Implantologie


Moderne Diagnostiksysteme in der Prävention und Therapie periimplantärer Infektionen – Teil 1

Abb. 1: Klinischer Fall einer Periimplantitis (bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Tom Nabors, Columbus, USA).
Abb. 1: Klinischer Fall einer Periimplantitis (bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Tom Nabors, Columbus, USA).

Die Diagnostik einer Parodontitis sowie einer Periimplantitis muss individuelle Faktoren berücksichtigen, um zu einer erfolgreichen Therapie zu führen. Insbesondere die Bestimmung der individuellen Keimbesiedelung

und des genetischen Risikos muss in die Diagnostik aufgenommen werden, sodass – im Bedarfsfall – eine gezielte Antibiotikatherapie erfolgen und anhand des genetischen Risikos der Verlauf der Erkrankung abgeschätzt

werden kann. Der folgende Beitrag erläutert die Rolle moderner Diagnostiksysteme in der Therapie der Periimplantitis, die als häufige

Spätkomplikation für den Verlust von Implantaten verantwortlich ist.

Die Implantologie hat sich in jüngster Zeit zu einem Tätigkeitsschwerpunkt der modernen Zahnmedizin entwickelt. Aufgrund ihrer hohen Funktionalität und Langlebigkeit spielen Implantate heute eine zentrale Rolle in der parodontologisch orientierten Praxis. Obwohl moderne Implantatsysteme selbst bei schwierigen Indikationen hohe primäre Erfolgsquoten zeigen, kann mit steigender Zahl und Verweildauer enossaler Implantate eine Zunahme postimplantologischer Komplikationen und Implantatsmisserfolge verzeichnet werden. Um die finanziell aufwendigen Restaurationen auch langfristig zu sichern, bedarf es daher einer sorgfältig geplanten Behandlungsstrategie. Hierbei müssen auch die individuellen Risiken des Patienten auf der Basis einer fundierten Diagnostik berücksichtigt werden.

Präimplantologische Risikoanalyse als Komplikationsprophylaxe

Im Gegensatz zum natürlichen Zahn, der von der Gingiva umgeben ist, ist das Implantat in ein narbenähnliches periimplantäres Weichgewebe eingebettet. Dieses enthält mehr Kollagenfasern, aber weniger Fibroblasten und Gefäße. Im Vergleich zum gut durchbluteten Parodontium kann das periimplantäre Gewebe daher nur eine geringe Immunabwehr gegenüber bakteriellen Angriffen aufbringen. Bakterielle Infektionen der periimplantären Mukosa ohne Beteiligung des Knochens sind reversibel und werden als Mukositis bezeichnet. Bei einer fortschreitenden Entzündung mit progressivem und irreversiblem Knochenverlust spricht man dagegen von einer Periimplantitis (Abb. 1). Die dadurch verursachten Implantatverluste sind so genannte Spätverluste, die auch Jahre nach einer erfolgreichen Osseointegration und funktioneller Belastung entstehen können. Roos-Jansaker et al. konnten zeigen, dass nach neun bis 14 Jahren bis zu 16 Prozent der Implantate aufgrund einer Periimplantitis verloren gehen12. Frühe Implantatverluste (im ersten Jahr nach Integration) sind in der Regel eher auf Komplikationen während der Einheilung und auf eine ungenügende Osseointegration zurückzuführen.
Bei einer periimplantären Entzündung und einer Parodontitis sind Ätiologie und Verlauf ähnlich. Auch die Periimplantitis ist durch eine multifaktorielle Genese charakterisiert: Neben anatomischen Gesichtspunkten wie Okklusionsanomalien und Verlauf des marginalen Kieferknochens spielen exogene Risikofaktoren wie Mundhygienestatus, Tabakkonsum und prädisponierende Allgemeinerkrankungen eine wichtige Rolle. Eine besondere Bedeutung wird der genetischen Prädisposition sowie der Zusammensetzung der oralen Mikroflora des Patienten beigemessen. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten zeigen, dass das Keimspektrum periimplantärer Infektionen vergleichbar mit dem der Parodontitis ist11. So wurden die Bakterienspezies P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola, P. intermedia sowie F. nucleatum, E. corrodens, C. rectus, P. micros und nicht zuletzt A. actinomycetemcomitans in signifikant erhöhten Konzentrationen bei Patienten mit Implantationsmisserfolgen isoliert3,10. Als Quelle der Periimplantitis auslösenden Keime gilt in erster Linie die parodontale Tasche der natürlichen Zähne. Allerdings kann auch eine Transmission von parodontopathogenen Bakterien durch die Umgebung des Patienten (Partner, Familie) die Zusammensetzung der Oralflora entscheidend beeinflussen. Aufgrund der besonderen anatomischen Strukturen der periimplantären Weich- und Knochengewebe werden biofilmassoziierte Infektionen stark begünstigt. Insbesondere die Besiedlung der inneren Oberflächen des Implantat-Abutment-Zwischenraumes mit den überwiegend anaeroben, gramnegativen Parodontalpathogenen geht häufig mit Komplikationen einher. Diese können im Extremfall den Implantatverlust nach sich ziehen.
Aufgrund der Vergleichbarkeit der Periimplantopathien mit den Parodontopathien sind Ansätze zur Behandlung der Periimplantitis aus der Parodontaltherapie erfolgversprechend. Die Therapie sollte dabei im Wesentlichen zwei Ziele verfolgen: zunächst die Ursache der Infektion, welche zum fortschreitenden Abbau des Alveolarknochens führt, zu eliminieren und schließlich ein Stadium zu erreichen, das dem der Ausgangssituation entspricht. Der Idealfall besteht demnach in einer Reosseointegration des betroffenen Implantats. Für eine erfolgreiche Behandlung sollten im Verlauf der Therapie in jedem Fall folgende Zielsetzungen verfolgt werden:

