Tipps und Tricks bei direkten Kompositrestaurationen – Teil 3

Direkte Kompositrestaurationen sind heutzutage praktisch universell einsetzbar. Für einen klinischen Langzeiterfolg müssen jedoch verschiedene Faktoren berücksichtigt und bestimmte Grundregeln befolgt werden. Nachdem im 1. Teil dieser Artikelserie* die diagnostischen und konzeptionellen Aspekte beleuchtet wurden und im 2. Teil** der Fokus auf der Praxis sowie dem klinischen Ablauf einer Füllungslegung lag, stellen die Autoren im vorliegenden 3. und letzten Teil anhand von Beispielen besonders schwierige und komplexe Fälle vor und geben Hilfestellungen sowie konkrete praktische Lösungsansätze.
Wie bereits in den beiden vorhergegangenen Beiträgen deutlich hervorgehoben, ist das Legen einer Kompositrestauration mittlerweile restaurative Routine und kann fast ubiquitär eingesetzt werden, wenn nicht ein besonderer Patientenwunsch oder spezielle Indikationen indirekte prothetische Rekonstruktionen erfordern. Aber es gibt natürlich wie immer auch bei direkten Restaurationen besonders schwierige klinische Situationen, welche es dem Behandler nur unter Zuhilfenahme geeigneter Hilfsmittel und -maßnahmen erlauben, die vorher genannten Grundregeln und -aspekte zielgerichtet, erfolgreich und ohne Abstriche auch bei herausfordernden Verhältnissen zu erfüllen, um damit den täglichen Umgang mit direkten Kunststofffüllungen in der Praxis in möglichst vielen Indikationen zu ermöglichen und zu erleichtern.
Dieser 3. Teil befasst sich daher schwerpunktmäßig mit beispielhaften komplexen Situationen in der klinischen Praxis und möglichen Tipps und Tricks, wie entsprechende Probleme gelöst werden können. Dazu gehört aus Sicht der Autoren unter anderem vor allem die Versorgung folgender komplexer Konstellationen:
- tiefe Kavitätenränder
- ausgedehnter Substanzverlust
- Reparaturen von beispielsweise VMK-Kronen
Diese Teilaspekte wollen wir nachfolgend beleuchten und mit illustrativen Beispielen praktische Hilfestellungen leisten.
Praktische Tricks und Tipps bei schwierigen typischen klinischen Situationen
Wie oben erläutert, stellen direkte Kompositrestaurationen einen Routineeingriff in der täglichen Praxis dar. Es sollten aber die grundlegenden Aspekte zum Legen einer durchwegs soliden Füllung jederzeit berücksichtigt und umgesetzt werden können.
Diese diversen Teilaspekte – wie in Teil 2 gezeigt – stellen im Prinzip allgemeine Verfahrensmöglichkeiten und -richtlinien dar, die für eine konventionelle Durchschnittsrestauration Geltung haben. Je nach Fall und Problemstellungen können in der Praxis jedoch jederzeit besonders schwierige und spezielle Konstellationen auftreten, die dem Behandelnden die Grenzen der Routine mehr oder weniger drastisch vor Augen führen, wobei zur Lösung alternative und innovative Ansätze notwendig sind.
Der tiefe Kavitätenrand – Stufenelevation
Karies ist kein selbstlimitierender Abbauprozess. Im Gegenteil, unbehandelt kann sich die bakterielle Desintegration intra-, respektive zirkumkoronal a priori ungehindert ausbreiten, wobei sich vor allem bei bestehenden Restaurationen im approximalen Bereich tiefe und schwer zugängliche Defekte bilden können. Besonders wenn diese in tiefe subgingivale Bereiche extendieren, können die Kavitätenpräparation, die adhäsive Vorbehandlung und/oder das kontrollierte Legen einer Füllung unter trockenen Bedingungen eine massive und häufige Herausforderung darstellen. Ein wenig invasives alternatives Verfahren, um diese Problematik anzugehen, besteht darin, den proximalen Kavitätenrand mithilfe an sich konventioneller direkter Komposittechniken – basierend auf den einfachen Prinzipien konventioneller Matrizentechniken – in eine supragingivale Position zu verlagern [1], was im Neudeutschen üblicherweise als „proximale Box-Elevation“ bezeichnet wird.
