Das Veneer-Kronen-Konzept: Ein Patientenfall

Veneer-Kronen können in manchen Fällen eine konventionelle Keramikkrone ersetzen. Vorteilhaft an dieser Methode erscheint die vergleichsweise minimalinvasive Präparation. Dabei kann ein Großteil der Zahnhartsubstanz erhalten werden. Anhand eines Patientenfalls wird im Folgenden das Veneer-Kronen-Konzept, entwickelt von den Professoren Tanaka und Barghi, vorgestellt, und es wird verdeutlicht, wie auf diesem Wege ästhetisch hochwertige Ergebnisse erzielt werden können.
Eine substanzschonende Präparation, der Wunsch der Patienten nach einer zahnfarbenen, dauerhaften Restauration und die Biokompatibilität der Werkstoffe bestimmen zunehmend zahnärztliche Behandlungskonzepte. Vor diesem Hintergrund hat sich bundesweit kürzlich eine Gruppe von Zahnärzten und Zahntechnikern aus Wissenschaft und Praxis im Arbeitskreis „Less Invasive Dentistry“ zusammengeschlossen. Sie erarbeiten praxisnahe Wege für eine zeitgemäße Zahnmedizin, um so die Verbreitung von wenig invasiven Methoden zu fördern. Das Veneer-Kronen-Konzept nach Prof. Tanaka und Prof. Barghi zählt zu den Vorgehensweisen, die den Grundgedanken „so minimalinvasiv wie möglich“ beherzigen.
Die verschiedenen Materialien
In der Vergangenheit haben sich zur Versorgung ausgedehnter Defekte der Zahnhartsubstanzen Gussrestaurationen aus Metall sowie Metallkeramikrestaurationen als Goldstandard bewährt. Dies beruht zum einen auf dem sehr breiten klinischen Anwendungsspektrum und zum anderen auf standardisierten zahntechnischen Verfahren sowie langjähriger klinischer Erfahrung mit diesen Methoden. Zahnärztliche Behandlungskonzepte werden heute allerdings entscheidend bestimmt durch Faktoren wie Zahnhartsubstanzschonung und Biokompatibilität der Werksstoffe sowie dem Wunsch der Patienten nach Ästhetik. Dentale Keramiken zur Herstellung vollkeramischer Restaurationen erfüllen bei gegebener Indikationsstellung diese Anforderungen weitgehend. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der keramischen Werkstoffe einerseits sowie der Adhäsivtechnik andererseits hat zu einer signifikanten Erweiterung der ursprünglich vorgesehenen Indikation für Keramikrestaurationen geführt (s. auch Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung/ DGZ und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde/ DGZMK 2007). Für die Anfertigung vollkeramischer Restaurationen steht heute eine Vielzahl verschiedener Keramiken zur Verfügung. Man unterscheidet im Wesentlichen:
- Silikatglaskeramiken
- Aluminiumoxidkeramiken
- Zirkonoxidkeramik
Heute sind Silikatglaskeramiken ebenso weit entwickelt wie Aluminiumoxid oder Zirkonoxid. Für Inlays, Teilkronen oder Veneers werden in der Regel Glaskeramiken oder Feldspatkeramiken verwendet, die adhäsiv an den Zahnhartsubstanzen befestigt werden müssen. Vorteilhaft bei diesen Keramiken sind ihre hohe Transluzenz, die schmelzähnliche Härte und – gegenüber Verblendkeramiken – eine höhere Festigkeit. Ein Vorteil von Zirkonoxid besteht in seiner Tauglichkeit zur Brückenherstellung: Das zirkonoxidbasierte Gerüst aus Hochleistungskeramik übernimmt die Aufgabe des Metallgerüstes als Basis für die aufgeschichtete oder gepresste Verblendung. Das Material ist allergieunbedenklich und weniger opak als Metall. Im Vergleich zum natürlichen Zahn ist aber auch dieses Material sehr opak. Für eine ausreichende Stabilität müssen die Schichtstärken 0,5 mm für die Gerüststärke und min. 0,8 mm für die Verblendstärke hoch sein. Die Notwendigkeit hoher Schichtstärken bedingt größere Präparationstiefen, was mit Unannehmlichkeiten für den Patienten verbunden und eventuell als Nachteil für die Zahngesundheit zu betrachten ist. Durch den niedrigeren Leuzitkristallgehalt fällt die Frakturanfälligkeit der Verblendkeramik (Chipping) höher aus als bei Feldspatkeramik.
