Allgemeine Zahnheilkunde


Zahnmedizinische Gesundheitsförderung im Pflegeheim als Public-Health-Aufgabe

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Wie kann die zahnmedizinische Gesundheit im Pflegeheim besser gefördert werden, um zu einem Altern bei guter allgemeiner Gesundheit und hoher Lebensqualität beizutragen? Einen Beitrag zur Annäherung an diese Fragestellung leistet die gesundheitswissenschaftliche Dissertation „Zahnmedizinische Befunde und mundgesundheitsbezogene Lebensqualität bei pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren“. Die zugrundeliegende Pilotstudie führte Dr. Dr. H.-P. Willenborg neben seiner Praxistätigkeit durch; sie wurde in diesem Jahr von der Deutschen Gesellschaft für AlterszahnMedizin (DGAZ) mit dem Deutschen Preis für Seniorenzahnmedizin 2022 in der Sektion Wissenschaft bedacht.

Die demografische Entwicklung Deutschlands und die Thematik der Überalterung unserer Gesellschaft sind sehr präsent. „Alle wollen alt werden, aber keiner will es sein“ ist ein Zitat, welches dem deutschen Schauspieler Gustav Knuth zugeschrieben wurde. Es beschreibt die Diskrepanz zwischen dem mit Vorfreude verbundenen Wunsch einer Generation, stetig älter werden zu wollen und der Realität, die ein zunehmender Teil der Seniorinnen und Senioren – nämlich diejenigen, die der Pflege bedürftigen – formulieren.

Und so sind die Sichtweisen auch sehr unterschiedlich: Die einen verknüpfen das Alter ausschließlich mit Senilität, Schmerzen, Pflegebedürftigkeit, Einsamkeit und Isolation. Demgegenüber steht das Bild der ewig jungen Generation der Über-60-Jährigen, die die tatsächlich auftretenden somatischen und psychischen Beeinträchtigungen gut kompensieren.

Es gibt jedoch keine „Anleitung“ für ein erfolgreiches, zufriedenstellendes Altern. Maßgebliche Faktoren beinhalten eine hohe Lebensqualität und ein gutes, subjektives Wohlbefinden [23]. Die Bedeutung einer hohen Lebensqualität angesichts einer in Zukunft stetig wachsenden Lebenserwartung wird von vielen Seiten betont [1].

Scheinbar gelingt es einigen Seniorinnen und Senioren besser, die altersbedingten Krankheiten und Beschwerden in ihrem Auftreten oder in ihrer Ausprägung so zu verzögern, dass diese auf die letzten Lebensjahre „verdichtet“ werden. Dies ist ein gesundheitswissenschaftlicher Ansatz: Die „Quality-Life adjusted Years“, also die Lebensjahre mit gehobener Lebensqualität und geringer Krankheitslast, sollen so weit wie möglich ausgedehnt werden. Dann verbleiben kurze Zeiträume von intensiver, schwerer Krankheit vor dem Tod.

Das Modell der „Compression of Morbidity“ beschreibt den Entwurf, diese sogar in ihrem Vollbild auf die Zeit nach dem natürlichen Tod zu verschieben [9]. Denn nicht alle alten Menschen sind krank und in ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt. Dennoch ist das Altern einer der wichtigsten gesundheitlichen Risikofaktoren.

Prävention – für ein gesundes Altern

Ein älterer Mensch kann krankheitsbedingt leichter zu einem geriatrischen Patienten werden. Alterstypische Vulnerabilität, Multimorbidität, die Gefahr einer Chronifizierung und das erhöhte Risiko des Verlustes von Autonomie, einhergehend mit der Verschlechterung des Selbsthilfestatus, sind die typischen Merkmale.

Primäres Ziel einer geriatrischen Behandlung ist daher die Wiederherstellung eines Höchstmaßes an Gesundheit und Wohlbefinden, Selbstständigkeit, Mobilität sowie geistiger und körperlicher Vitalität [7]. Die Förderung von Selbstständigkeit und gesellschaftlicher Beteiligung älterer Menschen sowie die Unterstützung hilfe- und pflegebedürftiger Seniorinnen im Alltag sind eine wesentliche präventive Aufgabe der internationalen Seniorenpolitik [3].

