Implantologie


Sofortimplantation bei Parodontitispatienten: Reduktion von biologischen Komplikationen durch die antimikrobielle photodynamische Therapie (aPDT) als adjuvante Therapie


Soll nach der Entfernung nicht mehr erhaltungswürdiger Zähne bei chronischer Parodontitis sofort implantiert werden, bietet sich die antimikrobielle photodynamische Therapie (aPDT) nach dem Helbo-Verfahren zur Keimelimination in der Extraktionsalveole an. Studienergebnisse belegen geringere Komplikationsraten, wenn diese adjuvante Therapie durchgeführt wird: Insbesondere Sequesterbildungen treten seltener auf.

Durch den sukzessiven Verlust der Zähne beim Vorliegen einer chronischen Parodontopathie erfordert die implantatprothetische Therapieplanung ein hohes Maß an Erfahrung und Abschätzung der lokalen Befunde, damit die Erwartungshaltungen der Patienten, besonders an eine komplikationsfreie Behandlung und eine stabile prothetische Versorgung, erfüllt werden können. Dabei ist besonders das Risiko des Auftretens von biologischen Komplikationen zu berücksichtigen, damit es nicht direkt postoperativ zu Wundheilungsstörungen oder nach der prothetischen Versorgung zu frühen periimplantären Entzündungen kommt.

Das mikrobiologische Milieu zeigt bei der Patientengruppe mit chronischen Parodontopathien eine Verschiebung zu aggressiven und schwer therapierbaren Leitkeimen. Auch nach vollständiger Entfernung aller Zähne und somit der Elimination der Taschen als Schlupfwinkel für eine weitere Aufrechterhaltung der Infektionen lassen sich parodontalpathogene Keime im Gewebe nachweisen, die als potenzielle Infektionsherde für Implantatverluste oder das Ausbilden einer retrograden Periimplantitis verantwortlich sein können [11,18,25]. Dies bedeutet, dass durch eine alleinige mechanische Kürettage bei der Zahnextraktion es zu keiner vollständigen Elimination der parodontalpathogenen Keime kommt und eine physiologische Rekolonisierung somit kaum zu erreichen ist.

Zur Reduktion der paradontalpathogenen Keime wird in der klassischen Parodontaltherapie die unterstützende, systemische oder lokale Antibiotikatherapie empfohlen. Sie muss jedoch aufgrund der systemischen Nebenwirkungen, besonders der Sensibilisierung und Resistenzbildung auch bei niedriger Dosierung, einer kritischen Indikationsstellung unterzogen werden. Hier sollte dem allgemeinen Trend folgend auf eine nicht indizierte Antibiotikatherapie verzichtet werden. Wenn überhaupt, sollten nur spezifische Antibiotika rezeptiert werden, die dann über eine ausreichende Therapiezeit verabreicht werden. Die lokale Applikation zur Desinfektion bei der Zahnextraktion scheidet aus methodischen Gründen aus.

Die Sofortimplantation und mögliche Komplikationen

Die Sofortimplantation wird heute als relativ sicheres Verfahren angesehen, wobei die Implantation nach Entfernung von Zähnen mit akut entzündlichen Befunden oder apikalen Osteolysen heute nicht mehr zwingend als Kontraindikation eingestuft wird [18,23,27]. Bei einer chronischen Parodontopathie liegen selten akut eitrige Entzündungen vor. Jedoch ist der Übergang hier fließend, sodass sich bei einer Extraktion mehrerer Zähne die Entscheidung, auf eine Sofortimplantation zu verzichten, schwierig gestalten kann.

Eine der häufigsten in der zahnärztlichen Chirurgie auftretenden Komplikationen stellt der Dolor post extractionem dar, dessen Genese von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird [6]. Neben den patientenspezifischen Parametern, wie allgemeiner Gesundheitszustand, Medikation, Nikotin- und Alkoholkonsum, ist die Traumatisierung des alveolären Knochens durch die Extraktion als Parameter zu nennen [6,15]. Infolge der sich dann einstellenden Infektion dringen Bakterien in den alveolären Knochen ein. Es kommt zu einer Ostitis, die eine starke Beeinträchtigung der Patienten durch die damit verbundene Neuritis zeigt. Das Auftreten des Dolor post wird bei der Serienextraktion zwar seltener beschrieben als bei Einzelextraktionen [15]; dennoch kann dieser nach einer Sofortimplantation zu einer vom Patienten geforderten Explantation aufgrund der hohen Schmerzreaktion führen oder andererseits das Symptombild der apikalen Periimplantitis zeigen. Solche Fälle sind äußerst schwierig zu therapieren, da die Infektionsherde häufig auch lingual liegen und ein sicherer chirurgischer Zugang zur Osteolysezone kaum möglich ist (Abb. 1–7).