Die Veneer-Krone
Im Sinne einer wenig invasiven Präparationstechnik zur Schonung der Zahnhartsubstanz gewinnt in unserer Praxis das „Veneer- Kronen-Konzept“ zunehmend an Bedeutung. Solche Restaurationen können sehr dünn gestaltet werden: Sie variieren fallabhängig zwischen 0,3 und 1 Millimeter maximal. Die Schichtstärken sind also viel geringer als bei vergleichbaren konventionellen vollkeramischen Restaurationen. Wie aus der Literatur bekannt, kann es bei ausgedehnten Keramikinlays zu einer fortschreitenden Spaltbildung kommen, insbesondere an dentinbegrenzten Randabschnitten4,5. Aus diesem Grund erscheint uns die Fassung von Höckern vorteilhaft, insbesondere, wenn die Restauration nur geringe Schichtstärken erfordert und ein Großteil der Substanz erhalten werden kann. Klinische Langzeituntersuchungen zur fundierten Bewertung der Restaurationsart „Veneer“, vor allem hinsichtlich der Dauerhaftigkeit des ästhetischen Erscheinungsbildes, der durchschnittlichen Verweildauer im Mund und der langfristigen Pulpareaktionen wurden bereits publiziert. Ebenfalls untersucht wurden Reaktionen des marginalen Parodontiums und das Entstehen von Sekundärkaries. Die Ergebnisse der Publikation erlauben, dass die labiale Verblendung anteriorer Zähne mit einem Keramikveneer damit heute als wissenschaftlich anerkannte definitive Restaurationsart bezeichnet werden kann6,7. Das Veneer-Kronen-Konzept hat jedoch einen eingeschränkten Indikationsbereich. So können wir damit z. B. keine Brücken herstellen und auch bei Metallstiften oder bei sehr stark verfärbten Zähnen stößt das Konzept an seine Grenzen. In diesen Fällen empfehlen wir als erste Wahl Zirkonoxid, Aluminiumoxid oder VMK. Bei gegebener Indikation ist das Veneer-Kronen-Konzept als erste Wahl anzusehen. Erst wenn dessen Anwendung wegen der genannten Einschränkungen nicht möglich erscheint, greifen wir zu anderen Konzepten. Die Adhäsivtechnik ist ein wesentlicher und verlässlicher Bestandteil der restaurativen Zahnmedizin geworden2,8 und unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung eines minimalinvasiven Konzepts. Sie kommt also auch hier zum Einsatz. Die folgende Kasuistik zeigt eine Versorgung nach dem Veneer-Kronen-Konzept von Prof. Tanaka und Prof. Barghi.
Patientenfall
Anamnese
Die 32-jährige Patientin stellte sich in unserer Praxis vor und bat um eine Restauration der erodierten oberen Frontzähne. Sie hatte viele Jahre an Bulimie gelitten und war derzeit in begleitender psychotherapeutischer Behandlung. In erster Linie wünschte sie eine ästhetische, langfristige Lösung. Grundsätzlich hatte die Patientin nichts gegen eine Kronenversorgung einzuwenden, wollte aber ungern einen hohen Zahnsubstanzverlust in Kauf nehmen. Zunächst sollten die Frontzähne versorgt werden, dann die Prämolaren. Unsere Diagnose lautete: erosions-bedingte Zahnschäden („Säureschäden“) aufgrund einer Bulimia nervosa. Vor allem lag eine Schädigung der OK-Front (oral Lussi-Index Grad 2) vor, verbunden mit funktionellen Problemen aufgrund des Verlustes der Front-Eckzahnführung (Abb. 1 u. 2).
