Notfallmanagement in der Zahnarztpraxis (2)

Auch wenn „echte“ Notfälle in der Zahnarztpraxis eher selten sind, müssen Zahnärzte und Zahnärztinnen und ihr Team jederzeit in der Lage sein, im Ernstfall richtig zu handeln. Regelmäßige Schulungen mit dem gesamten Praxisteam schaffen Grundlagen für ein funktionierendes Notfallmanagement und können zudem helfen, eine gewisse Routine im Umgang mit Notfällen zu entwickeln. Im vorliegenden 2. Teil dieser Artikelserie werden die verschiedenen Lagerungsarten bei einem Notfall veranschaulicht, zu ergreifende Maßnahmen bei Atemstörungen beschrieben und die Grundlagen der Reanimation erläutert.
Lagerung von Notfallpatienten/-innen
Die richtige Lagerung einer erkrankten bzw. verletzten Person ist eine wichtige Erstmaßnahme, die ohne großen Aufwand und ohne Risiko von jedem Ersthelfer/-in durchgeführt werden kann. Allein durch das Umlagern in eine günstigere Körperposition kann ein lebensbedrohlicher Zustand verhindert und einer Verschlimmerung der Erkrankung vorgebeugt werden. Die Art der Lagerung richtet sich danach, was bei der Überprüfung der Vitalparameter festgestellt wurde.
Stabile Seitenlage
Jeder Mensch, bei dem das Bewusstsein, nicht aber das Herz-Kreislaufsystem oder die Atmung gestört ist, muss in die stabile Seitenlage gebracht werden. Das genaue Vorgehen wurde bereits in Teil 1* dieser Artikelserie detailliert beschrieben.
Flachlage
Liegt ein Atem- oder Kreislaufstillstand vor, legen Sie die betroffene Person flach in Rückenlage auf einen harten Untergrund, am einfachsten auf den Fußboden. Nur in dieser Position können Sie die notwendigen Maßnahmen wie Beatmung und Herzdruckmassage optimal durchführen. Falls möglich, sollten Sie den Platz gleich so wählen, dass Sie um die erkrankte Person herum genug Raum für Ihre Hilfsmaßnahmen haben.
Schocklage
Bei allen Verletzungen oder Erkrankungen, die mit einem größeren Blutverlust oder einem „Versacken“ des Blutes im Körper (z.B. bei der vasovagalen Synkope, bei der Anaphylaxie) einhergehen, kann eine Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff und eine daraus eventuell resultierende Bewusstseinsstörung durch eine „Autotransfusion“ von körpereigenem Blut von den unteren Extremitäten in den Oberkörperbereich mithilfe der Schocklage verzögert, verringert oder verhindert werden.
Dazu müssen Sie entweder den Oberkörper der betroffenen Person in eine Tieflage bringen, z.B. indem Sie die Person schräg legen, oder falls dies nicht möglich ist, die Beine anheben und in dieser Position halten. Sollte der/die Betroffene bewusstlos sein, hat natürlich die stabile Seitenlage Vorrang vor der Schocklage.
Oberkörperhochlage
Die Hochlagerung des Oberkörpers ist eine wichtige Sofortmaßnahme an nicht bewusstlose Personen vor allem bei Atemstörungen, bei Herzerkrankungen und bei Verletzungen im Oberkörper- oder Kopfbereich. Die Lagerung wird durchgeführt, indem Sie den Oberkörper in einem Winkel von 15 bis 45° beziehungsweise nach den Wünschen der Patientin oder des Patienten anheben.
Übersicht über die Lagerungsarten
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© S. Müller
Maßnahmen bei Atemstörungen
Freimachen und Freihalten der Atemwege: Die häufigste Ursache für eine Verlegung der Atemwege ist, insbesondere bei einer bewusstlosen Person, das Zurücksinken des Zungengrunds gegen die Rachenhinterwand.
Deshalb lässt sich oft schon durch das Überstrecken des Kopfes die Atemtätigkeit wiederherstellen. Mit dieser einfachen Methode werden Unterkiefer und Zungengrund angehoben, nach vorne geschoben und so die Atemwege freigegeben.
Überstrecken des Kopfes
- Die erkrankte Person in die flache Rückenlage oder in die stabile Seitenlage bringen.
- Seitlich am Kopf des/der Erkrankten knien.
- Mit einer Hand den Kopf des/der Erkrankten an der Stirn und mit der anderen Hand unter das Kinn fassen.
- Den Kopf zwar ohne Gewaltanwendung, aber dennoch mit kräftigem Druck nackenwärts überstrecken.
- Überprüfen, ob die Atmung jetzt vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall, muss der Unterkiefer der erkrankten Person zusätzlich nach vorne gezogen und der Mundraum inspiziert werden, um zu überprüfen, ob irgendwelche Fremdkörper die Atemwege verlegen.
