Digitale Praxis


Digitalisierung des Alltags für KI-gestützte gesundheitsbezogene Entscheidungen nutzen

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Wie es um die Familie, soziale Kontakte, die Ernährung oder die subjektiv wahrgenommene Lebensqualität steht, hat einen Einfluss auf die Gesundheit von Patientinnen und Patienten. Solche gesundheitsrelevanten Faktoren können digitalisiert werden und gemeinsam mit klinischen Gesundheitsdaten in eine KI-gestützte Analyse eingehen. Diese kann hilfreich sein u.a. in der Prävention, der Verbesserung der Lebensqualität bei gravierenden Erkrankungen und der Prognose von Krankheitsverläufen.

Rückschlüsse auf den mittel- und langfristigen Gesundheitszustand von Menschen oder auch auf sich entwickelnde Krankheiten können nicht nur aus den reinen Gesundheitsdaten gewonnen werden, sondern insbesondere durch Kombination mit einer Reihe weiterer relevanter Faktoren. Zu diesen gehören das physische, soziale und wirtschaftliche Umfeld, die Genetik und alltägliche Aspekte, wie die Umwelt, ein fitter Lebensstil, die Ernährung, die geistige und emotionale Gesundheit und soziale Beziehungen zu Freunden und Familie [11].

Einige dieser Faktoren spielen in der Forschung zu Assistenzsystemen im Alltag schon lange eine Rolle. Diese werden am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) seit bald 15 Jahren in Bremen in einer instrumentierten Musterwohnung erforscht, dem Bremen Ambient Assisted Living Lab (BAALL). Im folgenden Beitrag wird dargelegt, wie die Betrachtung der Faktoren zur Entwicklung von Assistenzsystemen für eine gesunde Lebensweise im BAALL zur datenschutzgerechten Erhebung und Auswertung von Gesundheitsdaten im großen Stil geführt hat und welches Potenzial zur Nutzung von Daten eine sektorenübergreifende Digitalisierung bieten kann. 

Alltag digital erfassen und unterstützen: Das Bremen Ambient Assisted Living Lab 

  • Abb. 1a: Das Bremen Ambient Assisted Living Lab:
eine instrumentierte Musterwohnung mit technischen
Assistenzsystemen für Menschen mit körperlichen
oder geistigen Einschränkungen mit … 
a) Wohnzimmer.

  • Abb. 1a: Das Bremen Ambient Assisted Living Lab: eine instrumentierte Musterwohnung mit technischen Assistenzsystemen für Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen mit … a) Wohnzimmer.
    © DFKI GmbH/Christian Mandel
Zur Erforschung von technischen Assistenzsystemen im Alltag wurde das Bremen Ambient Assisted Living Lab (BAALL) 2009 eröffnet; es wurde 2022 erneuert und von 60 m2 auf 120 m2 erweitert (Abb. 1a–d). Ziel war die Schaffung einer realistischen Forschungsumgebung, um technische Assistenzsysteme für Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen zu entwickeln, zu untersuchen und zu demonstrieren [2]. In einem klassischen Ambient Assisted Living (AAL) Szenario wurden Unterstützungssysteme untersucht, die nach Möglichkeit unauffällig im Sinn des Ubiquitous Computing [10] in die Wohnumgebung integriert werden.
  • Abb. 1b: … Küche.
  • Abb. 1b: … Küche.
  • Abb. 1b: … Küche.
    © DFKI GmbH/Christian Mandel
  • Abb. 1b: … Küche.
    © DFKI GmbH/Christian Mandel

  • Abb. 1c: … Schlafzimmer.
  • Abb. 1d: … Badezimmer.
  • Abb. 1c: … Schlafzimmer.
    © DFKI GmbH/Christian Mandel
  • Abb. 1d: … Badezimmer.
    © DFKI GmbH/Christian Mandel

Diese ursprüngliche Fokussierung auf die AAL-Zielgruppe wurde um folgende Beobachtungen erweitert: Technische Assistenzen können, auch wenn ursprünglich für ältere oder eingeschränkte Personen entwickelt, durchaus auch für andere Zielgruppen nützlich und hilfreich sein. Und es ist für die Akzeptanz der Unterstützung förderlich, diese nicht erst zu nutzen, wenn Einschränkungen dies erfordern oder erzwingen.

