Modernes Biofilmmanagement – sind Pulver-Wasserstrahl-Gemische eine Alternative?

Die einzelnen Phasen der systematischen Parodontitisbehandlung verfolgen unterschiedliche Ziele: Ist das Augenmerk während der aktiven Therapiephase vor allem auf die supra- und subgingivale Entfernung mineralisierter harter Auflagerungen gerichtet, steht in der sich anschließenden Nachsorge (UPT) oft „nur noch“ die Biofilmzerstörung im Vordergrund, die möglichst substanzschonend und minimalinvasiv erfolgen sollte. Im vorliegenden Beitrag werden unter Berücksichtigung des klassischen Grundsatzes „primum nihil nocere“ die Indikationen für die unterschiedlichen Möglichkeiten der supra- und subgingivalen Instrumentierung und des Biofilmmanagements diskutiert und insbesondere die Effektivität von Pulver-Wasserstrahl-Gemischen im Rahmen der Parodontaltherapie auf Grundlage systematischer Übersichtsarbeiten bewertet.
Parodontitiden sind opportunistische Infektionserkrankungen des Zahnhalteapparates. Bei einem empfindlichen Wirt führt eine (meist) polymikrobielle Infektion mit pathogenen Mikroorganismen des oralen Biofilms [31] zunächst zu einer oberflächlichen Entzündung, einer Gingivitis. Besteht diese – noch vollständig reversible – Erkrankung fort, werden tiefere Teile des Zahnhalteapparates involviert und eine Parodontitis entsteht.
Aktuelle Evidenz zeigt, dass dadurch auch die Allgemeingesundheit kompromittiert wird. Spätestens jetzt ist eine systematische parodontale Therapie nötig, da der Biofilm in der Tiefe der parodontalen Taschen durch die häusliche Mundhygiene nicht mehr vollständig erreichbar und beeinflussbar ist. Wesentliches Ziel der initialen parodontalen Therapie und der daran anschließenden lebenslangen unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) ist es nun vor allem, wieder gesunde parodontale Verhältnisse im Sinne von geschlossenen Zahnfleischtaschen und ein biologisches Gleichgewicht zwischen dem kontinuierlichen mikrobiologischen „Angriff“ und der Immunantwort des befallenen Organismus im (vertieften?) parodontalen Sulkus und auf einer biokompatiblen Wurzeloberfläche herzustellen.
Subgingivaler Biofilm – eine therapeutische Herausforderung
Ein Biofilm ist eine „organisierte“ mikrobielle Gemeinschaft auf einer feuchten Oberfläche [31]. Diese vielschichtige Struktur schützt die Bakterien vor dem „Zugriff“ des wirtseigenen Immunsystems und vor antimikrobiellen Agentien, wie zum Beispiel Mundspüllösungen oder lokalen und systemischen Antibiotika [18]. Bis heute gibt es zur mechanischen Zerstörung des oralen Biofilms keine wissenschaftlich fundierten Alternativen.
Die „organisierten“ Bakterien wirken dabei nicht nur direkt, das Parodontium wird zumeist ohne eine bakterielle Invasion in die entsprechenden Kompartimente des Zahnhalteapparates durch die auf den bakteriellen Reiz hervorgerufene Immunantwort des Wirtes geschädigt. Verschiedene erworbene Risikofaktoren, wie zum Beispiel der Tabakkonsum, und/oder anlagebedingte genetische Modifikatoren erklären den individuell unterschiedlichen Verlauf der Erkrankung [20,21,36].
Systematische Therapie parodontaler Erkrankungen
Das 1. Ziel parodontal-therapeutischer Maßnahmen ist zunächst die Erfassung und Kontrolle etwaiger Risikofaktoren für die jeweilige individuell unterschiedlich ausgeprägte Erkrankung. Hierbei spielen die Motivation und die dauerhafte Optimierung der persönlichen Mundhygiene der Patienten/-innen eine entscheidende therapeutische Rolle. Zur Ermöglichung einer perfekten supragingivalen Plaquekontrolle erfolgt deshalb eine bedarfsorientierte, individuell abgestimmte Mundhygieneinstruktion (Abb. 1a–c).
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Abb. 1b.
© Prof. Dr. Clemens Walter -
Abb. 1c.
© Prof. Dr. Clemens Walter
Das primäre Augenmerk richtet sich hierbei auf die Reinigung der durch eine konventionelle Handzahnbürste nur unzureichend erreichbaren Zahnzwischenräume. Die Mittel der Wahl sind bei Parodontitispatienten/-innen feine Interdentalraumbürstchen geeigneter Größe [30].
