Rekonstruktion eines knöchernen Defekts mittels Weichgewebsplastik mit simultanem Sinuslift

Die folgende Fallpräsentation befasst sich mit der Rekonstruktion eines Hartgewebedefekts mittels eines gestielten Bindegewebstransplantats. Dieses Vorgehen wurde aufgrund des Patientenwunsches gewählt – anstelle einer Augmentation mit Knochen bzw. Knochenersatzmaterialien. Die Autoren stellen einen implantologischen Eingriff mit internem Sinuslift dar, der simultan den bukkalen Defekt mittels eines von palatinal nach vestibulär geschwenkten Weichgewebetransplantats ästhetisch wiederherstellt.
Nach dem Verlust eines Zahns resorbiert der Knochen nicht nur in der Vertikalen, sondern auch in der Horizontalen. Der Wunsch der 30-jährigen Patientin war die Implantation und die „Aufpolsterung“ des knöchernen lateralen Defekts. Allerdings war die Patientin einer Augmentation mit autogenem, allogenem, xenogenem oder alloplastischem Knochen gegenüber nicht offen. Somit entschieden wir uns für eine Augmentation mittels Weichgewebe. Um den Ansprüchen der Patientin gerecht zu werden, suchten wir nach einer Lösung mit wenigen und unkomplizierten Eingriffen. Diese lag in diesem Fall in einer Implantation mit internem Sinuslift und im simultanen
Einbringen eines gestielten Bindegewebstransplantats.Falldarstellung
Ausgangsbefund
Bei dieser Patientin lag eine Schaltlückensituation in regio 15 vor. Der Zahn 15 ging nach einer endodontischen Behandlung verloren. Wie in den Abbildungen 1 und 2 zu er kennen ist, beträgt das vertikale Restknochenangebot 8 mm. In der Folge ist vestibulär in regio 15 ein Hartgewebsdefizit entstanden, was sich in Abbildung 3 in der Okklusalansicht erkennen lässt. Der Knochendefekt kann sowohl knöchern als auch mit Weichgewebe aufgebaut werden. Bei größeren Defekten ist auch eine Kombination der beiden Methoden zulässig. Das Ziel war in diesem Fall die Rekonstruktion des Defekts mittels Weichgewebe.
Für die ästhetische Rekonstruktion des knöchernen Defekts mittels
Weichgewebsplastik ist sowohl ein Bindegewebstransplantat als auch ein freies Schleimhauttransplantat möglich. Um der Patientin einen weiteren Eingriff zu ersparen und postoperative Narben zu vermeiden, entschieden wir uns für eine simultane Plastik. Das Bindegewebstransplantat wurde mit nur wenigen Inzisionen, die ausschließlich palatinal verliefen, präpariert. Zur besseren Versorgung und Regeneration des Transplantats beließen wir dieses vestibulär gestielt. Das Bindegewebstransplantat kann aus der Retromolarregion des Oberkiefers oder aus dem Gaumen entnommen werden. In diesem Fall eignete sich der Gaumen als Donorstelle, damit das Weichgewebstransplantat gestielt bleiben konnte.Auf der Grundlage der Implantatdiagnostik schied eine Kieferkammrekonstruktion mit Spreadern aus, da zentral gelegen ein knöcherner Defekt vorhanden war. Somit planten wir den Aufbau des fehlenden Hartgewebes statt mit einer knöchernen Regeneration mit einer Weichgewebsplastik.
Rekonstruktion
Die Schnittführungen für die dentale Implantation und das Bindegewebstransplantat sollten kombiniert werden, da diese Operationen simultan durchgeführt wurden. Um den ästhetischen Ansprüchen der Patientin gerecht zu werden, wurde nur ein horizontaler, palatinal versetzter Kieferkammschnitt gewählt (Abb. 4). Die vertikalen Entlastungsinzisionen zur
Präparation des Bindegewebstransplantats erfolgten palatinal (Abb. 4). Diese Entlastungsinzisionen wurden vestibulär für die dentale Implantation in den Sulcusbereich der Nachbarzähne erweitert (Abb. 4)2,6. Durch einen Mukosalappen stellten wir das Bindewebe dar (Abb. 5–7). Der palatinale Mu kosalappen wurde minimalinvasiv nur soweit extendiert, dass die Präparation für das gestielte Transplantat möglich war (Abb. 6 u. 7). Von palatinal aus wurde das ca. 2 bis 3 mm dicke Bindegewebstransplantat partiell abpräpariert. Nach vestibulär hin blieb es weiterhin gestielt (Abb. 7–9). Dabei durfte die gestielte Basis nicht zu klein geraten. Auf diese Weise kann das Weichgewebstransplantat gut ernährt werden. Die Anwendung dieser augmentativen Maßnahme in regio 15 mittels Weichgewebe kann simultan mit der Insertion des Implantats erfolgen. Zudem sollte simultan die vertikale Restknochenhöhe von 8 mm minimalinvasiv mittels eines internen Sinuslifts zur Insertion eines 10 mm langen Implantats erweitert werden. Dazu wurde in der Höhe der palatinal versetzten horizontalen Inzision der Mukosalappen in einen Mukoperiostlappen weiterpräpariert. Dieser wird geringfügig extendiert, um eine Knochenresorption zu minimieren und die Implantation in regio 15 zu ermöglichen (Abb. 8 u. 9). Diese Rolllappentechnik wurde schematisch ähnlich bereits 1980 von Abrams beschrieben. 1992 wurde diese Technik von Scharf und Tarnow für die Implantatfreilegung modifiziert und später von Israelson and Plemons weiterentwickelt1,4,6.-
Abb. 6: Präparative Darstellung des gestielten Transplantats.