Deswegen wurde in den Forschungen und Entwicklungen das Prinzip „Design für Alle“ [4] umgesetzt und die Nutzung des BAALLs erweitert und entsprechend in der Neugestaltung umgesetzt. Grundsätzlich unterteilen sich die Forschungen im BAALL in 3 Bereiche:

  • Mensch-Technik-Interaktion, mit dem Ziel, eine möglichst natürliche und intuitive Interaktion zu ermöglichen;
  • Sicherheit von Assistenzprozessen, welche die Umgebungen und Systeme im BAALL automatisiert steuern;
  • spezifische Assistenzen zur Unterstützung bei Aktivitäten des täglichen Lebens.

Aus dem letzten Teil dieser Arbeiten und den technischen Assistenzen, die direkt oder indirekt Wissen über die Lebensweisen im Alltag verarbeiten, etwa physische und soziale Aktivitäten, Ernährung u.Ä., haben sich zunehmend gesundheitliche Fragestellungen entwickelt, die neben rein medizinischen Faktoren auch immer mehr gesundheitsrelevante Faktoren berücksichtigen.

Im Folgenden werden einige speziell gesundheitsbezogene Forschungsprojekte präsentiert, die aus den im BAALL untersuchten Alltagsassistenzen heraus entstandenen sind. Zudem wird die Rolle und Verwendung von elektronischen Datenformaten, die über reine Gesundheitsdaten hinausgehen, illustriert.

CrowdHEALTH: eine integrierte Plattform für Gesundheitsdatensätze

Ausgangspunkt der Forschungen im EU-Projekt CrowdHEALTH (CrowdHEALTH 2020, Laufzeit: 2017–2020, https://www.crowdhealth.eu/) war die Beobachtung, dass es eine zunehmende Anzahl an Geräten und Plattformen gibt, die gesundheitsrelevante Daten sammeln, welche aber oftmals in getrennten Datensilos verbleiben. Dabei könnten aus der Kombination der Daten Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand und sich entwickelnde Krankheiten gezogen werden. Zusätzlicher Erkenntnisgewinn wird erreicht, wenn neben den Gesundheitsdaten weitere Faktoren berücksichtigt werden, die über die in existierenden Gesundheitsdatenformaten vorhandenen Informationen hinausgehen: z.B. der sozioökonomische Kontext, die Umwelt oder der Lebensstil der Patientinnen und Patienten [7].

Das Projekt CrowdHEALTH umfasst die Entwicklung einer integrierten Plattform, welche Gesundheitsdaten und gesundheitsrelevante Daten aus verschiedenen Quellen sammelt, integriert und konsolidiert. Auf Basis der Kombination der gemessenen Daten wurden Analysen durchgeführt, um Rückschlüsse auf den mittel- und langfristigen Gesundheitszustand und bspw. auf sich entwickelnde Krankheiten zu ziehen. Im Ergebnis wurden exemplarische evidenzbasierte technische Analyse-Werkzeuge realisiert, die bei der Planung gesundheitspolitischer Maßnahmen unterstützen.

In einem ersten Schritt wurde ein adäquates Datenformat für holistische Gesundheitsdatensätze definiert; dieses musste mit FHIR®, einem von HL7® veröffentlichten Standard für den Austausch von Gesundheitsdaten (https://www.hl7.org/fhir/) kompatibel sein. Diese Datensätze umfassen neben den klassischen, in elektronischen Gesundheitsakten vorhandenen Informationen (bspw. klinische Daten, Diagnosen, Medikamente, medizinische Labordaten) auch gesundheitsrelevante Faktoren wie Familie, soziale Kontakte sowie Daten von medizinischen Geräten zu Hause (etwa Blutdruckgeräte, Blutzuckermessgeräte und Wearables für die Erfassung von Aktivitäten), Ernährungsdaten und Lebensqualität (manuell erfasst über eine App). Darüber hinaus fließen auch Abrechnungsdaten von Gesundheitsdienstleistern ein.