Nach Abschluss der 1. Stufe der Leitlinien-basierten systematischen parodontalen Therapie werden die erkrankten Parodontien durch eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt bzw. eine Dentalhygienikerin oder Dentalhygieniker systematisch – Wurzeloberfläche für Wurzeloberfläche, Zahn für Zahn und Quadrant für Quadrant – gereinigt (subgingivale Instrumentierung, Scaling/Rootplaning) [3–8,33]. Hier gibt es im Wesentlichen 2 unterschiedliche zeitliche Protokolle. Entweder erfolgt die subgingivale Instrumentierung in einem schmalen Zeitfenster von 24 Stunden, im Sinne eines sogenannten „Full-Mouth Scalings“, an 2 aufeinander folgenden Tagen oder – eher traditionell in 3 bis 4 Behandlungen in etwa wöchentlichem Abstand [16,17,19,28].
Wesentliches parodontales Behandlungsziel sind sogenannte geschlossene Zahnfleischtaschen, also Sondierungstiefen ≤ 4mm und ohne eine Sondierungsblutung [37]. Sobald das therapeutische Ziel erreicht ist, sollte sich daran eine kontinuierliche, das heißt bei vielen Patienten/-innen eine alle 3 Monate erfolgende, mechanische Zerstörung des supra- und subgingivalen Biofilms im Rahmen der unterstützenden parodontalen Therapie (UPT, Stufe 4) anschließen. Diese Kombination wird als der zentrale Eckpfeiler der Parodontalbehandlung angesehen.
Bei konsequenter Anwendung kann davon ausgegangen werden, dass parodontale Gesundheit erreicht und Zahnverlust vermieden werden kann [35]. Wie in klassischen Studien gezeigt werden konnte, ist dieses Konzept sehr erfolgreich und über mehrere Jahrzehnte im Sinne von Langzeitstudien gut dokumentiert [2].
Möglichkeiten der subgingivalen Instrumentierung
Zur Kontrolle des subgingivalen Biofilms und zur systematischen Behandlung der erkrankten Parodontien stehen heute bewährte und einige neue innovative Instrumente oder Konzepte zur Verfügung (Abb. 2a und b). Bei der initialen Instrumentierung steht neben der Biofilmzerstörung die Etablierung einer biokompatiblen, das heißt einer glatten, harten und dekontaminierten Wurzeloberfläche im Vordergrund. Es sind daher Handinstrumente, zum Beispiel Gracey-Küretten und/oder Ultraschallansätze mit speziellen an die Zahnformen adaptierten Spitzen indiziert.
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Abb. 2a: Darstellung der Abrasivität und der Indikationen unterschiedlicher
parodontaler Instrumente oder Verfahren. Die zur Verfügung stehenden Instrumente unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Abrasivität und Invasivität. Ziel ist es,
in der Abwägung zwischen Invasivität und Patientenkomfort, die für jede Behandlung oder jeden Behandlungsschritt geeigneten supra- bzw. subgingivalen Verfahren auszuwählen. Bei der initialen Instrumentierung steht neben dem Biofilmmanagement die Etablierung einer biokompatiblen, d.h. einer glatten und harten
Wurzeloberfläche im Vordergrund. Es sind daher Handinstrumente, z.B. GraceyKüretten und/oder Ultraschallansätze mit speziellen, an die Zahnform adaptierten
Spitzen indiziert. In der darauffolgenden unterstützenden parodontalen Therapie
(UPT) steht bei vielen Parodontien oft „nur noch“ das minimalinvasive Biofilmmanagement im Vordergrund. Demzufolge sollte in der UPT weniger abrasiven
und eher patientenfreundlicheren Verfahren des Biofilmmanagements der Vorzug
gegeben werden.
© Prof. Dr. Clemens Walter -
Abb. 2b: Darstellung der Abrasivität und der Indikationen unterschiedlicher
parodontaler Instrumente oder Verfahren. Die zur Verfügung stehenden Instrumente unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Abrasivität und Invasivität. Ziel ist es,
in der Abwägung zwischen Invasivität und Patientenkomfort, die für jede Behandlung oder jeden Behandlungsschritt geeigneten supra- bzw. subgingivalen Verfahren auszuwählen. Bei der initialen Instrumentierung steht neben dem Biofilmmanagement die Etablierung einer biokompatiblen, d.h. einer glatten und harten
Wurzeloberfläche im Vordergrund. Es sind daher Handinstrumente, z.B. GraceyKüretten und/oder Ultraschallansätze mit speziellen, an die Zahnform adaptierten
Spitzen indiziert. In der darauffolgenden unterstützenden parodontalen Therapie
(UPT) steht bei vielen Parodontien oft „nur noch“ das minimalinvasive Biofilmmanagement im Vordergrund. Demzufolge sollte in der UPT weniger abrasiven
und eher patientenfreundlicheren Verfahren des Biofilmmanagements der Vorzug
gegeben werden.