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Abb. 7: Verlagerung des gestielten Bindegewebstransplantats nach vestibulär.
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Abb. 8: Übergang des Mukosalappens in einen vestibulären Mukoperiostlappen.
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Abb. 9: Gestieltes Bindegewebstransplantat am Mukoperiostlappen.
Implantation mit internem Sinuslift simultan zur Weichgewebsplastik
Bei der Präparation stellte sich der knöcherne Defekt in regio 15 dar (Abb. 10). Das Implantatbett wurde bis zur Gegenkortikalis aufbereitet, was einer Länge von 8 mm entspricht. Dann wurde mit Osteotomen für die interne
Sinusbodenelevation der Sinus um ca. 3 mm eleviert (Osteotome nach Summers, Biomet 3i, Karlsruhe), sodass eine vertikale Länge von ca. 11 mm resultierte (Abb. 11)7,8. Eine Perforation der Schneider’schen Membran lag nicht vor. Um den horizontalen Defekt zu kompensieren, wurde ein Implantat mit einem Durchmesser von 5 mm und einer Länge von 10 mm inseriert (Nobel Biocare, Nobel Replace, Tapered Groovy WP, Kloten; Abb. 12–15). Dieses war, wie in den Abbildungen 12 bis 15 erkennbar, zirkulär ausreichend mit Knochen umgeben. Die Primärstabilität war gegeben. Wichtig für das ästhetische Ergebnis sind die Einhaltung des Mindestabstandes vom Implantat zu den Nachbarzähnen und eine ausreichend dimensionierte bukkale Knochenlamelle1,2,3. Das Implantat wurde mit der entsprechenden Abdeckschraube versehen (Abb. 15 u. 16). Somit war die Implantation erfolgreich abgeschlossen.Das vestibulär gestielte Bindegewebstransplantat, das aus dem Gaumen entnommen wurde, wurde nun nach vestibulär übergeschlagen. Dazu wurde ein Mukosalappen im vestibulären Bereich als Tasche präpariert, in der das Bindegewebstransplantat eingeschlagen wurde. Dazu sind keine Entlastungsinzisionen notwendig. Diese parodontale Plastik basiert auf der
Rolllappenplastik und ähnelt der von Raetzke beschriebenen Envelope- Technik5 und der erweiterten Envelope-Technik3.Eine Überdimensionierung der präparierten Tasche sollte nicht angestrebt werden, damit das Transplantat eine gewisse Lagestabilität hat. Eine Perforation des Mukosalappens sollte vermieden werden. In den Abbildungen 17 und 18 ist das in regio 15 in die vestibulär präparierte Tasche transferierte, gestielte Transplantat kurz vor dem Nahtverschluss mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial (Supramid 4.0, Braun, Sempach) zu erkennen. Die Rekonstruktion des knöchernen Defektes ist auf diese Weise mittels einer Weichgewebsplastik kompensiert worden (Abb. 17 u. 18). Die gute Blutversorgung des Transplantats erfolgt sowohl durch die gestielte Basis als auch durch die Einlagerung in den
vestibulären Mukosalappen. Dort liegt das Transplantat straff dem durchblute ten Nachbargewebe von beiden Seiten an. Damit das Bindegewebstransplantat einheilen kann, ist die Lagestabilität des Weichgewebstransplantats notwendig. Dies ist dadurch gegeben, dass keine Entlastungsinzisionen erfolgten, und durch die Tatsache, dass das Transplantat weiterhin gestielt geblieben ist. Fixationsnähte wären auch möglich gewesen, um die Lagestabilität zu garantieren, sind in diesem Fall aber nicht notwendig, zumal wir potenzielle Irritationen des Gewebes vermeiden wollten.In den postoperativen radiologischen Aufnahmen, wie dem Orthopantomogramm und der vergrößerten Ausschnittsaufnahme, lässt sich erkennen, dass der elevierte interne Sinus mit simultaner Implantation in regio 15 erfolgte (Abb. 19 u. 20). Als Analgetikum und Antiphlogistikum wurden der Patientin dreimal täglich Ibuprofen 400 mg und zusätzlich Chlorhexidin 0,12 Prozent mediziert. Eine provisorische Versorgung der Schaltlücken war für die Patientin nicht interessant. Die nicht resorbierbaren Fäden wurden nach einer Woche entfernt.
Fazit
Um den Wünschen der Patienten gerecht zu werden, müssen sämtliche Behandlungsalternativen in Betracht gezogen werden. Die Rekonstruktion des knöchernen Defektes mittels Weichgewebsplastik simultan mit internem Sinuslift, die in diesem Fall gewählt wurde, stellt keine Kompromissbehandlung dar, sondern ist eine wirkliche Alternative. Wir haben uns für ein gestieltes Bindegewebstransplantat entschieden. Dies hat den Vorteil einer besseren Versorgung und Regeneration des Transplantats. Um den ästhetischen Ansprüchen der Patientin gerecht zu werden, wurde auf vestibuläre Entlastungsinzisionen verzichtet. Um der Patientin mehrfache operative Eingriffe zu ersparen, haben wir die Weichgewebsplastik simultan mit der Implantatinsertion und dem Sinuslift durchgeführt. Auf diese Weise ist mit minimalinvasiver Chirurgie ein funktionelles und ästhetisches Ergebnis erreicht worden.

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