  • Abb. 1: DVT zur Planung einer angulierten Implantatposition bei parodontal geschädigtem Zahnsystem.
  • Abb. 2: Entfernung der nicht mehr erhaltungswürdigen Zähne, die eine deutliche subgingivale Konkrementbildung zeigen.
  • Abb. 1: DVT zur Planung einer angulierten Implantatposition bei parodontal geschädigtem Zahnsystem.
  • Abb. 2: Entfernung der nicht mehr erhaltungswürdigen Zähne, die eine deutliche subgingivale Konkrementbildung zeigen.

  • Abb. 3: Sofortimplantation nach alleiniger mechanischer Kürretage mit angulierter Positionierung.
  • Abb. 4: Eingesetzte Abformpfosten am Ende der Operation für die Anfertigung der Sofortversorgung.
  • Abb. 3: Sofortimplantation nach alleiniger mechanischer Kürretage mit angulierter Positionierung.
  • Abb. 4: Eingesetzte Abformpfosten am Ende der Operation für die Anfertigung der Sofortversorgung.

  • Abb. 5: Kontrolle drei Monate nach Sofortversorgung.
  • Abb. 6: Nach Abnahme der Suprakonstruktion zeigt sich ein Sequester in Regio 35.
  • Abb. 5: Kontrolle drei Monate nach Sofortversorgung.
  • Abb. 6: Nach Abnahme der Suprakonstruktion zeigt sich ein Sequester in Regio 35.

  • Abb. 7: Stabiles periimplantäres Knochenniveau und vollständige Regeneration der Extraktionsalveolen 2 Jahre nach OP im Unterkiefer.
  • Abb. 7: Stabiles periimplantäres Knochenniveau und vollständige Regeneration der Extraktionsalveolen 2 Jahre nach OP im Unterkiefer.

Antimikrobielle photodynamische Therapie

In den vergangenen Jahren wurden daher verschiedene Verfahren mit einem photodynamischen oder photothermischen Therapieansatz für die Prävention oder Therapie von oralmanifestierten Infektionen vorgestellt [14]. Leider wurden diese Therapieansätze vor der Markteinführung nicht immer effektiv wissenschaftlich evaluiert, sodass nur ausgewählte Verfahren heute einen klinischen Einsatz rechtfertigen [12,13].

Ein inzwischen für den parodontologischen Einsatz wissenschaftlich dokumentiertes System ist die antimikrobielle photodynamische Therapie (aPDT) nach dem Helbo-Verfahren, bei der mit einem hochkonzentrierten sterilen Farbstoff unter ausreichender Einwirkzeit mit einem Diodenlaser im Niedrigenergieniveau die Aktivierung entsprechend der Wellenlängen des Photosensitizers erfolgt [8,22,26]. Damit kommt es zu einer Reduktion des pathologischen Keimspektrums, wodurch eine physiologische Rekolonisierung im Mund erreicht wird. Die Anwendung des Low-Level-Lasers unterstützt dabei die photobiologische Wirkung der Geweberegeneration, wodurch wiederum Wundheilung und Geweberegeneration unterstützt werden [9].

Dieses Verfahren eignet sich auch für die Dekontamination der Extraktionsalveolen. Hierfür wird der Farbstoff nach der mechanischen Kürettage des chronisch infizierten periradikulären Gewebes am günstigsten mit einem getränkten Gazestreifen eingebracht [21]. Bei Patienten mit Bisphosphonattherapie wird es erfolgreich eingesetzt. Durch die Applikation für ein bis optimal drei Minuten kommt es zu einer Diffusion auch in die oberflächlichen Gewebsschichten, sodass es dort zu einer Anfärbung der parodontalpathogenen Keime kommt. Da ein hochkonzentrierter Farbstoff verwendet wird, ist ein Spülen mit physiologischer Kochsalzlösung notwendig, damit die Schichtdicke reduziert werden kann. Anschließend erfolgt die Bestrahlung jeder Alveole für ca. 1 Minute [19]. Durch die photochemische Reaktion bildet sich Singulett- Sauerstoff an der Zellwand der Membranen [5]. Die Folge ist eine Lipidoxidation und somit die Zerstörung der Bakterien (Abb. 8–14).

