Die digitale Abformung mit dem Intraoralscanner: mehr als nur eine Abformung

Wie es um die Genauigkeit von Intraoralscannern bestellt ist, ist sicherlich eine grundlegende Frage. Aber es ist bei Weitem nicht der einzige Aspekt, der bei der Gegenüberstellung „konservative vs. digitale Abformung“ ins Gewicht fällt. In diesem zweiteiligen Beitrag werden die Vorteile, aber auch die Einschränkungen und Besonderheiten der digitalen Abformung detailliert beschrieben. Vorgestellt werden grundlegende Optionen des digitalen Workflows wie auch eigene Konzepte des Autors zum Einsatz von Intraoralscannern für die digitale dentale Verlaufsdiagnostik.
Der Einsatz von Intraoralscannern ist in vielerlei Hinsicht äußerst vielversprechend. Die digitale Abformung ist heutzutage weit mehr als nur eine Abformung des Zahnbogens. Bereits heute kann sie unter Zuhilfenahme spezieller Software als Diagnostiktool verwendet werden. Gleichzeitig ist die digitale Abformung der erste Schritt im sogenannten digitalen Workflow und eröffnet dadurch ungeahnte Möglichkeiten in der Patiententherapie mittels CAD/CAM-Technologie. Die digitale intraorale Abformung hat sich bis dato dennoch nicht als Standard in den Zahnarztpraxen durchgesetzt. Der größte Anteil der Abformungen wird immer noch konventionell mit Abformlöffel und plastischer Abformmasse durchgeführt. Laut aktuellen Schätzungen nutzen nur rund 5 bis 10 % der Zahnärzte das Potenzial der digitalen Abformung mit Intraoralscannern. Wieso ist dies der Fall? Was hindert die Anwender daran, den Abformlöffel zur Seite zu legen und stattdessen zum Intraoralscanner zu greifen? Welche Besonderheiten müssen bei der digitalen intraoralen Abformung beachtet werden? Was sind die Vorteile, was sind die Einschränkungen des intraoralen Scans? Gerade aus praktischer Sicht stellt sich oftmals die Frage: Was geht tatsächlich und was eben (noch) nicht? Und: Lohnt sich der Umstieg in den digitalen Workflow auch für mich?
Einteilung Intraoralscanner
Der weltweit erste Intraoralscan wurde vor mehr als 30 Jahren an der Universität Zürich auf der Station für computergestützte restaurative Zahnmedizin von Professor Werner Mörmann durchgeführt [1]. Mit dem CEREC 1 Intraoralscanner (Sirona) führte der damalige digitale Pionier erstmals die optische Vermessung einer zuvor präparierten Inlaykavität durch und nutzte die Daten für die Chairside-Anfertigung eines Keramikinlays [2]. Seit dieser Zeit hat sich im gesamten Technologiebereich eine rasante Entwicklung abgespielt. Hiervon profitierte konsequenterweise auch die dentale CAD/CAM (computeraided- design/computer-aided-manufacturing)-Technologie. Gerade in jüngster Zeit konnte diesbezüglich ein rasanter Entwicklungsschritt in der Zahnmedizin beobachtet werden. CAD/CAM ist nicht mehr nur eine Nischentechnologie, CAD/CAM ist vielmehr zu einem unverzichtbaren Element in der modernen Zahnmedizin geworden. So wurde jüngst die Technologie der Intraoralscanner deutlich verbessert und eine Vielzahl neuer Scansysteme in den Markt eingeführt. Heutzutage hat nahezu jeder namhafte Dentalhersteller ein eigenes intraorales Scansystem im Produktportfolio – ein Szenario, das noch vor wenigen Jahren undenkbar war.
Da das Angebot an intraoralen Scansystemen durch die große Anzahl nahezu unüberschaubar geworden ist, bietet sich eine entsprechende systematische Einteilung der Intraoralscanner an. Grundsätzlich lassen sich Intraoralscanner nach dem jeweiligen Aufnahmeprinzip einteilen. Neben dem technischen Prinzip charakterisieren v. a. die folgenden Punkte das jeweilige Aufnahmeprinzip: Einzelbildaufnahme oder Videoaufnahme, Farbscan oder monochromer Scan, Notwendigkeit der Konditionierung der Zahnoberfläche vor dem Scan, d. h. Bepuderung, ja oder nein.
