Zahnmedizinische Probleme bei Kleinkindern: Karies & Co.

Seit einigen Jahren ist man bestrebt, Kleinkinder stärker in die zahnmedizinische Prävention einzubinden, v.a. um frühkindliche Karies zu vermeiden. Darüber hinaus gibt es typische zahnmedizinische Auffälligkeiten bei Kleinkindern, wie etwa Frontzahntraumata oder Habits, welche zu kieferorthopädischen Fehlentwicklungen führen können. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über verschiedene Krankheitsbilder bei Kleinkindern, die für die Prävention im Zuge der zahnärztlichen Frühuntersuchungen sowie darüber hinaus im zahnärztlichen Behandlungsalltag relevant sind.
In der präventiv orientierten Zahnarztpraxis sind Kleinkinder bzw. deren Eltern eine wichtige Zielgruppe, die im Rahmen der Individualprophylaxe gut erreicht werden kann. Erst seit knapp 3,5 Jahren sind neue FU-Leistungen für Kinder ab dem 6. Lebensmonat, einschließlich Fluoridierungsmaßnahmen (FLA) und praktischem Training (FUPr), in den Leistungskatalog der GKV implementiert. Deren Umsetzung im Praxisalltag sollte einen positiven Effekt auf die Mundgesundheit von Kindern haben.
Diese neuen Leistungen stellen in Kombination mit den bereits seit Juli 2016 eingeführten rechtsverbindlichen Verweisen vom Kinderarzt zum Zahnarzt für Kinder vom 6. bis zum 64. Lebensmonat einen wichtigen komplementären Baustein zur Vermeidung frühkindlicher Karies (ECC: Early Childhood Caries) dar. Diese Verweise, die in das gelbe Kinderuntersuchungsheft aufgenommen wurden (Abb. 1a und b), sollten den Anteil an Kleinkindern in der Zahnarztpraxis erhöhen.
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Abb. 1a, b: Das aktuelle gelbe Kinderuntersuchungsheft (a) enthält zusätzliche rechtsverbindliche Verweise
durch den Kinderarzt zur vertragszahnärztlichen Untersuchung beim Zahnarzt für Kinder vom 6. bis zum 64.
Lebensmonat in Form von Ankreuzfeldern für die U 5-9 (b).
© Dr. Schmoeckel -
Abb. 1a, b: So soll die Rate der Erstvorstellungen beim
Zahnarzt mit Durchbruch des ersten Milchzahns (ca. 6. Lebensmonat, U5) erhöht und dadurch Frühkindliche
Karies vermieden werden. Zudem enthält es potenziell wichtige Informationen zum allgemeinen Gesundheitszustand
des Kindes.
© Dr. Schmoeckel/mit freundlicher Genehmigung des G-BA
Karies: Herausforderung ECC
Die Frühkindliche Karies, also die Karies bei Kleinkindern, stellt nach den jüngsten vorliegenden repräsentativen Daten für Deutschland [17] – mit einer Prävalenz von rund 15% – immer noch ein relevantes Thema dar. Ungefähr jedes siebte 3-jährige Kind weist in Deutschland bereits Karies auf. Es scheint jedoch eine leichte Tendenz zur Verbesserung auch in dieser Altersgruppe zu geben.
Im Mittel sind bei den 3-Jährigen, die Karies haben, mehr als 3,5 Zähne kariös. Der Anteil der Kinder mit mindestens 4 betroffenen Zähnen (dmft > 4) variiert leicht zwischen den Untersuchungsregionen, liegt aber im Mittel für Deutschland bei ca. 5% (Abb. 2) [17]. Dies führt die starke Polarisation des Kariesbefalls in dieser Altersgruppe vor Augen.
Zudem ist der Versorgungsgrad der kariösen Milchzähne sehr gering, was vermutlich insbesondere auf die geringe Kooperationsfähigkeit und -willigkeit dieser Kleinkinder zurückzuführen ist. Die Prävalenz der Milchzahnkaries steigt in den folgenden Jahren noch weiter an, sodass etwa 45% der 6- bis 7-Jährigen von Karies betroffen sind, bei denen nur knapp die Hälfte der kariösen Zähne saniert sind [17].
Wegen dieser hohen Anzahl an betroffenen Milchzähnen, des Schweregrads der Zerstörung, des geringen Alters der Kinder und folglich der geringen Kooperationsfähigkeit ist die Frühkindliche Karies wohl die wichtigste zahnmedizinische Herausforderung bei Kleinkindern. Insbesondere bei schweren Formen ist oft nur die Extraktion der betroffenen Zähne in Narkose möglich (Abb. 3a und b).