  • Eliminierung der bakteriellen Plaque in der periimplantären Tasche
  • Dekontamination und Konditionierung der Implantatoberfläche
  • Reduktion oder Eliminierung von Stellen, die durch Oralhygienemaßnahmen nicht plaquefrei gehalten werden können
  • Erstellung eines effizienten Behandlungsschemas zur Prävention von Mukositis und Reinfektion der Resttasche
  • Regeneration des Knochens

  • Abb. 2: Die Markerkeimanalyse mit micro-Ident® bzw. micro-IDent plus®   und die Pathogenität der nachgewiesenen Bakterien. Bei mirkobiologischen Untersuchungen sollten alle elf ätiologisch bedeutsamen Markerkeime untersucht werden.

  • Abb. 2: Die Markerkeimanalyse mit micro-Ident® bzw. micro-IDent plus® und die Pathogenität der nachgewiesenen Bakterien. Bei mirkobiologischen Untersuchungen sollten alle elf ätiologisch bedeutsamen Markerkeime untersucht werden.
Eine alleinige mechanische Reinigung reicht zur effizienten Keimreduktion häufig nicht aus. Bei gleichzeitiger Suppression der pathogenen Flora durch eine adjuvante Antibiotikatherapie kann der Verlust des Implantats jedoch in der Regel verhindert werden11. Zur Auswahl eines effizienten, auf das individuelle Keimspektrum des Patienten abgestimmten Antibiotikums sowie zur Kontrolle des Therapieerfolges ist die Anwendung eines mikrobiologischen Tests indiziert. Auf Basis dieser, z. B. micro-IDent®plus-Test (Hain Lifescience GmbH, Nehren) (Abb. 2), kann die Entscheidung getroffen werden, ob die individuell vorliegende Bakterienbelastung zusätzliche therapeutische Maßnahmen für eine Eradikation der Keime erforderlich macht. Die Zusammensetzung und Konzentration der subgingivalen Flora gibt Auskunft darüber, ob eine mechanische Entfernung des Biofilms ausreichend ist oder ob eine unterstützende antibiotische Therapie angezeigt ist. Da die benefizielle Mundflora hierbei weitgehend unbehelligt bleiben sollte, ist eine Therapie wünschenswert, die selektiv auf vorhandene Infektionserreger abzielt. Ist die Zusammensetzung der Subgingivalflora bekannt, kann die Auswahl eines optimal wirksamen Antibiotikums oder einer Antibiotika-Kombination erfolgen. Somit können die Therapieerfolgsquote erhöht und unerwünschte Nebenwirkungen minimiert werden. Eine Kontrollanalyse etwa sechs bis acht Wochen nach Beendigung der Antibiotikatherapie bestätigt und dokumentiert die gelungene Keimelimination. Da nach der Therapie von periimplantären Infektionen die behandelten Strukturen „offen“ bleiben, ist die Gefahr einer Rekolonisation aus intraoralen Nischen oder durch exogene Keimträger groß. Daher sollte die Sanierung der gesamten Mundhöhle im Sinne einer Full Mouth Disinfection mit unterstützenden Chlorhexidin-Spülungen angestrebt werden und auch integraler Bestandteil der frühen Nachsorge sein. Bei Patienten mit natürlicher Restbezahnung können die gleichen Bakterien, welche die Parodontitis verursacht haben, für die Entstehung einer Periimplantitis verantwortlich sein. So konnte in einer Studie an Implantaten, die sich über zwei Jahre in situ befanden, auch gezeigt werden, dass die Konzentration parodontopathogener Keime an Implantatpfeilern umso höher war, je mehr natürliche Restbezahnung noch vorhanden war13. Werden diese parodontopathogenen Keime vor der Versorgung eines Patienten mit implantatgetragenem Zahnersatz nicht vollständig beseitigt, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Periimplantitis8. Aus diesem Grund sollte eine restaurative und implantologische Versorgung nur nach abgeschlossener parodontaler Sanierung und nachgewiesener Keimfreiheit durchgeführt werden, um auch langfristige Erfolge erzielen zu können. Auf der Basis eines mikrobiologischen Tests kann bereits präimplantologisch ein erhöhtes Risiko für eine periimplantäre Infektion diagnostiziert und durch entsprechende antimikrobielle Therapiemaßnahmen nivelliert werden.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Sylke Dombrowa

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Sylke Dombrowa



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