Prinzip der aktiven Triangulation
Das am häufigsten anzutreffende Aufnahmeprinzip bei Intraoralscannern ist das Prinzip der aktiven Triangulation. Hierbei wird ein Streifenlichtmuster auf die Zahnoberfläche projiziert, von dieser reflektiert und innerhalb des Kamerakopfes erneut registriert. Aus der Positionsverschiebung zwischen ausgesandtem und wieder aufgenommenem Licht kann die dritte Dimension berechnet werden. In modernen Scansystemen können zudem Echtfarbeninformationen durch die Aufprojektion eines Streifenlichtmusters in verschiedenen Wellenlängen auf die Oberfläche registriert werden. Somit wird eine 3D-Aufnahme des Zahnbogens in Echtfarben möglich. Dieses Prinzip wird derzeit z. B. beim Intraoralscanner CEREC Omnicam der Firma Sirona (Wals, Österreich; Abb. 1) und dem CS 3500 Intraoralscanner von Carestream (Rochester, USA) verwendet.
Prinzip der konfokalen Mikroskopie
Ein weiteres weit verbreitetes Aufnahmeprinzip ist das der konfokalen Mikroskopie. Bei diesem Verfahren werden Lichtstrahlen parallel auf die zu scannenden Oberfläche ausgesandt und im gleichen Strahlengang zurückgeworfen. Die Rückprojektion der Strahlen erfolgt hierbei proportional zum Objekt-Fokus- Abstand. Somit können unterschiedliche Tiefenschärfenebenen gleichzeitig scharf dargestellt werden. Ein Scansystem, das dieses Prinzip verwendet, ist z. B. der Trios3 Intraoralscanner der Firma 3Shape (Kopenhagen, Dänemark; Abb. 2).
Prinzip der Stereovermessung
Neben den beiden genannten Aufnahmeprinzipien für Intraoralscanner existieren noch weitere Aufnahmeverfahren, wie beispielsweise das Prinzip der Stereovermessung. Bei diesem Verfahren nehmen mehrere Kameras innerhalb des Intraoralscannerkopfes Bilder aus unterschiedlichen Winkeln auf und vergleichen diese miteinander. Dieses Verfahren wird beispielsweise beim 3M True Definition Scanner von 3M (St. Paul, USA) und dem AADVA Intraoralscanner der Firma GC (Tokyo, Japan) eingesetzt.
Konditionierung der Zahnoberfläche – puderfrei vs. gepudert
Das jeweilige grundlegende technische Aufnahmeprinzip eines Intraoralscanners bestimmt grundsätzlich die weiteren technischen Eigenschaften. So ist die Tatsache, dass einige Systeme eine Bepuderung der Zahnoberfläche vor dem Scan benötigen, andere hingegen puderfrei arbeiten, oftmals darin begründet, dass die Bepuderung der Zahnoberfläche das jeweilige Aufnahmeprinzip überhaupt erst ermöglicht. Beim CEREC Bluecam System muss die Zahnoberfläche mittels Titandioxidpulver vollständig mattiert werden. Durch die Mattierung wird eine durchgängige Reflexion des ausgesandten Streifenlichtmusters nach dem Prinzip der aktiven Triangulation überhaupt erst ermöglicht. Die Bepuderung beim 3M True Definition Scanner ist hingegen für die Registrierung der Oberfläche nach dem Prinzip des sogenannten Wave Front Sampling notwendig. Hierbei dienen die Puderpartikel als per Zufallsprinzip verteilte Landmarken für das Aufnahmesystem. Aus diesem Grund ist beim True Definition Scanner eine Bepuderung zwar notwendig, aber eben nicht in demselben Ausmaß wie bei der CEREC Bluecam (Abb. 3 und 4).
