Planung und Organisation
Ein entscheidender Punkt in der abnehmbaren Implantatprothetik ist die Rückwärtsplanung (Backward-Planning). Das betrifft nicht nur die Planung der Implantatposition vor der chirurgischen Phase, sondern zieht sich durch die gesamte Versorgung. So ist es notwendig, vor der Herstellung von Abutments, Stegen oder Doppelkronen eine exakte Bestimmung des prothetischen Ziels vorzunehmen. Bei Versorgungen im abnehmbaren Bereich ist ein Wax-up oder Set-up anzufertigen, das auf Ästhetik und Funktion geprüft und vom Patienten „freigegeben“ wird. Mitunter ist es notwendig, ein ursprünglich anvisiertes Versorgungskonzept in der Phase des Set-up nochmals kritisch zu hinterfragen – etwa bei zu geringen Bauhöhen für Stege oder Doppelkronen, Ausgleich großer sagittaler Stufen nach Kieferkammatrophie etc.
Im Normalfall ist der prothetische Ablauf bei abnehmbaren Versorgungen umfangreicher als bei festsitzendem Zahnersatz in Schalt- und Einzellücken. Damit wird für das Bestellsystem eine Abfolge von Terminen notwendig, die bei fehlender Routine oder unzureichender Planung nicht selten zu aufwendigen weiteren Sitzungen sowie organisatorischen und logistischen Problemen führt. Deshalb sehen wir eine weitestgehend exakte vorherige Festlegung der einzelnen Therapieschritte mit einem „Puffertermin“ für eine erfolgreiche Durchführung für entscheidend. Der Anforderung an die fachliche Kompetenz stellt sich das Praxisteam ebenso wie das zahntechnische Labor. Gerade in spezialisierten zahntechnischen Laboren liegt oftmals sehr viel technisches Know-how auf diesem Gebiet vor, was von zahnärztlicher Seite unbedingt genutzt werden sollte. Andererseits entbindet es die Zahnärzteschaft nicht von der Pflicht, (selbst)kritisch den Therapieverlauf zu leiten. In Tabelle 1 ist ein Beispielschema für eine Doppelkronen- bzw. Stegversorgung dargestellt.
Am häufigsten wird abnehmbarer Zahnersatz in den Indikationsklassen „reduzierter Restzahnbestand“ und „zahnloser Kiefer“ eingesetzt [2]. Eine Sonderstellung nehmen die Konzepte ein, in denen natürliche Zähne und Implantate gleichzeitig zur Verankerung von abnehmbarem Zahnersatz dienen (Konzept der strategischen Pfeilervermehrung). Damit kann bei ungünstiger Verteilung der natürlichen Restzähne z.B. in nur einem Quadranten mit wenig Aufwand eine günstigere Abstützung durch 1 oder 2 Implantate im benachbarten Quadranten erreicht werden (Schema 1 und 2). Dies führt zu einer statischen Entlastung der Restzähne und damit zu einem wesentlich geringeren Risiko für Komplikationen durch Überlastung.
Wahl der prothetischen Verbindungselemente
Sehr häufig stellt sich die Frage nach der Wahl der prothetischen Verbindungselemente. Dafür steht eine Vielzahl von Elementen wie Locatoren, Doppelkronen, Stegen und Kugelköpfen in unterschiedlichen Varianten zur Verfügung. Sie alle weisen Vor- und Nachteile auf [3], sodass eine generelle Empfehlung schwierig ist. Im Folgenden sind deshalb die Vor- und Nachteile der einzelnen Verbindungselemente stichpunktartig zusammengefasst und es wird eine Empfehlung aus der Sicht der Autoren gegeben, bei welcher Indikation ihr Einsatz am sinnvollsten ist.
