Allgemeine Zahnheilkunde


Neue Gerinnungshemmer – was müssen Zahnärzte beachten?


Die medikamentöse Gerinnungshemmung beruhte bislang auf zwei Therapieprinzipien: Zum einen wurden in der oralen Dauertherapie Vitamin-K-Antagonisten (Marcumar®, Falithrom®, Coumadin® = Warfarin oder Generika) eingesetzt, zum anderen erfolgte die akute, parenterale Antikoagulation mit unfraktionierten bzw. niedermolekularen Heparinen. Zurzeit werden in Deutschland etwa 700.000 Patienten dauerhaft mit den herkömmlichen Antikoagulanzien behandelt [6].

Da die Steuerung der oralen Antikoagulation mit Vitamin- K-Antagonisten sehr aufwendig und durch zahlreiche Interaktionen mit anderen Medikamenten und Nahrungsmitteln hochkomplex ist, konzentriert sich die Forschung schon seit Jahren auf die Entwicklung neuer Substanzen zur oralen Dauerantikoagulation. Ein Grund hierfür ist auch die Tatsache, dass nur ca. 35 bis 70 % der Patienten im therapeutischen Bereich eingestellt sind, d. h. in der Regel bei einem INR (International Normalized Ratio) von 2,0 bis 3,0 [3]. Die größte Indikationsgruppe für eine Antikoagulation sind Patienten mit Vorhof flimmern, das statistisch bei mehr als 15,5 % der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen auftritt [4]. Zielpunkt der Therapie ist die Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien. In den letzten Jahren sind drei neue orale Antikoagulanzien auf den Markt gekommen, deren Wirkung auf der gezielten Hemmung einzelner Gerinnungsfaktoren beruht (Abb. 1):

  • Dabigatran (Pradaxa®) hemmt Thrombin (Faktor IIA); Dosis: 2 x 150 mg/Tag oder bei verminderter Nierenfunktion 2 x 110 mg
  • Rivaroxaban (Xarelto®) hemmt den Faktor Xa; Dosis: 1 x 20 mg/Tag oder bei verminderter Nierenfunktion 1 x 15 mg/Tag
  • Apixaban (Eliquis®) hemmt den Faktor Xa; Dosis: 2 x 5 mg/Tag

  • Abb. 1: Wirkorte von Apixaban, Rivaroxaban und Dabigatran innerhalb der Gerinnungskaskade.

  • Abb. 1: Wirkorte von Apixaban, Rivaroxaban und Dabigatran innerhalb der Gerinnungskaskade.
Diese Substanzen sind bereits für verschiedene Indikationen zugelassen oder befinden sich in der Phase der Zulassung. Für alle drei „klassischen“ Indikationen

  • postoperative Thromboseprophylaxe (z. B. nach Hüftoder Kniegelenksersatz),
  • Thrombosetherapie und langfristige Sekundärprophylaxe von Thromboembolien sowie
  • Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern ist zum jetzigen Zeitpunkt nur Rivaroxaban (Xarelto®) zugelassen. Dabigatran (Pradaxa®) hat noch keine Zulassung für die langfristige Thromboseprophylaxe, Apixaban (Eliquis®) wird momentan nur für die postoperative Thromboseprophylaxe eingesetzt. Aufgrund der Datenlage ist aber auch für die beiden anderen Wirkstoffe in naher Zukunft mit einer Erweiterung der Zulassungen zu rechnen [5].

In der wissenschaftlichen Diskussion werden insbesondere folgende Vorteile der neuen Medikamentengruppe hervorgehoben [3]:

  • keine Überwachung der Dosierung erforderlich, da diese konstant bleibt (Ausnahme: Verschlechterung der Nierenfunktion)
  • rascher Wirkungseintritt
  • kurze Halbwertszeit (14–17 h bei Dabigatran)
  • in der Regel kein „Bridging“ mit niedermolekularen Heparinen vor Operationen erforderlich

Folgende Nachteile sind zu nennen:

  • Fehlen eines speziellen Antidots bei Blutungskomplikationen
  • Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörung aufgrund der renalen Ausscheidung erforderlich
  • Verlust der Gerinnungshemmung bei mangelhafter Compliance des Patienten
  • sehr hohe Therapiekosten im Vergleich zu Vitamin-KAntagonisten (bei Dabigatran Faktor 17 gegenüber Marcumar®)

Bereits heute wird der Einsatz des Thrombininhibitors Dabigatran bzw. der Faktor Xa-Hemmer bei Patienten mit inkonstanter INR-Einstellung [1,3] und bei Patienten mit starken Nebenwirkungen (z. B. Alopezie) unter der bisherigen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten [1] empfohlen. Aus internistischer Sicht werden die langjährig erprobten Vitamin-K-Antagonisten allerdings weiterhin so lange die Basis der oralen Antikoagulationstherapie darstellen, bis offene Fragen z. B. bezüglich unzureichender Therapieadhärenz (Abbruchrate bis 20 %) oder existierender Arzneimittelinteraktionen der neuen Konkurrenzprodukte beantwortet sind [6].

Wie muss der Zahnarzt mit diesen Patienten umgehen, wenn sie sich in seine Behandlung begeben?

Zunächst sind die neuen Gerinnungshemmer aufgrund ihrer einfachen Anwendung sehr patienten- und behandlerfreundlich. Diese Medikamentengruppe weist eine vorhersagbare Pharmakokinetik auf, d. h. die Plasmakonzentration korreliert eindeutig mit dem Grad der Gerinnungshemmung. Somit ist ein Gerinnungsmonitoring zur Dosiseinstellung nicht erforderlich [2,7].

Besondere Regeln gelten für die zahnärztliche Chirurgie. Wird ein akuter Eingriff erforderlich, dann sollte die Einnahme dieser Medikamente vorübergehend unterbrochen werden. Empfohlen wird ein Zeitraum von mindestens 12, besser 24 Stunden [1,2]. Ist dies nicht möglich, muss mit einem erhöhten Blutungsrisiko gerechnet werden. Dies muss im Einzelfall gegen die Dringlichkeit des Eingriffs abgewogen werden. Bei hohem Blutungsrisiko (z. B. bestehender Leberfunktionsstörung), bei umfangreicheren Eingriffen und/oder eingeschränkter Nierenfunktion muss das Unterbrechungsintervall verlängert werden. Bei einer Kreatinin-Clearance zwischen 30 und 50 ml/min (entspricht einer mittelgradigen Niereninsuffizienz), muss z. B. Dabigatran vier Tage vor einem elektiven Eingriff abgesetzt werden [2]. Zu einem „Bridging“ (mit niedermolekularem Heparin) gibt es für die orale Chirurgie noch keine verwertbaren Daten. Die gleichzeitige Gabe von NSAR zur kurzzeitigen perioperativen Analgesie scheint das Blutungsrisiko nicht zu erhöhen. Generell ist für jeden Operateur zu empfehlen, eine subtile Blutstillung intra operationem durchzuführen und den Patienten engmaschig nachzukontrollieren. Aufgrund der Tatsache, dass kein bestimmtes Antidot für diese Medikamentengruppe existiert, muss bei gravierenden Blutungsrisiken oder Blutungskomplikationen eine Klinikeinweisung erwogen werden. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: PD Dr. med. Dr. med. dent. Frank Halling

Bilder soweit nicht anders deklariert: PD Dr. med. Dr. med. dent. Frank Halling


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