Zentral dabei ist die Unterstützung der Datenerfassung aus unterschiedlichsten Quellen, die Definition einer sauberen Abbildung in das einheitliche Datenformat und das Kuratieren der Daten, wie die Normalisierung von Werten oder das Erkennen fehlerhafter Daten, die bei manueller Eingabe in den Ursprungsdaten entstanden sind. Diese Daten sind, wie alle Daten im Gesundheitsbereich, sehr schützenswerte persönliche Daten.

Daher wurden verschiedene De-Identifizierungsverfahren entwickelt [6], um pseudonymisierte Daten weiter zu anonymisieren. Damit wurden Werkzeuge zur Integration von Daten bereitgestellt, die eine DSGVO-konforme Verarbeitung von persönlichen gesundheitsrelevanten Daten ermöglichen und im Einklang mit der Health Insurance Portability and Privacy Act (HIPAA) Privacy Rule [9] stehen.

Aufbauend auf dem einheitlichen Datenformat wurden unterschiedliche Analysewerkzeuge mit dem Ziel entwickelt, relevante statistische Informationen und Prognosen für Entscheidungsträger im Gesundheitsbereich zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen umfassen Risikoprognosen für Mortalität oder Fettleibigkeit, Prognosen von Behandlungen und allgemeinen Interventionen auf wählbare Zielgrößen, wie bspw. körperliche Fitness oder Übergewicht in Jugend und frühem Erwachsenenalter. Die Analysewerkzeuge ermöglichen es auch, Risikoprognosen und Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen auf bestimmte Bevölkerungssegmente in bestimmten Regionen zu korrelieren.

Beispiele für die Nutzung integrierter Gesundheitsdatensätze

Effektivere Maßnahmen gegen Fettleibigkeit

Auf der Basis der oben beschriebenen CrowdHEALTH Plattform setzt ein Projekt zur Vermeidung von Fettleibigkeit auf: Projekt HealthyW8 (EU Horizon 2020, Grant Nr. 101080645, 2023–2028). Das Ziel von HealthyW8 ist es, die Wirksamkeit von Bemühungen und Investitionen in Initiativen zur Prävention von Fettleibigkeit in ganz Europa zu fördern. Die meisten dieser Interventionen leiden darunter, dass sie sich nicht an den persönlichen Kontext anpassen (z.B. sozioökonomische Aspekte, wirtsbiologische Faktoren, Umwelt, Ernährungspräferenzen, Fitnessniveau usw.), sondern sich nur auf die Ernährung oder körperliche Aktivität konzentrieren.

Insbesondere übersehen sie emotionale Aspekte und versäumen es, den Benutzer anzusprechen und ihn zu motivieren. Daher sind Initiativen zur Adipositasprävention in Politik und Praxis oft von marginaler Wirkung. HealthyW8 zielt darauf ab, diese Mängel zu beheben, indem gemeinsam mit Interessengruppen iterativ ein digitaler Empfehlungsgeber für einen gesunden Lebensstil für evidenzbasierte, maßgeschneiderte Interventionen und Instrumente entwickelt wird.

Dies soll die Kluft zwischen Wissenschaft, gesellschaftlichen Akteuren und Interessengruppen (z.B. Angehörigen der Gesundheitsberufe, Lebensmittelindustrie, politischer Entscheidungsträger) und EU-Bürgern überbrücken. Die Zielgruppe des Projekts sind Personengruppen in Übergangslebensphasen, in denen sie einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, von einem gesunden Gewicht zu Übergewicht und weiter zu Fettleibigkeit überzugehen.