  • Abb. 8: DVT mit Röntgenschablone für angulierte Implantatpositionierung.
  • Abb. 9: Vorbereitung der Extraktion für die Sofortimplantation.
  • Abb. 8: DVT mit Röntgenschablone für angulierte Implantatpositionierung.
  • Abb. 9: Vorbereitung der Extraktion für die Sofortimplantation.

  • Abb. 10: Nach der Applikation des Photosensitizers erfolgt die Spülung zur Reduktion der Schichtdicke.
  • Abb. 11: Aktivierung des Photosensitizers mit der 3D-Probe (Helbo, Bredent Medical, Walldorf).
  • Abb. 10: Nach der Applikation des Photosensitizers erfolgt die Spülung zur Reduktion der Schichtdicke.
  • Abb. 11: Aktivierung des Photosensitizers mit der 3D-Probe (Helbo, Bredent Medical, Walldorf).

  • Abb. 12: Eingliederung der Sofortversorgung.
  • Abb. 13: Komplikationslose Wundheilung und stabile periimplantäre Verhältnisse bei der Kontrolle der definitiven prothetischen Versorgung.
  • Abb. 12: Eingliederung der Sofortversorgung.
  • Abb. 13: Komplikationslose Wundheilung und stabile periimplantäre Verhältnisse bei der Kontrolle der definitiven prothetischen Versorgung.

  • Abb. 14: Stabiles Knochenniveau an und zwischen den Implantaten (blue sky; Fast&Fixed, Bredent Medical, Senden).
  • Abb. 14: Stabiles Knochenniveau an und zwischen den Implantaten (blue sky; Fast&Fixed, Bredent Medical, Senden).

Sofortimplantation und Sofortversorgung

Für eine festsitzende Versorgung des zahnlosen Kiefers bei nicht mehr erhaltungsfähigen parodontal geschädigten Zähnen hat sich die Insertion einer reduzierten Anzahl von Implantaten, besonders in Kombination mit der Sofortimplantation, zu einer bewährten Therapieoption entwickelt [1,7,24,28]. Je nach Ausmaß des vertikalen Knochenverlustes und der noch vorhandenen Restbezahnung lassen sich die Implantate in Kombination mit lokalen augmentativen Maßnahmen umgehend nach Extraktion der nicht erhaltungswürdigen Zähne inserieren und bei ausreichender Primärstabilität auch mit einem Provisorium funktionell sofort versorgen [28]. Dieses Konzept, ausgehend von den Erfahrungen von Malo, erfordert eine angulierte Positionierung der posterioren Implantate, damit das anterior-posteriore Abstützungsfeld so weit wie möglich erweitert werden kann, ohne dass die anatomischen Strukturen im Oberkiefer mit der Ausdehnung des Kieferhöhlenbodens und im Unterkiefer mit dem Verlauf des Foramen mentale geschädigt werden. Dieses Verfahren wird heute von unterschiedlichen Herstellern mit entsprechenden Systemkomponenten für eine angulierte Implantatpositionierung und Versorgung propagiert [2,16,17].

