Allgemeine Zahnheilkunde


Wurzelkanalbehandlung: 3-dimensional geplant und sicher gelöst

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Unter den aktuellen Entwicklungen in der Endodontologie stechen 2 besonders hervor: die digitale Volumentomographie (DVT) und reziprok arbeitende, thermisch vergütete Feilen („blue-Wärmebehandlung“). Wie beide im Zusammenspiel zu Therapien mit besser vorhersagbarem Ergebnis und geringerem Stress während der Behandlung führen, zeigt der hier vorliegende Fallbericht.

Aufgrund der Variabilität von Wurzelkanalanatomien gehört die Endodontologie sicherlich zu einer der schwierigsten Disziplinen des zahnmedizinischen Spektrums. Häufig weiß man nicht, was einen erwartet und tappt buchstäblich im Dunkeln. Eine schwedische Studie zur Komplexität von Wurzelkanalbehandlungen trägt den dazu passenden Titel: Working in the dark [1].

Die dabei befragten allgemeinzahnärztlichen Kolleg:innen gaben an, dass Wurzelkanalbehandlungen häufig mit Stress und Frustration verbunden sind. Ein möglicher Grund hierfür ist eine gewisse Limitation, akzessorische Kanäle und schwierige Wurzelkanalmorphologien präendodontisch mit Hilfe 2-dimensionaler Röntgenbilder darzustellen [2]. Insbesondere der Molarenbereich im Oberkiefer ist herausfordernd, da hier zusätzlich anatomische Überlagerungen eine präendodontische Einschätzung der Komplexität massiv erschweren [3].

Eine dreidimensionale Röntgentechnik wie die digitale Volumentomographie (DVT) hat in der Endodontologie einen teils signifikanten Einfluss auf die Behandlung und die Behandler:innen. So konnte in klinischen Studien beobachtet werden, dass eine zusätzlich angefertigte DVT-Aufnahme die Therapieentscheidung in knapp der Hälfte der Fälle beeinflusst [4,5]. Die durch die 3D-Bildgebung gewonnenen zusätzlichen Informationen gaben in einigen Fällen zum Beispiel den Ausschlag dafür, eine zuvor geplante Behandlung doch nicht durchzuführen.

Neben der reinen Diagnostik bietet die DVT aber auch die Möglichkeit, Wurzelkanalanatomien dreidimensional zu visualisieren, um eine Behandlung besser planen zu können und anschließend klinisch vorhersagbarer und stressfreier durchzuführen [6]. Zudem erlaubt die verzerrungs- und überlagerungsfreie Darstellung mittels DVT eine valide Messung von Wurzelkanallängen. Praktiker:innen können demnach mit Hilfe der DVT bereits vor der Behandlung erkennen, welche Schwierigkeit (z.B. Krümmung, Konfluation) in einer bestimmten Tiefe des Wurzelkanals zu erwarten ist [7].

Fallbeispiel

Die Patientin stellte sich mit gelegentlichen Beschwerden in regio 26 vor. Alio loco erfolgte bereits die Erneuerung der Kompositfüllung, wodurch sich die Symptomatik aber nicht verbesserte. Der Zahn reagierte minimal verstärkt auf thermische Reize. Eine Aufbissempfindlichkeit bestand nicht.

Da die zweidimensionale Diagnostik aufgrund der Länge der Wurzeln erschwert war und sich zudem eine komplexe Anatomie vermuten ließ (Abb. 1), wurde zur erweiterten Diagnostik und zur Behandlungsplanung ein kleinvolumiges DVT angefertigt (Orthophos SL, Dentsply Sirona, Volumen Ø 5 x 5 cm, Auflösung 80 μm). In der DVT-Aufnahme zeigte sich eine apikale Osteolyse an der palatinalen Wurzelspitze mit reaktiver Schwellung der angrenzenden basalen Kieferhöhlenschleimhaut (Abb. 2). Der periapikale Knochen an den vestibulären Wurzeln stellte sich unauffällig dar.