Verbesserung der Lebensqualität bei Krebspatienten

Das EU-Projekt ASCAPE (EU, Grant Nr. 875351, Laufzeit: 2020–2023, ascape-project.eu) zielt darauf ab, die Lebensqualität von an Krebs erkrankten Personen zu verbessern. Analog zu dem holistischen Ansatz der Betrachtung von medizinischen und gesundheitsrelevanten Faktoren im Projekt CrowdHEALTH werden auch in ASCAPE relevante holistische Variablen zusammengetragen und die Fortschritte in den Bereichen Big Data, Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen genutzt, um personalisiert die Lebensqualität und den Gesundheitszustand von Krebspatientinnen und Krebspatienten zu unterstützen. Teilnehmende medizinische Partner kommen aus England, Spanien, Griechenland und Schweden.

Die Zielgruppe an Krebs erkrankter Menschen ist schon aufgrund der Prävalenz der Erkrankung relevant. Die Krebsstatistiken zeigen zwar vielversprechende Fortschritte bei der Senkung der Sterblichkeit im Zusammenhang mit Krebs (z.B. EU 4,5% zwischen 2015 [3] und 2020, US 29% seit 1991 bis 2017 [8]).

Allerdings wird die Zahl der Patienten, die an Krebs erkrankt sind, in naher Zukunft erheblich zunehmen. So wird bei einem von zwei Menschen im Laufe des Lebens Krebs diagnostiziert [5], während gleichzeitig die durchschnittliche Lebenserwartung steigt.

Wie in CrowdHEALTH wurde auch in diesem Projekt ein HL7® FHIR® kompatibles Datenformat definiert, das neben Gesundheitsdaten mit Informationen zu Krebsarten, Behandlungen, Maßnahmen und physische Aktivitäten (Wearables) zusätzlich spezifische, die Lebensqualität beeinträchtigende Probleme erfasst, bspw. Depression, Schlafstörungen und Angstzustände. Zudem können in diesem Datenformat Informationen zum Wetter, Tageslicht u.Ä. erfasst werden, um deren möglichen Einfluss auf die Lebensqualität zu berücksichtigen. Im Rahmen von ASCAPE liegt der Schwerpunkt auf Patienten mit Prostatakrebs und Patientinnen mit Brustkrebs, trotzdem wurde das einheitliche Datenformat so definiert, dass die entwickelte Plattform grundsätzlich auch auf andere Krebsarten erweitert werden kann.

Im Vergleich zu CrowdHEALTH, welches Daten anonymisiert und zentral zusammenführt zum Zwecke allgemeiner Analysen, fokussiert sich ASCAPE technologisch darauf, dass die Patientendaten die Orte, an denen sie anfallen, nie unverschlüsselt verlassen und dennoch prognostische und prädiktive Modelle auf allen Daten trainiert werden können. Dies geschieht einerseits durch konsequente Umsetzung eines Edge-Computing-Ansatzes mit Verfahren des verteilten Lernens (engl. Federated Learning), wodurch zentral aus den bei allen teilnehmenden Institutionen vorgehaltenen Daten gemeinsam prognostisch-prädiktive Modelle trainiert und allen partizipierenden Institutionen zugänglich gemacht werden.

Die teilnehmenden Institutionen können diese Modelle für personalisierte Prognosen und Prädiktionen auf den lokalen Patientendaten nutzen. Andererseits wurden maschinelle Lernverfahren entwickelt, die auf homomorph verschlüsselten Daten trainiert und angewendet werden können. Damit wird es möglich, die Patientendaten vollständig verschlüsselt unter Gewährleistung des Datenschutzes in der Cloud zusammenzubringen, um ein zentrales Modell zu trainieren.

Zur Prognose bzw. Prädiktion werden Patientendaten verschlüsselt in die Cloud geschickt, ein verschlüsseltes Ergebnis berechnet und zurückgeschickt und dann lokal entschlüsselt. Als zusätzliche Maßnahme zur Erhöhung des Schutzes der Privatsphäre werden Techniken der Differential Privacy [1] eingesetzt.