Ergebnisse

Im Rahmen der hier vorgestellten retrospektiven Studie wurde die Effektivität der photodynamischen Therapie auf die Erfolgs- und Komplikationsraten bei sofort versorgten Implantaten, die direkt in die Extraktionsalveolen inseriert wurden, untersucht. Zwischen 2005 und 2013 wurden insgesamt 143 Patienten behandelt. Bei insgesamt 751 Implantaten erhielten 118 Patienten Restaurationen im Unterkiefer sowie 45 Patienten Versorgungen im Oberkiefer. 160 Implantate wurden ohne Begleitbehandlung in frische Extraktionsalveolen inseriert. 166 Implantatpositionen wurden mit der aPDT gemäß dem oben beschriebenen Vorgehen vorbereitet. In der Kontrollgruppe zeigten zwei der 160 Implantate keine Osseointegration zum Zeitpunkt der Abformung drei Monate nach Insertion. Weitere elf Implantate zeigten Anzeichen einer retrograden Periimplantitis oder eines periimplantären Sequesters, was zu einer Komplikationsrate von 8,1 % in der Kontrollgruppe führte. Zwei Implantate mit retrograder Periimplantitis konnten mit einer systemischen Antibiotikatherapie behandelt werden, ein weiteres Implantat erforderte einen chirurgischen Eingriff. Bei acht Implantaten war ein Revisionseingriff zur Entfernung des Sequesters erforderlich. In der aPDTGruppe zeigten alle Implantate eine Osseointegration zum Zeitpunkt der Abformung, nur zwei Implantate zeigten einen periimplantären Sequester. Somit ergab sich hier eine niedrigere Komplikationsrate von 1,8 %. Zudem wurden in der aPDT-Gruppe keine Anzeichen für eine retrograde Periimplantitis beobachtet.

Diskussion

Das Inserieren anguliert positionierter Implantate zur Behandlung von Patienten mit chronischen Parodontien hat sich in den letzten Jahren zu einem etablierten Behandlungskonzept entwickelt. Durch die Reduktion der Anzahl der Implantate sinkt per se das Periimplantitis-Risiko, da weniger Implantate pro Kiefer unter Risiko stehen. Durch moderne Implantatoberflächen mit einer meistens gestrahlten und hochtemperaturgeätzten Oberfläche zeigen diese Implantate auch eine primäre Erfolgsrate, sodass Implantatverluste selten auftreten. Dies bedeutet aber, dass das Risiko bei der Sofortimplantation von periimplantären, retrograden entzündlichen Veränderungen zunimmt, da die Implantate nicht über die gesamte Oberfläche osseointegrieren und gerade im apikalen Bereich verbleibende Infektionsherde zu einem Infektionsgeschehen führen können [25].

Periimplantäre Sequester stellen einfachere Komplikationen dar, die sich in der Regel unter dem Provisorium bei der Kontrolle der Osseointegration ca. sechs bis zwölf Wochen nach der Implantation zeigen. Je nach Schmerzempfinden der Patienten wird dies als mehr oder minder starke Komplikation empfunden. Gerade bei Patienten im höheren Alter mit zunehmendem Risiko von Wundheilungsstörungen kann dies jedoch auch zu größeren Defekten führen, besonders dann, wenn zusätzlich augmentative Maßnahmen angewendet wurden und sich die zahnärztliche Kontrolle aufgrund von weiteren internistischen Erkrankungen und deren Therapie verzögert hatte [3]. Somit erfordert die Behandlung des älteren Patienten mit seinem erhöhten Risikoprofil zusätzliche Maßnahmen zur Reduktion dieser biologischen Komplikationen [20]. Die antimikrobielle photodynamische Therapie wird heute von verschiedenen Anbietern empfohlen, und es zeigen sich für die verschiedenen Anwendungsgebiete des oralen Infektionsmanagements positive Ergebnisse [4,8,10,14,26]. Leider folgen nicht alle Hersteller den wissenschaftlich erprobten Konzeptionen, sodass diese Verfahren nicht wirksam angewendet werden können, wenn anstelle des kohärenten Laserlichts lediglich LED-Lampen und anstelle eines hochkonzentrierten sterilen Farbstoffs ein unsteriler Farbstoff in niedriger Konzentration oder gar ein Farbstoff mit nicht passendem Absorptionsspektrum zum empfohlenen Laser verwendet wird [12,13]. Dies hat zur Folge, dass trotz eines relativ hohen Materialaufwands der gewünschte therapeutische Erfolg mit aDPT als adjuvanten Therapie ausbleibt.

Fazit

Die Sofortimplantation mit Sofortversorgung bei parodontal erkrankten Zähnen kann zu einer signifikanten Anzahl von Sequesterbildungen führen. Dies ist besonders auffällig bei der Versorgung im Unterkiefer, sodass hier eine zusätzliche chirurgische Therapie notwendig wird. Durch den Einsatz der aPDT ist es möglich, diese Komplikationen zu reduzieren.

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Jörg Neugebauer , Dr. Steffen Kistler , Dr. Frank Kistler


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