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Abb. 3a, b: Schwere Form der frühkindlichen Karies bei einem 1,5-jährigen Kind an den Oberkieferschneidezähnen.
Diese Zähne wurden aufgrund der starken Zerstörung und vorliegener pulpaler Beteiligung bei
mangelnder Kooperation des Kindes unter Narkose extrahiert.
© Dr. Schmoeckel/Dr. Mourad -
Abb. 3b.
© Dr. Schmoeckel/Dr. Mourad
Eine flächendeckende frühzeitige Kariesprävention ab dem ersten Milchzahn und eine adäquate rechtzeitige Behandlung von Karies im Milchgebiss sind von zentraler Bedeutung, denn gesunde Milchzähne (Abb. 4a und b) und ein gesundes bleibendes Gebiss sind elementar, um das Ziel einer hohen oralen Lebensqualität über eine gute Mundgesundheit im Kindes- und auch im Erwachsenenalter zu erreichen [3,10].
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Abb. 4a: Okklusale Ansicht von Ober- (a) und Unterkiefer (b) bei einem 4-jährigen Kind mit einem
sogenannten „kariesfreien“ Milchgebiss. Ein gesundes Milchgebiss, verbunden mit hoher oraler Lebensqualität,
ist das Ziel dieser früh ansetzenden Präventionsmaßnahmen.
© Dr. Schmoeckel -
Abb. 4b: Okklusale Ansicht von Ober- (a) und Unterkiefer (b) bei einem 4-jährigen Kind mit einem
sogenannten „kariesfreien“ Milchgebiss. Ein gesundes Milchgebiss, verbunden mit hoher oraler Lebensqualität,
ist das Ziel dieser früh ansetzenden Präventionsmaßnahmen.
© Dr. Schmoeckel
Modernes Kariesmanagement
Ein präventiv orientiertes Praxiskonzept sollte daher ein modernes Kariesmanagement, das heißt primäre, sekundäre oder auch tertiäre Präventionsmaßnahmen, umfassen. Dem sogenannten non-invasiven Kariesmanagement (Kariesprävention und Kariesinaktivierung) kommt dabei eine Schlüsselrolle bezüglich der Mundgesundheit der Kinder zu – und nicht der zahnärztlichen Restauration. Wirksame Maßnahmen zum Erhalt eines gesunden Milchgebisses und zugleich auch zur Inaktivierung von Frühkindlicher Karies (z.B. Remineralisation von Initialkaries) sind bekannt [15,16]:
- Früherkennung von Ursachen und Symptomen der Frühkindlichen Karies durch regelmäßige Kontrollen beim Kinderzahnarzt ab dem Durchbruch des ersten Zahns.
- Demonstration und Training des Zähneputzens während der o.g. Frühuntersuchungen in der Praxis: Dabei putzen Eltern die Zähne ihrer Kinder, unter Anwendung einer Systematik (KAI, Abb. 5a-c, 6).
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Abb. 5a-c: Die praktische Zahnputzübung (FU Pr) mit den Eltern, die selbst die Zähne bei ihrem Kind in der Praxis putzen sollten (hier die Mutter), ist ein wichtiger
Bestandteil der Individualprophylaxe. Das Anheben und Abhalten der Lippen können dabei eindrücklich trainiert werden.
© Dr. Schmoeckel -
Abb. 5b.
© Dr. Schmoeckel
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Abb. 5c.
© Dr. Schmoeckel -
Abb. 6: Zähneputzen nach der KAI-Technik: K - Kaufläche, A - Außenfläche, I – Innenfläche.
© Dr. Mourad
- 2-mal tägliches häusliches Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpaste in altersgerechter Menge (Abb. 7 u. 8) sowie ein Nachputzen durch die Eltern (s. Hinweisbox zu Fluoridempfehlungen; Tab. 1).
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Abb. 7: Eine nichtrepräsentative Besichtigung der
Drogerie- und Supermarktregale erbrachte eine
Kinderzahnpaste mit 1.000 ppm Fluorid und dünner
Öffnung für eine einfache Dosierung in Reiskorngröße
vom ersten Zahn an.