Die trainierten prognostischen und prädiktiven Modelle und darauf aufbauende Simulationen können vor Ort durch das medizinische Personal für ausgewählte Patienten verwendet werden, um Risiken für die Lebensqualität zu berechnen und Interventionen bzw. Maßnahmen auszuwählen, welche geeignet sind, die Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern. Damit die berechneten Ergebnisse und Vorschläge nachvollziehbar werden, wurden Techniken zur Erklärung entwickelt (erklärbare KI oder explainable AI, XAI).

Personalisierte Risikoprognose für Exazerbationen bei COPD-Patienten

Das Projekt RE-SAMPLE (EU, Grant Nr. 965315, Laufzeit: 2021–2025, www.re-sample.eu) umfasst die Entwicklung eines virtuellen Begleitprogramms für Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, das den Umgang mit der Krankheit verbessern soll. KI-Modelle sollen zur Prognose des Exazerbationsrisikos und Risikoreduktion durch geeignete Maßnahmen genutzt werden. Teilnehmende medizinische Partner im Projekt kommen aus Estland, Italien und den Niederlanden.

In der erwachsenen europäischen Bevölkerung mit multiplen komplexen chronischen Erkrankungen (CCCs) ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) eine der schwerwiegendsten Krankheiten mit einer geschätzten Prävalenz zwischen 4% und 10%, die aufgrund einer Verschlechterung der Symptome und weit verbreiteter akuter Exazerbationen für eine hohe Krankheitslast verantwortlich ist. COPD ist eine häufige, vermeidbare, fortschreitende Lungenerkrankung. Sie ist durch Exazerbationen gekennzeichnet, die als „akut im Ausbruch“ definiert sind und „eine Änderung der Medikation oder einen Krankenhausaufenthalt“ erforderlich machen.

Exazerbationen können einhergehen mit einer Zunahme sowohl der respiratorischen Symptome, z.B. Dyspnoe, Husten, als auch der nicht respiratorischen Symptome, z.B. Müdigkeit. Diese Exazerbationen beschleunigen das Fortschreiten der Krankheit und tragen zu einer erhöhten funktionellen Beeinträchtigung, einem Verlust der Lebensqualität im Laufe der Jahre und einer erhöhten Mortalität bei.

Die Datenbasis im Projekt RE-SAMPLE besteht aus Gesundheitsdaten, die aus den die Patientinnen und Patienten betreuenden Krankhäusern stammen. Hinzu kommen Daten aus der Gesundheitsplattform Healthentia (https://healthentia.com/), welche von den Studienärztinnen und -ärzten zur Verwaltung der teilnehmenden Patientinnen und Patienten verwendet wird. Diese Plattform stellt eine Patienten-App bereit für das Selbstmanagement der Krankheit.

Die App gibt Verhaltenshinweise, aber auch Fragebögen zu Lebensqualität oder Symptomen an die Hand, aus denen Daten generiert werden können. Zudem werden physische Aktivitätsdaten verwendet, erfasst über Wearables, sowie Informationen zur Luftqualität am Aufenthaltsort der Patientinnen und Patienten. Wie auch schon in CrowdHEALTH und ASCAPE wurde wieder ein HL7® FHIR®-kompatibles Datenformat definiert, in dem alle genannten Variablen einheitlich repräsentiert werden.

Zum Trainieren von KI-Modellen, die das Risiko von Exazerbationen prognostizieren sollen, wurde ebenfalls ein Edge-Computing-Ansatz gewählt, der alle Daten einer Patientin oder eines Patienten im betreuenden Krankenhaus zusammenführt. Eine Verkomplizierung der Datenaggregation und Nutzung resultiert in diesem Szenario daraus, dass Patientendaten aus den Krankenhäusern dezentral mit den Daten aus der Cloud der Healthentia-Plattform zusammengeführt werden müssen. Zum Trainieren der KI-Modelle wurden wiederum einerseits Verfahren des föderierten Lernens (Federated Learning) genutzt als auch neue Verfahren zur Berechnung von verschlüsselten KI-Modellen auf verteilten Daten, die noch mehr Schutz der Privatsphäre bieten als die in ASCAPE schon verwendeten Verfahren.