© Prof. Dr. Clemens Walter
Gracey-Küretten zeichnen sich durch ihre zahnflächenspezifische Formgebung und eine schneidende Kante mit abgerundetem Arbeitsende aus. Somit ermöglichen diese grazilen Instrumente eine schonende, gezielte Instrumentierung der erkrankten Wurzeloberfläche, ohne die umgebenden Gewebe unnötig zu traumatisieren. Die Spitzen der Ultraschallinstrumente bestehen aus einer speziellen, für den medizinischen Einsatz geeigneten Metalllegierung und Oberflächenbeschichtung.
Unterschieden werden unter anderem piezoelektrische und magnetostriktive Systeme. Durch die hochfrequente Schwingung werden der Biofilm und die mineralisierten Ablagerungen von der Zahnoberfläche abgetragen.
Im Rahmen der entsprechend der Leitlinien neu konzipierten Stufe-2-Therapie erfolgt die subgingivale Instrumentierung zumeist mithilfe einer Kombination mit Verwendung eines Ultraschallgerätes und manueller (Nach-)Instrumentierung mit GraceyKüretten. Zunächst werden nach diesem Konzept alle erreichbaren mineralisierten und nicht mineralisierten Ablagerungen mit feinen Ultraschallspitzen entfernt.
Die Wurzeloberfläche wird dann mit einem geeigneten Tastinstrument (z.B. EXD11/12) auf verbliebene Ablagerungen kontrolliert. Eventuell wird mit Gracey-Küretten noch gezielt nachinstrumentiert. Diese Hybridtechnik hat den Vorteil, dass sich die Instrumente in ihrem Indikationsbereich ergänzen und eine adäquate Behandlung auch schwieriger Areale, wie zum Beispiel bei mehrwurzeligen Zähnen im Furkationsbereich, möglich wird. Üblicherweise ist eine Lokalanästhesie Voraussetzung, um gründlich arbeiten zu können.
Nebenwirkungen der Parodontitistherapie
Im Rahmen dieser absolut notwendigen Behandlung kann es jedoch zu einigen unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Patientinnen und Patienten sollten darüber im Vorfeld aufgeklärt werden. So wird die Instrumentierung der erkrankten Parodontien von den Patienten/-innen oft als unangenehm empfunden [11].
In Folge der Therapie kommt es zudem zu einem Rückgang des Zahnfleischs, sogenannten gingivalen Rezessionen, die wiederum ästhetische Beeinträchtigungen und Zahnhalsüberempfindlichkeiten nach sich ziehen können [3–8, 34]. Eine jahrelange Bearbeitung der Wurzeloberfläche im Rahmen der UPT führt darüber hinaus durch die hohe Abrasivität herkömmlicher Instrumente zu einem nicht unwesentlichen Abtrag von Zahnhartsubstanz; mitunter entstehen sehr „taillierte“, bruchgefährdete Zähne [38].
Während der initialen Instrumentierung sollte sämtlicher subund supragingivaler Zahnstein weitestgehend entfernt worden sein. In der darauffolgenden UPT steht – sofern diese Behandlung in entsprechenden kurzen Intervallen erfolgt – bei vielen Parodontien daher „nur noch“ die Biofilmzerstörung im Vordergrund. Demzufolge ist es eine Überlegung wert, in der UPT minimalinvasiven und patientenfreundlichen Verfahren des Biofilmmanagements den Vorzug zu geben, sofern diese ähnlich wirksam wie herkömmliche Verfahren sind (Abb. 2a und b).
Compliance im Recall und ästhetische Zahnmedizin
Der chronische Charakter parodontaler Erkrankungen erfordert eine lebenslange Therapie, sollen der Zahnverlust oder eine negative Beeinflussung der Allgemeingesundheit verhindert werden. Die Kommunikation der Notwendigkeit andauernder Kontrollen und ggf. wiederholter parodontaler Therapie erfordert viel psychologisches Geschick seitens der behandelnden Zahnärztinnen und Zahnärzte. Suchen Patienten/-innen aufgrund parodontaler Probleme die Praxis auf, handelt es sich oft schon um eine infauste Prognose bei einem schweren Krankheitsbild.
