Parodontologie


Die unterstützende Parodontitistherapie


Für eine erfolgreiche Parodontitistherapie ist ein systematischer Behandlungsablauf unerlässlich. Um das erreichte Behandlungsergebnis langfristig aufrechtzuerhalten und Neuerkrankungen vorzubeugen, muss sich an die aktive Therapiephase eine lebenslange bedarfsorientierte Betreuung der Patienten im Rahmen der „unterstützenden Parodontitistherapie (UPT)“ anschließen. Bei konsequent durchgeführter Erhaltungstherapie und guter Patienten-Compliance können stabile parodontale Verhältnisse aufrechterhalten und die Zahnverlustrate deutlich reduziert werden.

  • Abb. 1: Chronische Parodontitis führt unbehandelt zum Zahnverlust.

  • Abb. 1: Chronische Parodontitis führt unbehandelt zum Zahnverlust.
„Die Parodontitis ist eine der häufigsten Erkrankungen des Menschen“, so informiert die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung die Bevölkerung im Internet. Die IV. Deutsche Mundgesundheitsstudie stellte fest, dass mehr als die Hälfte der hier lebenden 35- bis 44-Jährigen an einer mittelschweren und mehr als ein Fünftel dieser Altersgruppe an einer schweren Form der chronischen Zahnbettentzündung leiden [16]. Gleichwohl unterstrich diese Erhebung, dass das Lebensalter ein Risikofaktor für die Parodontitis ist, denn unter bundesdeutschen Senioren im Alter von 65 bis 74 Jahren waren knapp die Hälfte von einer mittelschweren, aber bereits knapp 40 % von einer weit fortgeschrittenen Form dieser Erkrankung betroffen (Abb. 1).

Angesichts dieser epidemiologischen Zahlen errechnet sich somit eine enorme Behandungsnotwendigkeit, aber auch ein riesiger Bedarf der parodontologischen Nachsorge. Denn der Erfolg einer Parodontitisbehandlung steht und fällt mit der (zahn-)lebenslangen unterstützenden Parodontitistherapie.

Behandlungsabfolge der systematischen Parodontitistherapie

Hierzulande kennen wir – der kassenzahnärztlichen Versorgung sei Dank – die systematische Behandlung von Parodontopathien als die Therapie der Wahl. In mehreren Sitzungen entspricht dies vertragsgemäß einer antiinfektiösen Therapie zur Entfernung der supra- und subgingivalen bakteriellen Beläge, welche die chronische Entzündung und in ihrer Folge die Gewebezerstörung auslösen. Nach der Reevaluation des Behandlungsergebnisses können weitere chirurgische resektive oder regenerative Maßnahmen angezeigt sein. Interessanter- und bezeichnenderweise sind die Erhebung der parodontologischen Befunde und der Abgleich mit dem Status zum Behandlungsbeginn nicht Gegenstand der „systematischen PAR-Therapie“ bei den gesetzlich versicherten Erkrankten.

Die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) muss sich gezielt an die aktive Behandlungsphase anschließen: Die Patienten werden in zeitlichen Intervallen zur Nachsorge eingeladen, um den erzielten Behandlungserfolg zu sichern. Lang und Tonetti [8] haben zur Bestimmung des individuellen Parodontitisrisikos ein Profil vorgestellt, nach dem ein Betreuungsintervall von drei, sechs oder zwölf Monaten empfohlen werden kann, in dem sich der Patient zur Nachsorge vorstellen soll. Der parodontologische Betreuungsplan umfasst die regelmäßige und wiederholte Aufnahme spezifischer klinischer Kontrollbefunde, die Reevaluation des Krankheitsbildes im Vergleich dieser Werte, die professionelle Zahnreinigung und die gezielte, befundbasierte Re-Instrumentierung „aktiver“ Parodontien.

Regelmäßige Verlaufskontrollen zur Überprüfung des Behandlungsergebnisses

Die Erhebung von Kontrollbefunden, wie dem Blutung-auf-Sondierung-Index (BOP) sowie einem Hygiene-Index, und der spezifischen Parodontalbefunde liefert die entscheidenden Parameter, um den Verlauf der chronischen Zahnbettentzündung beurteilen zu können. Sie stellen die Kriterien dar, welche die Notwendigkeit von ergänzenden therapeutischen Maßnahmen oder sogar einer Rezidivbehandlung anzeigen.

