Die implantatprothetische Versorgung zahnloser Kiefer ohne augmentative Verfahren

Viele Patienten mit geringer Restbezahnung oder zahnlosem Kiefer wünschen sich eine festsitzende Versorgung. Lange Behandlungszeiten und aufwendige chirurgische Maßnahmen schrecken jedoch eine große Patientengruppe von einer Implantatbehandlung ab. Für eine andere Gruppe stellt die Ablehnung von umfangreichen Kieferkammaufbauten eine Hürde dar. Zudem haben viele Patienten nicht die finanzielle Mittel für eine aufwendige Rehabilitation. Für sie bietet sich die Sofortversorgung mit der SKY fast & fixed-Therapie (bredent medical, Senden) an, bei der wenige Implantate so in den ortsständigen Knochen gesetzt werden, dass sie sofort mit einer festsitzenden temporären Brücke versorgt werden können und durch die Verblockung der Implantate die Osseointegration sicher erreicht wird. In der nachfolgenden Ausführung wird anhand mehrerer Patientenfälle das konzeptionelle Vorgehen der SKY fast & fixed-Therapie von der Implantatinsertion über die Sofortversorgung bis hin zur definitiven Versorgung aufgezeigt.
Prinzip der Sofortversorgung mit wenigen Implantaten im zahnlosen Kiefer
Die Möglichkeit, wenige Implantate für einen festsitzenden Zahnersatz ohne augmentative Maßnahmen in den ortsständigen Kiefer einzubringen, erfordert eine genaue präoperative Diagnostik sowie Implantat-Komponenten, die exakt für diese Anwendung konzipiert sind [3,12,13]. Um eine sichere stabile Abstützung der temporären Brücke zu gewährleisten, ist es notwendig, dass eine möglichst breite prothetische Basis von anterior nach posterior geschaffen wird. Dieses Ziel kann häufig nur durch die angulierte Insertion der posterioren Implantate erreicht werden [14]. So können anatomisch kritische Bereiche – wie der Nervus alveolaris im Unterkiefer oder die Sinushöhle im Oberkiefer – umgangen werden, bei gleichzeitig guter posteriorer Abstützung der temporären Brücke in den Regionen 5 bis 6 [2,7]. Die sofortige temporäre Versorgung wird so gestaltet, dass einerseits die Implantate sicher miteinander verblockt sind und andererseits durch die Verwendung von Kunststoffen die Lasteinleitung gedämpft wird. Weite Extensionen sind kontraindiziert.
Ausgangssituation und Behandlungsplanung
Patienten, die unsere Praxis mit dem Wunsch einer festen Versorgung konsultieren, zeigen sich oftmals mit stark geschädigtem Restzahnbestand (Abb. 1). Je nach anatomischen Gegebenheiten werden ein DVT oder eine Panoramaschichtaufnahme angefertigt [5]. Einen typischen Röntgenbefund zeigt zum Beispiel die Ausgangssituation auf Abbildung 2. Die Zähne waren in diesem Fall nur bedingt zu erhalten beziehungsweise für die Verankerung einer festsitzenden prothetischen Versorgung ungeeignet. Nach einer umfassenden Anamnese- und Befunderhebung sowie einer ausführlichen Beratung kann die Entscheidung für die implantatprothetische Versorgung getroffen werden, wobei Patienten in vielen Fällen umfangreiche Augmentationen ablehnen. Der erste Schritt nach der Zustimmung zum Heil- und Kostenplan ist die Implantatplanung. Bei bekannten funktionellen Störungen sollte neben einer individuellen Abformung beider Kiefer eine Bissregistrierung zur Bestimmung der Lage des Unterkiefers zur Schädelbasis vorgenommen werden. Anhand der Röntgenaufnahme und der Situationsmodelle erfolgte die detaillierte Planung der Implantatpositionen.
-
Abb. 2: ... nicht zu erhaltender Restzahnbestand und geringes vertikales Knochenangebot im Oberkiefer (rechts).
-
Abb. 3: Entfernung des entzündlichen Gewebes nach der Extraktion.