Esmarch-Handgriff
Ziehen Sie den Unterkiefer nach vorne, indem Sie mit Ihren Fingern die Unterkieferwinkel und mit Ihren Daumen den Unterkiefer auf beiden Seiten umfassen und den Mund dann durch Druck nach vorne drücken und gleichzeitig öffnen. Pressen Sie nun mit einem Daumen die Wange des/der Erkrankten zwischen seine/ihre Zahnreihen, um so den Mund offen zu halten. Halten Sie nach Fremdkörpern Ausschau, entfernen Sie gegebenenfalls diese.
Heimlich-Manöver
Ist angezeigt bei Erfolglosigkeit anderer Sofortmaßnahmen zur Entfernung von Fremdkörpern in den Atemwegen bei Bolusgeschehen (z.B. 3 bis 4 harte, kurz hintereinander ausgeführte Schläge mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter).
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© S. Müller -
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© S. Müller
Durchführung des Heimlich-Handgriffs:
- Die betroffene Person im Stehen oder Sitzen von hinten umfassen und beide Hände im Bereich der Magengrube übereinanderlegen, wobei die unten liegende Hand zur Faust geballt wird.
- Mehrere kräftige Druckstöße in Richtung Zwerchfell (also nach schräg hinten und oben) durchführen.
Reanimation – Basismaßnahmen
Die Herzdruckmassage – korrekter als Thoraxkompression bezeichnet – wird als „die“ entscheidende Basismaßnahme beim Herz-Kreislaufstillstand angesehen. In der Frühphase der Reanimation – und noch vor jeder Beatmung – kann sie die Sauerstoffversorgung des Gehirns durch die Verteilung des Restsauerstoffs aus dem anfangs noch gut sauerstoffgesättigten Blut wieder herstellen. Ein Absterben der Gehirnzellen durch Sauerstoffmangel kann somit um mehrere Minuten und, wenn eine effektive Beatmung dann noch hinzukommt, für einen sehr viel längeren Zeitraum verhindert werden.
Jeder Patient, der nicht reagiert und nicht normal atmet, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Kreislaufstillstand und benötigt eine sofortige Wiederbelebung! |
Basismaßnahmen der Wiederbelebung
- Notruf 112 wählen (lassen)
- Wenn ein Automatisierter Externer Defibrillator (AED) verfügbar ist, holen (lassen)
- Patient in Rückenlage (auf Boden) bringen
- Atemwege frei machen (s.o.)
- Kleidung über dem Brustkorb öffnen und den Druckpunkt auf der unteren Hälfte des Brustbeins aufsuchen
- Sofortiger Beginn mit Thoraxkompressionen
- Initial als alleinige kontinuierliche Maßnahme ohne Beatmung und ohne Unterbrechung
- Kompression senkrecht von oben
- Eindrucktiefe 5 bis 6 cm
- Frequenz 100 bis120/Min. - Falls Sie/Ihr Team trainiert sind, baldmöglichst Kombination von 30 Thoraxkompressionen und 2 Beatmung im Wechsel
- Falls nicht: Fortführung der möglichst unterbrechungsfreien Thoraxkompressionen, bis der Rettungsdienst eintrifft
- Sobald ein AED verfügbar ist, anschalten, Elektroden auf die Brust des Patienten kleben und Anweisungen des Gerätes folgen
Anwendung eines AEDs
In bis zu 80% aller Kreislaufstillstände liegt die Ursache in einer lebensbedrohlichen Herzryhthmusstörung, dem Kammerflimmern. Die einzig effektive therapeutische Maßnahme ist hier die möglichst frühe elektrische Defibrillation mithilfe eines entsprechenden Hilfsmittels, dem AED. Diese Geräte „führen“ den Anwender sicher und sind somit auch von jedem medizinischen Laien gefahrlos einsetzbar. Bis das AED einsatzklar ist, sollte immer schon eine kontinuierliche Thoraxkompression erfolgen.
- Schalten Sie den AED ein und kleben Sie die Elektroden auf die nackte Brust des/der Patienten/-in.
- Eine Elektrode sollte unterhalb des rechten Schlüsselbeins aufgeklebt werden, die andere an der linken Brustkorbseite unterhalb der Achselhöhle.
- Folgen Sie den Sprachanweisungen des AED.
- Drücken Sie nach der Anweisung „Schock auslösen“ den Defibrillationsknopf.
- Stellen Sie dabei sicher, dass niemand den/die Patienten/-in berührt.
- Starten Sie unverzüglich nach der Schockabgabe erneut mit der Wiederbelebung und folgen weiteren Sprachanweisungen des Gerätes.
- Wenn kein Schock empfohlen wird, nehmen Sie ebenfalls unverzüglich die Wiederbelebung wieder auf.
- Sobald bzw. erst wenn der/die Patient/-in sichere Lebenszeichen zeigt (die betroffene Person atmet wieder/bewegt sich wieder/wacht auf), können die Thoraxkompressionen beendet werden.