Aufnahmemodus – Einzelbild vs. Videomodus
Der offensichtlichste Unterschied zwischen Intraoralscannern liegt in der Aufnahmetechnik, die entweder auf Einzelzahnaufnahmen oder auf Videosequenzen basiert. Das Grundprinzip ist jedoch für beide Optionen das gleiche, da beim Videomodus einfach mehrere Einzelbilder automatisch generiert werden. Die Aufnahme von Einzelbildern und deren Zusammenfügen ist das eigentlich Entscheidende bei der digitalen Abformung mit dem Intraoralscanner. Das Zusammenfügen geschieht in einem sogenannten Matching-Prozess. Hierbei werden die Einzelbilder zusammengelagert, indem in den jeweiligen Einzelbildern einander entsprechende Bereiche einfach überlagert werden. Diese Überlagerungsfläche muss dabei eine bestimmte Größe haben, um ein möglichst fehlerfreies Matching der einzelnen Bilder zu ermöglichen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Genauigkeit einzelner Scansysteme wesentlich von der Genauigkeit dieses Prozesses bestimmt wird.
Genauigkeit: Richtigkeit und Präzision
Spricht man über die Genauigkeit von Intraoralscannern, so muss man grundsätzlich zwei verschiedene Begriffe unterscheiden: Richtigkeit und Präzision. Unter Richtigkeit versteht man die tatsächliche Abweichung einer Messung von einer bekannten, objektiv bestimmbaren Größe. Unter Präzision versteht man die möglichst exakte Wiederholbarkeit mehrerer Messungen. Beide Parameter zusammen, also Richtigkeit und Präzision, bestimmen die Genauigkeit eines intraoralen Scansystems. Für die Begriffe Richtigkeit und Präzision wird oftmals der anschauliche Vergleich mit einer Zielscheibe, bei der die Mitte der entsprechenden „Wahrheit“ entspricht, verwendet. Bei der Zielscheibe beschreibt die Richtigkeit, wie nahe der Einschuss dem Mittelpunkt der Scheibe ist. Die Präzision beschreibt, wie eng mehrere Einschüsse nebeneinander liegen, auch wenn sie vom Mittelpunkt der Scheibe entfernt sind. Es ist offensichtlich, dass für die Genauigkeit der digitalen Abformung zunächst das jeweilige Aufnahmeprinzip maßgeblich entscheidend ist. Zudem ist die fehlerfreie, präzise Überlagerung der vom optischen System erzeugten Einzelaufnahmen entscheidend. So werden beim Ganzkieferscan z. B. naturgemäß mehr Einzelbilder erzeugt als beim Quadrantenscan. Diese Tatsache erklärt, warum die Fehleranfälligkeit von Intraoralscannern für Ganzkieferabformungen insgesamt höher ist als für digitale Abformungen von eher kleinen Zahnbereichen, wie beispielsweise Quadranten. Eigene, vor Kurzem veröffentlichte Studien zeigen, dass die Genauigkeit von Quadrantenscans wesentlich höher ist als jene von Gesamtkieferscans [3,4]. Aufgrund der unterschiedlichen Funktionsweisen der Scanner wird das Scanergebnis nach derzeitigem Stand maßgeblich von einem sachgerechten Scanpfad beeinflusst. Unter einem Scanpfad versteht man, dass der Intraoralscanner in einem bestimmten Bewegungsmuster über die Zahnoberflächen geführt werden muss, um die Einzelbilder entsprechend korrekt einander zuzuordnen. Eigene Studien zeigen, dass sich die Genauigkeit intraoraler Scansysteme durch nicht eingehaltene Scanpfade signifikant verschlechtert [5]. Oftmals gestaltet sich die Erfassung von strukturlosen und/oder steil abfallenden Arealen wie der Unterkieferfront als schwierig. Dies erfordert wiederum, abhängig vom System, spezielle Strategien. Zum Vergleich der Genauigkeit digitaler intraoraler Abformmethoden mit konventionellen Methoden liegen derzeit mehrere Studien sowohl in vitro als auch in vivo vor [4–7]. Als übliche Abweichungstoleranzen für intraorale Abformsysteme haben sich zum heutigen Standpunkt folgende Werte ergeben, wobei, wie bereits erwähnt, eine deutliche Abhängigkeit vom verwendeten Scansystem zu beobachten ist: Einzelzahn 10 ?m, Quadrant 25 ?m und Ganzkieferabformung 50 bis 80 ?m. An dieser Stelle bietet sich natürlich der Vergleich mit der konventionellen Abformtechnik an. Hierbei gilt es zu beachten, dass der konventionelle Prozess stets mehrere Einzelschritte umfasst. Die Bestimmung der Abformpräzision erfordert zwangsläufig, auch die für die Modellherstellung nötigen Schritte mit einzubeziehen. Die Genauigkeit von Gipsmodellen, die im Rahmen einer Alginatabformung erstellt werden, liegt nach aktueller Studienlage bei bis zu 200 ?m [3]. Für Hochpräzisionsabformungen mit Vinylsiloxanethern ergeben sich entsprechend niedrigere Werte bis zu 25 ?m [3].