- Locatoren oder ähnliche Elemente (Novaloc) sind präfabriziert und damit kostenreduzierend. Sie lassen sich z.T. nachträglich in vorhandene Prothesen aufgrund ihrer geringen Bauhöhe einarbeiten (auch chairside). Sie finden auch im zahnlosen Unterkiefer bei reduzierter Implantatzahl (auf 2 Implantaten) Anwendung. Entscheidender Nachteil ist, dass diese Elemente Achsneigungen von Implantaten nur bis zu ca. 30° ausgleichen können und hierbei bereits ein erhöhter Verschleiß der Bauteile auftritt. Manuell kompromittierte Patienten können Probleme bei der Eingliederung haben, was zeitnah zur Deformation der Matrize führt. Des Weiteren ist bei der Versorgung des zahnlosen Unterkiefers mit 2 oder 3 Implantaten (abweichend vom Versorgungsvorschlag der Konsensuskonferenz) und der Verwendung von Locatoren schon im Aufklärungsgespräch auf mögliche Limitierungen ausführlich einzugehen und dies zu dokumentieren (Abb. 1).
- Teleskope sind in Deutschland sehr häufig verwendete Verbindungselemente, da sie aus der konventionellen Prothetik sowohl Patienten als auch Behandlern bekannt sind und sie sich seit Jahrzehnten bewährt haben. Anders als Locatoren weisen sie eine geringere Spielpassung auf und erlauben auch den Ausgleich von sehr anguliert stehenden Implantatachsen. Diese Elemente sind technisch sehr aufwendig herzustellen und können daher die Kosten von Locatoren leicht um das Doppelte übersteigen.
- Als ein wesentlicher Vorteil gerade gegenüber Stegversorgungen wird die gute Hygienefähigkeit der Doppelkronen angesehen. Richtig ist, dass bei Teleskopen die Schmutznischen gerade wie bei Barrenstegen (Dolder-Steg) nicht vorhanden sind. Diese Schmutznischen fallen allerdings bei modernen gefrästen Stegen wesentlich kleiner aus. Andererseits haben die Autoren genügend plaquebesiedelte Doppelkronen dokumentiert, was zu der Annahme führt, dass die Reinigung hochbetagten Patienten nicht leichter zu fallen scheint als die von gefrästen Stegversorungen (Abb. 2).
- Eine klare Empfehlung erhalten Doppelkronen bei dem Konzept der strategischen Pfeilervermehrung unter Einbeziehung natürlicher Zähne (Abb. 3 und 4), da hybride Stegverblockungen zwischen Zahn und Implantat ausscheiden und die Kombination zwischen Doppelkrone oder auf dem Zahn und Locator auf dem Implantat keine Anwendung finden sollte.
- Stege sind ebenfalls bewährte und gut dokumentierte Verbindungselemente. Sie waren in Form des klassischen gegossenen und gelöteten Dolder-Stegs aus der Mode gekommen. Mit der seit Jahren zur Verfügung stehenden CAD/CAM-Technik erfahren Stege eine Renaissance. Die Passungen sind anders als bei Gusstechniken sehr genau vorhersagbar. Entscheidender Vorteil von Stegen ist die Extensionsfähigkeit. Damit steht eine wesentlich größere Retentionsfläche als bei Doppelkronen zur Verfügung und es ist ab 4 Implantaten möglich, das Stützpolygon durch das Primärgerüst nach dorsal zu erweitern (Abb. 5 und 6). Auch können starke Achsneigungen von Implantaten (Ausweichen aus dem Bereich des Sinus maxillaris und der Foramina mentalia) über 30° problemlos ausgeglichen werden. Die Kosten liegen zwischen den von Locatoren und Doppelkronen.
- Zu dem Nachteil hinsichtlich der schlechteren Hygienefähigkeit wurde bereits Stellung genommen. Das Einwachsen von Zahnfleisch, wie es häufig bei Dolder-Steg-Konstruktionen zu beobachten war, ist aufgrund der veränderten Sekundärgerüstgestaltung ähnlich wie bei Doppelkronen zu vernachlässigen.
Ein weiterer Vorteil besteht in der primären Verblockung der Implantate, was bei gerade grenzwertigen Implantatlängen und Durchmessern günstig sein kann. Eine Sonderstellung bilden direkt verblendete Extensionsstege, die mit dem Prinzip der verkürzten Zahnreihe wie festsitzender Zahnersatz Anwendung finden können (Abb. 7 und 8). Dabei ist eine bedingte Abnehmbarkeit durch die Verschraubung gegeben, die bei starker Ansammlung von harten Belägen auch eine extraorale Reinigung in individuell festzulegenden Zeitintervallen ermöglicht.