Eine der zentralen Herausforderungen des Gesundheitswesens ist die Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten medizinischpflegerischen Versorgung unter Berücksichtigung präventiver Ansätze. Im Zuge des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Zunahme der Pflegebedürftigkeit gewinnt hierzu die pflegerische Versorgung vermehrt an Bedeutung [13].

Herausforderungen an das Versorgungssystem: gute Lebensbedingungen für Senioren erhalten

Der medizinische Fortschritt, die Alterung der Gesellschaft und die steigenden Ansprüche der Patienten stellen das Versorgungssystem vor große Herausforderungen. Hohe Priorität genießt die häusliche Versorgung zur Aufrechterhaltung einer autonomen Lebensführung.

Hilfe- und Pflegebedürftigkeit müssen nicht notwendigerweise dazu führen, in eine stationäre Einrichtung wechseln zu müssen. Grundsätzlich können Pflegebedürftige aller Schweregrade im privaten Haushalt versorgt und betreut werden.

Entscheidende Voraussetzung hierfür ist allerdings die Verfügbarkeit über ein stabiles, privates Hilfe-Netzwerk, das bereit und in der Lage ist, die notwendigen Versorgungsleistungen kontinuierlich zu erbringen. Will man den Vorrang der häuslichen Pflege auch in Zukunft aufrechterhalten, so wird es v.a. darauf ankommen, die in der Regel von engen Angehörigen erbrachte Pflegetätigkeit viel stärker als bisher mit den inzwischen durchaus vielfältig vorhandenen professionellen Leistungsangeboten zu vernetzen [19].

Die wenigsten Senioren möchten in einem Heim leben, wenn der Lebensalltag nicht mehr allein zu bewältigen ist. Die Zunahme an chronischen Erkrankungen und vermehrter Bedarf an Pflege gilt dabei als eine der schwierigsten gesundheitspolitischen und medizinischen Aufgaben [17].

Insgesamt ist das Vertrauen in die kurative Medizin ungebrochen groß, aber heute längst nicht mehr so ausgeprägt wie noch vor etlichen Jahrzehnten. Die Sichtweise, dass Gesundheit nur die Abwesenheit von Krankheit sei und durch die medizinische Behandlung der Krankheit auch die Gesundheit wiederhergestellt werden könne, wird zunehmend hinterfragt. Das Ansteigen der Lebenserwartung in den vergangenen 100 Jahren ist zum großen Teil auf den sozialen Fortschritt – und nicht wie man annehmen könnte auf die medizinische Kompetenz – zurückführen, der zur Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen führte [15].

Die subjektive Wahrnehmung des Gesundheitszustandes durch den Patienten ergänzt zunehmend die klinischen Indikatoren bei der Wirksamkeit einer medizinischen Intervention. Bei der Beurteilung und Bewertung von Ergebnissen medizinischer Behandlungsmaßnahmen geht es heute nicht mehr ausschließlich um die Veränderung der klinischen Symptomatik, sondern zunehmend auch darum, wie erkrankte Menschen ihren Gesundheitszustand subjektiv erleben, wie sie in ihrem Alltag zurechtkommen und ihre sozialen Beziehungen gestalten [14,22]. In diesem Zusammenhang nimmt die Bedeutung der Gesundheitswissenschaften mit ihrem Ansatz zur Verhütung von Krankheiten stetig zu [10].

Die Versorgungssituation Pflegebedürftiger in der Zahnmedizin

Die Diskussion um die Qualität der Pflege von ambulant und stationär betreuten, pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren gewinnt dabei unregelmäßig, aber stetig wiederkehrend an öffentlichem Interesse. Neben zahlreichen Aspekten zur Qualität der Versorgung wird das schlechte Ergebnis von Zahnuntersuchungen in der Gruppe der stationär Pflegebedürftigen als „bedrückend“ bezeichnet [2,4,5,8,11,12], obwohl sich die Zahngesundheit in der Bevölkerung insgesamt seit Jahren kontinuierlich verbessert hat [18]. Ambulante und stationäre Pflegebedürftige sind im Besonderen von einer schlechten Mundgesundheit betroffen und stellen somit eine Hochrisikogruppe dar [6].

