aus anderen Arbeiten ist hingegen bekannt, dass eine Reduktion der Zahnbeweglichkeit (z.B. durch Schienung) zu besseren Ergebnissen regenerativer chirurgischer Parodontaltherapien führt [5].

Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine reduzierte Zahnbeweglichkeit die subjektive Wahrnehmung der Beeinträchtigung des Kaukomforts verbessert (Patient-related outcome measures, PROMs; [20]). Die Übersichtsarbeit hat gezeigt, dass Anpassungen der okklusalen Kontaktsituation in der Anfangsphase der parodontalen Behandlung einen positiven Effekt auf den klinischen Attachmentlevel haben (CAL-Verbesserung um 0,4 mm im Vergleich zu keinen Einschleifmaßnahmen).

Zusammenfassend kann gefolgert werden, dass die Schienung hypermobiler Zähne und das selektive okklusale Einschleifen einzelner Zähne lediglich begleitende Maßnahmen der systematischen antiinfektiösen Parodontitistherapie darstellen. Die Indikation zur Schienung sollte nur dann gestellt werden, wenn der Kaukomfort des Patienten beeinträchtigt ist. Bei der Umsetzung von Schienungen muss sichergestellt sein, dass die Reinigungsfähigkeit nicht kompromittiert wird.

Frakturen der Schienung zählen insbesondere bei reinen Kompositverblockungen zu den häufigsten Komplikationen. Wird eine Fraktur während des Recalls festgestellt, so sollte die Notwendigkeit einer erneuten Schienung überprüft und dementsprechend eine Reparatur oder ein Entfernen des Füllungskomposits vorgenommen werden. Der ideale Zeitpunkt der Schienung ist bis heute noch unklar (siehe auch [20]) und hängt von den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab.

Okklusale Einschleifmaßnahmen vorzeitiger deflektiver Zahnkontakte sollten ausschließlich an Zähnen mit Anzeichen traumatischer okklusaler Kräfte und als selektives Einschleifen erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass in der Anfangsphase der parodontalen Therapie primär nur vorzeitige funktionelle Kontakte zu beseitigen sind. Werden Einschleifmaßnahmen in der statischen Okklusion vor Etablierung der parodontalen Gesundheit vorgenommen, so führt der fortbestehende Entzündungsdruck zur weiterer Zahnbewegung (z.B. Extrusion oder Protrusion) und somit zur Reetablierung der zuvor entlasteten okklusalen Kontakte.

Eine Unterstützung der antiinfektiösen systematischen Parodontaltherapie bei Zähnen mit erhöhter Beweglichkeit durch selektives Einschleifen und eine Schienung ist primär bei okklusalem Trauma, funktioneller Beeinträchtigung und/oder geplanten parodontalchirurgischen Interventionen indiziert [6].

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