Operatives Vorgehen im Unterkiefer
Nach einer intraoralen Oberflächenanästhesie wird die Leitungsanästhesie appliziert und der nicht erhaltungswürdige Restzahnbestand schonend extrahiert. Die Extraktionsalveolen werden gründlich kürettiert, das Granulationsgewebe sorgfältig entfernt (Abb. 3) und spitze Knochenkanten der Alveolen auf ein Niveau eingekürzt. Bei parodontalen Vorerkrankungen kann zur Desinfektion und Dolor-Post-Prophylaxe die antimikrobielle photodynamische Therapie (HELBO, bredent medical) angewandt werden [9] (Abb. 4). Nach Darstellung des Kieferkamms (mobilisierter Weichgewebslappen lingual und bukkal) wird im Bereich des Nervus mandibularis beziehungsweise des Nervenaustrittspunkts vorsichtig der Nerv freigelegt (Abb. 5) und nach Bestimmung der Mittellinie mit dem Pilotbohrer die Position der anterioren Implantate festgelegt. Mit dem Twistdrill können Richtung und Tiefe der Implantatposition definiert werden. Für eine bessere Orientierung dienen Parallelindikatoren (Abb. 6). Der Austrittspunkt der angulierten posterioren Implantate sollte in etwa im gleichen Abstand wie im Frontzahngebiet liegen, wobei Angulationshilfen den Winkel von 35° vorgeben (Abb. 7). Mit dem Finalbohrer für weichen und mittelharten Knochen kann nun die Präparation erweitert und mit dem Krestalbohrer der kortikale Bereich aufbereitet werden [11]. Aufgrund der im Verhältnis zur Implantatkavität breiteren Abutmentschulter muss unter Umständen überstehender krestaler Knochen mit einer Knochenfräse entfernt werden. Nach der Bohrung der Implantatkavitäten sind entsprechend dem chirurgischen Protokoll die vier Implantate mit einem Drehmoment von 30 bis 45 Ncm zu inserieren (Abb. 8). Um einen höheren Drehmoment zu vermeiden, muss gegebenenfalls mit dem Finalbohrer für harten Knochen nachpräpariert werden [10]. Die mesiale Kante der posterioren Implantate sollte auf Knochenniveau liegen. Jetzt werden die Abutments mittels Einbringhilfe eingebracht (Abb. 9) und vor dem Nahtverschluss die Abformkappen (SKY fast & fixed) aufgeschraubt (Abb. 10). Für die plastische Deckung kann eine Periostschlitzung notwendig werden. Nach dem Wundverschluss folgt eine geschlossene Abformung mit einem individualisierbaren Einwegabformlöffel und eine erneute Bissregistrierung mit einem Quetschbiss (Abb. 11). Den Abschluss bildet eine Röntgenkontrollaufnahme (Abb. 12).
-
Abb. 4: Antimikrobielle photodynamische Therapie (HELBO, bredent medical).
-
Abb. 5: Bestimmung der Mittellinie.
-
Abb. 6: Eingebrachte Parallelindikatoren nach der Pilotbohrung (anteriore Implantate).
-
Abb. 7: Angulationshilfe (35°) zum Vorbohren der posterioren Implantate.
-
Abb. 8: Insertion eines posterioren Implantates.
-
Abb. 9: Eine Einbringhilfe erleichtert das Aufsetzen der Abutments.
-
Abb. 10: Die inserierten Implantate mit Abutments.
-
Abb. 11: Die Situation mit Abformkappen.
-
Abb. 12: Röntgenkontrollbild.
Herstellung der Sofortversorgung
Das Einsetzen der temporären Versorgung wird bei dem Konzept der Sofortbelastung idealerweise am Tag der Implantatinsertion beziehungsweise innerhalb von 72 Stunden vorgenommen [4]. Erfolgt die Implantatinsertion geführt – mittels Bohrschablone –, kann eine provisorische Versorgung vorbereitet werden. Bei dem hier beschriebenen Protokoll ist eine Neuanfertigung nach der Abformung der tatsächlichen postoperativen Implantatsituation das bewährte Vorgehen [3].
Nach einer Desinfektion der Abformung wird ein Modell aus Superhartgips hergestellt. Dazu werden die Abformkappen auf die Laboranaloge aufgeschraubt sowie in der Abformung repositioniert. Das Modell hat idealerweise eine Gingivamaske und ist auf einem Splitcastsockel fixiert. Nach der Modellmontage im individuellen Artikulator werden die Modelle einartikuliert und die Prothetik-Kappen aufgesetzt sowie individualisiert (Abb. 13). Für die Auf- und Fertigstellung kann der Zahntechniker beispielsweise mit der Verblendschalen-Methode (novo.lign, bredent) arbeiten, die es ermöglicht, auf die Wünsche des Patienten bezüglich der Zahnfarbe und individuellen Form einzugehen [8]. Hierzu werden die Verblendschalen zunächst in Wachs aufgestellt und mit einem Vorwall übertragen (Haptosil D, visio.sil fix, bredent). Nachdem die Schalen aus der Wachsaufstellung entfernt sind, können sie in den Vorwall adapiert werden. Um einen spannungsfreien Sitz der provisorischen Versorgung zu gewährleisten, wird auf dem Modell beim Schütten des Kunststoffes (top. lign breformance, bredent) nur eine Prothetikkappe eingearbeitet und die anderen werden im Mund des Patienten fixiert. Während der Herstellung der Sofortversorgung fungieren die zum System gehörigen Silikonschläuche als Platzhalter (Abb. 14). Innerhalb weniger Stunden ist auf diesem Weg die temporäre Versorgung fertiggestellt.