Zahnärztliche Untersuchungen ergeben, dass bei fast 3/4 der Bewohner einer stationären Altenpflegeeinrichtung eine insuffiziente Mundgesundheit vorliegt und die notwendige zahnärztliche Unterstützung fehlt [16]. Das Pflegepersonal ist häufig nicht in der Lage, die Zahngesundheit der Bewohner zu beurteilen und schätzt deren Gesundheitszustand wesentlich höher und die Notwendigkeit einer zahnärztlichen Behandlung wesentlich niedriger ein, als diese tatsächlich sind [20].

Die eigene Studie untersucht und erhebt die Mundgesundheit von Seniorinnen und Senioren bei der Aufnahme in eine pflegerische Einrichtung [24]. Es wird dokumentiert, ob diese defizitär ist und wie diese von den Neu-Bewohnern empfunden wird. Ferner wird die Mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (MLQ) mit dem OHIP-Fragebogen erhoben und überprüft, ob Zusammenhänge zwischen der Mundgesundheit und der MLQ bestehen.

Das Oral Health Impact Profile (OHIP) ist eines von mehreren Messinstrumenten zur Erhebung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Erwachsenen. Es wird in der Zahnmedizin im Rahmen der Anamnese zur Erfassung zahnmedizinisch relevanter Probleme, aber auch zur Erfolgskontrolle von Therapien und zur Verlaufsmessung eingesetzt. Darüber hinaus findet es Anwendung in der Oralepidemiologie und zur Erforschung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität [21].

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass offensichtlich, bezogen auf den OHIP-Gesamtwert, eine hohe Diskrepanz zwischen professioneller Befundung durch Zahnärztinnen und Zahnärzte und dem subjektiven Empfinden der Mundgesundheit durch die Pflegebedürftigen besteht.


Zusammenfassung der longitudinalen Pilotstudie: Zahnmedizinische Befunde und mundgesundheitsbezogene Lebensqualität bei pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren

Fragestellung

Der Pilotstudie lag die Fragestellung zugrunde: Wie verändern sich der Zahnbefund und die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (MLQ) bei in einer pflegerischen Einrichtung neu aufgenommenen Seniorinnen und Senioren nach Verweildauer von einem Jahr? Zusätzlich wurde untersucht, welche Zusammenhänge zwischen den objektiven Befunden zur Zahngesundheit und der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität (MLQ), also dem subjektiv wahrgenommenen Befinden, abgeleitet werden können.

Outcomes

Als Ergebnisgrößen wurden Veränderungen hinsichtlich der Zahngesundheit dokumentiert: Zahnstatus, Vorhandensein von Karies, Quantität von Zahnstein und weichen Belägen, Parodontalzustand nach vormals üblicher Klassifikation (Gingivitis, chronische Parodontitis, aggressive Parodontitis sowie medikamenteninduzierte Parodontitis), Verschiebung der mittels OHIP-Fragebogen erhobenen Werte (Erhöhung zeigt Verschlechterung an).

Methode

An der Pilotstudie konnten alle neuen Bewohner eines Seniorenstiftes in Moers teilnehmen, die in der Zeitspanne eines halben Jahres zwischen dem 01.01.2010 und dem 30.06.2010 eingezogen sind. Alle Studienteilnehmer wurden innerhalb der 1. Woche nach Aufnahme zahnärztlich untersucht und der Zahnstatus wurde aufgenommen (= Zeitpunkt t1). Der Befund wurde nach dem FDI-Schema dokumentiert; zum Einsatz kam zudem der Fragebogen für Pflegebedürftige der ZÄK Nordrhein zur Erfassung von zahnmedizinischen Behandlungsbedarfen.

Der Mundhygienezustand wurde darin mittels einer groben Einteilung (vereinzelte /generalisierte /massive Plaque-Ansammlungen) erfasst. Der Befundbogen diente auch der Darstellung des Mundhygienebefundes für Zahnersatz. Zudem wurden die Probanden unter Zuhilfenahme des standardisierten Fragebogens „OHIP-G14“ zu ihrer mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität interviewt.