Tipps zur Abformung und zu Primärgerüsten von Stegen
Abformungen für abnehmbare Versorgungen werden aufgrund funktioneller Anforderungen in der Regel mit individuellen Löffeln durchgeführt. Hier sei nochmals auf den im ersten Teil der Artikelserie erwähnten Grundsatz verwiesen, dass individuelle Löffel aus lichthärtendem Kunststoff 24 Stunden aushärten sollten.* Weiterhin empfehlen die Autoren bei weitspannigen Versorgungen und bei starken Angulationen der Implantate und/ oder der natürlichen Zähne eine offene Abformmethode der Implantate (die Abformpfosten verbleiben nach der Entnahme aus dem Mund im Abformmaterial). So können Repositionsfehler der Abformpfosten ausgeschlossen und bei stark divergierenden Pfeilern ein Deformieren oder Einreißen der Abformmasse vermieden werden (Abb. 9 und 10).
Primärgerüste bei Stegversorgungen
Zum Arbeitsschritt der Kieferrelationsbestimmung sollte eine sogenannte Schlüsselprobe durchgeführt werden. Diese dient dazu, die Genauigkeit der Modellsituation zu überprüfen. Bei Bedarf, wenn Spannungen entstehen, ist die Schlüsselprobe zu trennen. Dann müssen die Segmente intraoral neu fixiert und ein weiteres Mal abgeformt werden (Abb. 11 und 12).
So kann die Position der Implantate im Modell einfach geprüft werden, bevor die Herstellung der Suprastrukturen beginnt. Bei der Einprobe im Patientenmund passen die Stege fast immer hervorragend spannungsfrei. Die Prüfung wird mittels Sheffield-Test vorgenommen, d.h., nachdem eine der äußeren Schrauben angezogen wird, sollte die Restauration bleitot in situ verbleiben. Bei der Entscheidung, ob auf Implantat- oder Abutmentniveau verschraubt werden kann, ist Folgendes zu beachten: Tief subgingivale und/oder stark divergierende Implantate sollten mit Zwischenaufbauten versorgt werden, je nach Hersteller „Multi Unit“-, „Steg“- oder „Uniaufbauten“ genannt. Damit kann sowohl der Achsrichtung als auch der gingivalen Höhe Rechnung getragen werden (Abb. 13–15). In der Regel ist eine Verschraubung auf Implantatniveau ausreichend.
Fazit
Implantologische Konzepte sind fester Bestandteil prothetischer Behandlungsstrategien. Sie können im Bereich des festsitzenden Zahnersatzes abnehmbare konventionelle Konzepte ablösen (Freiendsituationen) und bei Einzelzahnersatz zusätzliche Hartsubstanzverluste vermeiden. Im teilbezahnten Kiefer dienen Implantate zur Vermehrung strategisch wichtiger Pfeiler und tragen so zum Schutz der restlichen natürlichen Zähne bei. Patienten mit stark atrophierten zahnlosen Kiefern profitieren sehr stark vom Gewinn an Lebensqualität.
Trotz aller positiven Aspekte bleibt die Implantologie durch die chirurgische und prothetische Intervention eine komplexe zahnärztliche Behandlungsmethode. Hier gilt wie in jedem anderen Teilgebiet der Zahnheilkunde, dass Fachkenntnis, Routine und Selbstreflexion Grundvoraussetzungen für eine dauerhaft erfolgreiche Therapie sind. Der Implantologe Dr. Jürgen Hartmann formulierte es so: „So sehr die Weiterentwicklung zu begrüßen ist, so sehr muss der einzelne Zahnarzt auch verantwortlich seine eigenen Grenzen erkennen. Die Implantologie soll eine sehr erfolgreiche Therapie bleiben. Derjenige, der noch nicht erfahren ist, sollte sich indikationsgerecht weiterentwickeln. ….“ [4].
Weiterführende Links
Näheres zu den Autoren des Fachbeitrages: Dr. Falk Nagel, ZTM Holm Preußler, Dr. Stephan Jacoby
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