© Dr. Mourad/Prof. Splieth -
Abb. 8: Andere Zahnpasten mit 1.000 ppm Fluorid
haben eine größere Öffnung und sind schwerer in
Reiskorngröße – durchaus aber in Erbsengröße
– dosierbar und daher ab einem Alter von 2 Jahren
vorgesehen.
© Dr. Mourad/Prof. Splieth
Alter des Kindes | Konzentration | Häufigkeit | Menge |
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Ab Durchbruch des 1. Milchzahnes bis zum 2. Geburtstag | 1000 ppm | 2x tägl. | Reiskorngroß (s. Abb. 7) |
oder | |||
500 ppm | 2x tägl. | Erbsengroß | |
2. bis 6. Geburtstag | 1000 ppm | 2x tägl. | Erbsengroß (s. Abb. 8) |
Zusätzlich fluoridiertes Speieselsalz ab Teilnahme des Kindes an der Familienverpflegung |
Tab. 1: Empfehlung* zur Anwendung von Kinderzahnpasten (Quelle: DGPZM)
* DGZ, DGPZM, DGKiZ, BZÖG, BZÖK; Stand 27.09.2018
- Professionelle Fluoridlackapplikationen [11] (FLA: fluoridhaltiger Lack alters- und risikogerecht im Rahmen der Gruppenund Individualprophylaxe, Abb. 9).
- Eltern sollten dahingehend beraten werden, dass keine nächtliche Gabe der Nuckelflasche bzw. Saugerflasche mit Obstsäften (auch nicht verdünnt), gesüßten Tees oder anderen süßen Getränken erfolgen darf. Diese Getränke sind auch nicht zwischendurch als Durstlöscher geeignet. Eine konsequente Getränkeumstellung auf Wasser und ungesüßten Beuteltee bei frühestmöglicher Umgewöhnung auf den Trinkbecher ist zu empfehlen.
Zum Gelingen der kariespräventiven Beratung der Eltern kann die Methode der motivierenden Gesprächsführung beitragen [14]. Anstelle der einfachen Mitteilung der Sachinhalte wird die intrinsische Motivation zur Zahngesundheit, d.h. insbesondere zur Fluoridnutzung, Mundhygiene und Ernährung, angesprochen und gestärkt. Das heißt, die Motivation, Anleitung und das gemeinsames Erarbeiten wesentlicher Inhalte bezüglich Mundhygiene, Fluoridnutzung und Ernährung und auch das Putztraining beim Kind (Nachputzen der Eltern, größerer Lerneffekt durch Selbermachen) stellen wichtige Bausteine für den Präventionserfolg dar. Bezüglich der häuslichen Fluoridnutzung sind die aktuellen Empfehlungen zu beachten (s. Kasten u. Abb. 10 und 11).
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Abb. 10: Einheitliche Empfehlungen zur Kariesprävention im frühen Kindesalter in Deutschland. Diese stellen einen Konsens einer nationalen Gruppe von Expertinnen
und Experten aus den für den Themenbereich Kariesprävention mit Fluorid relevanten Fach- und Berufsverbänden statt.
© Mit freundlicher Genehmigung von „Gesund ins Leben“ -
Abb. 11: Für die zahnärztliche Frühuntersuchung kann das kleine Kind in den
Schoß des Zahnarztes gekippt werden. Dabei kann das Kleinkind die Erziehungsperson
gut sehen. Diese liegende Position eignet sich sehr gut für die Inspektion.
© BZÄK/KZBV, mit freundlicher Genehmigung, Fotograf: Dr. Schmoeckel
Aktuelle einheitliche Fluoridempfehlungen |
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Lange Zeit waren die Empfehlungen zur Fluoridnutzung bei Kindern in Deutschland unglücklicherweise sehr divers. Neueste Empfehlungen einer Expertenkommission verschiedener zahnmedizinischer Fachgesellschaften unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ), der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) und der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) sehen vor, dass bei Kindern ab dem Durchbruch des 1. Milchzahnes bis zum 2. Geburtstag mit einer reiskorngroßen Menge einer Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid geputzt werden sollte. Alternativ dazu kann auch empfohlen werden, zweimal täglich mit einer erbsengroßen Menge einer Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid zu putzen, da die Menge an Fluorid in diesen Alternativen ungefähr gleich groß ist. Vom 2. bis 6. Geburtstag sollten 2-mal täglich die Zähne mit einer erbsengroßen Menge einer Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid geputzt werden sollten (Tab. 1 [20, 21]. Diese Empfehlungen decken sich auch im Wesentlichen mit dem aktuellen nationalen Konsens (Abb. 10). |
Frontzahntrauma – jedes 2. Kind hat einen Zahnunfall
Kenntnisse für das adäquate Management eines Frontzahntraumas bei Kleinkindern sind auch für die Allgemeinzahnarztpraxis wichtig. Denn: Untersuchungen zeigen Prävalenzen eines dentalen Traumas im Milchgebiss von ca. 50% und von über 30% im bleibenden Gebiss [12]. Die tatsächliche Häufigkeit liegt wahrscheinlich deutlich höher, da (fast) alle Kinder beim Spielen, Laufen- oder Radfahrenlernen irgendwann stürzen und der Kopf-, Gesichtsbereich bzw. die Zähne betroffen sind, ohne dass dies zahnärztlich erfasst wird.