Dieser erfasst die Stärke von psychosozialen Beeinträchtigungen des Patienten durch seine Mundgesundheit. Eine zweite, identische Untersuchung und eine weitere Befragung fanden im Abstand von 12 Monaten statt (= Zeitpunkt t2).

Teilnehmerzahl

Ursprünglich nahmen 25 Probanden teil; 5 schieden aus, da sie in die häusliche Umgebung entlassen wurden, verstarben oder verlegt wurden. Eine Person konnte aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung nicht befragt werden. Verwertbare Ergebnisse erbrachte die Untersuchung von 18 Frauen (90% weiblich) und 2 Männern (10% männlich) zwischen 56 und 94 Jahren; sie nahmen bei der 1. und der 2. Untersuchung sowie den beiden Befragungen teil.

Im Mittel waren die Probanden 82,55 Jahre alt (Median = 84 Jahre). 65% der Probanden führten ihre Mundhygiene selbstständig durch. Nach Aufnahme in das Pflegeheim hatte fast keiner der Probanden mehr einen eigenen Hauszahnarzt.

60% aller Befragten befanden sich eingangs der Studie in Pflegestufe 1, 36% in Pflegestufe 2 und eine Person in Pflegestufe 3 (4%). Bei der Zweituntersuchung waren noch 32% der Pflegestufe 1 (8 Personen) zugeordnet, 32% jetzt in Pflegestufe 2 (8 Personen) und 20% in Pflegestufe 3 (5 Personen) eingestuft.

Studienergebnisse

Bezüglich des Zahnersatzes konnte festgestellt werden: 2 Probanden hatten keinen Zahnersatz (t1 + t2), 16 (t1) bzw. 18 (t2) hatten herausnehmbaren Zahnersatz – davon 9 Probanden eine Totalprothese – und 1 Proband (t1) bzw. keiner (t2) hatte festsitzenden Zahnersatz. Ebenfalls 1 Proband (t1) bzw. keiner (t2) hatte einen kombinierten Zahnersatz.

Die Mehrheit bzw. die Hälfte war unbezahnt im Ober- bzw. Unterkiefer (65% bzw. 50%). Eine Person besaß noch 22 eigene Zähne (zusätzlich mit Zahnersatz versorgt) und einer verfügte über 21 Zähne ohne weiteren Zahnersatz.

15 Personen betrieben ihre Mundpflege eingangs noch selbstständig, davon 11 mit zufriedenstellenden Ergebnissen, 4 mit nicht zufriedenstellenden Ergebnissen (t1). Bei den 5 Personen, die auf Fremdhilfe angewiesen waren, zeigten 4 zufriedenstellende und eine Person nicht zufriedenstellende Ergebnisse.

Zu t2 führten noch 13 Personen die Mundhygiene selbstständig aus (9 mit zufriedenstellenden, 4 mit nicht zufriedenstellenden Ergebnissen). Bei der Mundpflege mit Unterstützung schnitten 6 zufriedenstellend und eine Person defizitär ab.

Bei der Untersuchung zu t1 wurden bei 5 von 19 einbezogenen Personen (26,3%) keine Beläge, bei 11 Personen (57,9%) vereinzelte Beläge, bei 2 Personen (10,5%) generalisierte Beläge und bei 1 Person (5,3%) massive Plaqueakkumulationen festgestellt. Zum Untersuchungszeitpunkt t1 waren 10 Personen vollständig zahnlos, weshalb keine Messungen hinsichtlich harter Konkremente vorgenommen werden konnten; von den übrigen 10 Personen hatten 8 (80%) mäßigen Zahnstein, 2 Personen (20%) wiesen massiven Zahnstein auf. 70% aller Untersuchten zeigten keine kariösen Defekte – bei Einschluss der zahnlosen Patienten (t1).

Zerstörte Zähne kamen bei insgesamt 4 der befragten Bewohner vor (20%). Im Rahmen der Wiederholungsuntersuchung zeigte sich keine Veränderung der Prävalenz an Karieserkrankungen. Die Häufigkeit des Vorkommens zerstörter Zähne war konstant.