-
Abb. 13: Unterkiefermodell für die Herstellung einer Sofortversorgung mit den aufgesetzten Prothetik-Kappen.
-
Abb. 14: Modell für die Herstellung der Sofortversorgung (Oberkiefer): Eine Kappe wird auf dem Modell mit der Sofortversorgung verklebt. Auf den anderen Kappen dienen Silikonschläuche als Platzhalter.
Für die spannungsfreie Verklebung im Mund werden nach dem Entfernen der Gingivaformer die drei nicht im Brückenkörper fixierten Prothetikkappen okklusal auf die Abutments verschraubt, anschließend unter Ausschluss etwaiger Spannungen die provisorische Versorgung eingesetzt und mit der integrierten Prothetikkappe auf dem Abutment fixiert. Nun können die restlichen Prothetik-Kappen spannungsfrei verklebt werden (Qu-resin, bredent) (Abb. 15). Um das überschüssige Material nach der Okklusionskontrolle zu entfernen sowie die Versorgung final zu polieren, wird sie erneut abgeschraubt. Generell ist bei den abschließenden Arbeiten auf eine hochglatte Oberfläche und eine konvexe basale Gestaltung mit genügend Freiraum für eine postoperative Schwellung und häusliche Pflege zu achten (Abb. 16).
-
Abb. 15a
-
Abb. 15b: 15 a u. b: Das Einsetzen der Sofortversorgung (Oberkiefer) kann innerhalb weniger Stunden nach der Implantatinsertion erfolgen.
-
Abb. 16
-
Abb. 17: 16 u. 17: Beginn der Herstellung der definitiven Versorgung nach entsprechend langer Einheilzeit.
Prothetisches Vorgehen bei der definitiven Versorgung (Oberkiefer)
Ein weiterer Vorteil der SKY fast & fixed-Therapie liegt in der Umsetzung der finalen Restauration. Diese kann vom Prothetiker übernommen werden und bietet mehrere Optionen [3]. Die hohe Patientenakzeptanz der temporären Brücke ermöglicht dem behandelnden Team bis zur Herstellung der definitiven Versorgung ein großes Zeitfenster. Bei Bedarf ist eine lange Tragezeit möglich, zum Beispiel wenn die monetären Gegebenheiten es erfordern. In der Regel wird in unserer Praxis nach drei bis vier Monaten mit der Umsetzung der definitiven Versorgung begonnen [3]. In dem auf den Abbildungen 16 bis 24 dargestellten Fall fiel die Entscheidung auf ein CAD/CAM-gefertigtes polymeres Gerüstmaterial (BioHPP, bredent) mit Kompositverblendungen (visio.lign, bredent) [1]. Im Oberkiefer waren sechs Implantate inseriert (Abb. 16) und der Patient mit einem verschraubten Langzeitprovisorium versorgt. Unter Verwendung präfabrizierter Titankomponenten werden nach einer Abformung der Situation (Pick-up-Verfahren) die Modelle hergestellt (Abb. 17) [6]. Um die Option auf individuell hergestellte Abutments offenzulassen, wird in diesem Bereich auf Implantatebene abgeformt. Für die Evaluation der ästhetischen und funktionellen Parameter der anzustrebenden Situation ist eine Ästhetikeinprobe indiziert (Abb. 18), welche auf einer verschraubten Basis aus lichthärtendem Kunststoff angefertigt und gemäß der temporären Versorgung aufgestellt wird. In Vorbereitung für die definitive Abformung werden die Abformabutments im Mund verschraubt und nach einer Passungskontrolle verblockt. Die Verblockung kann nun in einem Stück dem Mund entnommen und ein Kontrollmodell hergestellt werden. Ohne Kompromisse in der Präzision eingehen zu müssen, erspart dieses Vorgehen eine Abformung. Die für die Ästhetikeinprobe verwendeten Verblendschalen (novo.lign, bredent) zeigen dem Patienten das nahezu finale Ergebnis. Die Zähne orientieren sich in Form und Farbe an der provisorischen Versorgung, an die sich der Patient während der Tragezeit gewöhnt hat. Über einen Silikonvorwall werden die Verblendschalen auf die definitive Versorgung übertragen (Abb. 19). Im Vorwall fixiert, zeigt sich exakt die notwendige Gerüstdimension. Das erleichtert die Auswahl der Abutments respektive der Prothetikkappen.
-
Abb. 18: Evaluieren von Form und Funktion (Ästhetikeinprobe).
-
Abb. 19: Anhand des Silikonwalls mit Verblendschalen werden die Prothetik-Kappen überprüft.