Das Konzept wurde unter anderem auch dafür entwickelt, die Kavitätenränder für eine Abdrucknahme und das akkurate Einsetzen eines indirekten Werkstückes derart zu positionieren, dass ein einfacheres klinisches Handling ermöglicht wird: Das heißt, dass der Abdruck (auch bei optischen CAD/CAM-Verfahren, aber auch konventionell) besser gelingt und die Überschussentfernung deutlich erleichtert wird [2]. Für direkte Verfahren bietet es in unserem Kontext vor allem den Vorteil, dass das Legen weiterer Inkremente und die definitive Formgestaltung mit Matrizen und Keilen einfacher realisiert werden können (Abb. 1).
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Abb. 1: Stufenhebung Schritt für Schritt: Ausgangssituation (A), Status nach Entfernung der insuffizienten Kompositfüllung und Exkavation mit subgingival liegender Dentinstufe (B), Legen einer zirkulären abdichtenden Metallmatrize (C), Status nach Legen des 1. Inkrements und Finieren mit einer EVA-Feile (D), Nachfinieren mit einer oszillierenden Feile (E) und mechanisches Anfrischen der Kompositstufe mit Sandstrahlen für die nachfolgenden Adhäsivschritte inklusive Silanisieren (F). Im Anschluss daran kann die Restauration wie üblich mit einer Halbmatrize morphologisch korrekt gestaltet werden.
© P. R. Schmidlin, T. Attin
Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass die biologische Breite bei präziser Technik des Legens dieses ersten tiefen Inkrements einen Schaden nimmt; auch hat diese Verfahrensweise nach heutigem Kenntnisstand keinen negativen Einfluss auf die marginale Integrität oder das Frakturverhalten – gerade auch bei wurzelkanalbehandelten Zähnen – unabhängig davon, ob sich die zervikalen Ränder im Schmelz oder Dentin befinden [3,4]. Die Lage tiefer Füllungsränder scheint also vor allem aus biologischer Sicht klinisch und sogar histologisch zu guten und unbedenklichen Ergebnissen führen zu können [5] (Abb. 2).
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Abb. 2: Im Rahmen des Einsetzens der Implantatversorgung (2004) wurde eine insuffiziente Füllung beim wurzelbehandelten Zahn 27 entfernt (A) und eine Stufenhebung durchgeführt (B), um in diesem Fall die optische Abdrucknahme zu erleichtern (C: Status nach Puderung). Bild D zeigt das frisch zementierte Keramik-Overlay. Die Röntgenbilder E bis G zeigen die stabile Situation in den Jahren 2004, 2008 und 2018 (Letzteres OPT-Ausschnitt).
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Formgestaltung und -hilfen bei massivem Zahnhartsubstanzverlust
Bei Frontzähnen – wie auch bei Seitenzähnen – hängt die Komplexität der Formgestaltung von der Größe und Ausdehnung der Defekte ab. Bei einfachem approximalem Zahnverlust (Klasse III) reichen meist einfache Matrizen. Fehlen jedoch große Teile der palatinalen respektive lingualen Wand sowie des Approximalkontaktes (Klasse IV; oder bei Traumata oder bereits vorbehandelten Zähnen), ist der Gebrauch von Matrizen allein meist nicht ausreichend. Auch hier können diverse Applikationstechniken hilfreich sein.
Oft kommen Formhilfen zum Einsatz, welche aus Silikonschlüsseln bestehen, die entweder auf einem Wax-up oder Mock-up basieren und dazu dienen, die Zahnform wiederherzustellen [6]. Auch hier gibt es eine Unmenge von Materialien und Techniken, sie alle haben aber gleichermaßen zum Ziel, die Formgebung zu unterstützen und die Materialapplikation wesentlich zu erleichtern.