Auf der anderen Seite suchen zunehmend Patientinnen und Patienten den Rat eines Zahnarztes bzw. einer Zahnärztin oder einer Dentalhygienikerin bzw. eines Dentalhygienikers, weil sie sich ästhetisch durch Verfärbungen und dunkle Beläge auf ihren Zähnen beeinträchtigt fühlen. Solche oberflächlichen Verfärbungen der Zähne haben primär meist keinen Krankheitswert, sie sind aber häufig der einzige Grund, warum Patienten/-innen eine Zahnarztpraxis aufsuchen. Diese „nur“ ästhetischen Probleme sind ein willkommener Anlass, die Patienten/-innen an die Praxis und eine allfällige Parodontitistherapie zu binden.
Sie sollten daher ernst genommen werden. Die Wiederherstellung ästhetischer, natürlicher Zahnoberflächen kann die Motivation der Patienten/-innen zur regelmäßigen UPT erhöhen sowie das Bewusstsein zur Verbesserung der täglichen Mundhygiene fördern.
Ursachen von Zahnverfärbungen
Externe Verfärbungen der Zähne entstehen unter anderem durch häufigen Tabak-, Rotwein- oder Kaffeekonsum, aber auch durch Medikamente wie Chlorhexidin-haltige Mundspüllösungen [10]. Sie können von den Patienten/-innen durch Reinigen mit Zahnbürste und Zahnpasta oft nicht mehr selbständig entfernt werden. Eine professionelle Zahnreinigung zur Entfernung dieser oberflächlichen Beläge durch die üblichen Instrumente ist oftmals zu invasiv und wird von den Patienten/-innen als unangenehm empfunden.
Zudem sind einige flächenhafte Verfärbungen, wie sie bei Rauchenden oder Patienten/-innen mit häufigem Teeoder Kaffeekonsum anzutreffen sind, oft nur schwierig und nur unter erheblichem Zeitaufwand zu entfernen. Ziel einer regelmäßigen professionellen Zahnreinigung durch die Zahnärztin bzw. den Zahnarzt oder einen Dentalhygieniker bzw. eine Dentalhygienikerin ist es also, eine für die Patienten/-innen möglichst komfortable Behandlung anzustreben, die nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt und doch gründlich und maximal zahnhartsubstanzschonend ist.
Erste Pulver-Wasserstrahl-Geräte
In den letzten Jahren richtete sich das wissenschaftliche Interesse auf die Entwicklung von Pulver-Wasserstrahl-Geräten für die supra- und subgingivale Anwendung [1,9,12–15,22–27,29,32]. Das Wirkprinzip dieser Systeme vereint durch Druckluft ein pulverförmiges Abrasivmedium mit Wasser, welches auf die Zahnoberfläche gestrahlt wird. Die Anwendung erfolgt je nach Gerätetyp in unterschiedlichen Applikationswinkeln.
Erste Varianten mit Natriumbicarbonat (NaHCO3) oder Aluminiumoxid (Al2O3) Pulver konnten sich allerdings für die subgingivale Instrumentierung nicht durchsetzen. So waren bei Anwendung von Natriumbicarbonat als Strahlmedium deutliche Defekte in Dentin und Wurzelzement die Folge [12–14,26].
Eine Anwendung dieser Pulver zur professionellen Zahnreinigung bei Patienten/-innen mit freiliegenden Zahnhälsen oder im parodontal vorgeschädigten Gebiss war aufgrund des exponierten Dentins daher kontraindiziert. Darüber hinaus wurde eine Traumatisierung der Gingiva beobachtet [13,25].
Die hohe Abrasivität erforderte die Entwicklung neuer PulverWasserstrahl-Geräte, insbesondere für die subgingivale Anwendung im Rahmen der unterstützenden Parodontitistherapie, aber auch für eine schonendere supragingivale Zahnreinigung während der regelmäßigen Kontrollen und Zahnreinigungen. Das Augenmerk richtete sich dabei besonders auf die Entwicklung neuer Strahlmedien, eine Verringerung der Korngröße bestehender Strahlmedien sowie auf die Möglichkeiten der subgingivalen Applikation mittels spezieller Aufsätze.
Aktuelle Entwicklungen
Zunächst wurde hierfür ein Pulver auf Glycin-Basis (Air-Flow SOFT, EMS, Nyon, Schweiz) vorgestellt. Dies verspricht durch eine geringere Härte als Dentin sowie die geringere Korngröße als das ursprüngliche Pulver auf Natriumbicarbonat-Basis (Air-Flow CLASSIC, EMS, Nyon, Schweiz) eine niedrigere Abrasivität und erscheint somit für wiederholte Behandlungen geeignet.