Der Parodontalzustand der bezahnten Probanden wurde erfasst nach damals üblichen Einteilungen in Gingivitis, chronische Parodontitis (CP), aggressive Parodontitis (AP) und einer medikamentös- oder erkrankungsbedingten induzierten Parodontitis (MEP). 5 Probanden (50%) (n = 10) zeigten eine Gingivitis, 5 (50%) wiesen Anzeichen einer CP auf. Die Befunde ergaben, dass 7 Untersuchte (n = 20) keinen dringlichen Behandlungsbedarf (35%), 3 Untersuchte (15%) gelegentlichen Behandlungsbedarf und insgesamt 10 Bewohner (50%) zeitnahen bzw. dringlichen Behandlungsbedarf aufwiesen (Tab. 1).

GültigHäufigkeit t1Prozent t1Häufigkeit t2Prozent t2
Kein Bedarf735.0735.0
bei Gelegenheit315.0420.0
zeitnah (bis 4 Wochen)735.0630.0
dringend315.0315.0
Gesamt20100.020100.0

Tab. 1: Zahnärztlicher Behandlungsbedarf.

Zum Untersuchungszeitpunkt t2 stand keinem der Untersuchten ein eigener Hauszahnarzt zur Verfügung. Bei der Untersuchung weicher Beläge wurden eine Person ohne Zähne und ohne Zahnersatz erneut nicht in die Untersuchungsergebnisse einbezogen (n = 19). 4 Personen (21%) wiesen keine Beläge auf, 8 Personen (40%) zeigten vereinzelte Beläge, 6 Personen (30%) wiesen generalisierte Beläge auf und eine Person (5%) zeigte generalisierte Beläge auf. Ersichtlich ist hier eine negative Verschiebung – mehr Personen weisen generalisierte Beläge auf.

Bei allen 10 bezahnten Probanden, die in die Untersuchung eingingen, wurde „Zahnstein“ festgestellt. 8 mit mäßigem Zahnstein, 2 Personen zeigten massiven Zahnstein. Bezüglich des Parodontalzustandes wurde festgestellt, dass bei 3 Personen eine Gingivitis vorlag, 7 (70%) wiesen Anzeichen einer CP auf.

7 Untersuchte (35%) (n = 20) zeigten keinen dringlichen Behandlungsbedarf, 4 (20%) zeigten gelegentlichen Behandlungsbedarf, 9 (45%) einen zeitnahen bzw. dringlichen Behandlungsbedarf (Tab. 1). Von diesen führten insgesamt 5 ihre Mundhygiene nicht zufriedenstellend durch, 3 waren dabei auf Fremdhilfe angewiesen.

Die numerischen Ergebnisse sind nur begrenzt aussagefähig, da die Daten vor den letzten gesetzlichen Anpassungen zur zahnmedizinischen Betreuung Pflegebedürftiger erhoben wurden und auf sehr niedrigen Fallzahlen beruhen. Sie zeigen eine Tendenz an. Weitere Studien mit höherer Probandenzahl sind nötig, um diese Zusammenhänge zu untersuchen.

Analyse des Autors: „In der Zusammenfassung aller Befunde zeigt sich, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme in eine pflegerische Einrichtung bei 35% kein zahnärztlicher Behandlungsbedarf bestand. Hingegen bestand bei 65% gelegentlicher, zeitnaher oder dringlicher Bedarf einer zahnmedizinischen Behandlung. Dieser Bedarf blieb konstant. Die Situation hat sich folglich weder verbessert noch verschlechtert“.

Mundgesundheitsbezogene Lebensqualität

Das OHIP („Oral Health Impact Profile“) ist ein anerkanntes Instrument zur Erfassung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität. Es wurde in dieser Studie in einer Kurzform mit 14 Fragen eingesetzt (OHIP-G14). Die Tabellen 2 und 3 dokumentieren die Verteilung der Antworten der Probanden zu den Zeitpunkten t1 und t2.

