Computergestützte Zahnheilkunde wird das Handeln bestimmen

Digitale Abformung, virtuelle Konstruktionsmodelle und Artikulation auf der Computer-Oberfläche, biogenerische Kauflächengestaltung durch intelligente Software, Rapid-Prototyping und 3D-Printing sind nur einige der Themen, die in jüngster Zeit vermehrt in wissenschaftlichen Beiträgen oder Fachveröffentlichungen im Zusammenhang mit CAD/CAM erwähnt wurden. Damit verbunden ist, dass die „konventionelle“ CAD/CAM-Technik bereits in Zahnarztpraxen, Praxislabors und Dentallabors angekommen ist und nun die nächsten Evolutionsstufen anstehen.
Blickt man nur wenige Jahre zurück, so stand die Diskussion um Passgenauigkeit, Wirtschaftlichkeit und Benutzerfreundlichkeit noch im Vordergrund. Die Qualität von CAD/CAM-Restaurationen wurde kritisch gesehen und es gab nur ein paar „Pioniere“, die sich mit diesem Thema auch wissenschaftlich auseinandersetzten. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Die zögerliche und teilweise auch abwartende Haltung gegenüber dem computergefertigten Zahnersatz als Avantgarde ist nun der Akzeptanz eines mittlerweile etablierten Standardverfahrens gewichen. Viele Unternehmen investieren immense Beträge in die weitere Entwicklung dieser Technologie.
Wie kam es zu diesem rasanten Umschwung? Auf der einen Seite erkannte man den Nutzen eines Werkstoffs, der sich nur mithilfe computergestützter Verfahren sinnvoll verarbeiten ließ: die Zirkoniumdioxid-Keramik. Erstmalig waren damit vollkeramische Brückenversorgungen möglich. Auch andere Keramiken zeigten bessere Materialeigenschaften nach maschineller Bearbeitung, da die verwendeten Blöcke industriell unter optimalen Bedingungen hergestellt werden können. Auf der anderen Seite hat sich auch die Technologie der CAD/CAM-Systeme deutlich verbessert. Davon ausgehend, dass in den 90er-Jahren Computer leistungsfähiger und Messverfahren effektiver wurden, konnte dadurch insbesondere die Leistung der 3D-Aufnahmesysteme an die Bedürfnisse der Zahnmedizin angepasst und die Bedienung vereinfacht werden. Durch die Weiterentwicklung der CAD-Software konnten vielfältige Konstruktionsmöglichkeiten geschaffen und auch die Qualität der Schleif- und Fräseinheiten verbessert werden. Wirtschaftlichkeit bei gleichzeitig hoher Qualität der gefertigten Restaurationen ist aktuell das „Markenzeichen“ der CAD/CAM-Technik. Davon profitieren der Zahnarzt und der Zahntechniker durch standardisierte und bestens kontrollierte Behandlungs- bzw. Fertigungsabläufe – und letztlich auch der Patient.
Worauf wird sich nun der aktuelle CAD/CAM-Trend konzentrieren? Wer sich mit der Thematik eingehend beschäftigt hat, konnte schon sehr früh voraussehen, dass Fertigungszentren eine entscheidende Rolle spielen würden: Hohe Auslastung, spezialisiertes Personal, zentralisierter Materialeinkauf und hohe Qualitätsmaßstäbe an die „Standardversorgung“ ermöglichen einen wirtschaftlichen Durchsatz, der die Amortisation der Investitionen in hochentwickelte Fertigungsmaschinen ermöglicht. Mittlere und kleinere Labors werden ihre Kernkompetenz in der computergestützten Herstellung hochwertiger, ästhetischer Versorgungen und in der Spezialanfertigung im Bereich der Teilprothetik nutzen.
Ein weiterer wichtiger Trend ist die Chairside-Fertigung von Inlays, Onlays und Einzelkronen. Die Zielgruppe dieser CAD/CAM-Systeme ist der Zahnarzt. Der Vorteil dabei ist die Zeitersparnis für den Patienten und die Einsparung des Provisoriums, was zusätzlich die potenzielle Gefahr der Höckerfraktur, der Schmelzrandabplatzung und die Schwächung der Dentinhaftung minimiert.
CAD/CAM und Vollkeramik werden oft in einem Atemzug genannt, was nach dem oben Beschriebenen nachvollziehbar ist, auf der anderen Seite aber auch viel zu kurz greift. Gerade das enorme Potenzial, das in der Fräsbearbeitung und seit Kurzem auch im Lasersintern von Metallen steckt, wird oft völlig vergessen. Die Herstellung von Metallrestaurationen (z. B. NEM, Titan) wird daher ebenfalls über kurz oder lang eine Domäne der CAD/CAM-Technik werden.
Was wird die Zukunft der CAD/CAM-Technik bringen? Die intraorale 3D-Vermessung ermöglicht bereits heute die abdruckfreie Praxis. Die Geschwindigkeit, die Bedienung und die Genauigkeit der Aufnahmen wurden verbessert und der Messbereich ausgeweitet. Ein entscheidender Vorteil der computergestützten Verfahren im Vergleich zur herkömmlichen Aufwachstechnik ist auch in der funktionellen und morphologischen Kauflächengestaltung zu sehen. Komplexe Algorithmen können ein immenses Grundlagenwissen über Zahnstrukturen und individuelle genetische Zusammenhänge speichern. Virtuelle Artikulatoren können beliebig programmierbare Bewegungen simulieren, sodass deutlich mehr Naturgesetzmäßigkeiten und individuelle Parameter als bisher in die Restaurationsoberfläche integriert werden können.
Mit den gespeicherten 3D-Datensätzen von Zahnoberflächen kann der Zahnarzt zudem eine völlig neuartige zahnmedizinische Diagnostik durchführen, indem er die zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommenen Messdaten miteinander vergleicht. Bei kieferorthopädischen Behandlungen, bei der Analyse von Erosionen und Abrasionen, bei parodontalen Veränderungen oder Eingriffen sind so quantitative, dreidimensionale Verlaufskontrollen möglich.
Überhaupt: Die Bedürfnisse der CAD/-CAM-Technologie haben Themen der Grundlagenforschung beflügelt und damit auch andere Bereiche der Zahnmedizin vorangebracht. Universitäten und Industrie können durch Kooperation eine nützliche Symbiose bilden und diese spannende Entwicklung voranbringen und gestalten. Bis jetzt war CAD/- CAM oder computergestützte Zahnmedizin kein zentrales Thema an den Universitäten. Da wir gerade erst am Anfang stehen und das Leistungspotenzial der CAD/CAM-Technik enorm ist, wird sich das in den nächsten Jahren mit Sicherheit ändern. Und davon werden wiederum die Ausbildung der Studierenden und indirekt auch die Behandlungsmöglichkeiten in den Praxen beeinflusst – im Interesse unserer Patienten.