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Abb. 1: Frontansicht vor Therapiebeginn. Die säurebedingten Erosionsschäden sind deutlich sichtbar.
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Abb. 2: Starke Erosion der Frontzähne im Oberkiefer.
Mock-up
Nach der klinischen Untersuchung erfolgte ein diagnostisches Aufwachsen auf dem Situationsmodell. Mithilfe eines doublierten Modells wurde eine Tiefziehschiene hergestellt, um die Veränderung der Zähne dann klinisch durch ein Mock-up intraoral beurteilen zu können (Abb. 3–5).
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Abb. 3: Tiefgezogene Schiene über dem diagnostischen Wax-up-Modell in situ.
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Abb. 4: Der Kunststoff wird lichtgehärtet.
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Abb. 5: Das Mock-up führt der Patientin u. a. das ästhetische Behandlungsziel vor Augen.
- Verbesserte Compliance, da die Patienten die Behandlungsmethode leichter verstehen können.
- Gesteigertes Vertrauen in die Therapie, da das ästhetische und funktionelle Therapieziel vor der eigentlichen Therapie beurteilbar wird.
- Zahnarzt und Zahntechniker können die Wünsche des Patienten über Formgebung und Farbe anhand des Mock-ups besprechen.
- Der Zahnarzt kann bereits im Vorfeld die minimalinvasive Präparation am Modell planen.
- Der Zahntechniker hat eine Vorstellung/ Vorgabe, wie die endgültige Restauration aussehen soll.
Die Präparation
Aufgrund der adhäsiven Befestigung der Silikatkeramik kann auf eine retentive Präparation verzichtet werden. Bei der Präparation ist den Anforderungen der Keramik Rechnung zu tragen, als da wären: die Einhaltung von Mindestschichtstärken, die Vermeidung von Federrändern sowie das Abrunden von Kanten und Übergängen1,3. Das Veneer-Kronen-Konzept benötigt, im Gegensatz zu konventionellen Vollkeramikrestaurationen, keine tiefe Schulter von 0,8 bis 1 Millimeter. Labial und palatinal wurden lediglich 0,2 bis 0,3 Millimeter Zahnhartsubstanz abgetragen. Da der Schmelz beim natürlichen Zahn von inzisal nach zervikal dünner wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bei einer Schulterpräparation im zervikalen Bereich die Präparationsgrenze im Dentin liegt. Der Verbund von Komposit und Schmelz ist wesentlich stärker als von Komposit und Dentin. Je mehr Schmelz bei der Präparation erhalten werden kann, desto vorteilhafter also für die langfristige Erfolgswahrscheinlichkeit. Da die Ränder „unsichtbar“ sind, können diese ohne ästhetische Beeinträchtigung supragingival verlaufen, was sich vorteilhaft auf das marginale Parodontium auswirkt.
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Abb. 6: Ansicht von labial: Bei der Patientin wurden alte Kunststofffüllungen während der Präparation entfernt. Daher scheint der Substanzverlust relativ hoch.
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Abb. 7: Die Ansicht von palatinal zeigt, wie substanzschonend die Präparation tatsächlich ausfiel.
Die Zahntechnik
Eine Präzisionsabformung zur exakten Wiedergabe der präparierten Zähne und die zusätzliche Herstellung von Kontrollmodellen haben sich in unserer Praxis bewährt, denn die Genauigkeit der Abformung ist entscheidend für die Passung der Restaurationen (Abb. 8). Es ist ratsam, entgegen der Herstellerempfehlungen, die Abformdauer zu verlängern, um einen Verzug zu verhindern. Eine funktionsgerechte Herstellung des Zahnersatzes wird durch die Verwendung eines Vollwertartikulators erreicht.
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Abb. 8: Abformung.
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Abb. 9: Die Veneerkronen werden auf feuerfesten Stümpfen hergestellt.
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Abb. 10: Die Oberfläche nach der Ätzung: Konventionelle Keramik und ...
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Abb. 11: ... Delight Keramik.