Im Seitenzahnbereich stellt das Erreichen idealer Kontakte und der korrekten anatomischen Form besonders bei Klasse-II-Situationen leider für viele immer noch eine Herausforderung dar [7]. Ein suffizienter Kontaktpunkt dient nicht nur der Aufrechterhaltung der Zahnbogenstabilität, er stützt und schützt auch die Interdentalpapille, verhindert „Food Impaction“ und dient allgemein der Sprache und Kosmetik, insbesondere im Frontzahnbereich [8,9].
Eine anatomische Kontaktpunkt- und Randleistengestaltung durch konturierte Matrizen führt ebenfalls zu einer geringeren Frakturanfälligkeit [10]. Neben zirkulären Voll- und Teil-Matrizen können kontaktgebende Instrumente, keramische Einsätze und Polymerisationsspitzen als technische Hilfsmittel zur zusätzlich verbesserten Kontaktpunktgestaltung dienen [11–13].
Eine besondere Art der Formhilfe stellt im Rahmen ausgeprägter Zahnhartsubstanzdefekte im okklusalen Bereich bei durch Erosionen und Abrasionen entstandenem Bisshöhenverlust die Zürcher Schienentechnik dar [14,15]. Mittlerweile sind diverse Abänderungen und Modifikationen daraus entstanden [16,17], u.a. eine Stempeltechnik [18] und Applikationsabwandlungen beispielsweise in Form von sogenannten Spritzgussverfahren [19,20]; Letztere scheinen sich vor allem für die Front zu eignen.
Alle Methoden basieren jedoch auf dem ursprünglichen Gedanken: die Formübertragung eines Wax-ups mit transparenten Schienen, welche als Träger und Formhilfen für die Kompositmaterial-Applikation dienen. Damit sind substanzschonende, kostengünstige(re) und reparable Sanierungen mindestens mittelfristig möglich und als solche mittlerweile anerkannt [21,22].
Ästhetische versus funktionelle Schicht- und Inkrementtechnik Gründe für das Scheitern von Restaurationen lassen sich grundsätzlich in biologische, funktionelle und ästhetische Misserfolge gliedern. Vor allem technische Faktoren beim Legen der Restaurationen können signifikant die Langzeitqualität beeinflussen.
Bezüglich Ästhetik variieren vor allem in der Front die Ansprüche und Anwendungsweisen enorm. Hier kann beliebig viel Aufwand betrieben werden und Matrizen und Formhilfen sind für die richtige Modellierung am zielführendsten. Ob mono-, duo- oder multichromatisch mit mehr oder weniger transluzenten Materialien gearbeitet wird, ist sehr vom Behandler abhängig.
Die Thematik der Ästhetik ist an sich wohl auch mehr für das Erscheinungsbild als für Langlebigkeit und biologische und funktionelle Qualität der Restauration entscheidend. Farbübereinstimmung, die anatomische Form und Oberflächen- sowie Randverfärbung sind die häufigsten Gründe für ein qualitatives Versagen in Studien, bei denen die Restaurationen vor allem aus ästhetischen Gründen eingesetzt wurden.
Es sind daher in der Vergangenheit diverse Schattierungs- und Schichtungskonzepte entstanden, die sich schrittweise von einer vereinfachten, nicht histoanatomischen, mono- oder bilaminären Technik (grundsätzlich Dentin- und Schmelzschicht, plus Effektfarben bei Bedarf) bis zu einem mehrschichtigen Ansatz (3 bis 4 oder mehr Schichten) entwickelten [23]. Grundsätzlich sei an dieser Stelle, wenn immer möglich, ein einfaches und zweckmäßiges Schichttechnikkonzept für den Alltagsgebrauch empfohlen, welches auf einer reduzierten Anzahl von Farben und Schichten basiert. Dies reicht meist aus, um eine pragmatische und adäquate ästhetische Integration und natürliche Farbwiedergabe/Emulation zu gewährleisten, die auf Sprechdistanz unsichtbare Restaurationen erlauben.
Im Rahmen der polychromatischen Schichtung bedient man sich in zahntechnischer Manier einer variablen Anzahl von Schichten unter Verwendung von opaken Dentin- (meist VITA™ oder non-VITA™) und chromatischen transluzenten oder opaleszenten Schmelzmassen, um eine optimale natürliche und wenn möglich unsichtbare Zahnerscheinung zu erzielen. Solche aufwendigen Methoden können auch im Seitenzahngebiet angewendet werden.
