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Parodontologie

Compliance in der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT)

Der parodontale Recall, der heute offiziell als „Unterstützende Parodontitistherapie“ (UPT) bezeichnet wird, ist ein unverzichtbarer Teil der parodontalen Behandlung. Dennoch wird die notwendige Nachsorge von der Mehrzahl der Patienten nur unregelmäßig oder gar nicht wahrgenommen. Wie Sie auf die Compliance Ihrer Patienten aktiv einwirken können und warum Ihre Kommunikationsfähigkeit dabei eine entscheidende Rolle spielt, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.

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Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass sich mithilfe der unterstützenden Parodontitistherapie der erzielte Behandlungserfolg langfristig erhalten lässt, ohne sie dagegen kaum [1,2]. Umso bedauerlicher ist es, dass meist nur eine Minderheit der Patienten regelmäßig zum Recall erscheint und die häusliche Mundpflege ideal umsetzt. Langfristig haben nur wenige Patienten eine gute Recall-Compliance. Doch es gibt Möglichkeiten, die Mitwirkung der Patienten nachhaltig zu verbessern. Ziel dieses Beitrages ist es, die Voraussetzungen für eine gute Compliance zu skizzieren und aufbauend auf den Erkenntnissen der Motivations- und Zielforschung Möglichkeiten aufzuzeigen, wie der Behandler durch eine individualisierte Kommunikation die Motivation des Patienten für eine bessere Mitwirkung wecken kann.

Aktueller Stand der Compliance in der UPT

Leider nehmen bei Weitem nicht alle Patienten die notwendige Nachsorge auch wahr. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen generell eine unzureichende Compliance. So nahmen in einer Studie bereits im ersten Jahr nach der aktiven Parodontitisbehandlung weniger als die Hälfte der Patienten den Recall regelmäßig wahr, ein Viertel nur unregelmäßig und fast ein Drittel überhaupt nicht [3]. In einer anderen Studie erschienen im ersten Jahr nach der Behandlung 58% der Patienten zur Nachsorge. Von diesen Nachsorgepatienten gingen in den folgenden Jahren jeweils ca. 10% pro Jahr verloren [4]. Doch das lässt sich ändern, denn die Compliance der Patienten hängt nicht nur vom Patienten ab, sondern von zahlreichen Faktoren – und ganz wesentlich auch vom Behandler.

Voraussetzungen für eine gute Patientenmitwirkung

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Abb. 1: Schlüsselfaktoren für die Compliance nach Gill & Shah [5,6]. Dr. Zimmer
Abb. 1: Schlüsselfaktoren für die Compliance nach Gill & Shah [5,6].

Ob ein Patient regelmäßig zu den Recall-Sitzungen erscheint und wie gut er die Mundhygiene-Empfehlungen umsetzt, wird von verschiedenen Faktoren wie dem Vertrauen in den Behandler, der empfundenen Qualität der Behandler-Patienten-Beziehung, der Zufriedenheit mit der Behandlung und der Motivation des Patienten beeinflusst. Sie alle hängen sehr von der Kommunikationsfähigkeit des Behandlers ab (Abb. 1) [5,6]. Je mehr Vertrauen der Patient in den Behandler hat, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er die Therapieempfehlungen befolgen wird. Ein Patient hat Vertrauen, wenn er den Behandler als kompetent und korrekt, als ehrlich und vertrauenserweckend, als zuversichtlich und zuhörend wahrnimmt. Den Patienten als Partner in der UPT zu sehen, fördert das Vertrauen. Erlebt der Patient den Behandler als freundlich, zugewandt und fürsorglich, kann sich eine gute Behandler-Patienten-Beziehung entwickeln, was wiederum die Wahrscheinlichkeit für die Compliance erhöht. Wenn ein Patient mit der Leistung, die er bisher erhalten hat, zufrieden ist, fördert das seine weitere Mitwirkung. Die empfundene Dienstleistungsqualität bezieht sich nicht nur auf „saubere Zähne“, sondern auf das Gesamterlebnis des Praxisbesuchs.

„Man kann nicht nicht kommunizieren“, wusste schon der Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeut Paul Watzlawick. Wie der Behandler kommuniziert, ist entscheidend für die Mitwirkung des Patienten. Wenn er sich vom Patienten abwendet und ihn nicht anschaut, kommuniziert er trotzdem eine wichtige Botschaft. Patienten haben sehr feine Antennen für diese Art von Botschaften. Zugewandtes Verhalten bedeutet, dass sich der Behandler innerlich und äußerlich dem Patienten zuwendet. Neben einer zugewandten nonverbalen Kommunikation wirkt sich auch eine feinfühlige verbale Kommunikation positiv auf die Compliance aus. Über seine Kommunikationsfähigkeiten kann der Behandler auf alle oben genannten Faktoren für eine gute Compliance einwirken. Eine weitere Voraussetzung für Compliance ist die Motivation des Patienten. Nur wenn ein Patient motiviert ist, regelmäßige Nachsorgetermine wahrzunehmen und eine ideale häusliche Mundpflege umzusetzen, wird er das auch langfristig tun.