Die Schichtung
Das Schichtkonzept wird individuell erarbeitet und richtet sich nach Parametern wie angestrebter Zahnfarbe, Farbe des vorhandenen Zahnstumpfs und Schichtstärke der Restauration. In diesem Fall wurden aufhellende Veneerkronen gewünscht (Abb. 12). Zuerst wurde für den Adhäsivbrand Clear-Keramik auf den feuerfesten Stumpf geschichtet. Danach haben wir marginal Clear-Keramik geschichtet, um „unsichtbare“ Ränder herzustellen. Anschließend wurde die Bodymasse aufgetragen, da diese transluszenter und weniger chromatisch ist als eine herkömmliche Dentinmasse. Da in diesem Fall die Stumpffarbe dunkler als das gewünschte Farbergebnis war, haben wir für die weitere Schichtung eine hellere Bodymasse eingesetzt. Um eine hellere Bodymasse herzustellen, wurde Weißmodifier untergemischt. Die nächste Schichtung erfolgte mit der Inzisalmasse, welche im unteren Kronendrittel beginnend nach inzisal aufgetragen wurde. Das untere Kronendrittel wurde nicht mit Inzisalmasse geschichtet, da die in diesem Bereich aufgetragene Bodymasse mit dem Weißmodifier ein wenig opaker ist als die reine Bodymasse. Aufgrund der notwendigen inzisalen Extension der Veneerkronen wurde statt der transparenten Inzisalmasse eine individuell gemischte, dentinähnliche Keramik (Bodymasse plus Maskingmasse) als letzte und obere Schicht eingesetzt. Damit wird vermieden, dass der inzisale Bereich durch den Schatten der Mundhöhle dunkel wirkt (Abb. 13). Nach Fertigstellen der Veneerkronen wurden diese, unter penibler Einhaltung der materialspezifischen Kautelen zur Vorbehandlung (Ätzung) und Silanisierung der Keramik, für die Eingliederung vorbereitet. Die korrekt durchgeführte Oberflächenätzung und die Silanisierung sind entscheidende Faktoren für den erfolgreichen adhäsiven Verbund. Die Oberfläche muss exakt 90 Sekunden lang geätzt werden. Eine Über- oder Unterätzung der Keramik kann der Grund für einen mangelhaften adhäsiven Verbund sein und zum Misserfolg der Restauration führen. Nach Ätzung und Reinigung der Veneerkronen darf die konditionierte Oberfläche nicht durch Berührung oder andere Manipulationen verunreinigt werden. Nachfolgend wurde das Silan mit einem Pinsel aufgetragen.
Die adhäsive Befestigung
Restaurationen aus Silikatkeramik müssen adhäsiv eingegliedert werden. Dem Vorteil der Zahnhartsubstanzschonung steht der Nachteil des größeren Zeitaufwandes und der erhöhten Techniksensitivität gegenüber. Die Applikation von Kofferdam wird von den Autoren empfohlen. Die Konditionierung der Zahnhartsubstanz, entsprechend den Anforderungen des verwendeten Adhäsivsystems, ist zu beachten. Wir verwenden das EnvisionTM Bonding System (Mirage Dental, Vertrieb Tanaka Dental), welches ein Mehrschrittsystem ist und auch langfristig eine hohe Farbstabilität hält. Die Abbildungen 14–16 zeigen die Arbeit 4 Wochen bzw. 3 Jahre nach der Eingliederung.
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Abb. 14: Kronenveneers in situ 4 Wochen nach der Eingliederung.
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Abb. 15: Kronenveneers in situ 4 Wochen nach der Eingliederung.
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Abb. 16: Die Situation der Versorgung nach drei Jahren.
Fazit
Fortschritte auf dem Gebiet der Adhäsivtechnik und der keramischen Werkstoffe haben dazu geführt, dass Ästhetik, Morphologie und Funktion von Einzelzähnen mit dem Veneer-Kronen-Konzept ideal wiederhergestellt werden können. Substanzschonende Präparation, der Wunsch der Patienten nach einer zahnfarbenen, dauerhaften Restauration und die Biokompatibilität der eingesetzten Werkstoffe bestimmen dieses Konzept.

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