  • Abb. 2: Die Erhebung von Kontrolldaten dienen den therapeutischen Maßnahmen.

  • Abb. 2: Die Erhebung von Kontrolldaten dienen den therapeutischen Maßnahmen.
Die klinischen und röntgenologischen Befunde zum Abschluss der aktiven Behandlungsphase (der systematischen PARTherapie) bieten die Vergleichsbasis für das parodontologische Monitoring in der Nachsorge, um den Verlauf der chronischen Entzündung beurteilen zu können. Die Sondierungstiefen, der Verlauf der Gingiva zu einem Referenzpunkt wie der Schmelz-Zement-Grenze oder dem Kronenrand, der Furkationsbefall der mehrwurzeligen Zähne wie auch Lockerungsgrade müssen jährlich bei parodontal erkrankten und therapierten Patienten erhoben werden, um den Erfolg der Behandlung, aber auch ein Fortschreiten des Gewebeabbaus beurteilen und dokumentieren zu können. Der 5. European Workshop of Periodontology definierte ein Rezidiv der chronischen Parodontitis dann, wenn ein weiterer klinischer approximaler Attachmentverlust von ? 3 mm an mindestens zwei nicht benachbarten Zähnen oder ein weiterer Knochenabbau von ? 2 mm an mehr als zwei Zähnen gegenüber einem Vergleichsbefund eingetreten ist [15] (Abb. 2).

Optimale Plaquekontrolle – wesentlicher Baustein der Erhaltungstherapie

Die Entwicklung einer Parodontitis ist nach herrschender fachlicher Meinung ein multifaktorieller Prozess, der durch eine mikrobiell ausgelöste Entzündung und unter äußeren wie genetischen und epigenetischen Einflüssen zu einer überschießenden körperlichen Reaktion und einem Gewebeabbau führt. Supragingivale Plaque löst generell eine Gingivitis aus, aus der sich jedoch nicht zwangsläufig eine Parodontitis entwickelt. Dennoch scheint es, dass mit der mikrobiell ausgelösten Inflammation die Voraussetzungen für die Entzündung des Zahnbetts gelegt werden, wenn die individuellen lokalen Voraussetzungen gegeben sind [14]. Die Plaquekontrolle ist somit ein wesentlicher Bestandteil der parodontalen Erhaltungstherapie.

Bereits in der 1970er Jahren konnten Nyman et al. [10] zeigen, dass ohne eine wirkungsvolle Mundhygiene parodontalchirurgische Maßnahmen im Ergebnis nach 24 Monaten erfolglos bleiben. Ohne eine unterstützende Parodontitistherapie fielen die Werte der Mundhygiene wieder auf das unzureichende Niveau zu Behandlungsbeginn und die Patienten zeigten wieder deutliche Symptome der generalisierten Gingivitis, verbunden mit einem signifikanten Attachmentverlust und pathologischen Sondierungstiefen, unabhängig von den verschiedenen parodontalchirurgischen Verfahren.

Ein besonderes Augenmerk richtet sich daher in jeder Sitzung der Erhaltungstherapie auf die Beurteilung der individuellen Mundhygiene. Der Approximal-Plaque-Index (API) ist klinisch leicht und schnell zu erheben. Die prozentuale Skalierung des API vereinfacht die Kommunikation mit unseren Patienten, um ein gemeinsames Ziel seiner Mundhygienebemühungen zu beschreiben – nämlich einen Wert von 20 % dauerhaft zu erreichen. Insbesondere in dieser Hinsicht können Dentalhygienikerinnen mit einer professionellen, aber vor allem verständnisvollen Ansprache einen entscheidenden Beitrag leisten. Die Wahl der richtigen Mundhygieneartikel muss in jedem individuellen Einzelfall getroffen und bei sich verändernden Verhältnissen angepasst werden. Insbesondere bei den Hilfsmitteln zur Interdentalpflege muss die richtige und gezielte Anwendung instruiert und trainiert werden. Elektrische Zahnbürsten – vor allem die modernen Schallzahnbürsten – erleichtern das Zähneputzen. Jede Sitzung der unterstützenden Parodontitistherapie schließt eine professionelle Zahnreinigung mit ein. Supragingivale Beläge werden sorgfältig entfernt, die Glattflächen poliert und eine Fluoridierung durchgeführt [13].