Jungen sind zudem eher häufiger betroffen als Mädchen. Dislokationsverletzungen, also Verlagerungen der Zähne, kommen dabei bevorzugt im Milchgebiss vor (Abb. 12 a-c), während Kronenfrakturen eher im bleibenden Gebiss gefunden werden [1,5,13]. Patientinnen und Patienten mit Zahnfehlstellungen, v.a. mit weit nach vorne stehenden Oberkieferfrontzähnen bei zurückliegendem Unterkiefer (Angle-Klasse ll), sind davon häufiger betroffen [2,7].
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Abb. 12b: Bei diesem 2 1/2-jährigen Kind liegen mehrere Dislokationen der oberen Schneidezähne vor. Seit dem Zahnunfall, der ca. 1 Woche zurücklag, waren die Zähne
nicht mehr gereinigt worden. Wenn möglich ist eine weitergehende röntgenologische Untersuchung anzuraten und auf jeden Fall eine deutliche Optimierung des
Zähneputzens. Bei Milchzahntraumata gilt als Behandlungsoption meist „Ex oder Nix“.
© Dr. Schmoeckel -
Abb. 12c: Vollständige Intrusion des Zahns 51 bei einem 3-jährigen Kind. Dies sollte röntgenologisch abgeklärt werden. Insbesondere das Risiko einer Zahnkeimschädigung
sollte hier berücksichtigt werden.
© Dr. Schmoeckel
Essenzielle Punkte beim Management von Frontzahntraumata sind das Beruhigen der Eltern, eine sehr gute Dokumentation von Unfallhergang und Befund (Ausschluss Kindeswohlgefährdung) und die möglichst adäquate, diagnosebasierte Initialtherapie. Die häufigsten Therapiemaßnahmen nach Zahnunfall im Milchgebiss sind das Beobachten und der Recall oder die Extraktion des betroffenen Milchzahns.
Einen guten Leitfaden mit Übersichten und Hilfestellungen insbesondere zur Diagnostik und Therapie von Frontzahntraumata bietet die von einschlägigen Experten entwickelte englischsprachige (und mittlerweile kostenpflichtige) Internetseite: https://dentaltraumaguide.org. Wichtige Hinweise bietet zusätzlich die deutsche S2k-Leitlinie zum dentalen Trauma im permanenten Gebiss, die unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/083-004.html abgerufen werden kann.
Kieferorthopädische Befunde
Auch bei kleinen Kindern können Zahnfehlstellungen vorliegen. Diese sollten möglichst frühzeitig diagnostiziert werden, um ihnen durch interzeptive kieferorthopädische Maßnahmen schon früh in ihrer Entstehung entgegenzuwirken.
Ursächlich sind meist sogenannte gebissschädigende Angewohnheiten, auch Habits genannt, die verschiedene Fehlstellungen verursachen (Tab. 2, Abb. 13a und b). Oftmals können solche Fehlstellungen leicht durch Abgewöhnen der Habits therapiert werden.
Habit | Was entsteht dadurch? |
---|---|
Lutschen v.a. am Daumen oder Schnuller | lutschoffener Biss (s. Abb. 13a) |
falsches Schluckmuster bzw. somatisches Schlucken | obere und untere Schneidezähne weichen nach buccal (vorne) ab (s. Abb. 13b) |
Wangenbeißen und -saugen | Seitenungleiche Entwicklung der Kiefer |
Einlagern der Unterlippe | Rückverlagerung des Unterkiefers bzw. Kippen der oberen Schneidezähne nach buccal (vorne) |
Zungenpressen | lückig stehende Zähne |
habituelle Mundatmung | schmaler Oberkiefer und auch Kreuzbiss möglich |
Tab. 2: Übersicht zu wichtigen Zahnfehlstellungen im Kleinkindalter, die durch Habits entstehen können (Zusammenstellung: Dr. Mourad).