Möglicherweise auch dann, wenn Patienten/-innen freiliegende Zahnhälse aufweisen. Zudem wird postuliert, dass nach der Entfernung der Beläge mit diesem Pulver eine nachträgliche Politur der Oberflächen nicht mehr nötig sei.
In der professionellen supragingivalen Zahnreinigung hat sich die Anwendung von Pulver-Wasserstrahl-Gemischen mittlerweile durchgesetzt. Im Vordergrund stehen vor allem die Schnelligkeit und auch die Effektivität, mit welcher möglicherweise auch zuvor angefärbte Beläge von der Zahnoberfläche entfernt werden können. Gerade bei Patienten/-innen mit starken Engständen oder kieferorthopädischen Apparaturen erweist sich eine gründliche Zahnreinigung auch für Experten/-innen oft als schwierig (Abb. 3a–c).
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Abb. 3b.
© Prof. Dr. Clemens Walter -
Abb. 3c.
© Prof. Dr. Clemens Walter
Mit einem Pulver-Wasserstrahl-Gerät erreicht man auch diese mit Handinstrumenten nur schwer zugänglichen Stellen. Besonderes Augenmerk sollte auf die Abrasivität des Pulvers gelegt werden, um die Zahnoberfläche nicht zu schädigen oder aufzurauen. In vielen Fällen ist daher eine abschließende Fluoridierung eine sehr sinnvolle Ergänzung (Abb. 9).
Es gab zudem Hinweise, dass eine Behandlung mit dem Pulver-Wasserstrahl-Gerät möglicherweise von den Patienten/-innen als weniger unangenehm empfunden werden könnte als eine konventionelle Instrumentierung mit Ultraschall oder Handinstrumenten [14]. Zum einen entstehen keine störenden Geräusche und Vibrationen, zum anderen werden sensible Zahnhälse und Parodontien nicht zusätzlich gereizt. Von einigen Herstellern werden auch Pulver in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten.
Pulver-Wasserstrahl-Gemische in der aktiven und der unterstützenden Parodontitistherapie
Aktuelle Pulver (EMS, Nyon, Schweiz) erlauben bei nur geringer Korngröße auch die subgingivale Instrumentierung, ohne eine Schädigung des Wurzelzements oder der Gingiva hervorzurufen [1,12,13,15]. Das Pulver-Wasser-Gemisch kann mit der Standarddüse bis in den vertieften Sulkus appliziert oder mittels eines feinen, flexiblen Aufsatzes auch direkt in die Zahnfleischtasche eingebracht werden. Durch ein spezielles Düsensystem entsteht eine Verwirbelung am Applikationsort, was einen größeren Wirkbereich zur Folge hat.
Die durch die Anwendung von Pulver-Wasserstrahl-Gemischen möglichen hervorgerufenen Oberflächenveränderungen am exponierten Dentin wurden in einer Laboruntersuchung von Bühler et al. untersucht [12–14]. Das Ziel war es, die Oberflächenveränderungen humaner Zahnwurzeloberflächen nach unterschiedlichen Arten der Instrumentierung zu untersuchen.
Es wurden 2 feinkörnige Glycin-Pulver mit dem damaligen Standard Natriumbikarbonat-Pulver verglichen. Dafür wurden die Wurzeloberflächen von 120 extrahierten menschlichen Molaren nach Instrumentierung unter standardisierten Bedingungen analysiert.
Die Parameter Behandlungszeit, Abstand zur Wurzeloberfläche, Instrumentenwinkel und Art des Pulvers wurden verändert und in der Untersuchung berücksichtigt. Es erfolgten taktile Rauheitsmessungen (Hommeltester, T1000, cantilever Typ TKK 50, Hommel & Seitz, Berlin, Deutschland) hinsichtlich der physikalischen Oberflächenparameter Pt, Rz und Pa. Darüber hinaus wurden die Oberflächenveränderungen mittels 3D-rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen (MeX 5.0 Alicona, Graz, Österreich) visualisiert.
Die statistische Analyse umfasste die Kalkulation von 95-%-Konfindenzintervallen und den Geometric Mean Ratios. Anhand dieser umfassenden Analysen konnte gezeigt werden, dass die verwendeten Pulver sich hinsichtlich ihres Abrasionsverhaltens auf Zahnoberflächen signifikant (p < 0,05) unterschiedlich in Abhängigkeit der Einflussparameter Zeit, Abstand und Pulver verhalten.