Komplexe Reparaturen (z.B. Kronenränder)
In der täglichen klinischen Praxis hängt der Ersatz einer Restauration nicht nur vom Zustand des restaurierten Zahnes ab, sondern auch von der oralen und allgemeinen Gesundheit des einzelnen Patienten, den Ergebnissen der Risikobewertung und nicht zuletzt von der informierten Zustimmung des Patienten. Vor allem bei alten Restaurationen und Rekonstruktionen können Gingiva-Rezessionen zu schwerwiegenden ästhetischen Problemen führen, insbesondere wenn sie mit der Freilegung von Kronen- oder Brückenrestaurationsrändern verbunden sind. Wenn die Situation nicht primär durch noninvasive oder mukogingivale plastische Methoden restituiert werden kann [25], wird in der Regel die prothetische Versorgung gemeinhin ersetzt.
Als alternative Methode können die technisch einfachen Komposit-Reparaturfüllungen eingesetzt werden, um die freiliegende Wurzeloberfläche abzudecken und damit den sichtbaren Kronenrand zu kaschieren [26]. Dieses Verfahren ist weniger kostspielig und invasiv, liefert aber zufriedenstellende pragmatisch-ästhetische Ergebnisse. Dabei muss jedoch auf aktuelle Prinzipien der Etablierung der Adhäsion auf verschiedenen Zahnhartsubstanz- und Restaurationsmaterialien zurückgegriffen werden (Abb. 3).
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Abb. 3: Übersicht zur mechanischen und chemischen Oberflächenvorbereitung.
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Mittlerweile ist bekannt, dass metallische und keramische Oberflächen adhäsiv mit Kompositmaterialien repariert werden können, und die Methoden wurden intensiv und breit untersucht und beschrieben [27–29]. Die Präparation und Vorbereitung der Kronenränder spielen dabei eine besonders wichtige Rolle.
Es sollte auch sichergestellt werden, dass die im Munde verbleibende Rekonstruktion schadlos und kariesfrei bestehen bleiben kann: Das heißt, nach Präparation sollten die Retention und die Absenz möglicher Sekundärkaries- und Infektionsrückstände genau geklärt werden. Gerade bei strategisch wichtigen Rekonstruktionen können vor allem im Rahmen der Alterszahnmedizin Pfeiler auch längerfristig erhalten werden, was ebenfalls in Zukunft eine Indikation darstellen wird, welche noch mehr Gewicht erhalten wird (Abb. 4 und 5).
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Abb. 4: Reparatur einer leichten Rezession bei den zentralen Oberkiefer-Inzisiven (A): Zuerst wurden Retraktionsfäden gelegt (B) und die Kavität und die Ränder präpariert (C). Nach dem Sandstrahlen (D) wurde die Keramik mit Flusssäure geätzt (E) und die Oberflächen adhäsiv vorbereitet (F). Das Metall und die dunklen Wurzeln wurden mit einer Malfarbe unterlegt (G). Bild H: Zustand nach Politur.
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Abb. 5: Langzeitbeobachtung einer Reparatur (Fall aus der Publikation SDJ): Abbildung A zeigt den Initialstatus (2005), B: Zustand unmittelbar nach Restauration (2006), C: nach 5 Jahren (2011; Überschüsse und leichte Verfärbungen sind sichtbar; der Zustand wurde weiter beobachtet), D: Situation 2 Jahre nach 1. Korrektur im Sinne eines leichten Recoatings und Einfärbens (2021).
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Exotische Anwendungen von Kompositfüllungen
Kompositmaterialien können das Armamentarium und Spektrum der Zahnmedizin, wie oben dargestellt, wesentlich unterstützen und erlauben eine enorme Flexibilität, wenn es darum geht, salopp ausgedrückt, zu kleben und anzusetzen. Leider umhüllt diese Aspekte und Vorgehensweisen immer noch ein negativer Hauch von reparativer Zahnmedizin auch im Sinne einer mehrheitlich provisorischen Herangehensweise.