Vorteile von Intraoralscannern
Im Vergleich zu einer konventionellen Abformung mit anschließender Modellherstellung aus Gips ergeben sich bei der digitalen Abformung, bei der ein digitaler Modelldatensatz erzeugt wird, zahlreiche Vorteile:
- Darstellung in Echtzeit: Schon während oder unmittelbar nach dem Scan kann eine sofortige Analyse des digitalen Modells hinsichtlich dessen Qualität am Bildschirm erfolgen. Bei einer konventionellen Abformung zeigt erst der Gips die entscheidenden Details der Abformung.
- Leichte Wiederholbarkeit: Bei nicht zufriedenstellender Qualität lässt sich ein Scan schnell wiederholen. Es ist zudem kein erneutes Vorbereiten des Abformlöffels und kein erneutes Anmischen des Abformmaterials nötig.
- Selektive Wiederholbarkeit: Ein digitaler Scan kann im Gegensatz zu einer konventionellen Abformung selektiv, d. h. nur auf das fehlerbehaftete Areal begrenzt, wiederholt werden (z. B. bei einer Blutung am Präparationsrand). Hierzu schneidet man den betroffenen Bereich digital einfach aus und re-scannt diesen.
- Selektives Erfassen der relevanten Bezirke: Bei einem Scan können zunächst die kritischen Bereiche erfasst werden. Im Falle von aufwendigen Gesamtsanierungen bietet sich somit die Möglichkeit, abschnittsweise in mehreren Sitzungen vorzugehen.
- Keine Abformdesinfektion und Abformlöffelsäuberung: Intraoralscanner sind leicht desinfizierbar und die entsprechenden Scanspitzen oftmals auch autoklavierbar. Oft werden auch Einwegplastikhülsen angeboten, die nach dem Scan verworfen werden. Die zeitaufwendige Abformlöffelsäuberung und -desinfektion entfällt.
- Analyseoptionen Präparation/Restauration: Bei digitalen Modellen können am Bildschirm wichtige Präparationsparameter direkt kontrolliert werden, wie z. B. die Einschubachse oder der Abstand zum Antagonisten. Ebenso können am digitalen Modell Restaurationsparameter kontrolliert werden, wie z. B. die Mindestschichtstärke oder eine anatomisch korrekte Restaurationsgestaltung.
- Kein Modellverschleiß: Ein digitales Modell unterliegt keinem Verschleiß, wie er beispielsweise beim Aufpassen einer realen Arbeit am Gipsmodell entsteht. Ein digitales Modell ist immer in der gleichen, ursprünglichen Qualität verfügbar.
- Schnelle Kommunikation und Verfügbarkeit: Die Weiterverarbeitung von digitalen Modellen erfolgt ohne großen Zeitverlust. Durch die schnelle digitale Datenversendung, die oftmals über Cloud-Systeme abläuft, fallen keine Transportkosten an.
- Archivierbarkeit: Digitale Modelle können im Vergleich zu konventionellen Modellen einfacher und effizienter – da Platz sparender – archiviert werden. Sie können später oftmals mittels Knopfdruck wiedergefunden werden.
- Materialersparnis: Bei einer digitalen Abformung fallen keine Abfallprodukte an. Dies ist unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung ein Vorteil.