-
Abb. 20:
-
Abb. 21: 20 u. 21: Virtuelle Konstruktion des Gerüstes unter Beachtung der anzustrebenden Situation (Ästhetikeinprobe) sowie der Mindestmaterialstärken des BioHPP.
Für die CAD/CAM-Fertigung des Gerüstes werden Modell sowie Aufstellung digitalisiert und hierfür die Prothetikkappen (Titan) gegen die Scankappen getauscht. Während der virtuellen Gerüstkonstruktion bieten die „Daten“ der Aufstellung wichtige Anhaltspunkte (Abb. 20 u. 21). Wird das Gerüst aus einem Polymer gefertigt, ist das Verkleben auf okklusal oder transversal verschraubten SKY fast & fixed Prothetikkappen aus Titan empfehlenswert. Der Schraubensitz garantiert eine dauerhaft feste Verbindung. Im dargestellten Fall soll das Gerüst in BioHPP umgesetzt werden. Die vom Hersteller angebotenen Fräsblanks sind in jedem Fräsgerät unter Verwendung des speziell entwickelten breCAM.Cutter (Fräsers) bearbeitbar [1]. Mit optimaler Frässtrategie ausgearbeitet, präsentiert sich das Gerüst mit guter Passung und mit sauberen, klaren Kanten. Die Verklebung der Titankappen erfolgt auf dem Kontrollmodell unter Laborbedingungen, was dem Patienten lange Wartezeit beziehungsweise eine Behandlungssitzung erspart. Für die Konditionierung der Materialien (BioHPP, Titan) werden Primer (MKZ Primer, visio.link, bredent) angeboten. Dem eigentlichen Verkleben dient ein dualhärtendes Zweikomponentenmaterial (Abb. 22). Die Fertigstellung der Restauration kann auf effizientem Weg nach dem visio.lign- Protokoll (bredent) vorgenommen werden (Abb. 23).
-
Abb. 22: Die in das BioHPP-Gerüst eingeklebten Prothetik-Kappen garantieren eine optimale, dauerhafte Verbindung.
-
Abb. 23: Die auf effizientem Weg gefertigte Restauration (visio.lign, bredent) ist zum Einsetzen vorbereitet.
-
Abb. 24: Eingesetzte finale Restauration im Oberkiefer. Bemerkenswert ist das geringe Gewicht der Gesamtkonstruktion von 15 g.
Das Aufschrauben der definitiven Brücke gestaltet sich in der Regel problemlos. Nach der Abnahme der temporären Versorgung wird die Brücke über die Prothetikkappen mit den Implantaten verschraubt. Im gezeigten Fall fügt sich die definitive Brücke unauffällig in den Patientenmund ein (Abb. 24). Die Informationen der Wachsaufstellung in Bezug auf Ästhetik, Bisslage und Artikulation konnten mithilfe des beschriebenen Vorgehens nahezu 1:1 umgesetzt werden. Nach Kontrolle der Okklusion und Artikulation erfolgt die finale Zustimmung des Patienten besonders unter ästhetischen Aspekten. Die Dentalhygienikerin demonstriert dem Patienten die Reinigungsmöglichkeiten und instruiert hinsichtlich der Hygienemaßnahmen. Für Nacharbeiten oder beim Recall kann die Versorgung durch die Verschraubung jederzeit leicht abgenommen werden. Zuletzt werden die Schraubkanäle mit einem Schaumstoffpellet oder Wachs aufgefüllt und okklusal mit Kunststoff verschlossen.
Fazit
Durch die Möglichkeit, Implantate anguliert in den Kiefer einzubringen, können die vorhandenen anatomischen Strukturen genutzt und in vielen Fällen umfangreiche augmentative Maßnahmen vermieden werden. Zudem wird auf dargestelltem Weg ein hoher Patientenkomfort durch die provisorische Sofortversorgung sowie die gaumenfreie, bedingt abnehmbare festsitzende Versorgung erreicht. Das Behandlungskonzept SKY fast & fixed kann zu wirtschaftlich moderaten Bedingungen angeboten werden und bietet auch den Patienten eine Chance, denen implantatprothetische Versorgungen ansonsten nicht zugänglich wären. Patientenindividuell kann auf die Vorstellungen, Wünsche und materiellen Möglichkeiten eingegangen und eine optimale prothetische Versorgungsform gefertigt werden.
Autoren: Dr. Lara Müller, Dr. Frank Kistler, ZT Stephan Adler, ZTM Jo Miller, Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer

Möchten Sie Ihre Praxis zukunftssicher aufstellen? Die FACHDENTAL Südwest ist dabei unverzichtbar. Als bedeutende regionale Dentalfachmesse in Deutschland bietet sie gebündeltes Wissen, innovative Produkte sowie Services zum Erleben und Entdecken! Sichern Sie sich noch heute Ihr Gratis-Ticket mit dem Messe-Ticket-Code: FDSWMESSE23.