Das bedeutet, mit zunehmender Bearbeitungszeit und abnehmender Distanz nehmen die Oberflächenveränderungen zu, insbesondere dann, wenn die Oberfläche mit Natriumbikarbonat bearbeitet wurde. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass in diesen Untersuchungen eine statische Apparatur verwendet wurde und nicht – wie in der Klinik üblich – das Handstück in Bewegung gehalten wurde. Diese Ergebnisse geben einen klaren Hinweis für die tägliche Klinik.
Pulver-Wasserstrahl-Gemische bestehend aus Glycin führen zu signifikant geringeren Rauheitswerten. Wohingegen Pulver, welche Natriumbikarbonat als Strahlmedium enthalten, für die Anwendung auf Wurzeloberflächen – diesen Untersuchungen zufolge – nicht indiziert sind.
Klinische Evidenz
Die ersten publizierten klinischen Studien zeigten bereits vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Effektivität glycinhaltiger Pulver-Wasserstrahl-Anwendungen in der UPT [22]. Demnach ist die schonende und zügige Entfernung eines subgingivalen Biofilms bis zu einer Sondierungstiefe von etwa 4 bis 5 mm mit der Standarddüse möglich. Wesentliche Irritationen der marginalen Gingiva sind hierbei nicht zu verzeichnen [25].
Bemerkenswert war zudem die Beobachtung, dass die Patienten/-innen die Instrumentierung weniger unangenehm empfanden als herkömmliche Verfahren [14,26]. Mittlerweile ist die Entwicklung neuer Pulver noch weiter vorangeschritten, und es liegt nun auch ein Erythritol-Pulver für die subgingivale Anwendung vor*.
Erythritol ist ein Zuckeralkohol und feiner als die bisherigen Glycin-Pulver. Das Pulver wurde speziell für die subgingivale Anwendung entwickelt und enthält 0,3% Chlorhexidin zum Schutz vor bakterieller Kontamination. Erythritol kann nicht verstoffwechselt werden und wird vielfach als künstliches Süßungsmittel verwendet.
Aufgrund der Vielzahl publizierter Studienergebnisse beschäftigen sich auch systematische Übersichtarbeiten mit der Thematik der Effektivität von Pulver-Wasserstrahl-Gemischen, insbesondere bezüglich des Pulvers Erythritol in der aktiven und unterstützenden Parodontitistherapie [1,15,23]. Zwei systematische Übersichtarbeiten aus dem Jahre 2022 werden hier näher diskutiert [1].
Die 1. Analyse stammt von Abdulbaqi und konnte 8 randomisierte kontrollierte Studien einschließen. Differenziert wurde zwischen einer Anwendung im Rahmen der unterstützenden Parodontitistherapie oder der Anwendung im Rahmen der aktiven Parodontitistherapie (ATP). Wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich bei einer Anwendung in der APT um eine zusätzliche Instrumentierung mit Pulver-Wasserstrahl-Gemischen, das heißt ergänzend zu den üblichen Verfahren mit Hand- und Ultraschallinstrumenten, handelt.
In der UPT hingegen wurde die alleinige Anwendung von Pulver-Wasserstrahl-Gemischen gegenüber konventionellen Verfahren verglichen. In unterschiedlichen Metaanalysen wurde herausgearbeitet, dass hinsichtlich der klinischen Parameter Sondierungstiefe, Bluten auf Sondieren und klinischer Attachmentlevel kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsmodalitäten in der UPT bestand. Die zusätzliche Anwendung von Erythritol in der APT zeigte demgegenüber keine signifikanten Differenzen bezüglich Sondierungstiefe und Bluten auf Sondieren, aber signifikante Vorteile der zusätzlichen Instrumentierung mit Erythritol hinsichtlich des klinischen Attachmentlevels.
In weiteren Analysen wurden auch mikrobiologische Parameter oder die Patientenwahrnehmung verglichen. Während keine wesentlichen Unterschiede bzw. nur leichte Tendenzen mit Vorteilen der ErythritolAnwendung bezüglich mikrobiologischer Kenngrößen bestanden, konnte anhand von 3 eingeschlossenen Studien gezeigt werden, dass übereinstimmend die Pulver-Wasserstrahl-Behandlung mit Erythritol von den befragten Patienten/-innen als weniger unangenehm empfunden wurde.
In einer 2. Arbeit von Onisor et al. konnten 7 klinische Studien ausgewertet werden. Auch hier wurde zwischen einer Anwendung von Erythritol in der aktiven (4 Studien) oder unterstützenden parodontalen Therapie (3 Studien) differenziert [23]. Die Autoren stellten eine große Heterogenität hinsichtlich der verwendeten Therapieprotokolle fest.