- Chairside-Option: Die Behandlung in einer Sitzung bietet neben der Zeitersparnis zahlreiche weitere Vorteile, wie z. B. eine sofortige bakteriendichte Versiegelung der Dentinwunde und eine adhäsive Stabilisierung der Restzahnhartsubstanz. Zudem wird der adhäsive Haftverbund zwischen finaler Restauration und Zahnsubstanz nicht durch einen provisorischen Zement beeinträchtigt (Abb. 5, 6).
- Virtuelle Ausschneidefunktion: Neben dem Re-Scan für selektive, fehlerhafte Areale kann die virtuelle Ausschneidefunktion dazu verwendet werden, um vor der eigentlichen Behandlung einen Übersichtsscan auszuführen. In der Sitzung der Präparation ist somit nur noch das Erfassen der betroffenen Zähne nötig.
- Virtuelle Verlaufskontrolle: Im Gegensatz zu konventionellen Modellen können mit digitalen Modellen zahlreiche intraorale Analysen von Veränderungen, wie z. B. Zahnwanderungen, Zahnkippungen, Zahnrotationen, Rezessionen und Abrasionen, sichtbar gemacht werden. Hierzu genügt das Matchen der einzelnen Scans mit einem speziellen Softwaretool. Die genauen Schritte für dieses Vorgehen werden im weiteren Verlauf des Artikels detailliert beschrieben.
- Echtfarbdarstellung: Da bestimmte intraorale Scansysteme mittlerweile Echtfarbmodelle erzeugen, können Bereiche wie Zahnstrukturen und Gingivatextur besser erfasst werden. Somit können z. B. farbliche Gingiva- und Zahnveränderungen analysiert werden, was auf einem Gipsmodell nicht möglich ist. Auch selektive Zahnfarbenmessungen können bei manchen Systemen durchgeführt werden.
- Data-Fusion: Ein digitaler Datensatz kann mit anderen Datensätzen verknüpft werden, wie z. B. mit einem Gesichtsscan oder mit dreidimensionalen Röntgenaufnahmen (z. B. CT oder DVT). Dies ermöglicht eine zusätzliche, erweiterte und v. a. umfangreiche Diagnose- und Planungsmöglichkeit im Sinne einer bestmöglichen Patientenbehandlung.
Einschränkungen von Intraoralscannern
Trotz der zahlreichen Vorteile, die sich durch den Einsatz von Intraoralscannern ergeben, sind einige Einschränkungen gegeben, die im Folgenden aufgeführt werden sollen.
- Lernkurve: Eine optische Abformung ist v. a. am Anfang nicht einfach durchzuführen. Das Handling des Intraoralscanners muss erlernt werden, wobei die Lernkurve zu Beginn sehr flach ist. „Guided-Scanning“-Verfahren, bei denen der Anwender Schritt für Schritt während des Scans instruiert wird, wie der Intraoralscanner über den Zahnbogen zu führen ist, erleichtern jedoch die Durchführung des Scans und sind in einigen Systemen bereits integriert.
- Implantatversorgung: Für die exakte Bestimmung der Implantatposition ist bei einer digitalen Abformung mit Intraoralscannern ein zusätzlicher implantatspezifischer Scankörper nötig. Dieser Scankörper muss für das entsprechende Implantatsystem erhältlich und zudem mit der verwendeten CAD-Software kompatibel sein. Jüngst bieten jedoch immer mehr Dentalhersteller die Möglichkeit zur direkten digitalen Implantatversorgung an, indem entsprechende Kooperationen mit den jeweiligen Implantatherstellern geschlossen werden.
- Statische und dynamische Okklusion: Bei einigen intraoralen Scansystemen ist die nachträgliche Änderung der Bisslage nicht möglich. Sobald die Stützzonen aufgelöst werden, kommt man bei umfangreichen Restaurationen an die Grenze. Viele Systeme bieten zudem keine Simulation der dynamischen Okklusion an. Seit einigen Monaten gibt es jedoch erstmals einen Ansatz zur Integration der dynamischen Artikulation unter Verwendung eines mittelwertigen virtuellen Artikulators. Ebenso ist eine Integration von individuellen Artikulationsparametern möglich sowie die digitale Veränderung der Bisslage mittels Stützstiftfunktion.