Diskussion

Die Nutzung digitaler Daten von Patientinnen und Patienten zum Zweck der Prävention von Krankheiten, der Prognose von Krankheitsverläufen oder der Analyse von Einflussfaktoren geht oftmals über die ausschließlich klinischen Daten hinaus. Eine Einigung auf eine einheitliche Datenrepräsentation, wie in den vorangegangenen Beispielen dargestellt, ist erforderlich. Darüber hinaus ist insbesondere auch die Abbildung der Daten aus den lokalen Krankenhaussystemen oder der genutzten Tests und Instrumente in das einheitliche Format erforderlich.

Dies ist erfahrungsgemäß verbunden mit großem Aufwand für die jeweilige Gesundheitsinstitution, die an einer Studie oder Forschung teilnehmen oder auch nur die Ergebnisse Dritter auf eigenen Daten nutzen möchte. Gleiches gilt für die Einbindung der Daten aus anderen Bereichen, etwa Wearables, Wetter, Ernährung, usw.

Es wäre wünschenswert, die Digitalisierung im Gesundheitsbereich über Datenformate für Gesundheitsdaten hinaus auszudehnen auf gesundheitsrelevante Daten und Verfahren zur Überführung von Daten, die mit unterschiedlichen Instrumenten erfasst wurden. Dadurch würde es weniger aufwendig, an der Entwicklung und Nutzung von Methoden zur Analyse von Gesundheitszustand und sich entwickelnden Krankheiten unter Nutzung aller durch die WHO identifizierten relevanten Faktoren partizipieren zu können.


Glossar

Ambient Assisted Living (AAL): Dienstleistung und Geräte zur Unterstützung von älteren oder beeinträchtigten Personen im Alltag zur Erhaltung der Selbstständigkeit.

Differential Privacy: Diese Methode verhindert, dass durch gezielte Anfragen an ein prognostisches Modell die (Patienten-)Datensätze identifiziert werden können, die zum Trainieren dieses Modells verwendet wurden.

Edge Computing: Dezentrale Verarbeitung von Daten, sodass möglichst viele Berechnungen direkt dort stattfinden können, wo die Daten anfallen, und diese nicht zentral gesammelt werden müssen.

Erklärbare KI (engl. Explainable AI): Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz, das sich mit Verfahren beschäftigt, die offenlegen, wie ein Modell der KI zu seiner Prognose oder Prädiktion kommt.

Föderiertes Lernen (engl. Federated Learning): Verfahren zum Trainieren von prognostischen oder prädiktiven Modellen auf dezentral vorgehaltenen Daten. Diese müssen zu diesem Zweck nicht zentral zusammengeführt werden.

Homomorphe Verschlüsselung: Form der Datenverschlüsselung, die es erlaubt, Berechnungen auf den verschlüsselten Daten durchzuführen, sodass das Ergebnis der verschlüsselten Berechnung durch Entschlüsselung dem Ergebnis der gleichen Berechnung auf den unverschlüsselten Daten entspricht.

Kuratieren von Daten: Prozesse, wie Daten erfasst, aufbereitet, und gepflegt werden müssen, damit sie als Eingabe für Analyseverfahren nutzbar werden.

Normalisierung von Werten: Überführung von Daten in eine bestimmte Form (ggf. nach einem einheitlichen Standard), um Werte unterschiedlicher Variablen vergleichbar zu machen.

Ubiquitous Computing: Konzept, das besagt, dass Berechnungen allgegenwärtig (engl. Ubiquituous) in der Umgebung stattfinden – und nicht allein auf zentralen Computern.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Serge Autexier - Prof. Dr. Rolf Drechsler


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