In jeder Sitzung sollte die Blutungsneigung der parodontalen Gewebe nach Sondierung (BOP) geprüft und als Indexwert dokumentiert werden. Während ein negativer Befund des BOP ein sicheres klinisches Zeichen für ein gesundes, nicht aktives Parodontium ist, deuten eine Blutung und eine pathologisch erhöhte Sondierungstiefe auf ein erhöhtes Risiko für weiteren Gewebeabbau. Zeigt sich in drei von vier aufeinanderfolgenden UPT-Sitzungen ein positiver Befund an gleicher Stelle, so sollte hier der subgingivale Biofilm instrumentell zerstört werden.

25 % werden als Schwellenwert des Bleeding-on-Probing-Index angesehen. Patienten, deren BOP-Wert unterhalb dieser Grenze lag, blieben innerhalb von mehreren Jahren der Nachsorge in einer Privatpraxis parodontal stabil [17]. Andere Untersuchungen sahen ein gesteigertes Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankungen ab einen BOP von 30 % [3].

Lebenslage Nachsorge – der Schlüssel zum langfristigen Therapieerfolg

Auch bei einer erfolgreich abgeschlossenen systematischen Parodontalbehandlung bleiben klinisch erhöhte Sondierungstiefen jenseits des Grenzwertes von 3,5 mm. Zahnfleischtaschen von mehr als 5 mm bergen ein erhöhtes Risiko für ein Wiederaufflammen der chronischen Entzündung und bedürfen daher einer sorgfältigen Kontrolle. Sind diese Parodontien wiederholt mit einem positiven BOP-Befund verbunden, ist eine Re-Instrumentierung im Sinne der tiefen Zerstörung des sich bildenden Biofilms angezeigt. Erkennen wir, dass die chronische Parodontitis ihre Ursache in einer opportunistischen Infektion hat, müssen sich unsere Anstrengungen darauf ausrichten, die bakterielle Belastung zu reduzieren, um die Infektion zu kontrollieren. Unser Wissen um den Aufbau und die Entwicklung des parodontalen Biofilms hat sich durch die technischen Möglichkeiten deutlich erweitert. Die mikrobiologischen Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, den subgingivalen Biofilm aufzureißen (Débridement). Andererseits scheint es keinesfalls notwendig, Wurzelzement massiv zu entfernen. Ob das Débridement mittels Handinstrument oder mit einem Schall- oder Ultraschallinstrument durchgeführt wird, ist nicht entscheidend [14] (Abb. 3).

  • Abb. 3: Oftmals muss der subgingivale Biofilm instrumentell zerstört werden.
  • Abb. 4: Bakteriell belastete Wurzeloberfläche.
  • Abb. 3: Oftmals muss der subgingivale Biofilm instrumentell zerstört werden.
  • Abb. 4: Bakteriell belastete Wurzeloberfläche.

Die schwedische Gruppe um Per Axelsson stellte die Erfolge einer konsequenten Betreuung von Patienten in einem Beo- bachtungszeitraum von 30 Jahren dar. Nachsorge und Vorbeugung dienten in ihrer Systematik eindeutig dem Zahnerhalt. So hatte zu Beginn der Untersuchung im Jahr 1972 die Gruppe der 51- bis 65-jährigen durchschnittlich 20 Zähne. Die Probanden, die 2002 dieser Altersgruppe angehörten, kauten auf je 26 Zähnen [2]. Hirschfeld und Wassermann [7] erhoben bereits in ihrer engmaschig betreuten Parodontitis-Patientengruppe eine jährliche Zahnverlustrate von 0,06 pro Jahr. Nahmen die Erkrankten nicht an einem Nachsorgeprogramm teil, gingen dagegen etwa 0,22 Zähne pro Jahr und Patient verloren (Abb. 4). Eickholz et al. [4] berichteten, dass das Risiko für weiteren Zahnverlust ohne eine unterstützende Parodontitistherapie um das Fünffache steigt. Im deutschen System der kassenzahnärztlichen Versorgung blieb bislang die Frage unbeantwortet, ob ein konsequentes Betreuungskonzept – wie es im Rahmen der unterstützenden Parodontitistherapie beschrieben wird – einer Kosten-Nutzen-Analyse standhalten würde.