Betrachtet man allerdings den nonrespektive minimalinvasiven Charakter, die Kosten und Möglichkeiten, erstaunt es, dass diesen Maßnahmen so wenig Berücksichtigung in der täglichen Zahnarztpraxis zugesprochen wird. In diesem Zusammenhang soll mit 3 Beispielen auf die Möglichkeiten eingegangen werden.
Schienung und Befestigung extrahierter Zähne
Eine Zahnextraktion vor allem im sichtbaren Bereich führt in der Regel zu mehr oder weniger aufwendigen Folgebehandlungen im Sinne von abnehmbaren und festsitzenden prothetischen Lösungen. Dabei können die Lücken auch unter Verwendung der extrahierten Zähne mindestens langzeitprovisorisch wieder mit einfachen Verfahren – ebenfalls basierend auf den Prinzipien der adhäsiven Kompositrestaurationen – an Nachbarzähnen befestigt werden.
Es gilt dabei zu beachten, dass in Analogie zu adhäsiven Klebebrücken eine unilaterale Befestigung meist zielführender ist, da schon früh gezeigt wurde, dass die Befestigung an 2 benachbarten Zahnflächen eher zu einer höheren Frakturrate bereits innerhalb des 1. Jahres führt [30], wobei einseitig frakturierte RBFDPs wiederum über 5 und 10 Jahre komplikationslos in situ verblieben [31]. Daher werden unilateral befestigte adhäsive Anhängerbrücken als ein noch konservativerer Behandlungsansatz vorgeschlagen [32].
Als Hilfestellung für die Wiederanbringung in der gleichen Position kann eine einfache direkte Repositionshilfe aus lichthärtendem semisolidem Füllungsmaterial für temporäre Versorgungen verwendet werden, die vor Extraktion des Zahnes an der Stelle, wo prospektiv nicht geklebt wird, angebracht und gehärtet wird.
Es empfiehlt sich ebenfalls vor Extraktion, eine kleine Retention im Sinne einer modifizierten Klasse-III-Kavität in den Zahn zu bohren sowie den Gingivaverlauf mit einem wasserfesten Filzstift zu markieren. Nach der Extraktion muss der Zahn gekürzt, die Wurzeloberfläche gereinigt und der Apex mit einem fließfähigen Komposit adhäsiv im Sinne eines abgerundeten Pontics verschlossen werden. Da es bei der Befestigung bluten kann, empfehlen die Autoren, den Zahn unter Kofferdam einzusetzen.
Es muss dann darauf geachtet werden, dass der Zwischengliedbereich breit ausgestanzt wird, damit der Kofferdam locker bleibt und bei der Insertion des Pontics in die Tiefe nachgibt. Zudem schützt der Kofferdam auch besser vor Kontamination durch Speichel und Blut und erleichtert auch das Sandstrahlen. Wenn die Wunde beispielsweise mit Kollagen gut abgedichtet und mit einer Kreuznaht versehen wird, wird die Blutungsneigung zusätzlich reduziert (Abb. 6 und 7).
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Abb. 6: Exemplarischer Fall bei Extraktion eines parodontal stark angeschlagenen lateralen UK-Inzisiven (A). Es wurde vor Extraktion eine Kavität im Sinne einer Klasse III präpariert und der Gingivaverlauf markiert (B). Anschließend wurde eine kleine Repositionshilfe vorbereitet, welche den anderen Interdentalraum umfasste (C/D). Nach Extraktion und Versorgung mit einem Kollagenkegel zur Koagulumstabilisierung und Blutungsreduktion (E) wurde der extrahierte Zahn extraoral gesäubert, der Apex im Sinne eines Pontics gefüllt und zum Einkleben vorbereitet (inkl. Sandstrahlen und Konditionieren; F). Anschließend wurde der Zahn repositioniert und adhäsiv im Sinne einer einfachen approximalen Kompositschienung befestigt (G/H). Abbildung I zeigt die Situation nach 9 Monaten.