  • Abb. 1: Das Ausgangsröntgenbild.
  • Abb. 2: Ausschnitte der digitalen Volumentomographie in regio 26 palatinal. Es ist deutlich eine apikale
Osteolyse mit reaktiver Schwellung der angrenzenden Kieferhöhlenschleimhaut zu erkennen.
  • Abb. 1: Das Ausgangsröntgenbild.
    © Dr. J. Tchorz
  • Abb. 2: Ausschnitte der digitalen Volumentomographie in regio 26 palatinal. Es ist deutlich eine apikale Osteolyse mit reaktiver Schwellung der angrenzenden Kieferhöhlenschleimhaut zu erkennen.
    © Dr. J. Tchorz

Eine apikale Fusion der Wurzeln mit zusätzlicher Konfluation des mesio-bukkalen und des disto-bukkalen Kanals wie bei Zahn 27 lag an dem zu behandelnden Zahn nicht vor. Die Wurzelkanalmorphologie (Krümmung, Konfluation) der mesiobukkalen Wurzelkanäle von Zahn 26 ließ sich gut anhand verschiedener axialer Ebenen (Abb. 3) erkennen und mit Hilfe einer Planungssoftware (SICAT Endo, SICAT) dreidimensional visualisieren (Abb. 4). Da in diesem Fall der zweite mesio-bukkale Kanal eine Krümmung sowohl in distaler Richtung als auch nach vestibulär aufwies, wurde vorab geplant, den Kanal lediglich bis zur Konfluation mechanisch zu erweitern.

  • Abb. 3: Ausschnitte der digitalen Volumentomographie mit Fokus auf die mesio-bukkale Wurzel des Zahnes
26. Im koronalen Bereich ist in der axialen Ansicht deutlich ein zweiter Kanal zu erkennen (b). Bewegt man
sich nun geradliniger weiter nach apikal (c), erkennt man in der axialen Ansicht, dass die Form der Wurzel
rundlicher wird. Zur besseren Veranschaulichung wurde die Kontur der Wurzel aus der weiter koronal gelegenen
Ebene hier hineinkopiert (d). Dadurch lässt sich erkennen, dass der zweite mesio-bukkale Kanal nicht nur
eine Krümmung nach distal, sondern zeitgleich eine Krümmung nach vestibulär aufweist. Die beiden
mesio-bukkalen Kanäle konfluieren im mittleren bis apikalen Wurzeldrittel.
  • Abb. 4: Mit Hilfe einer speziellen Planungssoftware (SICAT Endo, SICAT), lassen sich Wurzelkanäle markieren
und so deutlich besser visualisieren. Die orthograde (a) und mesio-exzentrische (b) Ansicht zeigen deutlich
den Verlauf des zweiten mesio-bukkalen Kanals (gelb) und die Konfluation.
  • Abb. 3: Ausschnitte der digitalen Volumentomographie mit Fokus auf die mesio-bukkale Wurzel des Zahnes 26. Im koronalen Bereich ist in der axialen Ansicht deutlich ein zweiter Kanal zu erkennen (b). Bewegt man sich nun geradliniger weiter nach apikal (c), erkennt man in der axialen Ansicht, dass die Form der Wurzel rundlicher wird. Zur besseren Veranschaulichung wurde die Kontur der Wurzel aus der weiter koronal gelegenen Ebene hier hineinkopiert (d). Dadurch lässt sich erkennen, dass der zweite mesio-bukkale Kanal nicht nur eine Krümmung nach distal, sondern zeitgleich eine Krümmung nach vestibulär aufweist. Die beiden mesio-bukkalen Kanäle konfluieren im mittleren bis apikalen Wurzeldrittel.
    © Dr. J. Tchorz
  • Abb. 4: Mit Hilfe einer speziellen Planungssoftware (SICAT Endo, SICAT), lassen sich Wurzelkanäle markieren und so deutlich besser visualisieren. Die orthograde (a) und mesio-exzentrische (b) Ansicht zeigen deutlich den Verlauf des zweiten mesio-bukkalen Kanals (gelb) und die Konfluation.
    © Dr. J. Tchorz

  • Abb. 5: Durch die dreidimensionale Visualisierung lassen sich komplexe Anatomien erkennen und das klinische
Vorgehen analog planen. In diesem Fall erfolgte die mechanische Erweiterung des zweiten mesio-bukkalen
Kanals in zwei Schritten bis zur Konfluation mit K-Feilen und reziprok arbeitenden Instrumenten (RECIPROC blue).