Was ist Motivation genau und wie entsteht sie beim Patienten? Motivation ist ein Zustand, der Menschen dazu bewegt, ein Ziel ins Auge zu fassen und ihr Verhalten in Richtung Ziel auszurichten [7]. Motivation entsteht nur dann, wenn das Ziel realisierbar und wünschenswert erscheint [8]. Was bedeutet das für unsere Patienten? Ein Patient ist nur motiviert, regelmäßige Recall-Termine wahrzunehmen, wenn er glaubt, dass er diese in seinem vollen Terminplan unterbringen kann. Außerdem muss er vom Nutzen einer regelmäßigen Nachsorge überzeugt sein. Welche Möglichkeiten hat der Behandler, auf einen noch unmotivierten Patienten einzuwirken? Der Behandler kann die im Patienten schlummernde Motivation wecken, indem er zunächst abklärt, wo der Patient innerlich steht. Denn jedem Handeln geht ein Entscheidungsprozess voraus. Zu wissen, wo sich der Patient in diesem Prozess befindet, gibt eine Orientierung für das weitere Vorgehen.

Der Entscheidungsprozess und welche Schlüsse der Behandler daraus ziehen kann

Abb. 2: Rubikonmodell der Handlungsphasen nach Heckhausen & Gollwitzer [17]. Dr. Zimmer
Abb. 2: Rubikonmodell der Handlungsphasen nach Heckhausen & Gollwitzer [17].

In der ersten Phase des Entscheidungsprozesses wägt eine Person ab, welches Ziel sie auswählt. Bei diesem Abwäge-Prozess kommen nur Ziele infrage, die realisierbar und attraktiv sind. Ist die Entscheidung für ein Ziel gefallen, folgt eine Phase des Planens. Anschließend wird der Plan in die Tat umgesetzt. In der abschließenden Phase wird bewertet, ob das Ziel erreicht wurde und die erhofften Ergebnisse eingetreten sind oder ob noch etwas getan werden muss [9]. Der wichtigste Schritt ist der Übergang von der Abwäge- in die Planungsphase. Denn mit der Entscheidung für ein Ziel ist ein Gefühl der Verbindlichkeit entstanden, das Ziel auch tatsächlich umzusetzen. Im Rubikonmodell der Handlungsphasen wird das als Überquerung des mentalen Rubikons dargestellt (Abb. 2) [10].

Seinen Namen erhielt das Rubikonmodell von einem geschichtlichen Ereignis der Antike. Mit dem Überschreiten des Grenzflusses Rubikon traf der römische Feldherr Cäsar eine unumkehrbare Entscheidung, die einen Bürgerkrieg zur Folge hatte. Auch das Überschreiten des mentalen Rubikons bedeutet, dass es kein Zurück mehr gibt. Untersuchungen ergaben, dass Menschen jenseits des Rubikons Informationen überbewerten, die ihrem Ziel dienlich sind. Informationen, die das Ziel infrage stellen, werden dagegen unterbewertet. Außerdem trauen sich Menschen mehr zu, wenn sie das Ziel als Chance begreifen. Haben sie sich aus Angst für das Ziel entschieden, wird dagegen die eigene Kompetenz tendenziell unterschätzt [11]. Welche Schlüsse kann der Behandler daraus ziehen?

  1. Einem Patienten in der Abwäge-Phase, der sich noch nicht entschieden hat, ob er regelmäßig zur Nachsorge kommen möchte, sollte man die notwendige Bedenkzeit einräumen.
  2. Ein Patient, der sich innerlich für regelmäßige Recall-Termine oder für die Nutzung von Zahnzwischenraumbürsten entschieden hat, wird diesbezügliche Informationen des Behandlers mit großer Offenheit aufnehmen.
  3. Hat sich ein Patient gegen eine Therapieempfehlung entschieden, wird er den Argumenten des Behandlers wahrscheinlich mit Skepsis oder sogar mit Widerstand begegnen. Um diesen Patienten doch noch zu motivieren, braucht es möglicherweise einen langen Atem.
  4. Dem Patienten Angst zu machen ist kontraproduktiv. Besser ist es, den Fokus auf den Nutzen der Nachsorge und den damit verbundenen Gewinn für den Patienten zu legen.