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Abb. 7: Kombinierte Extraktionsbehandlung mit Schienung und konsekutivem Kompositumbau der Front bei einem parodontal stark angeschlagenen Zahn 12 vor (A) und nach Behandlung/Schienung (B). Anschließend wurde die Front mit Komposit korrigiert (die Krone bei 11 wurde belassen und minimal präpariert, um eine Beschichtung zuzulassen; Behandlung im Jahr 2011, C). Status 10 Jahre später (2021; durch Rezession wurde der Kronenrand deutlich sichtbar und es kam bei der Schienung zu einer leichten Abplatzung, D2). Die Situation wird beobachtet und im Bedarfsfall repariert.
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Lückenschluss durch Zahnverbreiterung
Mit Komposit kann man auch unkonventionell Lücken schließen, und das nicht nur in der Front. Es gibt Patienten, die aufgrund medizinischer Grundleiden oder Risiken keine Implantate wünschen oder bei denen der Kostendruck eine entsprechende Versorgung – auch mit Brücken – verbietet. Mit Komposit kann jedoch auch hier Abhilfe geschaffen werden.
Das Grundprinzip basiert vor allem auf Arbeiten und Erkenntnissen aus Heidelberg [33–36]. Die Methode fußt auf dem Verschluss des Interdentalraumes durch direkte bilaterale Kompositaufbauten, welche komplett auf eine approximale Kastenpräparation verzichten und rein durch das Ankleben an die Approximalflächen im Sinne einer bukkalen und lingualen Extension charakterisiert sind [37].
Wichtig bei dieser Methode ist es, dass die Zähne nicht geschient werden, wodurch die Zahnbeweglichkeit erhalten bleibt und Zugkräfte, wie sie bei einem starren System auftreten, vermieden werden können. Es ist klar, dass die Okklusion sorgfältig eingestellt werden muss und wenn möglich auf eine dynamische Okklusion eher verzichtet wird. Zudem muss eine gründliche Mundhygieneinstruktion erfolgen und eine adäquate Compliance des Patienten vorliegen, die eine uneingeschränkte und eine perfekte interdentale Reinigung mit passgenauen Interdentalbürsten und Zahnseide ermöglicht und garantiert.
Die balkonartige Ausformung kann – je nach Abstand der Zähne – auch derart modifiziert werden, dass ein eigentliches Zwischenglied mit einem sogenannten „Putzfuß“ entsteht. Dabei sind praktisch keine Grenzen gesetzt und – sofern es das Handling erlaubt – können in der Front und im Seitenzahngebiet entsprechende Abwandlungen indiziert und möglich sein (Abb. 8 bis 10).
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Abb. 8: Zahnverbreiterung nach dem Heidelberger-Verfahren. A/B: Ausgangsbefund. Zunächst wurde ein Kofferdam gelegt (C) und die Approximalflächen sandgestrahlt (D). In diesem Fall wurde zuerst die Distalfläche von Zahn 13 modelliert (E) und anschließend die Mesialfläche von 14 schrittweise aufgebaut (F–H). Abschlusssituation (I/J) und Status nach knapp 1,5 Jahren (K/L).
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Abb. 9: Modifizierte Technik zum Lückenschluss eines fehlenden Molaren (45 wurde im Rahmen einer KFO-Behandlung bereits in der Jugend extrahiert; A/B). Nach Trockenlegung mit Kofferdam (C/D) wurde zuerst die Mesialfläche von 47 sandgestrahlt und konditioniert. Eine Gummiligatur wurde an den Kofferdam mit Histoacryl punktförmig befestigt und es wurde ein Prämolar modelliert (E/F). Die Ligatur wurde entfernt und der Bereich mit einem Teflonband isoliert. Anschließend wurde der Kontaktpunkt zu Zahn 43 hergestellt (G). H/I: Fertige Restaurationen und Lückenschluss; der angehängte modellierte Prämolar kann einfach(er) mit einer Interdentalbürste gereinigt werden.