Frage OHIPItem (Stichwort)nie (0)kaum (1)ab und zu (2)oft (3)sehr oft (4)
1Schwierigkeiten, bestimmte Worte auszusprechen65,0% 1320,0% 410,0%
2

5,0%
1

0
0
2Geschmackssinn beeinträchtigt45,0% 950,0% 100
0
5,0%
1
0
0
3Leben ganz allgemein weniger zufriedenstellend75,0% 1515,0% 35,0%
1

5,0%
1

0
0
4Schwierigkeiten zu entspannen80,0% 1615,0% 35,0% 
1
0
0

0
0

5sich angespannt fühlen80,0% 165,0% 
1
10,0%
2
5,0%
1
0
0
6Mahlzeiten unterbrechen müssen65,0% 135,0% 
1
25,0%
5
5,0%
1
0
0
7unangenehm, bestimmte Nahrungsmittel zu essen30,0% 635,0% 725,0%
5

10,0% 2

0
0
8anderen Menschen gegenüber eher reizbar 90,0% 180
0
10,0%
2
0
0
0
0
9schwergefallen, den alltäglichen Beschäftigungen nachzugehen75,0% 1515,0% 35,0% 
1
5,0% 
1
0
0
10vollkommen unfähig sein, etwas zu tun85,0% 1710,0% 25,0% 
1
0
0
0
0
11sich ein wenig verlegen fühlen60,0% 1220,0% 410,0%
2
5,0% 
1
5,0%
1
12unbefriedigende Ernährung55,0% 1135,0% 70
0
10,0% 20
0
13Schmerzen im Mundbereich60,0% 1230,0% 60
0
5,0%
1
5,0%
1
14Gefühl der Unsicherheit40,0% 850,0% 100
0
5,0%
1
5,0%
1

Tab. 2: Gesamtantwortverteilung in der Stichprobe t1 (n = 20), prozentual und absolut.

 

Frage OHIPItem (Stichwort)nie (0)kaum (1)ab und zu (2)oft (3)sehr oft (4)
1Schwierigkeiten, bestimmte Worte auszusprechen70,0% 1420,0% 45,0%
1
5,0%
1
0
0
2Geschmackssinn beeinträchtigt50,0% 1035,0% 710,0%
2
5,0%
1
0
0
3Leben ganz allgemein weniger zufriedenstellend65,0% 1320,0% 45,0% 
1
10,0% 20
0
4Schwierigkeiten zu entspannen85,0% 1710,0% 20
0
5,0%
1


0

5sich angespannt fühlen75,0% 1520,0% 4

5,0%
1


0

0
0
6Mahlzeiten unterbrechen müssen65,0% 1315,0% 320,0%
4
0
0
0
0
7unangenehm, bestimmte Nahrungsmittel zu essen35,0% 730,0% 630,0%
6
0
0
5,0%
1
8anderen Menschen gegenüber eher reizbar95,0% 190
0
0
0
5,0%
1
0
0
9schwergefallen, den alltäglichen Beschäftigungen nachzugehen75,0% 1520,0%
4
5,0% 
1
0
0
0
0
10vollkommen unfähig sein, etwas zu tun90,0% 185,0%
1
5,0%
1
0
0
0
0
11sich ein wenig verlegen fühlen65,0% 1315,0% 315,0%
3
5,0%
1
0
0
12unbefriedigende Ernährung70,0% 1415,0% 315,0%
3
0
0
0
0
13Schmerzen im Mundbereich65,0% 1330,0% 60
0
0
0
5,0%
1
14Gefühl der Unsicherheit45,0%
9
35,0% 710,0%
2
5,0%
1
5,0%
1

Tab. 3: Gesamtantwortverteilung in der Stichprobe t2 (n = 20), prozentual und absolut.

Die Studie stellte keine signifikanten Unterschiede der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität zwischen den beiden Zeitpunkten t1 und t2 fest. Zum Zeitpunkt der ersten Befragung (n = 20) beträgt der Mittelwert des Summenscores 7,8 (StD 9,46) und zum Zeitpunkt der zweiten Befragung 7,0 (StD 10,45). Die Verringerung des Gesamtwertes muss eigentlich als leichte Verbesserung der MLQ interpretiert werden, obgleich sich der objektive Zustand nicht gebessert hat.