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Abb. 13a: Offener Biss durch Daumenlutschen bei einem 4-jährigen Kind.
Zudem liegen hier aktive kariöse Läsionen vor.
© Dr. Mourad -
Abb. 13b: Falsches Schluckmuster bzw. somatisches Schlucken bei einem
5-jährigen Kind, zudem liegen hier ebenfalls multiple jedoch inaktivierte kariöse
Läsionen vor.
© Dr. Mourad
Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation an Milchzähnen
Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ist ein scheinbar immer häufiger vorkommendes Phänomen. Typisch für MIH sind weißlich-gelbe bis gelb-braune, deutlich umschriebene Opazitäten im Zahnschmelz an den bleibenden ersten Molaren und Schneidezähnen mit unterschiedlicher Schwere des Befalls (Abb. 14). Ähnliche Defekte können jedoch auch an anderen Zähnen, etwa an zweiten Milchmolaren (HSPM: Hypomineralized Second Primary Molar, oder auf Deutsch: MMH = Milch-Molaren-Hypomineralisation; Abb. 15) auftreten [9].
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Abb. 14: Hypomineralisation am zweiten Milchmolaren (MMH) im Oberkiefer,
zugleich liegt an 26 eine MIH vor. Das Risiko von MIH ist bei MMH erhöht.
© Dr. Schmoeckel -
Abb. 15: MMH an beiden oberen zweiten Milchmolaren mit großen Substanzdefekten.
Das Risiko einer pulpalen Beteiligung ist v.a. bei Zahn 55 vorhanden.
© Dr. Schmoeckel
Die genauen Ursachen sind noch nicht bekannt. Für MIH werden multifaktorielle Ursachen vermutet, die während der ersten 3 Lebensjahre auftreten. Die Diagnosestellung ist nicht immer ganz leicht, doch kann MIH aufgrund des Erscheinungsbildes und der Lokalisation meist gut differenzialdiagnostisch von Karies oder genetisch bedingten Zahnhartsubstanzveränderungen abgegrenzt werden.
Die Therapie hängt vom Schweregrad und Lokalisation des Substanzverlusts und auch dem Grad der Hypersensibilität ab. Das Behandlungsspektrum erstreckt sich daher von rein präventiven Maßnahmen, über Versiegelungen, Füllungen, Stahlkronenversorgungen bis hin zur Zahnextraktion. In der Regel sollten alle Kinder mit MMH zunächst also als Kariesrisikokinder eingestuft werden und somit in einem vierteljährlichen Intervall zum Recall kommen.
Fazit
Insbesondere Karies und Zahnunfälle, aber auch Hypomineralisationen bei Milchzähnen und durch Habits erworbene Zahnfehlstellungen stellen wichtige orale potenziell problematische Aspekte bei Kleinkindern dar. Diese können die Lebensqualität der Kinder beeinträchtigen. Folglich sind eine wirksame Prävention, eine frühzeitige Diagnose und Behandlung besonders wichtig.
Da es sich bei den Patienten um kleine Kinder handelt, die mitunter aus bildungsfernen Familien stammen (bei Karies überproportional häufig der Fall), ist es wichtig, den Eltern wesentliche Aspekte auf einfach verständliche Weise zu erklären bzw. sich diese gemeinsam zu erarbeiten (z.B. mittels motivierender Gesprächsführung). Dabei ist das Einbinden der Eltern beim praktischen Training zum Zähneputzen sehr wichtig, denn bis die Kinder selbstständig Schreibschrift schreiben können, empfiehlt sich ein Nachputzen.
Die meisten jungen Eltern sind sehr motiviert und wollen alles „richtig“ machen. Die Effekte auf die Mundgesundheit sind zudem langfristig. Daher ist das Kleinkindalter ein guter Zeitraum, um auf mögliche Probleme aufmerksam zu machen, und präventiv tätig zu sein.
Weiterführende Lektüre
Das zahnärztliche Personal sollte auf diese kleinen Patienten und ihre Eltern vorbereitet sein. Daher sind wesentliche Aspekte zur Durchführung der frühen zahnärztlichen Untersuchungen bei Säugling und Kleinkind in diesem Beitrag im eigens dafür entwickelten ECC-Ratgeber (BZÄK/KZBV 2019) dargestellt und u.a. online frei verfügbar.