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Abb. 10: Im Rahmen des Füllungsersatzes der beiden alten Amalgamfüllungen bei Zahn 44 wurde die Form nach bukkal korrigiert. Dieser Kompromiss wurde vom Patienten sehr positiv aufgenommen und störte nicht. Die Mundhygiene mit Zahnseide ist einfach möglich. Eine gute Instruktion und Maintenance sind wichtig.
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Komposit im Rahmen der Black-Hole-Disease
Was das Vorhandensein anatomischer geschlossener Papillen und eines Col betrifft, ist die schwierige und komplexe Situation bei Implantaten gerade bei Versorgungen mit benachbarten Implantaten hinlänglich bekannt und eine besondere Herausforderung. Ein essenzieller Faktor bei der Etablierung und Füllung des interdentalen Dreiecks ist der Faktor Abstand zwischen marginalem Alveolarknochen und Kontaktpunkt. In Studien scheint dies sehr variabel (2 bis 11 mm) zu sein und eine teilweise respektive komplette Auffüllung wurde bei Implantaten zwischen 57 und 100% vorgefunden [38].
Es wird gemeinhin ein Mindestabstand zwischen Knochen und Kontaktpunkt von 5 mm beschrieben [39]. Ist der Abstand größer, bleibt in den meisten Fällen ein Hohlraum (engl. „black hole“) zurück, der nicht nur ästhetisch kritisch sein kann, sondern vor allem ein Risiko für die Retention von Nahrungsmittelresten und Plaque sowie eine Herausforderung für die Reinigung und langfristige Gesunderhaltung darstellt [40]. Er kann unter anderem auch zu phonetischen Problemen führen.
Während die Wiederherstellung der Weichgewebekontur durch regenerative und plastische Eingriffe je nach Weichgewebssituation nicht 100%ig voraussagbar ist, vor allem nicht im Papillenbereich [41], bietet sich in erster Linie also eine Korrektur der Zahnhartgewebe an, um ästhetisch korrigierend in diesem Kontext einzugreifen [42]. Diese Korrektur wird per se durch eine Verlagerung des Kontaktpunktes nach apikal erreicht, was grundsätzlich auch durch kieferorthopädische Maßnahmen inklusive Strippings erreicht werden kann.
Als am kostengünstigsten und substanzschonendsten ist auch hier die Anwendung von direkten Kompositfüllungen mit gängigen Säure-Ätz-Techniken zu nennen. Diese additiven Verfahren zur Zahnverbreiterung haben auch sonst nach Jahren – wenngleich nota bene an nicht parodontologisch erkrankten Kohorten untersucht – gute und voraussagbare klinische Resultate gezeigt [42,43] (Abb. 11).
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Abb. 11: Komplexe Rehabilitation eines schwarzen Dreiecks mit parodontalem Knochenverlust (A–C). Nach Chirurgie und GTR (2008) blieb nach der Heilung immer noch ein Weichgewebsdefekt (D/F). Dieser wurde mit entsprechender Matrizentechnik im gleichen Jahr mit Komposit aufgebaut (E/G). 13 Jahre nach Behandlung zeigt sich eine teilweise knöcherne Regeneration mit einem mit Weichgewebe gefüllten Interdentalraum (H/I). Der Abstand Knochen zu Kontaktpunkt wurde deutlich reduziert.
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Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Auch komplexe Situationen können mit entsprechenden technischen und praktischen Hilfen mit etwas innovativem Geist erfolgreich angegangen werden. Der Umgang mit Komposit dient dazu, bei vielen kompromittierenden Situationen kostengünstig(er) und minimalinvasiv durch konsequente Umsetzung adhäsiver Verfahren Zahnsubstanz zu erhalten, auf- und umzubauen.
Auch wenn diese Restaurationen kein Leben lang halten werden, so bietet dieses Vorgehen doch die Möglichkeit, die Zähne und (bestehende) Restaurationen zu beobachten und den Patienten zu kontrollieren, zu überwachen und bei Bedarf zielgerichtet darauf aufbauende Maßnahmen zeit- und interventionsgerecht zu planen und durchzuführen. Diese Maßnahmen sollten aber nur bei dafür geeigneten Patienten Anwendung finden und gehören in die Hände von motivierten und talentierten Behandlern (das kann man aber werden).