In den entsprechenden Metaanalysen konnten hinsichtlich Sondierungstiefenreduktion, Bluten auf Sondieren und klinischer Attachmentlevel keine signifikanten Unterschiede zwischen den Test- und Kontrollgruppen bezüglich einer adjuvanten Anwendung von Erythritol im Rahmen der aktiven parodontalen Therapie nach 6 Monaten gezeigt werden. Die Analysen zwischen konventioneller Instrumentierung in der einen und der Anwendung von Erythritol in der anderen Studiengruppe in der unterstützenden parodontalen Therapie zeigten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der oben genannten klinischen Parameter.
Das bedeutet, dass die beiden hier zitierten systematischen Übersichten in eine ähnliche Richtung weisen. Die zusätzliche Anwendung von Erythritol im Rahmen der 1. subgingivalen Instrumentierung scheint demnach nur zu geringen Vorteilen hinsichtlich der klinischen Ergebnisse zu führen. Anders muss die Datenlage hinsichtlich der Anwendung in der UPT interpretiert werden.
Hier zeigen beide Übersichten übereinstimmend eine Pattsituation, d.h., die klinischen Ergebnisse sind zwischen konventioneller Instrumentierung und der alleinigen Erythritol-Behandlung vergleichbar und unterscheiden sich in den Analysen über die hier dokumentierten Untersuchungszeiträume nicht deutlich. Demnach gibt es hier Evidenz, dass die Pulver-Wasserstrahl-Behandlung mit Erythritol die konventionelle Therapie im Rahmen der UPT substituieren kann.
Guided Biofilm
Von Herstellerseite wird das sogenannte Guided Biofilm-Protokoll für die parodontale Therapie vorgeschlagen. Die Attraktivität dieses Verfahrens besteht darin, dass die Invasivität der Instrumentierung dem tatsächlichen Bedarf stufenweise angepasst wird.
Es besteht aus 8 aufeinander aufbauenden Schritten:
- Klinische Diagnostik (Abb. 4a–c und 5)
- Anfärben etwaiger supragingivaler Beläge (Abb. 6)
- Individuelle Motivation
- Supragingivale Behandlung mit Pulver-Wasserstrahl-Gemischen mit der Standarddüse (Abb. 7)
- Subgingivale Behandlung mit Pulver-Wasserstrahl-Gemischen mit einem speziellen, für die subgingivale Instrumentierung vorgesehenen Aufsatz (Abb. 8)
- Instrumentierung mit Ultraschall zur Entfernung verbliebener mineralisierter Ablagerungen
- Kontrolle und Applikation von Fluorid (Abb. 9)
- Terminvereinbarung für die nächste UPT-Sitzung
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Abb. 4a-c: Klinische Bilder eines 60-jährigen Patienten mit einer generalisierten Parodontitis Stadium 3 Grad B. Der Patient nimmt seit 5 Jahren an der regelmäßigen UPT
teil. Im Rahmen der systematischen Parodontitistherapie erfolgten nach der subgingivalen Instrumentierung mehrere parodontalchirurgische Eingriffe mit dem Ziel, die
Furkationsbereiche der Ober- und Unterkiefermolaren der täglichen Mundhygiene mit Interdentalraumbürstchen zugänglich zu machen. Hier findet sich eine Indikation
für die Anwendung von Pulver-Wasserstrahl-Gemischen, da der anatomisch differenzierte Furkationsbereich für traditionelle Verfahren der Instrumentierung schwierig
und oft nur unzureichend zu erreichen ist.
© Prof. Dr. Clemens Walter -
Abb. 4b.
© Prof. Dr. Clemens Walter
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Abb. 4c.
© Prof. Dr. Clemens Walter -
Abb. 5: Der Parodontalstatus im Rahmen der UPT dient zuvorderst der Identifikation eines etwaigen Behandlungsbedarfs. Dieser besteht bei erhöhten Sondierungstiefen und/oder Blutung auf Sondieren. Der aktuelle
Befund zeigt weitgehend stabile parodontale Verhältnisse im Sinne von geschlossenen Zahnfleischtaschen.
© Prof. Dr. Clemens Walter
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Abb. 6–8: Nach der Untersuchung des Entzündungsgrades der parodontalen Gewebe wurden etwaige
supragingivale Beläge angefärbt. Dies diente zum
einen einer zielgerichteten Mundhygieneinstruktion
und zum anderen der „geführten“ Entfernung dieser Beläge im Rahmen der supragingivalen Instrumentierung mittels Pulver-Wasserstrahl-Verfahren
(Abb. 7) und Ultraschall-Instrumenten (Abb. 8).