- Scan-Gebühren und geschlossene Systeme: Bei einigen Systemen fallen Gebühren (Scanning Fees) pro durchgeführtem Scan an. Oftmals werden die Scandaten zunächst an firmeneigene Clouds in einem verschlüsselten Dateiformat versendet; das System ist also geschlossen. Ein offener STL-Datenexport zur Weiterverarbeitung in einem beliebigen CAD-Programm ist oftmals – wenn überhaupt – erst nach einem Dateiexport aus der Plattform möglich. In jüngster Zeit jedoch bieten Hersteller verstärkt offene Systeme an, also Intraoralscanner, die einen direkten STL-Datenexport erlauben.
- Preis: Intraorale Scansysteme sind derzeit immer noch kostenintensiv. Für viele Anwender ist die Kosten-Nutzen- Rechnung angesichts des derzeitigen Preisniveaus noch nicht positiv. Eine Preissenkung im Bereich der Intraoralscanner ist jedoch aufgrund der steigenden Zahl an Dentalherstellern auf dem Markt mit großer Sicherheit für die nahe Zukunft zu erwarten.
Fazit
Eine ausreichende Genauigkeit intraoraler Scansysteme, die naturgemäß für eine erfolgreiche klinische Prozesskette notwendig ist, konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden [6–9]. Der Einsatz von Intraoralscannern im Rahmen des digitalen Workflows kann somit als ein dem konventionellen Workflow mindestens ebenbürtiges Verfahren bezeichnet werden. Durch den Verzicht auf die einzelnen, oftmals fehleranfälligen Prozessschritte, wie sie bei der konventionellen Modellerstellung nötig sind, ergeben sich zudem zahlreiche Vorteile für die digitale intraorale Abformung. Darüber hinaus bietet der Intraoralscan mit der Erzeugung eines 3D-Datensatzes weitere Optionen und Perspektiven, die mit konventionellen Abformungen oftmals nur komplizierter oder gar nicht erst durchführbar sind. An dieser Stelle sei beispielsweise die digitale dentale Verlaufsdiagnostik mit Intraoralscannern genannt. Hierzu wurden vor einiger Zeit erste eigene Konzepte vorgestellt [10]. Durch den automatisierten Match von Baseline- und Follow-up- Scans können mittels spezieller Differenz-Analysesoftware einfach und schnell objektive Veränderungen, wie Rezessionen oder Abrasionen/Erosionen, analysiert werden. Derartige Veränderungen sind auf konventionellen Modellen bisher wohl oftmals unentdeckt geblieben. Der Einsatz digitaler Abformsysteme und die dementsprechende Weiterverwendung der digitalen Daten ermöglichen somit einen völlig neuen, vielversprechenden Ansatz zur objektiven dentalen Diagnostik für verschiedenste Fragestellungen (Abb. 7 und 8). Es steht demnach außer Frage, ob die intraorale digitale Abformung den konventionellen Workflow jemals ablösen kann und wird. Für den einzelnen Anwender stellt sich heutzutage vielmehr die Frage, wann ein Einstieg für ihn, sein Praxiskonzept und sein Team sinnvoll ist. Dabei ist durchaus vorstellbar, dass das digitale intraorale Abformsystem in Zukunft die zentrale Drehscheibe für ein komplettes Healthcare- Paket für unsere Patienten wird.
So bleibt mit Spannung zu sehen, wann die digitale intraorale Abformung – ähnlich wie bereits etablierte digitale Applikationen im alltäglichen Leben – ein selbstverständlicher Bestandteil sein wird und – wie der tägliche Umgang mit einem Smartphone – nicht mehr weggedacht werden kann.
Ausblick
Der zweite Teil dieses Beitrags wird eine vollständige Übersicht über alle derzeit auf dem Markt erhältlichen Scansysteme liefern. Neben einer detaillierten Beschreibung des jeweiligen digitalen Workflows werden die Möglichkeiten, die sich beim Einsatz des jeweiligen Scansystems in den Bereichen Zahnerhaltung, Prothetik, Kieferorthopädie und Implantologie ergeben, vergleichend beschrieben. Der zweite Teil erscheint in der ZMK 4/2016.