Gesprächsstrategie für noch unentschlossene Patienten

Eine Phase der Unentschlossenheit auf dem Weg der Entscheidungsfindung ist normal, denn der Patient hat gleichzeitig Argumente für und gegen eine Therapieoption im Kopf. Vertritt der Behandler im Gespräch die Pro-Seite, muss er damit rechnen, dass der Patient die Gegenposition bezieht. Mit jedem weiteren Argument des Behandlers für einen regelmäßigen Recall oder für eine bessere Mundhygiene wird im Patienten die Gegenposition gestärkt [12]. Wirksamer ist es, dem Patienten offene Fragen zu stellen, die ihn dazu ermuntern, selbst über die Vorteile eines regelmäßigen Recalls oder einer besseren Mundhygiene zu sprechen. Mit jeder Äußerung, mit der er sich für eine optimale Nachsorge ausspricht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich letztendlich dafür entscheiden wird [13]. Patienten in der Abwäge- Phase haben häufig noch Informationsbedarf. Allerdings kann man das Bedürfnis nach Informationen leicht überschätzen. Deshalb ist es sinnvoll, nach dem Schema „nachfragen – Informationen anbieten – nachfragen“ vorzugehen [14].

Zunächst fragt der Behandler, welches Vorwissen sein Patient schon hat. Im zweiten Schritt informiert er den Patienten in „mundgerechten“ Häppchen. Idealerweise nutzt er dabei auch visuelles Informationsmaterial, da damit die Erinnerungsrate um mehr als das Doppelte steigt. Menschen behalten nur 20% von dem, was sie gehört haben, aber 50% vom dem, was sie gehört und gesehen haben, und sogar 90% von dem, was sie selbst getan haben [15]. Deshalb bietet es sich bei Mundhygiene-Instruktionen an, den Patienten die Technik selbst ausführen zu lassen. Am Schluss stellt der Behandler eine nachhakende Rückfrage, um sicherzugehen, dass die Information beim Patienten angekommen ist. Dieses dreistufige Schema fördert die Mitwirkung des Patienten in dreierlei Hinsicht. Erstens stärkt dieser Kommunikationsstil das Vertrauen in den Behandler und die Beziehung zu ihm. Zweitens stellt es sicher, dass der Patient alle für ihn wichtigen Informationen erhalten hat, um sich ein realisierbares und attraktives „Nachsorge-Ziel“ setzen zu können. Und drittens fördert ein gelungenes Gespräch die Patientenzufriedenheit.

Ein langer Atem hilft bei Patienten mit Widerständen

Wenn sich ein Patient gegen regelmäßige Recall-Termine oder gegen die Nutzung von Zahnzwischenraumbürsten entschieden hat, wird er in der Regel auf Argumente mit Ablehnung reagieren. Versuche des Behandlers, den Patienten trotzdem zu überzeugen, gehen oft zulasten einer guten Beziehung, ohne die Compliance zu verbessern. Zwar gibt es kein Patentrezept, um einen Patienten „auf den rechten Weg“ zu bringen. Dennoch hat der Behandler Möglichkeiten, Widerständen des Patienten zu begegnen. Der erste wichtige Schritt liegt darin, die Autonomie des Patienten anzuerkennen und dem auch mit Worten Ausdruck zu verleihen: „Die Entscheidung liegt wirklich ganz bei Ihnen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich Ihnen die Entscheidung nicht abnehmen.“ Das entspannt die Situation, denn der Patient fühlt sich nicht in eine Verteidigungsposition gedrängt. Manchmal bringt das sogar die entscheidende Wendung und der Patient ist plötzlich offen für erste kleine Veränderungsschritte bezüglich seiner Mundhygiene. Auch wenn der Patient bei seiner ablehnenden Haltung bleibt, führt der Behandler den Dialog mit zugewandtem Interesse fort und fragt zum Beispiel: „Was hat Sie dazu gebracht, sich gegen …. zu entscheiden?“ Er begegnet dem Patienten mit Empathie und Akzeptanz und schafft damit einen Rahmen, in dem eine mittel- oder langfristige Veränderung möglich ist [16].

Schlussfolgerung

Zusammenfassend zeigt das hier Beschriebene, dass wir Behandler vielfältige Möglichkeiten haben, auf die Compliance unserer Patienten aktiv einzuwirken und ihre Mitwirkung bei der UPT zu steigern. Allerdings wird auch deutlich, dass eine erfolgreiche Patientenkommunikation nicht von selbst entsteht. Die Kommunikation mit unseren Patienten ist eine Kunst, die gelernt sein will, die aber durchaus erlernbar ist. Die Anstrengung lohnt sich auf jeden Fall, denn so wird nicht nur unsere parodontale Behandlung langfristig erfolgreicher – die zahnärztliche Tätigkeit insgesamt profitiert von einer gekonnten Kommunikation.

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