Die OHIP-Werte zeigen, dass die Probanden keinen hohen Leidensdruck haben, der sie eventuell zu einer Behandlung drängen würde. Bei der Gegenüberstellung der Ergebnisse des OHIP-Fragebogens und der zahnärztlichen Untersuchung zeigten sich signifikante Korrelationen; etwa zwischen Oralhygiene und Funktion (t2), Oralhygiene und Schmerz (t1), Belägen und Schmerz (t1), Pflegestufe und „Discomfort“ (Unbehagen) (t1), Zahnersatz und Behinderung (t1 und t2), Zahnstein und psychologischen Einschränkungen (t2), Belägen und sozialen Einschränkungen (t2) (s. Tab. 42 in der Originalarbeit).

Kritik

Kritisch merkt der Studienautor an, dass eine regelmäßige Kontrolle durch einen Hauszahnarzt bei der Klientel des Altenheims nicht mehr stattfand. Mit der Konsequenz, dass eine präventive Haltung aufgegeben wurde und stattdessen nur bei akutem Bedarf (Schmerzen, funktionelle Probleme) behandelt wird.

Fazit

Dr. Dr. Willenborg stellt auf Basis der Studienergebnisse fest, dass eine unbefriedigende Mundgesundheit mit Behandlungsbedarf nicht erst im Pflegeheim entstehe, sondern dort „erstmals auffällig“ werde. Die Gründe sieht er in der nachlassenden Fähigkeit zur Mundhygiene in der häuslichen Betreuung im Vorfeld. Zuhause unterstützen zunächst Angehörige, die nicht in der Pflege geschult sind, die Pflegebedürftigen, später kommen ambulante Pflegedienste hinzu.

In dieser allgemeinen Entwicklung hin zur Versorgung durch andere, „verlaufen die intraoralen Befunde häufig unbeobachtet und werden erst in den Pflegeeinrichtungen auffällig. Und dies auch nur, wenn die Einrichtung zahnärztlich betreut wird“. 

Eine Verbesserung des OHIP-Summenwertes nach einem Jahr überraschte, da es an einer regelmäßigen zahnärztlichen Betreuung mangelte. Die Verbesserung in der subjektiven Beurteilung ihrer Mundgesundheit durch die Probanden könnte eventuell durch eine „Adaptation auch an defizitäre Versorgungen und die Toleranz gegenüber Defekten, die nicht zu Schmerzen oder Beschwerden führen“, erklärbar sein.

Bezüglich der Erhebung Mundgesundheitsbezogener Lebensqualität mittels OHIP-G14 kam Dr. Dr. Willenborg zur Erkenntnis: „Die subjektive Einschätzung der Seniorinnen und Senioren stimmt keineswegs mit den objektiven Befunden überein und ist demnach auch keine verlässliche Aussage für das Handeln des Pflegepersonals.“ Wobei aber weitere, fallzahlenstärkere Untersuchungen notwendig sind, um diese Zusammenhänge genauer zu beleuchten. Der Autor mahnt eine bessere zahnmedizinische Versorgung der Seniorinnen und Senioren im Pflegeheim an mit regelmäßigen zahnmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen und Prophylaxemaßnahmen.

Ebenso gelte es, „Pflegekräfte und Patienten über die Notwendigkeit und Umsetzung der täglichen Mund- und Zahnpflege aufzuklären“. Dabei dürfe den Pflegekräften aber nicht die Verantwortung übergeben werden, da diese bereits zu stark durch die Pflege ausgelastet seien, um noch weitere Pflichten zu übernehmen. Gefordert seien „Kooperationen und Möglichkeiten zum Informationsaustausch unter den Akteuren im Gesundheitswesen“.

(Willenborg H.-P. Zahnmedizinische Befunde und mundgesundheitsbezogene Lebensqualität bei pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren. Bielefeld: Universität Bielefeld; 2020. Zusammenfassung durch die Redaktion)

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. med. dent. Dr. PH Hans-Peter Willenborg, MHA