© Prof. Dr. Clemens Walter -
Abb. 7: Nach der Untersuchung des Entzündungsgrades der parodontalen Gewebe wurden etwaige
supragingivale Beläge angefärbt. Dies diente zum
einen einer zielgerichteten Mundhygieneinstruktion
und zum anderen der „geführten“ Entfernung dieser Beläge im Rahmen der supragingivalen Instrumentierung mittels Pulver-Wasserstrahl-Verfahren
(Abb. 7) und Ultraschall-Instrumenten (Abb. 8).
© Prof. Dr. Clemens Walter
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Abb. 8: Nach der Untersuchung des Entzündungsgrades der parodontalen Gewebe wurden etwaige
supragingivale Beläge angefärbt. Dies diente zum
einen einer zielgerichteten Mundhygieneinstruktion
und zum anderen der „geführten“ Entfernung dieser Beläge im Rahmen der supragingivalen Instrumentierung mittels Pulver-Wasserstrahl-Verfahren
(Abb. 7) und Ultraschall-Instrumenten (Abb. 8).
© Prof. Dr. Clemens Walter -
Abb. 9: Nach der Instrumentierung wurden die
Zahnflächen fluoridiert. Besonderes Augenmerk
wurde hierbei auf die kritischen Areale im Furkationsbereich gelegt. Das Fluoridgel wurde hier mit
einer Spritze und einer stumpfen Kanüle appliziert.
© Prof. Dr. Clemens Walter
Eigene klinische Erfahrungen können die hohe Akzeptanz dieses Verfahrens bestätigen. Insbesondere für Parodontitispatienten/-innen mit geringer Zahnsteinbildung ist daher in der UPT die Applikation von niedrigabrasiven glycin- oder erythritolhaltigen Pulver-Wasserstrahl-Gemischen zu empfehlen.
Praktische Hinweise
Vor einer Pulver-Wasserstrahl-Behandlung sollten die Patienten/-innen zunächst mit einer Schutzbrille und einer Folienabdeckung der Kleidung vor der Aerosol- und Pulverausbreitung geschützt werden. Die Applikationsdüse des Standardhandstückes sollte im Abstand von 2 bis 5 mm und einem Winkel von ca. 45° vom Zahnfleisch abgewendet in kleinen kreisenden Bewegungen über die Zahnoberfläche geführt werden.
Ein Schutz der Weichgewebe vor einer Verletzung durch direkten Pulverstrahlkontakt kann mit einer ausreichenden Isolierung der Lippen, z.B. mit Vaseline, erreicht werden. Das umsichtige Absaugen des Aerosols durch die zahnärztliche Assistenz erleichtert das Arbeiten und schützt das Weichgewebe zusätzlich.
Schlussfolgerung
Nach der Etablierung parodontal stabiler Verhältnisse im Sinne von geschlossenen Zahnfleischtaschen und einer biokompatiblen Wurzeloberfläche folgt die UPT. Die Bedeutung eines regelmäßigen, das heißt bei Parodontitispatienten/-innen mit einer fortgeschrittenen Erkrankung 3-monatlichen Biofilmmanagements in der UPT ist heute unstrittig und allgemein akzeptiert. Die langjährige Adhärenz der Patienten/-innen an dieses Therapieregime stellt aber nach wie vor eine große Herausforderung dar.
Etwaige Anliegen der Patienten/-innen hinsichtlich ästhetischer Aspekte, wie zum Beispiel Zahnverfärbungen, können hilfreich sein, um sie für die regelmäßige UPT zu motivieren. Insbesondere in der UPT sollte auf die Schonung der Zahnhartsubstanz und maximale Minimalinvasivität großer Wert gelegt werden.
Niedrigrasive Pulver-Wasserstrahl-Gemische auf Glycin- oder Erythritol-Basis stellen aufgrund ihres geringen Schädigungspotenzials für die parodontalen Gewebe eine gute, wissenschaftlich fundierte Alternative oder Ergänzung zur herkömmlichen Therapie dar. Die hohe Patientenakzeptanz kann darüber hinaus zu einer verbesserten Compliance und Adhärenz bzgl. der weiteren parodontalen Therapie beitragen. Allerdings muss noch erwähnt werden, dass mit Pulver-Wasserstrahl-Gemischen keine Konkremente oder Zahnstein entfernt werden können, weshalb oftmals bei Patienten/-innen mit hohem Zahnsteinbefall auch im Rahmen der UPT nicht vollständig auf die herkömmliche Therapie mit Ultraschall und/oder Handinstrumenten verzichtet werden kann.