  • Abb. 5: Durch die dreidimensionale Visualisierung lassen sich komplexe Anatomien erkennen und das klinische Vorgehen analog planen. In diesem Fall erfolgte die mechanische Erweiterung des zweiten mesio-bukkalen Kanals in zwei Schritten bis zur Konfluation mit K-Feilen und reziprok arbeitenden Instrumenten (RECIPROC blue).
    © Dr. J. Tchorz
Der weiter vestibulär gelegene Kanal in der mesio-bukkalen Wurzel wurde auf Basis der DVT-Aufnahme als „einfacher“ eingeschätzt, so dass dieser bis apikal instrumentiert werden sollte. Die Erweiterung des mesio-bukkalen Wurzelkanals erfolgte im Sinne einer Crown-Down-Technik mit K-Feilen der ISO-Größe 10 und 15 sowie mit einem reziprok arbeitenden Universalinstrument (RECIPROC blue, VDW) der Feilengröße 25 (Abb. 5). Im ersten Schritt wurde die Sondierung mit Hilfe einer K-Feile der Größe 10 bis zur initialen Krümmung vorgenommen.

Anschließend erfolgte die mechanische Erweiterung dieses Kanalabschnitts (RECIPROC blue; Abb. 5 „Step 1“). Danach wurde ein manueller Gleitpfad mit K-Feilen der Größe 10 und 15 bis zur Konfluation erstellt, bevor auch dieser Abschnitt bis zur Größe 25 erweitert wurde (RECIPROC blue, Abb. 5 „Step 2“). Die Länge bis zur Konfluation wurde vorab in der DVT-Aufnahme gemessen und nach chemo-mechanischer Desinfektion mit Hilfe eines Guttapercha-Stifts und einer Feile verifiziert.

Die Längen der übrigen Wurzelkanäle wurden elektrometrisch bestimmt und die Kanäle bis zur Größe 25 (mesio-bukkal, disto-bukkal) bzw. 40 (palatinal) erweitert (RECIPROC blue). Nach schallaktivierter chemischer Desinfektion (EDDY, VDW) mit EDTA und NaOCl wurden die Wurzelkanäle getrocknet und thermoplastisch obturiert (Abb. 6 u. 7).

  • Abb. 6: Masterpoint-Aufnahme
  • Abb. 7: Röntgenologische Kontrolle der Wurzelfüllung
  • Abb. 6: Masterpoint-Aufnahme
    © Dr. J. Tchorz
  • Abb. 7: Röntgenologische Kontrolle der Wurzelfüllung
    © Dr. J. Tchorz

Diskussion und Schlussfolgerung 

Die Relevanz der röntgenologischen dreidimensionalen Diagnostik und der anschließenden Behandlungsplanung wird in der Endodontologie häufig unterschätzt. Dank der Möglichkeit einer dreidimensionalen Visualisierung komplexer Wurzelkanalmorphologien kann sie in gewissen Fällen nicht nur die Therapieentscheidung erheblich beeinflussen, sondern Behandlungen auch vorhersagbarer und gegebenenfalls stressfreier gestalten [6]. Im Gegensatz zur Schmerzdiagnostik ist es für die Behandlungsplanung aber keineswegs erforderlich, eine aktuelle DVT-Aufnahme anzufertigen.

Insbesondere die Anzahl und die Lokalisation von Wurzelkanälen sowie deren Morphologie lassen sich auch gut in älteren, bereits vorhandenen dreidimensionalen Aufnahmen betrachten. In diesem Zusammenhang sollte stets das ALARA-Prinzip (As Low As Reasonably Achievable) beachtet werden. Es versteht sich von selbst, dass eine DVT-Aufnahme ausschließlich dann angefertigt wird, wenn klinische und strahlungsärmere röntgenologische Untersuchungsmethoden keine eindeutige Diagnostik, Entscheidungsfindung oder Behandlungsplanung ermöglichen [8,9].

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Jörg Tchorz


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