Als Ziel der Parodontitistherapie soll die entzündliche Zerstörung des parodontalen Hart- und Weichgewebes gestoppt und letztlich der damit verbundene Zahnverlust verhindert werden (Abb. 5 und 6). Der chronische Charakter dieser Erkrankung bedarf eines (zahn-)lebenslangen Monitorings und befund- sowie risikoorientierter therapeutischer Nachsorge der erkrankten Patienten. Die Kosten für die unterstützende Parodontitistherapie sind nicht Bestandteil des Gegenstandskatalogs der vertragszahnärztlichen Versorgung und müssen von den Patienten (Abb. 7) privat getragen werden. Der Zeitaufwand je UPT-Termin liegt durchschnittlich sicher bei 45 bis 60 Minuten und mag als Basis für die Berechnung des Honorars dienen. Studien konnten zeigen, dass die parodontale Erhaltungstherapie die oben beschriebenen Ziele erreicht [12,1,9,6]. Bei der longitudinalen finanziellen Belastung durch die Behandlung der chronischen Parodontitis müssen allerdings auch die Kosten berücksichtigt werden, welche bei der Rezidivtherapie und der prothetischen Versorgung der trotz aller zahnärztlich-parodontologischen Bemühungen verlorenen Zähne ggf. anfallen werden. Zweifellos ist eine solche ökonomische Evaluierung der Parodontitistherapie nicht einfach. In einer norwegischen Studie wurden Berechnungen angestellt, dass die Langzeitbetreuung von Parodontitispatienten eine Kronen-Brücken-Versorgung für bis zu 3 Zähne oder einen implantatgetragenen Zahnersatz für 2 Zähne erlaube, bevor die Kosten dieses Therapiekonzeptes diejenigen übersteigen, die der zu erwartende Zahnverlust ohne UPT verursachen würde [5].

  • Abb. 5 u. 6: Auch zu Behandlungsbeginn prognostisch fragliche Zähne können bei konsequenter Nachsorge erfolgreich über einen langen Zeitraum erhalten werden, sodass sich Zahnersatz vermeiden lässt.
  • Abb. 7: Schwierige anatomische Verhältnisse machen eine wiederholte Instruktion und Motivation zur effizienten Mundyhgiene in der Nachsorge notwendig.
  • Abb. 5 u. 6: Auch zu Behandlungsbeginn prognostisch fragliche Zähne können bei konsequenter Nachsorge erfolgreich über einen langen Zeitraum erhalten werden, sodass sich Zahnersatz vermeiden lässt.
  • Abb. 7: Schwierige anatomische Verhältnisse machen eine wiederholte Instruktion und Motivation zur effizienten Mundyhgiene in der Nachsorge notwendig.

Fazit

Die Weltgesundheitsorganisation WHO stellte bereits vor 10 Jahren fest, dass Mundgesundheit nicht allein „gute“ Zähne umfasse, sondern dass sie ein integraler Bestandteil der allgemeinen Gesundheit und wichtig für das individuelle Wohlergehen sei [11]. Die – nicht in allen Details aufgeklärten – Zusammenhänge zwischen der chronischen Parodontitis und Allgemeinerkrankungen wie den kardiovaskulären Erkrankungen oder dem Diabetes mellitus verpflichten uns, die Therapie des erkrankten Zahnbetts (systematisch) nach der aktiven Phase nicht enden zu lassen. Die Langzeitbetreuung parodontal erkrankter Patienten ist Teamarbeit. Zahnarzt und Dentalhygienikerin sichern im Praxisalltag den Behandlungserfolg. In schweren und fortgeschrittenen Behandlungsfällen, in denen Zahnarzt und Fachzahnarzt vertrauensvoll zusammenarbeiten, müssen relevante Befunde ausgetauscht und die Nachsorge, die bestenfalls wechselweise hier wie dort stattfinden kann, abgesprochen werden.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Klaus Höcker

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Klaus Höcker


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